28.09.2008 DOHNÁNYI DIRIGIERT BEETHOVEN CHRISTOPH VON DOHNÁNYI DIRIGENT SAISON 2008/2009 ABONNEMENTKONZERT L1 In Hamburg auf 99,2 In Lübeck auf 88,0 Weitere Frequenzen unter ndrkultur.de Sonntag, 28. September 2008, 19.30 Uhr Lübeck, Musik- und Kongresshalle Das Konzert wird am 8. Juni 2009 um 20.05 Uhr auf NDR Kultur gesendet. Dirigent: LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770 – 1827) CHRISTOPH VON DOHNÁNYI „Leonoren“-Ouvertüre Nr. 3 C-Dur op. 72 (1806) Adagio. Allegro. Presto Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 (1806) Adagio. Allegro vivace Adagio Allegro vivace Allegro ma non troppo Foto {M}: Gray, Wolfe, Wolf | gettyimages Pause Sinfonie Nr. 5 c-moll op. 67 (1803 –1808) Allegro con brio Andante con moto Allegro Allegro. Presto Die Konzerte des NDR Sinfonieorchesters hören Sie auf NDR Kultur. Hören und genießen 03 CHRISTOPH VON DOHNÁNYI VOM KOMPONIEREN „POETISCHER IDEEN“ DIRIGENT ZU DEN WERKEN LUDWIG VAN BEETHOVENS Christoph von Dohnányi übernahm mit Beginn der Saison 2004/2005 die Position des Chefdirigenten beim NDR Sinfonieorchester, mit dem er zahlreichen Einladungen in die großen Musikmetropolen der Welt folgte. Er leitet regelmäßig international renommierte Orchester wie das Boston Symphony, Chicago Symphony und Pittsburgh Symphony Orchestra sowie das Israel Philharmonic, Los Angeles Philharmonic und New York Philharmonic Orchestra. Im September 1997 wurde Christoph von Dohnányi Principal Conductor beim Londoner Philharmonia Orchestra, nachdem er schon seit 1994 Principal Guest Conductor dieses Orchesters gewesen war. Nachdem Ludwig van Beethoven mit seinen zwischen 1799 und 1802 komponierten ersten beiden Sinfonien zwei Werke geschaffen hatte, die sich ungeachtet ihrer Originalität im Wesentlichen an den traditionellen Gattungsmodellen orientierten, begann er in den Folgejahren die überlieferten Formkonzepte mehr und mehr in Frage zu stellen – war er doch laut den Erinnerungen seines Schülers Carl Czerny mit seinem bisherigen SinfonieSchaffen „wenig zufrieden“. Infolge der anschließend einsetzenden Auseinandersetzung mit der sinfonischen Disposition musste Beethoven einerseits der Frage nachgehen, in wieweit er mit dem primär historisch und nicht ästhetisch fundierten traditionellen Sinfonieaufbau sein erklärtes Ziel erreichen konnte, „poetische Ideen“ in Musik zu setzen. Andererseits musste geklärt werden, wie die reine Instrumentalmusik in ihrem Ausdruck diese „poetischen Ideen“ – beispielsweise Themen der Zeit, wie etwa die Frage nach der individuellen Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen – in sich aufnehmen konnte, ohne dabei ihren absoluten und autonomen Kunstcharakter zu verlieren. Zum Abschluss seines Dirigier-, Kompositions- und Klavierstudiums an der Münchner Musikhochschule wurde Christoph von Dohnányi der Richard-StraussPreis der Stadt München verliehen. Anschließend setzte er sein Studium bei seinem Großvater Ernst von Dohnányi an der Florida State University fort. 1953 wurde er von Sir Georg Solti zum Dirigenten und Korrepetitor an die Oper Frankfurt berufen. Im Alter von 27 Jahren wurde er in Lübeck der jüngste Generalmusikdirektor Deutschlands, bevor er die Stelle des Chefdirigenten beim WDR Sinfonieorchester Köln antrat. Seine weitere Karriere führte ihn als Generalmusikdirektor und Operndirektor nach Frankfurt und 1977 nach Hamburg, wo er als Intendant und Chefdirigent die Hamburgische Staatsoper leitete. Zwanzig Jahre stand er – zunächst ab 1982 als Music Director designate und dann von September 1984 bis August 2002 als Music Director – dem Cleveland Orchestra vor, DIRIGENT 04 bevor er im September 2002 zum Music Director laureate ernannt wurde. Als Operndirigent gastierte Christoph von Dohnányi an international renommierten Häusern wie Covent Garden in London, der Mailänder Scala, der New Yorker Met, der Opéra Paris, der Oper Zürich und der Wiener Staatsoper. Regelmäßig war er bei den Salzburger Festspielen zu Gast, wo er die Wiener Philharmoniker in zahlreichen Opernproduktionen dirigierte. Im Oktober werden Christoph von Dohnányi und das NDR Sinfonieorchester zu einer Tournee nach China und Taiwan aufbrechen. Auf dem Programm der in der Zeit vom 04.10. bis 11.10.2008 stattfindenden Konzerte in Taipeh, Peking und Shanghai stehen Werke von Beethoven, Brahms und Sibelius. Vor diesem Hintergrund war es Beethoven nicht mehr möglich, wie selbstverständlich eine Sinfonie nach der anderen zu komponieren. Vielmehr be gann er, die selbst gestellten Problembereiche von unterschiedlichen Richtungen aus anzugehen, indem er an mehreren Projekten gleichzeitig arbeitete. Bereits vor Fertigstellung der „Sinfonia eroica“, dem großen sinfonischen Durchbruch und ersten bedeutenden kompositorischen Zeugnis des von ihm selbst so bezeichneten „neuen Weges“, finden sich in den Skizzenbüchern aus den Jahren 1803/1804 erste Entwürfe einer Sinfonie in c-moll (der späteren Nummer Fünf), die jedoch zunächst zugunsten der „Sinfonia pastorale“ zurückgestellt wurde. Als sich Beethoven 1807 die Skizzen wieder vornahm, beschäftigte er sich parallel mit der Fünften und Sechsten Sinfonie, bis er ein Jahr darauf beide Werke etwa gleichzeitig vollendete. Doch damit nicht genug: Innerhalb des Zeitraumes von 1805 bis 1807 komponierte er u.a. das Violinkonzert, die Ouvertüre zum Trauerspiel „Coriolan“, die Vierte Sinfonie sowie die drei „Leonoren“-Ouvertüren. QUINTESSENZ DER OPERNHANDLUNG – DIE „LEONOREN“-OUVERTÜRE NR. 3 Die „Leonoren“-Ouvertüren waren ursprünglich alle als Vorspiele zu Beethovens einziger Oper „Leonore“ bzw. „Fidelio“ konzipiert – ein Werk, dessen Titel von Anfang an wechselte. Und allein die Tatsache, dass insgesamt vier verschiedene dieser Ouvertüren existieren, dokumentiert die ungewöhnlich lange Entstehungs- und Revisionsgeschichte der Oper (1804–1814). Das Libretto, ein Stoff aus der französischen Revolution, der bereits in seiner Ver tonung durch Pierre Gaveaux als „Léonore ou L’ Amour conjugal“ 1798 in Paris großen Erfolg hatte, stammt von dem Schriftsteller Jean Nicolas Bouilly und wurde vom Wiener Hoftheater-Sekretär Joseph Sonnleithner für Beethoven ins Deutsche übersetzt. In Beethovens Lesart verschob sich das ursprünglich politisch unbe- PROGRAMM 05 denkliche Thema der ehelichen Treue (dem das reaktionäre Publikum jedes feudalen Hoftheaters unbeschwert applaudieren konnte) zugunsten revolutionärer Ideen. Denn die Geschichte von Leonore, die als Mann verkleidet ihren Gatten Florestan aus dem Kerker eines Despoten befreit, steht unter Hervorhebung hoher Menschheitsideale allgemein für den Widerstand gegen Tyrannei und Machtwillkür. Insofern verwundert es nicht, dass die ursprünglich auf den 15. Oktober 1805 angesetzte Uraufführung des Werkes vom Zensor der Polizeihofstelle Wiens verboten wurde. Nachdem es Sonnleithner schließlich gelungen war, die Zensurbehörde zur Rücknahme ihrer Entscheidung zu bewegen, fand die Premiere der „Leonoren“-Erstfassung (mit der Ouvertüre „Leonore II“) am 20. November 1805 im Theater an der Wien statt. Dem Werk war kein Erfolg „Leonore“/ „Fidelio“: Theaterzettel zur Uraufführung am 20. November 1805 im Theater an der Wien PROGRAMM 06 beschieden, so dass August von Kotzebu in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Der Freimüthige“ am 14. Januar 1806 schrieb: „Eine neue Beethovensche Oper: Fidelio, oder die eheliche Liebe, gefiel nicht. Sie wurde nur einigemale aufgeführt und blieb gleich nach der ersten Vorstellung ganz leer. Die Melodien sowohl als die Characteristik vermissen, so gesucht auch manches darin ist, doch jenen glücklichen, treffenden, unwiderstehlichen Ausdruck der Leidenschaft, der uns aus Mozartschen und Cherubinischen Werken so unwiderstehlich ergreift.“ Schon ab Dezember 1805 entschloss sich Beethoven zur Revision, bei der er umfangreiche Striche und Umgestaltungen vornahm. Die überarbeitete Version mit der „Leonoren“-Ouvertüre Nr. 3 konnte bereits vier Monate später aufgeführt werden, allerdings zog der Komponist die Oper trotz zahlreicher positiver Rezensionen wieder zurück, da er sich mit der Theaterdirektion überworfen hatte. Die Ouvertüre „Leonore I“ op. 138, von der man lange annahm, sie sei als erste entstanden, wurde wahrscheinlich erst 1807 für eine geplante Aufführung in Prag komponiert, zu der es jedoch nicht kam. Alle drei „Leonoren“-Ouvertüren dokumentieren Beethovens für die damalige Zeit unerhörten Versuch, die Opernhandlung in komprimierter Form im Vorspiel zusammenzufassen, was eine beeindruckende Dichte von Motiven und harmonischen Entwicklungen zur Folge hatte. Am Ende setzte sich beim Komponisten jedoch die Erkenntnis durch, dass ein dramatisches Bühnenwerk viel von seiner Wirkung verliert, wenn das Geschehen bis hin zum triumphalen Ende orchestral antizipiert wird. So „HEITER, VERSTÄNDLICH UND SEHR EINNEHMEND“ – BEETHOVENS VIERTE Ludwig van Beethoven schuf er mit der Fidelio-Ouvertüre, die am 23. Mai 1814 am Wiener Kärntnertortheater im Rahmen der Wiederaufnahme der dritten und letzten Fassung der Oper erstmals erklang, ein vergleichsweise konventionelles Stück, das von der eigentlichen Bühnenhandlung ziemlich unabhängig ist. Die wesentlich umfangreicheren „Leonoren“Ouvertüren spiegeln demgegenüber das Bühnengeschehen (wenn auch nicht in dessen chronologischer Abfolge), wobei die dritte Ouvertüre op. 72 in Sonatenform den Charakter eines ausgewogenen sinfonischen Satzes annimmt. Im Gegensatz zu Beethovens „Leonoren“-Ouvertüren bzw. seiner Oper „Fidelio“, die auf den internationalen Spielplänen regelmäßig vertreten sind, wird seine im Herbst 1806 komponierte und wahrscheinlich im März 1807 in einem der Privatkonzerte bei Fürst Lobkowitz uraufgeführte Vierte Sinfonie B-Dur op. 60 auch heute noch verhältnismäßig selten zur Aufführung gebracht. Diese Vernachlässigung hat eine lange Tradition, reagierten doch bereits Beethovens Zeitgenossen auf die vermeintlich „klassizistischen“ Tendenzen der Musik eher mit Zurückhaltung. Zwar wurde das Werk in einer Konzertkritik der Allgemeinen musikalischen Zeitung von 1811 als „heiter, verständlich und sehr einnehmend“ charakterisiert. Der Rezensent vertrat jedoch die Meinung, das Stück habe einen geringeren geistigen Anspruch, als Beethovens Dritte bzw. Fünfte Sinfonie. Und in einer Kritik von 1830 (ebenfalls in der Allgemeinen musikalischen Zeitung) ist zu lesen: „Sie [die Sinfonie] ist eines von den Werken des unsterblichen Tondichters, die in die gleiche Sphäre mit Mozarts, Spohrs und anderen Symphonien gehören, in denen sich der Künstler noch nicht zu einem höheren Bewusstsein, zu einer bestimmten Idee erhoben hat. Unbedingt muss man seiner c-moll, A-Dur, F-Dur, d-moll-Symphonie einen höheren Rang zuerkennen, ließ auch eine derselben Einzelnes zu wünschen, was die B-Dur-Symphonie schöner erfüllt.“ Letztere Ausführungen sind Teil einer regelrechten Kampagne, die der Musiktheoretiker und Beethoven-Biograph Adolf Bernhardt Marx betrieben hat, um jene Rangordnung zu postulieren, PROGRAMM 07 nach der die Sinfonien Beethovens mit den ungeraden Ordnungszahlen (ausgenommen der Nummer Eins) gegenüber den mit den geraden Ordnungszahlen die weitaus bedeutenderen Werke seien. Blieb die „Pastorale“ (sie ist mit der „F-Dur“ gemeint) als Sonderfall ausgenommen, traf Marx’ negatives Urteil vor allem die Vierte und Achte Sinfonie, und das zweifellos zu Unrecht. Denn ge rade bei diesen Werken handelt es sich um Kompositionen, in denen Phantasiereichtum und die Raffinesse in Technik und Formgestaltung eine vielfach als genial bezeichnete Synthese eingehen. Dessen ungeachtet entfernt sich die Vierte Sinfonie zweifellos vom heroischen Gestus der französischen Revolutionsmusiken, wenngleich auch hier in subtiler Weise derartige stilistische Charakteristika anzutreffen sind. Vielleicht spielte Hector Berlioz hierauf an, als er unter dem Eindruck der Beethoven: Vierte Sinfonie. Eigenhändige Niederschrift der Partitur PROGRAMM 08 epochalen Aufführungen Beethovenscher Orchesterwerke am Pariser Conservatoire unter François Antoine Habeneck schrieb: „Hier verlässt Beethoven Ode und Elegie vollständig, um zu dem weniger erhabenen und weniger düsteren, aber vielleicht nicht weniger schwierigen Stile der zweiten Symphonie zurückzukehren. Der Charakter der Partitur ist im allgemeinen lebhaft, frisch, heiter oder von himmlischer Zartheit.“ Dabei ist die Sinfonie von derselben strengen konstruktiven Logik durchdrungen wie die berühmteren Nachbarwerke „Eroica“ und „Schicksalssinfonie“. Dies zeigt sich bereits in der langsamen Einleitung des Kopfsatzes, in welchem das für die Sinfonik konstitutive dialektische Prinzip – die Darstellung der Wirkung zweier gegensätzlicher Kräfte – deutlich spürbar ist. (So wird der „leere“ B-Klang zu Beginn der langsamen Einleitung nicht harmonisch gefestigt, sondern durch eine auf dem leiterfremden Ton Ges beginnende und endende Kette fallender Terzen in Frage gestellt.) Ohne selbst wirklich konkret thematisch zu sein, liefert diese Adagio-Introduktion die Grundlage für die folgende musikalische Entwicklung, da die absteigenden Terzen auf das zweite Thema des sich anschließenden Allegro vivace verweisen. Gemäß den Erkenntnissen des Musikwissenschaftlers Rudolf Bockholdt entscheidender, weil die Struktur unmittelbar betreffend, ist demgegenüber, dass die Takteinheiten von Einleitung und Hauptteil exakt im Verhältnis 1:4 stehen. Ein Adagio-Takt entspricht also vier AllegroTakten, ein verblüffendes Zahlenverhältnis, das die intensive strukturelle Arbeit Beethovens in aller Deutlichkeit dokumentiert. Der entscheidende Moment, in dem diese äquivalente Tempo-Relation deutlich spürbar wird, ist der Übergang vom langsamen zum schnelleren Teil – ein Übergang, in dem sich die aufgestauten Erwartungen mit elementarer Wucht entladen: „Der Beginn des ‚Allegro vivace‘ der Vierten Symphonie ist einer derjenigen Augenblicke in Beethovens Musik, die uns den Atem verschlagen“ (R. Bockholdt). Und obwohl die Durchführung dieses Kopfsatzes im allgemeinen nicht jenen demonstrativen Gestus wie in der „Eroica“ annimmt (sie enthält nur einen einzigen Fortissimo-Ausbruch), ist auch sie für sich genommen nicht minder einem logischkonstruktiven musikalischen Entwicklungsprozess verpflichtet; ihre oft kritisierte „romantische“ Färbung ist lediglich das Resultat einer anderen Handhabung der motivisch-thematischen Arbeit. Das dialektische Prinzip prägt auch den langsamen zweiten Satz und lässt die Musik zu einem überraschenden rhythmischen Vexierspiel werden: Das auftaktige Quartmotiv scheint in Achteln, die Kantilene dagegen in Vierteln zu zählen, was zu Reibungen führt, die im ganzen Satz über präsent sind. Auch der dritte Satz ist von Gegensatzpaaren geprägt, da die geradtaktige Melodik ständig mit der metrischen Gliederung des 3/4-Taktes kollidiert. Und im Finale, einem Satz, der von einem unaufhaltsamen nach vorne drängenden Impetus geprägt wird, steht mit Motorik contra Kantabilität ein weiteres Gegensatz-Paar im Zentrum des musikalischen Prozesses, mit dessen Vermittlung die Sinfonie in gelöster Stimmung endet. wurde neben der Phantasie für Klavier, Chor und Orchester op. 80 auch die Sechste Sinfonie uraufgeführt. Weiterhin standen noch das Vierte Klavierkonzert op. 58, die Arie „Ah perfido“ op. 65 sowie Teile der Messe op. 86 auf dem Programm. Offenbar hatten die Schwierigkeiten bei der Veranstaltung einer eigenen Konzert-„Akademie“ Beethoven dazu bewogen, die Gelegenheit ausgiebig zu nutzen. Das Ergebnis überforderte jedoch erwartungsgemäß alle Beteiligten, weshalb auch der Rezensent der Allgemeinen musikalischen Zeitung freimütig bekannte: „Alle diese aufgeführten Stücke zu beurtheilen, ist, nach erstem und einmaligem Anhören, besonders da die Rede von Beethovenschen Werken ist, derer hier so viele nach einander gegeben wurden, und die meistens so gross und lang sind, geradezu unmöglich.“ Einen umfassenden Eindruck des überlangen Abends vermittelt der Komponist Johann Friedrich Reichardt, der „AUSBRUCH GENIALER PHANTASIE“ – DIE FÜNFTE SINFONIE BEETHOVENS Die Premiere von Ludwig van Beethovens Fünfter Sinfonie erfolgte am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien. In dem mammutartigen Konzert Skizzenblatt zu Beethovens Fünfter Sinfonie PROGRAMM 09 das Konzert gemeinsam mit dem Grafen Lobkowitz in dessen Loge erlebte: „Da haben wir denn auch in der bittersten Kälte von halb sieben bis halb elf ausgehalten, und die Er fahrung bewährt gefunden, daß man auch des Guten – und mehr noch des Starken – zu viel haben kann. […] Der arme Beethoven […] hatte bei der Veranstaltung und Ausführung manchen großen Widerstand und nur schwache Unterstützung gefunden. Sänger und Orchester waren aus sehr heterogenen Theilen zusammengesetzt, und es war nicht einmal von allen auszuführenden Stücken, die alle voll der größten Schwierigkeiten waren, eine ganz vollständige Probe zu veranstalten, möglich geworden.“ Zu Beethovens Fünfter Sinfonie schrieb Reichardt in seinem Bericht nur einen Satz: „Eine große, sehr ausgeführte, zu lange Symphonie“ – ein mehr als magerer Kommentar eines Musikers zu einem der bedeutendsten Werke der europäischen Musik- Beethoven: Sinfonie Nr. 5. Titelblatt der Erstausgabe Leipzig 1809 PROGRAMM 10 geschichte. Doch Reichardt war nicht der einzige, der ohne tieferen Eindruck blieb, was zweifellos der wenig glücklichen Aufführungssituation ge schuldet war. Demgegenüber schrieb der Rezensent der Wiener allgemeinen musikalischen Zeitung bereits im Jahr 1813: „Dieser Ausbruch genialer Phantasie, kraftvoller Größe, dieses lebendige Bild hoher Leidenschaft in allen Abstufungen bis zu ihren heftigsten Momenten, und ihrer Auflösung in triumphierendem Jubel, ist allgemein als ein Meisterwerk des Verfassers erkannt, das im Fache großer Instrumental-Musik einen klassischen Werth behauptet. Welche Fülle und Gediegenheit der Ideen! Welche reichhaltige, effektvolle Instrumentierung! Welcher wahre innere Genius! Verliert sich auch der Verfasser zuweilen in die Unendlichkeit seiner Phantasie, schreitet er auch manchmahl über das regelmäßige Verhältniß in dem Bau der Perioden hinaus, so gibt ihm selbst diese Abschüttelung der von älteren Klassikern geehrten Formen wieder Gelegenheit, neue Schönheiten zu entfalten.“ Hatte Beethoven bisher als Ausgangspunkt einer Sinfonie unterschiedliche Arten langsamer Einleitungen vor den schnellen Hauptsätzen erprobt bzw. in der „Eroica“ erstmals mit dem schnellen Satz begonnen, dessen Eröffnungsthema aber quasi als Relikt der Einleitung zwei einzelne Akkordschläge vorangestellt wurden, ging er in der Fünften Sinfonie c-moll erstmals anders vor. Das Werk beginnt ohne Introduktion konsequent und wirkungsvoll mit dem Kernmotiv des Hauptthemas, welches aufgrund seiner einzigartigen motivisch-thematischen Konzentration nicht nur die Keimzelle des ersten Satzes, sondern die der gesamten Sinfonie bildet. Hatte sich der erste Satz reflexiven Momenten des Einhaltens, Ausruhens oder Sich-Umschauens strikt verweigert (von der kurzen Oboen-Kadenz zu Beginn der Reprise abgesehen), wird das nachfolgende kantable Andante nachdrücklich von diesen Momenten bestimmt: Zwei lyrische Themen werden in vier Variationen unterschiedlichen Charakters verarbeitet, bevor die Musik von einer affirmativ wirkenden Signalfanfare beendet wird. Zu Beginn des wieder nach c-moll eingetrübten Scherzos erklingt demgegenüber mit der pianissimo vorgetragenen Unisono-Linie der Violoncelli und Bässe eine tragisch anmutende Musik, deren Ausdruck sich bald zu einem „verzweiflungsvollen Zustand“ (Beethoven) steigert. Formal weicht das Scherzo dann von der konventionellen Satzanlage der klassischen Sinfonie ab, da es nicht die herkömmliche retardierende Funktion vor dem abschließenden Finale einnimmt. Der musikalische Verlauf mündet vielmehr unmittelbar in den Anfang des letzten Satzes, dessen einleitender „éclat triomphal“ (Peter Gülke) nach den improvisiert wirkenden letzten Überleitungstakten wie das ferne Licht am Ende eines langen Tunnels erscheint. Mit drei erstmals in der Sinfonik verwendeten Instrumenten (Piccoloflöte, Kontrafagott und Posaunen) entwirft Beethoven dann einen triumphalen Marsch, der nicht nur im allgemeinen Gestus, sondern auch im Detail die offizielle Musik der Französischen Revolution anklingen lässt. Zum Ende des Werkes geht dieser ursprünglich militärische Charakter des Hauptthemas apotheotisch in einer reinen C-Dur-Klangfläche auf, wodurch dem Komponisten die Metamorphose einer Sinfonie von c-moll nach C-Dur nachhaltig gelingt. Das Ergebnis ist ein vollkommen neuartiges, streng auf die Finalwirkung ausgerichtetes Sinfoniekonzept, dessen Kernidee des „per aspera ad astra“ Adolf Bernhard Marx mit „Durch die Nacht zum Licht! Durch Kampf zum Sieg!“ übersetzte. Harald Hodeige PROGRAMM 11 ABONNEMENTKONZERTE L2 Sonntag, 19. Oktober 2008, 19.30 Uhr Lübeck, Musik- und Kongresshalle HB1 Montag, 20. Oktober 2008, 20 Uhr Bremen, Glocke Dirigent: Thomas Hengelbrock Solistin: Katarina Karnéus Mezzosopran WOLFGANG AMADEUS MOZART Sinfonie C-Dur KV 425 „Linzer“ JOSEPH HAYDN Scena di Berenice Kantate für Mezzosopran und Orchester Hob. XXIVa: 10 BÉLA BARTÓK Konzert für Orchester C1 Donnerstag, 13. November 2008, 20 Uhr D2 Freitag, 14. November 2008, 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Dirigent: Christoph von Dohnányi ROBERT SCHUMANN Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 „Frühlingssinfonie“ RICHARD STRAUSS „Ein Heldenleben“ op. 40 Einführungsveranstaltung am 14.11.2008 um 19 Uhr mit Habakuk Traber im E-Saal der Laeiszhalle (keine Einführungsveranstaltung am 13.11.2008). „Konzertanfänger“-Einführung zu Strauss’ „Ein Heldenleben“ am 14.11.2008 um 20 Uhr im E-Saal der Laeiszhalle. Die Konzerte werden vom Fernsehen aufgezeichnet. Wir bitten um Verständnis, dass einige Abonnenten nicht auf ihren gewohnten Plätzen werden sitzen können. Sie werden durch das Einlasspersonal umgesetzt werden. NDR CHOR A2 Sonntag, 2. November 2008, 11 Uhr B2 Montag, 3. November 2008, 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Dirigent: Andris Nelsons Solist: Martin Grubinger Schlagzeug HECTOR BERLIOZ Le Corsaire op. 21 BRUNO HARTL Konzert für Schlagzeug und Orchester IGOR STRAWINSKY Petruschka Einführungsveranstaltung am 03.11.2008 um 19 Uhr mit Habakuk Traber im Kleinen Saal der Laeiszhalle. KONZERTVORSCHAU 12 Mittwoch, 8. Oktober 2008, 19 Uhr Hamburg, St. Katharinen Dirigent: Philipp Ahmann Solisten: Sarah Wegener Sopran Johanna Winkel Sopran Franziska Gottwald Alt Julian Prégardien Tenor Konstantin Wolff Bass-Bariton Elbipolis Barockorchester Hamburg NDR Chor JOHANN SEBASTIAN BACH Ouvertüre Nr. 2 h-moll BWV 1067 Kantate „Gloria in Excelsis Deo“ BWV 191 Magnificat D-Dur BWV 243 JOHANNES BRAHMS Motette „Schaffe in mir Gott“ op. 29 Nr. 2 Motette „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“ op. 74 Nr. 1 KAMMERKONZERT Dienstag, 21. Oktober 2008, 20 Uhr Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio TROMPETTES D’OR Werke von CLAUDIO MONTEVERDI JEAN-PHILIPPE RAMEAU SOFIA GUBAIDULINA FLORENT SCHMITT SAMUEL SCHEIDT MARCEL BITSCH ASTOR PIAZZOLLA Jeroen Berwaerts Trompete Guillaume Couloumy Trompete Jens Plücker Horn Stefan Geiger Posaune Maria Ollikainen Klavier Solisten: Mojca Erdmann Sopran Christoph Bantzer Sprecher und Moderation PETER RUZICKA Antifone – Strofe für 25 Solostreicher und Schlagzeug … über ein Verschwinden (Streichquartett Nr. 3) „ … sich verlierend“ (Streichquartett Nr. 4) „ ... ins Offene ...“ Musik für 22 Streicher Erinnerung und Vergessen (Streichquartett Nr. 6) In Kooperation mit der Freien Akademie der Künste, Hamburg KONZERT STATT SCHULE (AB 15 JAHRE / MITTELSTUFE, OBERSTUFE) Dienstag, 28. Oktober 2008, 9.30 Uhr Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio WERKSTATT-KONZERT mit Martin Grubinger (Schlagzeug) Der Eintritt zu den Veranstaltungen „Konzert statt Schule“ ist frei. Einlasskarten, exklusiv für Schulklassen, für alle Konzerte ab 12.08.2008 nach schriftlicher Anmeldung im NDR Ticketshop. NDR DAS NEUE WERK Freitag, 24. Oktober 2008, 20 Uhr Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio „... INS OFFENE ...“ Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus, Tel. 0180 - 1 78 79 80 (bundesweit zum Ortstarif für Anrufe aus dem deutschen Festnetz, Preise aus dem Mobilfunknetz können abweichen), online unter www.ndrticketshop.de Musik von Peter Ruzicka NDR Sinfonieorchester Dirigent: Peter Ruzicka Minguet Quartet KONZERTVORSCHAU 13 1. VIOLINEN KONTRABASS POSAUNE IMPRESSUM Roland Greutter**, Stefan Wagner**, Florin Paul**, Gabriella Györbiro*, Lawrence Braunstein*, Marietta Kratz-Peschke*, Brigitte Lang*, Dagmar Ferle, Malte Heutling, Sophie ArbenzBraunstein, Radboud Oomens, Katrin Scheitzbach, Ruxandra Klein, Alexandra Psareva, Bettina Lenz, Razvan Aliman, Barbara Gruszczynska, Motomi Ishikawa, Sono Tokuda, N.N., N.N. Ekkehard Beringer**, Michael Rieber**, Katharina C. Bunners*, Jens Bomhardt*, Karl-Helmut von Ahn, Eckardt Hemkemeier, Peter Schmidt, Volker Donandt, Tino Steffen Stefan Geiger**, Simone Candotto**, Joachim Preu, Peter Dreßel, Uwe Leonbacher (Bassposaune) Herausgegeben vom Wolfgang Ritter**, Matthias Perl**, Hans-Udo Heinzmann, N.N., Jürgen Franz (Piccolo) HARFE 2. VIOLINEN OBOE PAUKE Rodrigo Reichel**, Christine-Maria Miesen**, Rahel Rilling*, N.N.*, Rainer Christiansen, Horea Crisan, Regine Borchert, Felicitas Mathé-Mix, Hans-Christoph Sauer, Stefan Pintev, Theresa Micke, Boris Bachmann, Juliane Laakmann, Frauke Kuhlmann, Raluca Stancel, N.N. Paulus van der Merwe**, Kalev Kuljus**, Malte Lammers, Beate Aanderud, Björn Vestre (Englisch Horn) Stephan Cürlis**, N.N. VIOLA Marius Nichiteanu**, Jan Larsen**, Jacob Zeijl**, N.N.*, Gerhard Sibbing*, Klaus-Dieter Dassow, Rainer Castillon, Roswitha Lechtenbrink, Rainer Lechtenbrink, Thomas Oepen, Ion-Petre Teodorescu, Aline Saniter, Torsten Frank, N.N. Markus Hötzel** FLÖTE Christopher Franzius**, N.N.**, Yuri-Charlotte Christiansen**, Dieter Göltl*, Vytautas Sondeckis*, Thomas Koch, Michael Katzenmaier, Christof Groth, Sven Forsberg, Bettina Barbara Bertsch, Christoph Rocholl, Fabian Diederichs NDR SINFONIEORCHESTER 14 Ludmila Muster** Thomas Starke**, N.N.**, Sonja Bieselt, N.N., Björn Groth (Kontrafagott) Jürgen Lamke Wolfgang Preiß (Inspizient), Matthias Pachan, Walter Finke, Stefanie Kammler VORSTAND Claudia Strenkert**, Jens Plücker**, N.N., Volker Schmitz, Dave Claessen*, Marcel Sobol, Jürgen Bertelmann TROMPETE Jeroen Berwaerts**, Guillaume Couloumy**, Bernhard Läubin, Stephan Graf, Constantin Ribbentrop Redaktion des Programmheftes: Dr. Harald Hodeige Der Einführungstext von Dr. Harald Hodeige ist ein Originalbeitrag für den NDR. TASTENINSTRUMENTE ORCHESTERWARTE FAGOTT Redaktion Sinfonieorchester: Achim Dobschall SCHLAGZEUG Wassilios Papadopoulos**, Thomas Schwarz Nothart Müller**, N.N.**, Bernhard Reyelts, Walter Hermann (Es-Klarinette), Renate Rusche-Staudinger (Bassklarinette) NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK BEREICH ORCHESTER UND CHOR Leitung: Rolf Beck KLARINETTE HORN VIOLONCELLO TUBA Boris Bachmann, Hans-Udo Heinzmann, Hans-Christoph Sauer **Konzertmeister und Stimmführer *Stellvertreter Fotos: Klaus Westermann | NDR (Titel) Andreas Laible (S. 4) akg-images (S. 6) akg-images (S. 7) akg-images (S. 8) akg-images (S. 9) akg-images (S. 10) NDR | Markendesign Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg Litho: Reproform Druck: KMP Print Point Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des NDR gestattet. NDR SINFONIEORCHESTER 15 Foto: Klaus Westermann | NDR Sie möchten Musik live erleben? 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