„Lobsang Dargayaa heißt jetzt Zava Rinpotsche“ Revitalisierung des Buddhismus in der postsozialistischen Mongolei am Beispiel der Lebensgeschichte eines Mönches Magisterarbeit zur Erlangung der Würde des Magister Artium der Philologischen, Philosophischen und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg. vorgelegt von Bernhard Schittich aus Waiblingen Sommersemester 2005 Ethnologie meinen Eltern Inhalt VORWORT.............................................................................................................................. 5 1. EINLEITUNG.................................................................................................................. 7 2. ASPEKTE DER FELDFORSCHUNG.........................................................................12 2.1 ORTE UND PERSONEN........................................................................................................ 12 2.2 VERLAUF UND METHODEN................................................................................................. 13 2.3 CHANCEN UND SCHWIERIGKEITEN ........................................................................................17 3. ASPEKTE DES BUDDHISMUS.................................................................................. 21 3.1 DIE DARSTELLUNG DES BUDDHISMUS ALS PROBLEM WESTLICHER REZEPTION.................................21 3.2 LEHREN DES BUDDHA .......................................................................................................24 3.2.1 Buddha Schakyamuni....................................................................................................................... 24 3.2.2 Die Vier Edlen Wahrheiten............................................................................................................... 25 3.2.3 Aspekte der Verbreitung................................................................................................................... 31 3.3 DER BUDDHISMUS IN TIBET................................................................................................33 3.3.1 Diamantfahrzeug..............................................................................................................................33 3.3.2 Meister............................................................................................................................................. 36 3.3.3 Tulku-System.................................................................................................................................... 38 3.3.4 Geschichtliche Entwicklung.............................................................................................................. 42 4. GESCHICHTE DES BUDDHISMUS IN DER MONGOLEI BIS ZUM ZUSAMMENBRUCH DES SOZIALISTISCHEN SYSTEMS..................................... 44 4.1 STATIONEN DER AUSBREITUNG DES TIBETISCHEN BUDDHISMUS IN DER MONGOLEI........................... 44 4.2 UMWÄLZUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT.................................................................................. 47 5. EIN MÖNCH IN DER MONGOLEI........................................................................... 51 5.1...UND EIN ETHNOLOGE - REFLEXION EINER FELDFORSCHUNGSBEZIEHUNG....................................... 51 5.2...UND SEINE LEBENSGESCHICHTE – STATIONEN EINER RELIGIÖSEN LAUFBAHN................................. 55 5.3...UND SEIN VORGÄNGER - ENTDECKUNG ALS TULKU................................................................ 58 5.3.1 Eigen- und Fremddarstellung des Rollenwechsels anlässlich der Ernennung zum Tulku....................59 5.3.2 Detailbetrachtungen der Selbstwahrnehmung................................................................................... 65 5.4... UND SEINE ARBEIT – REVITALISIERUNG DES BUDDHISMUS AUS DER HANDLUNGSPERSPEKTIVE..........69 5.4.1 Erster Versuch der Etablierung einer Struktur: die NGO Amar Mur................................................. 70 5.4.2 Anknüpfen am Lebenswerk seines Vorgängers: der Wiederaufbau des Klosters Delgeruun Choira....73 5.4.3 Umsetzungsprozess der Reimplantierung des Buddhismus: Aufgaben, Ziele und Strategien...............77 6. INTERNATIONALE VERFLECHTUNGEN DER GLAUBENSGEMEINDE AM BEISPIEL DER AUSBILDUNG ZAVA RINPOTSCHES............................................ 83 6.1 DIE ANFÄNGE IN DER MONGOLEI: VERBINDUNGEN DURCH GURU DEVA RINPOTSCHE......................83 6.2 TRANSFORMATION IN DER SCHWEIZ: STUDIEN BEI GONSAR RINPOTSCHE....................................... 85 6.3 RÜCKKEHR IN DIE MONGOLEI: EIN AKTEUR AUF TRANSNATIONALER EBENE................................... 89 6.4 RESÜMEE ZUR TRANSNATIONALEN PROBLEMATIK..................................................................... 93 7. WIEDERAUFBAU DES BUDDHISMUS IN DER MONGOLEI............................. 97 7.1 AUSGANGSLAGE UND ENTWICKLUNGEN DER REIMPLANTIERUNG DES BUDDHISMUS IN DER MONGOLEI SEIT DER AUFHEBUNG DES RELIGIONSVERBOTES 1990..............................................................97 7.2 RAHMENBEDINGUNGEN UND VERLAUF DER REVITALISIERUNG .................................................... 98 7.3 PROBLEME UND LÖSUNGSVERSUCHE: ANALYSE UND DISKUSSION.............................................. 101 8. SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK.......................................................108 9. GLOSSAR.....................................................................................................................113 9.1 PERSONEN.....................................................................................................................113 9.2 ORTE...........................................................................................................................116 9.3 BEGRIFFE......................................................................................................................117 10. QUELLENVERZEICHNIS...................................................................................... 122 11. ABBILDUNGSVERZEICHNIS............................................................................... 133 Vorwort Die vorliegende Arbeit soll Einblicke in die innersten Kreise des wiederaufkommenden Buddhismus in der Mongolei gewähren. Hatte es in der Zeit der sozialistischen Mongolei über mehrere Jahrzehnte keine offizielle Religionsausübung mehr gegeben, so erfährt der Buddhismus tibetischer Ausprägung seit der demokratischen Umwälzung 1990 eine allerorten sichtbare "Auferstehung". Durch eine Reise in dem postsozialistischen Land im Jahr 2003 wurde in mir ein derartig starkes Interesse an der Mongolei geweckt, dass ich beabsichtigte, eine (theoretische) Arbeit über die filmische Rezeption der Mongolei zu schreiben. Bei der ersten Rücksprache mit meiner betreuenden Professorin schlug diese jedoch unmittelbar vor, eine empirische Arbeit über die Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei anzufertigen und dabei in einer erneuten Feldforschung meine bestehenden Kontakte zu nutzen. Damit böte sich mir die Chance, so ihre überzeugende Argumentation, ein relativ unbearbeitetes Gebiet wissenschaftlich zu erforschen. Meine Ausgangsbasis hierfür war günstig, denn im Laufe meines Studiums hatte ich begonnen, mich mit dem Buddhismus zu beschäftigen und hatte dabei auch öfters ein tibetisches Kloster besucht, welches in der Nähe des Genfer Sees in der Schweiz gelegen ist. In diesem Kloster studieren unter anderen auch Mönche aus der Mongolei, in welcher einst der tibetische Buddhismus vorherrschend war. Durch glückliche Umstände konnte ich 2003 an einer Reise teilnehmen, in der sich nebst einer Gruppe westlicher Interessierter auch wichtige Vertreter des tibetischen Buddhismus in der Mongolei befanden. Dementsprechend wurden die für den Buddhismus relevanten Orte besichtigt, wobei sich mongolische und buddhistische Gastfreundlichkeit gegenseitig beim Empfang dieser Gruppe bestärkten. Stolz wurde von Seiten der Gastgeber die eigene Kultur präsentiert, Probleme wurden angesprochen, Errungenschaften vorgeführt. Dadurch hatte ich schon einige zentrale Einblicke in den Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei bekommen. Bei diesem ethnologisches Neuland darstellenden Thema ist von besonderer Brisanz, zu eruieren, auf welche Weise in den postsozialistischen Ländern der eng mit der Tradition verhaftete Lebensbereich Religion neu aufgegriffen und revitalisiert wird. Einige der Fragen, die hier interessieren: Inwieweit konnte sich der Buddhismus erhalten und auf welche Art und Weise wird die Religion von den Akteuren der Revitalisierung aufgegriffen? Welchen Stellenwert nehmen Tradition und Religion im aufkommenden Kapitalismus ein? Und vor allem: Wer versucht wie und mit wessen Hilfe, die Religionen wieder zu beleben? Im Hinblick auf den Schamanismus hat meine Betreuerin, Frau Schlehe, selbst in dem 5 unbearbeiteten Gebiet geforscht, für den Buddhismus gibt es bislang solche Forschungen noch nicht. Die Mongolei stellt also in dieser Hinsicht eine terra incognita dar, in der ich mich bereits ohne konkrete Forschungsabsicht bewegt hatte und in die ich mich nun entschied auszuziehen, um konkretere Fragestellungen zu erschließen und die Ergebnisse mit dieser Arbeit öffentlich zu machen. Viele Menschen haben mir beim Schreiben dieser Arbeit geholfen. Allen voran möchte ich meinen Informanten danken für die liebenswerte und allumfassende Unterstützung, besonders Gonsar Rinpotsche und Zava Rinpotsche. Besonderer Dank geht selbstverständlich an Prof. Dr. Judith Schlehe für die Anregung zur Arbeit und die Betreuung, insbesondere während der Feldforschung in der Mongolei, ferner an PD Dr. Eveline Dürr und Dr. Hans-Peter Hagmann, die mein Interesse für die Ethnologie geweckt haben. Des weiteren unterstützten mich durch Korrekturlesen und anregende Diskussionen Uschi, Muneer und Michael. Die vielen nicht genannten Helferinnen und Helfer habe ich nicht vergessen. 6 1. Einleitung Religion ist seit einiger Zeit wieder ins Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. „Wenn Gott das noch erlebt hätte“ betitelt die „taz" (Ausg. v. 19.08.2005) den Boom um den Papstbesuch in Köln anlässlich des 16. Weltjugendtages. Ironischerweise wird mit dieser Überschrift ein Wiederaufleben der Religion vor dem Hintergrund ihrer Kritik in der abendländischen Geistesgeschichte beäugt. Die taz stellt auf derselben Titelseite die hintersinnige Frage, ob denn „der Wohlstands- und Gleichgültigkeits-Atheismus in Deutschland bedroht“ sei. Nicht ohne Grund, denn im beginnenden 21. Jahrhundert gewinnen religiöse Fragen zunehmend an Popularität, wobei hierzulande insbesondere auch östliche Religionen starken Zuspruch erfahren. Der Dalai Lama verkörpert dabei das breit verankerte Sinnbild für diese „Sehnsucht nach Harmonie“ (ARD 2005) und nimmt so einen beträchtlichen Raum in öffentlichen Darstellungen ein. Anlässlich seines 70. Geburtstages am 6. Juli d. J. erschienen zahlreiche Publikationen: Themenabende, Sonderhefte und Artikelserien etc.. Ulrich Beckmann versuchte beispielsweise scherzhaft in einem Fernsehinterview1 dem Friedensnobelpreisträger menschliche Schwächen nachzuweisen (vgl.: ARD 2005), und auch die Zeitschrift „Geo" startet eine Reihe über Buddhismus, in der zu Beginn „Der gute Mensch von Lhasa“ (Riedle 2005: 40) ausführlich porträtiert wurde. In der gesamten Presselandschaft werden kaum kritische Stimmen laut, der „lebensfrohe Asket zwischen Weisheit und Weltpolitik“ (Geo, H. 07-2005) scheint in der Öffentlichkeit nicht so kontrovers diskutiert zu werden, wie es bei seinem katholischen Pendant der Fall ist. Wo er auftaucht, zieht der Autor, dessen Name in Bestsellerlisten verankert zu sein scheint, begeisterte Menschenmassen an (wie Mitte August 2005 in Zürich) und füllt Hallen mit begeisterten Sinnsuchenden, die Unterweisungen hören oder Einweihungen erhalten möchten, wie es Werner Herzog in seinem Film „Rad der Zeit“ an Hand einer Veranstaltung in Graz dokumentierte. Die „sanfte Weltmacht Buddhismus“ (Geo, H. 07-2005) „bedroht“ somit auch ganz offensichtlich die insbesondere in der Soziologie weit verbreitete Annahme einer engen Verknüpfung von Säkularisierung und Moderne. Soziologische Theorien versuchen die „Rückkehr der Religionen“ (Riesebrodt 2000) zu erklären, indem sie diese als eine weitere Folge der Modernisierung untersuchen. Als Krisenbewältigungsstrategien für die auftretenden Probleme in einer individualisierten globalen Welt könnten, so die zugrunde 1 Ausgestrahlt am 20.6.2005 in der ARD um 23 Uhr 7 liegende Hypothese, die unterschiedlichsten Religionen zu Rate gezogen werden. Von einer postsäkularen Gesellschaft ist dann die Rede, für die weltweite Verflechtungen durch moderne Kommunikationsmedien konstitutiv sind (Eder 2002). Die globalen Netzwerke ergeben einen reziproken Effekt bei der Rückkehr der Religionen. Am Beispiel des tibetischen Buddhismus lässt sich zeigen, dass dieser aus Zentralasien in die westliche Welt gelangte und dort auf dem Nährboden einer „postsäkularen“ Sinnsuche gedieh. Unter diesen Umständen konnte er im Westen Ressourcen ausbauen, welche wiederum die Revitalisierung in seinen Ursprungsländern speist. Die Mongolei hat mit der sozialistischen Zeit im vergangenen Jahrhundert eine knapp 70 Jahre andauernde Phase radikaler Säkularisierung hinter sich. Nachdem der tibetische Buddhismus zuvor über viele Jahrhunderte fest mit der mongolischen Kultur verwachsen war, erfolgte während der kommunistischen Zeit eine totalitär erzwungene Zäsur, in der die Religionsausübung verboten war und die Klöster zerstört wurden. Seit 1992 ist in der fortan demokratischen Mongolei die Religionsfreiheit verfassungsrechtlich garantiert, was zu umfangreichen Revitalisierungsbemühungen seitens der buddhistischen Glaubensgemeinschaft geführt hat. Unter Revitalisierung des Buddhismus verstehe ich den Prozess seiner Reimplantierung, nachdem er aus dem öffentlichen Leben verschwunden war. Ein solches Verständnis fällt noch unter die weit gefasste Definition des Klassikers Anthony Wallace (1958), der Revitalisation als „...a deliberate, organized, conscious effort by members of a society to construct a more satisfying culture“ (Wallace zit. in. Dürr 1990: 8) definiert, setzt aber die erkenntnisleitende Fragestellung etwas anders. Der Fokus liegt bei dieser Arbeit nicht auf dem Ablauf der Revitalisierung als einer sozialen Bewegung, da der Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei lediglich einen Teilaspekt der gesamtgesellschaftlichen Umwälzungen darstellt. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen hier vielmehr die Quellen, aus denen sich die Revitalisierung speist sowie deren konkrete Nutzung. Dabei kommen vorhandene Glaubensrelikte aus der vorsozialistischen Zeit und der Rückgriff auf Traditionen aus der Mongolei ebenso zum Tragen wie die Unterstützung einer transnational verflochtenen Glaubensgemeinde. Um ein solches Phänomen untersuchen zu können, bot sich ein biographischer Ansatz an, weil sich aus der Innenperspektive die Spannungsfelder, Möglichkeiten und Verflechtungen, die für die Situation in der Mongolei ausschlaggebend sind, an Hand eines Fallbeispieles durch Grundlagenforschung am aussagekräftigsten untersuchen lassen. Die Biographieforschung ist in der Ethnologie eine etablierte Methode, die sich zunehmend auch in Nachbardisziplinen wie der Soziologie regen Interesses erfreut. Geht 8 es in der Soziologie eher um die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Strukturen, die sich beispielsweise mit Hilfe von rekonstruktiven Verfahren (Bohnsack 2003) analysieren lassen, so sucht die Ethnologie neuerdings vorrangig über die biographisch erforschte Lebenswelt Zugang zu kulturellen Prozessen zu bekommen (Spülbeck 1997). Die Lebensgeschichte des hier ausgewählten Schlüsselinformanten Zava Rinpotsche spiegelt alle signifikanten Prozesse der Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei wider. Sein Entwicklungsgang ist somit ein ideales Beispiel, um „die persönlichen Handlungsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen, die sich die Einzelnen innerhalb der komplexen lokal-globalen Verflechtungen zu erschließen suchen“ (Hermann et al 2003: 2). Mittels des Handlungsrahmens, in dem sich Zava Rinpotsche bewegt, lassen sich die vielfältigen Faktoren beschreiben und das gesellschaftliche Spannungsfeld aufzeigen, in dem sich die Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei bewegt. Das recht junge Phänomen befindet sich auch im zweiten Jahrzehnt der Bemühungen noch in den „Kinderschuhen“; dieser Eindruck drängt sich einem zumindest auf, wenn man die dürftige Literaturlage zugrunde legt. Wie wenig Beachtung dieser landesweit zu beobachtende Prozess in der Forschung bisher fand, zeigt sich daran, dass –speziell zur Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei nach 1990- nur einige wenige Zeitschriftenartikel existieren. Dies war ein weiterer dringender Grund, Grundlagenforschung zu betreiben. Durch die bestehenden Kontakte bot sich die Möglichkeit, direkte Einblicke in die relevanten Prozesse zu bekommen, weswegen die Arbeit sich als eine empirische Grundlagenforschung versteht. Mit dieser Vorgehensweise war es – wie schon angedeutet möglich, jene aktuellen Spannungsfelder und Rahmenbedingungen in der Mongolei aufzuzeigen, in denen sich das Handeln einer zentralen Figur des Wiederaufbaus bewegt. Des weiteren wurde Wert darauf gelegt, in emischer Sicht die Kräfte zu beschreiben, mit denen die transnationalen Verbindungen geflochten sind. Die Entscheidung, Grundlagenforschung zu betreiben, bietet in besonderer Weise die Chance, zu untersuchen, wie sich die Netzwerke, auf welche die Revitalisierung angewiesen ist, in dem buddhistischen Weltbild manifestieren. Für den Betrachtungsfokus dieser Arbeit erschien es daher stringenter, die dem manifesten „Globalisierungsphänomen“ inhärenten buddhistischen Grundlagen zu betrachten, anstatt die gängigen Globalisierungstheorien ausführlich zu diskutieren. Dennoch wurde nicht darauf verzichtet, am Ende der Arbeit kurz auf Anknüpfungspunkte aktueller Theoriediskussionen zu verweisen. 9 Da die vorliegende Arbeit eine empirische Ausrichtung hat, wird im folgenden zweiten Kapitel eine Übersicht über die Feldforschungen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, gegeben. Um einen Überblick über die erhobene Datenlage und eine Transparenz in deren Gewinnung herzustellen, werden die Orte der Erhebung, die relevanten Personen sowie die methodische Vorgehensweise beschrieben und die aufgetretenen Problemlagen thematisiert. Um dem Anspruch einer emischen Darstellungsweise nahe zu kommen beschäftigt sich das dritte Kapitel mit dem Buddhismus. Nach einer kurzen generellen Einführung werden dann im besonderen diejenigen Grundlagen dargestellt, welche für die untersuchten Sachverhalte von Relevanz sind. Da der mongolische Buddhismus sich aus dem tibetischen ableitet und mit diesem eng verbunden ist, werden maßgebliche Elemente aus dieser Weltanschauung dargelegt. Diese Aspekte sind für ein Verständnis der später untersuchten Verflechtungen unabdingbar. Im vierten Kapitel wird die gesellschaftliche Genese und Verankerung des Buddhismus in der Mongolei unter einem historischen Blickwinkel skizziert. Die gesellschaftlichen Entwicklungen im 20. Jahrhundert bilden den Ausgangspunkt für die Revitalisierung des Buddhismus und sind für das Verständnis der hierbei stattfindenden Prozesse konstitutiv. Das Kernstück der Arbeit stellt das fünfte Kapitel dar. An der Lebensgeschichte des Schlüsselinformanten Zava Rinpotsche lassen sich alle relevanten Stationen der Revitalisierung aufzeigen. Zu Beginn des Kapitels wird die Feldforschungsbeziehung noch einmal gesondert reflektiert um eine Transparenz bezüglich der Datengewinnung herzustellen. Anschließend werden die essentiellen Spannungsfelder des Revitalisierungsprozesses anhand des Werdegangs des maßgeblichen Entscheidungsträgers und Akteurs dargestellt. Im Fokus des sechsten Kapitels stehen die transnationalen Verflechtungen der buddhistischen Glaubensgemeinschaft, auf welche die mongolische Revitalisierung essentiell angewiesen ist. Am Beispiel von Zava Rinpotsches Ausbildung werden auf Beziehungsebene die Kräfte dargestellt, welche die internationalen Verflechtungen ausmachen. Nach seiner Transformation zum maßgeblichen Akteur obliegt es ihm, die vielfältigen internationalen Hilfeleistungen zu koordinieren. Das siebte Kapitel gesamtgesellschaftlicher betrachtet Ebene. die Die Revitalisierung Ausgangslage bei des der Buddhismus auf Aufhebung des Religionsverbotes und die getätigten Entwicklungen kommen dabei ebenso zur Sprache wie Probleme und Lösungsstrategien. In einer abschließenden Betrachtung werden die 10 angewandten Strategien diskutiert und Berührungspunkte mit theoretischen Konzepten aufgezeigt. Abschließend erfolgt eine bilanzierende Gesamtbetrachtung der Entwicklungen in der Mongolei, wobei neben einer Einschätzung der Sachlage mögliche zukünftige Forschungsfelder aufgezeigt werden. 11 2. Aspekte der Feldforschung Da die Forschung für diese Arbeit an mehreren Orten stattfand und sowohl Informanten aus der Mongolei wie auch Informanten über die Mongolei eine Rolle spielten, werden diese einleitend kurz vorgestellt, um mehr Klarheit über den Verlauf und die Methoden zu schaffen. Alle relevanten Orte und Personen wurden vom Autor hervorgehoben und lassen sich in einem Glossar im Anhang nachschlagen. Anschließend werden dann die aufgetretenen Probleme im ethischen Bereich behandelt. 2.1 Orte und Personen Der zentrale Informant für die Arbeit war, wie der Titel berechtigterweise vermuten lässt, Zava Rinpotsche selbst, mit dem zusammen die zweimonatige Feldforschung in der Mongolei erfolgte. Drei Orte waren dort - nebst dem Jeep, der sich für mongolische Verhältnisse meist rasend schnell zwischen diesen dreien hin- und herbewegte - wichtig. Der eine war das Kloster Amarbayasgalant, das eines der wenigen großen Klöster in der Mongolei ist, welches in den Zeiten der Kulturrevolution in den 1930er Jahren nicht vollständig zerstört wurde. Es war das Kloster, in das Zava Rinpotsche eintrat; heute leben dort ungefähr 50 Mönche. Der zweite Ort liegt ca. 250 km südlich von Ulaan Baatar in der Mittelgobi, wo Zava Rinpotsche, resultierend aus seiner Verpflichtung als Tulku, an der Stelle, an der sein Vorgänger lebte, einen Tempel bauen ließ. Der dritte Ort war Ulaan Baatar, die Hauptstadt der Mongolei. Dort lebten wir bei Zava Rinpotsches Mutter und besuchten fast täglich die Villa seines Lehrers. Diese dient als Zentrum in Ulaan Baatar, es befindet sich ein Tempelraum darin und es leben jeweils acht Mönche dort, die tägliche Zeremonien durchführen. Dieser Lehrer heißt Guru Deva Rinpotsche, war zum Zeitpunkt der Feldforschung 96 Jahre alt und ist einer der wenigen alten mongolischen Mönche, die die Zeit der sozialistischen Mongolei im Ausland überlebten. Ihm kommt in der Mongolei eine zentrale Rolle beim Wiederaufbau des Buddhismus zu. In Anbetracht seines Alters, der Verständigungsprobleme und seines damaligen Gesundheitszustandes wurde er vom Verfasser nicht um Interviews gebeten. Weitere wichtige Personen für die Feldforschung in der Mongolei waren die Familie von Zava Rinpotsche, soweit es die sprachliche Situation erlaubte, und weitere Mönche, vor allem diejenigen, die ebenfalls im Ausland 12 studiert hatten und Englisch sprachen. Auf deren Wunsch hin und aus Gründen des Informantenschutzes werden sie nicht namentlich erwähnt. Ein weiterer Informant, den der Verfasser in der Mongolei traf, war Zasep Tulku Rinpotsche, ein tibetischer Meister, der in Kanada lebt und im englischsprachigen Raum mehrere buddhistische Zentren gegründet hatte. Er besuchte mit drei seiner Schüler die Mongolei, die sie vom Ausland aus unterstützen. In Europa sind zwei Orte von Belang: Rabten Choeling in der Schweiz und Tashi Rabten in Österreich. Es sind zwei zusammengehörige tibetische Klosterinstitute, die in den 1970er Jahren gegründet wurden2. Zava Rinpotsche, der damals noch Lobsang Dargayaa hieß, gehörte zu den ersten Mönchen aus der Mongolei, die dort studierten. In diesen Klöstern sind zwei Personen wichtig für die Arbeit: Gonsar Rinpotsche, der Abt beider Klöster und Gesche Thubten Trinley, der sich in Rabten Choeling als „teaching master“ um die Ausbildung kümmert. Gonsar Rinpotsche hat die Beziehungen zur Mongolei hergestellt und Gesche Thubten besucht seit mehreren Jahren in den Sommermonaten die Mongolei um dort zu unterrichten und die Zeremonien während einer bestimmten Klausur zu leiten. Beide sind Lehrer von Zava Rinpotsche und stehen somit in sehr enger Beziehung zu ihm (vgl. Kap. 3.2.2). 2.2 Verlauf und Methoden Die Forschungen vollzogen sich in mehreren Stationen und hatten prozesshaften Charakter. Aufgrund einer 3-wöchigen Reise im Jahre 2003 waren dem Verfasser erste Einblicke in die Situation der Mongolei gegeben. Der Kontakt zu den Exilklöstern in Österreich und der Schweiz bestand schon länger. Als der Entschluss fiel, eine Arbeit über den Buddhismus in der Mongolei zu schreiben, erfolgten mehrere ausführliche Vorgespräche mit Gonsar Rinpotsche. Dessen Vermittlung ermöglichte den zweimonatigen Feldforschungsaufenthalt in der Mongolei an der Seite von Zava Rinpotsche, dessen Lebensgeschichte den Kern der Arbeit bildet. Nach der Auswertung der Forschung in der Mongolei erfolgten dann noch weitere Interviews in der Schweiz und Österreich. 2 Im indischen Exil bat der Dalai Lama den jüngeren seiner beiden Tutoren, Gesche Rabten Rinpotsche, sich um die am Buddhismus interessierten Personen aus dem Westen zu kümmern. Von diesen in die Schweiz eingeladen, gründete er in der darauffolgenden Zeit mehrere buddhistische Zentren in Europa. (Vgl: Gonsar Rinpotsche 1997) 13 Die vorliegende Arbeit richtet sich in ihrer methodischen Vorgehensweise nach der Grounded Theory3, was sich in zwei wichtigen Aspekten äußert: Erstens wurden im Vorfeld keine Hypothesen an die Forschung herangetragen und zweitens hat sich die Fragestellung prozesshaft entwickelt. Grounded Theory versteht sich als „eine qualitative Forschungsmethode bzw. Methodologie, die eine systematische Reihe von Verfahren benutzt, um eine induktiv abgeleitete, gegenstandsverankerte Theorie über ein Phänomen zu entwickeln“ (Strauss/Corbin 1996: 8). Die Forschung soll also Theoriekonzepte entwickeln und nicht vorgefertigte Hypothesen überprüfen. Selbstverständlich geht ein Forscher nicht frei von Konzepten und Vorstellungen – und somit Hypothesen - an eine Forschung heran, doch wird dieses Kontextwissen in den Forschungsprozess bewusst eingearbeitet. Es dient dazu, Vermutungen anzustellen und eine Fragestellung zu entwickeln, was Strauss als Induktion bezeichnet. Mittels Deduktion sollen dann durch logische Überlegungen und Reflexion aus dem Datenmaterial Hypothesen und deren Konsequenzen abgeleitet werden, die in einem weiteren Schritt durch Verifikation in der Forschung überprüft werden. Es werden also nur Hypothesen verifiziert oder verworfen, die im Laufe der Forschung entstehen. Diese drei Arbeitsschritte sind zentral für die Theoriegenerierung und wiederholen sich im Laufe des Forschungsprozesses. Dadurch wird die Subjektivität in der Methodik des Forschers reflektiert und durch die verschiedenen Arbeitsschritte kontrolliert (Strauss 1998: 37-40). Es wurde also versucht, offen an die Untersuchung heranzugehen und den Forschungsprozess entscheiden zu lassen, was wichtig ist. Daraus ergibt sich eine prozesshafte Entwicklung der Fragestellung. Damit ist eine zweite Bedingung der Grounded Theory, wie Strauss und Corbin sie postulieren, erfüllt (1998: 21-25). Diese Vorgehensweise bildet sich auch im konkreten Ablauf der Forschung ab: Bildete zu Beginn des Projektes das Thema ‚Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei’ einen essentiellen Ausgangspunkt, so hat sich im Laufe der Forschung diese Fragestellung stärker ausdifferenziert und durch die verschiedenen Stationen verändert. War am Anfang das Kloster Amarbayasgalant im Sinne einer Lebenswelt als Zentrum für die Forschung gedacht, so stellte sich schon durch die Vorgespräche heraus, dass Zava Rinpotsche darin eine wichtige Rolle spielen könnte. Die Veränderung seiner Rolle im Kloster durch die Ernennung zum Tulku im Jahre 2003 wäre ein möglicher Fokus gewesen. Die ursprüngliche Erwartung, dass eine Feldforschung im Kloster Amarbayasgalant den idyllischen Bedingungen eines gläsernen Dorfes entspräche, in dem der Ethnologe das 3 Das Konzept der Grounded Theory wurde in den 1960er Jahren von Strauss und Corbin entwickelt und entsteht in Anlehnung an den Amerikanischen Pragmatismus von J. Dewey und G.H. Mead einerseits und an die qualitative Forschung der Chicago School andererseits (Strauss 1998:30). 14 Geschehen uneingeschränkt beobachten kann, wie es Malinowski aus der Gründerzeit der teilnehmenden Beobachtung berichtet (Malinowski 1986: 28-29), wurde durch die vorgefundene Wirklichkeit schnell desillusioniert. Das Leben und Wirken der englischsprechenden Mönche, die in der Schweiz studiert hatten und somit als Informanten prädestiniert wären, war nicht so zentralisiert an einem Ort vorfindbar, wie angenommen worden war. Alles war dort viel mehr in Bewegung, das Handeln der Akteure fand an mehreren Orten statt. Dies erforderte eine multilokale Forschung, ein Prozess, den Spittler in einem feurigen Plädoyer für teilnehmende Beobachtung als eine Entwicklung in der Ethnologie beschreibt. Ebenso spielen nach seiner Auffassung oft einzelne Hauptinformanten in der Forschung eine zentrale Rolle. Diese zu einem Dialogpartner zu machen sei dann „nur konsequent" (Spittler 2001: 4). Als der Verfasser nach wenigen Tagen in der Mongolei von Zava Rinpotsche eingeladen wurde, die gesamte Zeit mit ihm zu verbringen und zwischen den Orten zu pendeln, wurde diese Möglichkeit dankbar angenommen. Kloster als Lebenswelt im Sinne von Malinowski war damit passé, aber neue Möglichkeiten taten sich auf, die Feldforschungen zusammen mit dem Hauptinformanten zu gestalten. Spittler plädiert für eine teilnehmende Beobachtung als eine Dichte Teilnahme. Diese erfordere: nicht nur die interpretative im Gegensatz zur rein physischen Teilnahme, sondern auch die soziale Nähe.[... ]. Zu diesem Erleben gehören alle Sinne, nicht nur das Sehen und Hören, sondern auch das körperliche und seelische Fühlen (2001: 19). Eine gesonderte Betrachtung der Feldforschungsbeziehung erfolgt im Kapitel 5.1. Der Begriff Dichte Teilnahme basiert auf Clifford Geertz' „Dichte Beschreibung“ (1987), worin dieser den vielzitierten „semiotischen“ Kulturbegriff der "selbstgesponnene[n] Bedeutungsgewebe" aufstellt (Geertz 1987: 9). In diesem Geflecht sieht er die Kultur, die es mittels Interpretationsprozessen zu durchleuchten gelte, um ein Verständnis zu erlangen. Auch Susanne Spülbeck greift den hier zugrunde liegenden Kulturbegriff auf, wenn sie die Anwendung der biographischen Methode als gängige Praxis in der ethnologischen Forschung beschreibt: Individuum und Kultur lassen sich dann nicht mehr trennen, sondern es geht viel mehr darum, die individuellen Deutungsmuster und Interaktionsstrategien zu ihrer Produktion, wie etwa den Rückgriff auf traditionelle Bedeutungszuweisungen, zu verstehen. Biographie-Forschung beleuchtet genau diesen Aspekt, nämlich die individuelle Interpretation, die lebenslange Auseinandersetzung mit Bedeutungen in allen Bereichen, die für den Einzelnen in seiner Lebensgeschichte wichtig waren oder sind (Spülbeck 1997: 128-129). 15 Durch seine Schlüsselposition beim Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei ist Zava Rinpotsche zu einer Schaltstelle avanciert, bei der viele solcher Verflechtungen zusammenlaufen. Für die hier intendierte ethnologische Betrachtungsweise bietet der biographische Ansatz neben dem traditionellen Zugang zur „emischen Sichtweise“ auch die Möglichkeit, seine Handlungsspielräume aufzuzeigen, die sich im Spannungsfeld der lokalen Entwicklungen und globalen Verflechtungen auftun. Die Betrachtung von Zava Rinpotsches lokalen Handlungsspielräumen bietet einen Zugang zu den aktuellen Entwicklungen in der Mongolei. Durch moderne Kommunikationsmedien ist Zava Rinpotsche in ein transnationales Geflecht seiner Glaubensgemeinde eingebunden. Auch hier offeriert der lebensgeschichtliche Ansatz aufschlussreiche Einblicke in die Beschaffenheit der Verflechtungen, die bei der Revitalisierung wirksam werden. Globale Verflechtungen durch Massenmedien haben nach Appadurais Verständnis der Globalisierung zur Folge, dass Menschen zunehmend „mehr Variationen ‚möglicher’ Leben in Betracht“ (1998: 21) ziehen. Seiner Auffassung nach bekommen dadurch Selektion und Imagination in der Erzählung von Lebensgeschichten eine besondere Rolle für die ethnologische Forschung (1998: 37). Daraus ergibt sich die Möglichkeit zur Analyse des Gesagten und eine Verpflichtung zur Kontextualisierung der biographischen Erzählung durch den Forschungsprozess. Diesem Sachverhalt wurde bei der Bearbeitung der „Daten“ Rechnung getragen. Auf dieser Grundlage wurden die biographischen Interviews geführt. Diese entstanden während der Forschung in vier Sitzungen und wurden auf Minidisk aufgezeichnet. Das erste und vierte Interview wurde in der Wohnung in Ulaan Baatar geführt, die beiden mittleren in einer Jurte in der Gobi. Die Interviews waren zwar biographisch ausgerichtet, könnten aber ebenso gut als episodische Interviews bezeichnet werden, da in ihnen vor allem der Verlauf der religiösen Karriere erzählt wurde (vgl. Schlehe 2003: S. 80). Nicht weniger von Bedeutung ist die teilnehmende Beobachtung im Leben des Informanten. Es ergab sich ein Zugang zu vielen weiteren Informanten, die ebenfalls eine wichtige Rolle spielten. Besonders hervor heben sich hier jene Interviews, die der Verfasser mit Zasep Tulku ziemlich zu Beginn der Forschung in der explorativen Phase geführt hat, als er gemeinsam mit Zazep Tulku drei Tage bei dem Tempel in der Gobi verbrachte. Seine Kenntnisse der englischen Sprache sowie sein Wissen über den Buddhismus und über dessen Situation in der Mongolei waren hilfreich bei der Eingrenzung des Themas. Ein abschließendes Interview mit ihm wurde in Ulaan Baatar auf Minidisk aufgezeichnet. Ebenso wurden mehrere Interviews mit Mönchen aufgezeichnet, die in Anlehnung an das Interview mit 16 Zasep Tulku eine Serie halbstrukturierter Interviews bilden, d.h. es wurde eine Themenfolge erstellt, wobei die einzelnen Themen je nach Situation eine unterschiedliche Gewichtung erfuhren. Diese ergab sich aus der Position des Interviewten und aus dem Gesprächsverlauf, dessen Eigendynamik jeweils eher unterstützt als unterbunden wurde. Nach der Auswertung der Forschung erfolgten noch zwei weitere Experteninterviews. Eines davon mit Gonsar Rinpotsche in Österreich und ein weiteres mit Gesche Thubten in der Schweiz. In ihnen wurde noch einmal der Aspekt der transnationalen Verflechtungen aufgegriffen. Durch die Forschung in der Mongolei ließen sich zentrale Aspekte der Verbindungen analysieren, die teilweise bestätigt, teils auch konterkariert wurden, wodurch sich neue Aspekte hervortaten. Das Interview mit Gonsar Rinpotsche konnte auf Deutsch geführt werden, jenes mit Gesche Thubten erfolgte mittels Übersetzer auf Deutsch und Tibetisch. Durch die Übersetzung ergab sich eine andere Gesprächssituation, es entwickelte sich nicht eine solche Eigendynamik, wie es bei den Interviews ohne Übersetzer durch das direkte Gespräch der Fall war (vgl. Senft 2003). Dennoch konnten die relevanten Fragen beantwortet werden. 2.3 Chancen und Schwierigkeiten Dieses Kapitel beschäftigt sich mit ethischen Fragestellungen in der Forschung. Grundsatzdebatten über ethische Implikationen ethnologischer Forschung wurden an anderer Stelle geführt (vgl. hierzu Amborn 1993, Fluehr-Lobran 1998, auch Illius 2003 und Beer 2003, sowie Stagl 2002), worauf hier nicht weiter eingegangen wird. Der Verfasser versucht hierbei dem Anspruch Genüge zu leisten, die eigene Informationsbeschaffung und mit ihr auch einige innere Konflikte, die sich aus der Feldforschungssituation ergeben, transparent zu machen. Die folgenden Überlegungen kreisen um den Zugang zum Feld und um die Vertraulichkeit von Informationen. Da es ausschließlich um Beispiele aus den Feldforschungen des Verfassers geht, die, um mit Clifford Geertz’ Worten zu sprechen, „bei allen sonstigen Schwächen den Vorzug haben, aus eigener Anschauung zu stammen“ (Geertz 1987: 293), so scheint es angemessen, in diesem Kapitel in der ersten Person zu schreiben. Die Bereitschaft zur Kooperation bei einer Feldforschung hängt immer zu einem bedeutenden Teil von dem Vertrauen ab, das einem als Forschendem entgegengebracht wird, und dieses nimmt (wenn alles gut läuft) mit der Zeit und der Vertrautheit zu. Mehrere 17 Faktoren spielten in dieser Hinsicht für meine Forschungen eine Rolle. Erstens macht es einen Unterschied, ob man jemanden zum ersten Mal oder zum zweiten Mal trifft. Beim zweiten Mal trifft man sich wieder.4 Dieser Umstand war durch meine Reise im Vorjahr gegeben, einige Mönche kannte ich zusätzlich, zumindest vom Sehen, von Besuchen der Zentren in Österreich und der Schweiz, als diese dort lebten, wodurch ich ein bekannter Fremder war. Viel wichtiger war jedoch der Umstand, dass mein Aufenthalt in der Mongolei von Gonsar Rinpotsche nach unseren Vorgesprächen angekündigt worden war. Ich wurde somit fast wie sein Abgesandter behandelt, was ein fundamentaler Vorteil war, da er dort als bedeutender Meister verehrt wird. Dementsprechend hoch war die Gastfreundschaft, welche in der Mongolei ohnehin ausgeprägt ist. Der dritte Umstand war das (wenn auch nur sehr geringe) Kontextwissen, welches sich durch die Beschäftigung mit dem Buddhismus ergeben hatte und ohne welches sich die betrachteten Prozesse nicht verstehen ließen (vgl. nächstes Kapitel). Diese drei Faktoren zusammen bildeten die Grundlage für eine Vertrautheit mit den Informanten, wie sie sich im Laufe der Forschung entwickelte. Ein zweiwöchiger Aufenthalt in Amarbayasgalant, bei dem mein Versuch, mit den jugendlichen Mönchen nach der sommerlichen Meditationsklausur sportliche Übungen durchzuführen, für Erheiterung sorgte, lockerte ebenso unser Verhältnis zueinander, was sich sehr positiv auf die Forschungssituation auswirkte (vgl. Illius 2003: 79-81). Die Beziehung zu meinem Hauptinformanten wird im Kapitel 5.1. gesondert betrachtet. In Ulaan Baatar und in Amarbayasgalant erfolgten viele Gespräche mit einigen aufgezeichneten Interviews mit Mönchen. Durch die beschriebene Nähe, die durch die erwähnten Umstände entstand, ergaben sich sehr günstige Interviewsituationen. Allen Interviewten ist gemeinsam, dass sie mir einige Dinge mit der Bitte anvertrauten, diese nicht zu veröffentlichen; sie sollten lediglich zu meinem besseren Verständnis der Situation dienen. Diese Informationen betrafen Entwicklungen ihrer Gemeinschaft auf unterschiedlichen Ebenen. Verglichen mit dem großen Spektrum ethischer Konflikte, die sich bei Feldforschungen ergeben können (Illius 2003: 91), mögen diese gering erscheinen, doch auch diese galt es zu lösen. Niedergeschlagen hat sich dies auf die Themenwahl. Durch die biographische Ausrichtung konnte ich einige Problemzonen "umsegeln". Ebenso verhalfen die Wahl der Randthemen und die Entscheidungen, welche davon mehr ins Zentrum rücken und welche unerwähnt bleiben sollten, zu einer Lösung. Doch hier beginnt dann schon ein Grundkonflikt:. Möchte ich das Ideal „gleichberechtigter, dialogischer 4 Dieser Effekt spielt beim ethnographischen Filmschaffen eine sehr wichtige Rolle und wird in der summer school des Instituts für den Wissenschaftlichen Film unterrichtet. Bestehen gegenüber dem Filmen Vorbehalte, so ist diese Vertrautheit des Wiedersehens u.U. notwendig, um überhaupt erst die Chance zu bekommen, das Filmprojekt vorstellen zu können. (Teilnahme d. Verf. im Jahre 2002) 18 Klärung“ (Schlehe 2003: 90) eines Themas durch Interviews auch nur erwähnen, so versteht es sich von selbst, dass ich meine Informanten nicht damit schockiere, anvertraute internste Geheimnisse hinterher auszuplaudern, um diese dann einer qualitativen Analyse zu unterziehen. Lasse ich Themen weg, so bewege ich mich in dem Dilemma zwischen den multiple layers of responsibility: These might include ethical responsibility to the people studied in their complex relations with one another and to their state and other communities and institutions that impact their lives; responsibility to those into whose confidence you were taken; responsibility to the truth, to science, and to one´s discipline (Fluehr-Lobban 1998: 190). Einen ersten Schritt zur Lösung dieses Konflikts sehe ich darin, dass ich von anonymisierten „Mönchen“ spreche. Bei einer spezifischeren Zuordnung wäre eine Anonymisierung nicht möglich, die namentlich erwähnten „Experten“ sind ohnehin nicht anonym. Zweitens haben persönliche Konflikte innerhalb der Gemeinschaft keine Beachtung in der Arbeit gefunden. Mir schien trotzdem eine schlüssige Beschreibung der Verhältnisse gegeben, die einer "konventionellen Wahrheit" Genüge leistet in Bezug auf die beschriebenen Entwicklungen. Und drittens werden manche Tatsachen und Konflikte in einer Kürze beschrieben, die Wert auf Diplomatie legt und sich darauf beschränkt, die nötigen Rahmenbedingungen für die beobachteten Entwicklungen zu beschreiben. 19 Abb.1 Amarbayasgalant: Junge Mönche bei sportlichen Übungen nach einer mehrwöchigen Meditationsklausur. Abb.2 Arbeitsplatz: Arbeitsplatz des Verfassers beim Kloster Amarbayasgalant. 20 3. Aspekte des Buddhismus Dieses Kapitel soll einen kleinen Einblick in das weite Feld des Buddhismus geben. Eine umfassende Beschreibung des Buddhismus kann weder in Bezug auf die unterschiedlichen Verbreitungsformen der Lehre noch hinsichtlich der philosophischen Grundlagen erfolgen, da ein solches Vorhaben nicht der Ausbildung des Verfassers entspräche. Es werden lediglich einige grundlegende Punkte genannt mit dem Ziel, die nötigen Informationen für ein Verständnis der Zusammenhänge, die in der Mongolei als relevant für den Wiederaufbau des Buddhismus vorgefunden wurden, zu liefern. Die aufgetretenen Probleme bei der Durchsicht der Literatur zu diesem Thema haben zu einer kurzen Betrachtung der Darstellungsweise des Buddhismus auf einer übergeordneten Ebene angeregt, weshalb im Abschnitt 3.1 den Ausführungen über Buddha Schakyamuni einige Grundlagen des Buddhismus und über seine tibetische Ausprägung vorangestellt sind. 3.1 Die Darstellung des Buddhismus als Problem westlicher Rezeption In den letzten zwanzig Jahren erschien in den westlichen Ländern sehr viel Literatur über den Buddhismus und besonders über dessen tibetische Ausprägung. Jedoch, und das wird in der beforschten Glaubensgemeinde beklagt, findet sich unter der Literatur auch solche, die eine verfälschende Sicht auf den Buddhismus beinhaltet. Zu vieles wird aus einer westlichen Perspektive dargestellt, die von Schwärmerei und Sehnsucht geprägt ist. Die gelegentliche Darstellung von vereinigten weiblichen und männlichen Gottheiten im tibetischen Pantheon übt eine Faszination auf viele Autorinnen und Autoren aus, die dann die eigentlichen Grundlagen aus der buddhistischen Lehre vernachlässigen. Der Tibetologe Loden Sherab Dagyab, selbst ein tibetischer Tulku, der im Exil in Deutschland ein weltliches Leben mit einer wissenschaftlichen Karriere führt, beklagt, dass „trotz Tourismus und vielfältiger Informationsvermittlung“ noch immer ein Bild von Tibet als geheimnisvollem Schneeland voller Magie und Mystik“ zu existieren scheint (Dagyab 1995: 7). Eine Ausstellung im Züricher Museum für Völkerkunde „Traumwelt Tibet – Westliche Trugbilder“ widmete sich im Jahre 2001 genau dieser Thematik. Ausgestellt 21 wurde dabei nichts aus der tibetischen Kultur selbst, sondern die westlichen Illusionen aus Werbung, Literatur, Filmen und Kommerz etc., die im Westen eine lange Tradition haben (Brauen 2000). Mit einer ähnlichen Vorgehensweise löste Edward Said 1978 durch sein Werk „Orientalism“, in dem er ‚den Orient’ als eine Konstruktion des Westens analysiert, die sog. Orientalismus-Debatte aus (Said 1981). Seither sind durch die Postcolonial Studies5 essentialisierende Diskurse über den Orient, neuerdings auch jene über den Okzident, und die Überwindung solcher Binaritäten Gegenstand unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen, darunter der Ethnologie, der Soziologie, der Psychologie und vor allem der Literaturwissenschaft geworden.6 Hier kreierte Mythen, die, weil sie nur in Abgrenzung zu einer eigenen Kultur entstehen können, auch othering genannt werden, haben zwar ihren Ursprung in historischen Romanen und Reiseberichten, reichen aber bis in die moderne Wissenschaft hinein. Eine vergleichende Betrachtung der Quellen über den Buddhismus unter diesen Gesichtspunkten kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen, dies wäre sicherlich ein spannendes Thema für eine separate Abhandlung. Eine analysierende Betrachtung der Diskurse über den Buddhismus könnte sich auch mit der vom Dalai Lama beklagten Praxis beschäftigen, dass der Buddhismus zwischen Religion und Philosophie hin und her geschoben wird7 (vgl. Conze 1995: 9-15). An dieser Stelle sei exemplarisch ein Beispiel aus einem wissenschaftlich verfassten Nachschlagewerk (‚Knaurs Großer Religionsführer’) angeführt. Dort findet sich in dem Aufsatz über Buddhismus unter dem Begriff „Meditation“ das Mantra „om mani padme hum“, zuerst wörtlich übersetzt mit: „om Juwel Lotus hum“. Nach einer Interpretation (Juwel sei der Penis und Lotus die Vulva) kommen die Autoren mit einem Verweis auf den Tantrismus zu dem Schluss: „Diese Formel besagt also ‚Penis in der Vulva’“ (Bellinger 1986: 89). Dieser logische Kurzschluss ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die tibetische Symbolik sehr vielschichtig ist (vgl. Dagyab 1995) und somit Raum für derartige, die tibetische Kultur diffamierende Fehlinterpretationen bietet. Aus der Sicht von Tibetern ist dieses Mantra, manchmal als das meistgesprochene Gebet der Welt bezeichnet, weil es in Tibet so viel rezitiert wird (Notz 2004: 346), eine Anrufung des Avalokiteshvara, 5 Viele postkoloniale Sammelbände beziehen sich auf Said. So auch der 2004 erschienene Reader „The Cambridge Companion to Postcolonial Literary Studies” (Lazarus 2004), der die Widmung trägt “For Edward Said (1935-2003), who taught all of us”. 6 Brauen konzentriert sich in seinem Werk auf die fiktionalen Darstellungen, wissenschaftliche Abhandlungen wurden nur teilweise zu Rate gezogen. Er verweist in der Einleitung auf eine Untersuchung der wissenschaftlichen Rezeption Tibets von Lopez (1998). Interessant ist auch der Verweis, dass die westlichen Diskurse über Tibet nicht in Saids Theorie zu passen scheinten (Brauen 2000: 263). 7 „Aus dem Verbund der Religionen wird der Buddhismus hinausgeworfen mit der Behauptung, er sei eine Philosophie; aus dem Verbund der Philosophien wird er hinausgeworfen mit der Behauptung, er sei Religion. Von beiden Seiten hinausgeworfen, wird der Buddhismus zu einer Brücke zwischen Religion und Philosophie“ (Dalai Lama, zitiert nach Gonsar Rinpotsche o.J.). 22 des Buddhas des Mitgefühls. Juwel und Lotus haben dabei viele Bedeutungen, die in dieser Arbeit weder vollständig erwähnt noch erklärt werden können. Bezogen auf das Mantra des Buddhas des Mitgefühls erläutert Gonsar Rinpotsche die Bedeutung folgendermaßen: Das Juwel symbolisiert die Methode, d.h. vor allem das große Erbarmen sowie alle anderen Aspekte des Weges und des Zieles wie liebende Güte, Bodhidschitta, Entsagung, die Paramitas. Alle diese vorzüglichen Eigenschaften sind in der Methode, in diesem Juwel, im Mani, eingeschlossen, bis zum Zustand des Höchsten Glücks im Anuttara Tantra. Padma, die Lotusblume, symbolisiert die Weisheit (Gonsar Rinpotsche 1996: 58). Das Mantra soll den Wunsch ausdrücken, den vereinten Weg von Methode und Weisheit im eigenen Geist entstehen zu lassen. So ist der Aspekt der Vereinigung zum einen gegeben, zum anderen sind Methode und Weisheit u.a. auch Symbole für männlich und weiblich. Dies auf die Formel „Penis in der Vulva“ zu bringen, ohne dass dabei die Aspekte Methode und Weisheit überhaupt erwähnt werden, entspricht solchen etischen Konstruktionen fernab der emischen Bedeutung, denen sich die zuvor erwähnte Ausstellung widmete. Brauen sieht das Motiv des „erotisch-lasziven Tibets“ auch in „Fachbüchern“ über Tibet und kritisiert dabei, dass „nicht zwischen buddhistischem und hinduistischem Tantrismus unterschieden wird“ und dass auch die tibetischen tantrischen Schriften nicht als bekannt vorausgesetzt werden können (Brauen 2000: 231). Diametral entgegengesetzt zu einer sexualisierenden Interpretation als Phallus beschreibt der Tibetologe Dagyab die Symbolik des Lotus folgendermaßen: „ Der Lotos ist einer der bekanntesten Symbole überhaupt. Er gilt als Sinnbild der Reinheit [...], besonders der Reinheit des Geistes“ (Dagyab: 1995: 39). In der Hand des Avalokitesvhara symbolisiert er Entsagung (Gonsar Rinpotsche 1996a: 21). Angesichts der beschriebenen Quellenlage zum Buddhismus wurden, wenn möglich, zeitgenössische Abhandlungen von exiltibetischen buddhistischen Lehrern herangezogen. Diese werden nach Vorwissen und Beobachtungen des Verfassers dem Anspruch eines authentisch gelebten Buddhismus gerecht und entstammen dem erforschten Netzwerk. In Fragen zu Geschichte und Verbreitung des Buddhismus wurde auf „klassische“ religionswissenschaftliche Literatur zurückgegriffen. Bei der in inhaltlichen Fragen verwendeten Literatur handelt es sich zwar um Abhandlungen von Tibetern, jedoch ist diese ausnahmslos durch die Exilsituation entstanden und in diesem Sinne postkolonial. Das Anliegen der Autoren ist es darin, ihre ‚traditionelle’ Religion einem ‚westlichen’ Publikum verständlich zu machen. Die Autoren wenden selbst die Lehre an, was als wichtiger Bestandteil des Buddhismus und als unabdingbare Voraussetzung für jegliche buddhistische Lehre und Unterweisung gilt. 23 Durch eine solche Auswahl der Literatur soll sich die kurze Abhandlung über einige Aspekte des Buddhismus der emischen Sichtweise der erforschten Glaubensgemeinde annähern. Um diese zu verdeutlichen wird in dem Abschnitt über das Tulku-System auf empirisches Material aus den Feldforschungen in dieser Gruppe zurückgegriffen. 3.2 Lehren des Buddha Jemand hat gefragt: ‚Was ist das Dharma, das Du eigentlich erklärst oder wie praktiziert man Dein Dharma?’ Buddha hat geantwortet: ‚Tue nichts Unheilsames, wende das Heilsame in der besten Art und Weise an, und zähme deinen Geist. Das ist meine Lehre (Gonsar Rinpotsche 1999b: 51). 3.2.1 Buddha Schakyamuni Eine der existentiellen Fragen, die der Buddhismus nicht beantwortet, ist jene nach dem Anfang der Existenz. Ein System mit einem Anfang brächte mehr logische Widersprüche als ein System ohne Anfang, daher ist in dem buddhistischen Weltbild von der „anfangslosen“ Zeit die Rede. Für die westliche Wissenschaft nimmt der Buddhismus seinen Anfang mit Buddha Schakyamuni. Jedoch wird die Frage nach den Lebensdaten der historischen Person des Buddha Schakyamuni bisher nicht eindeutig beantwortet.8 Den Tod des Buddha (bzw. seinen Eintritt ins Nirvana) versucht man im Bezug zu anderen historischen Ereignissen zu errechnen, da in der indischen Geschichtsschreibung nicht zwischen heiliger und profaner Zeit unterschieden wurde. Dementsprechend lässt sich nur schwer zwischen Faktizität und Legende unterscheiden, wenn man die Quellen zu Buddhas Leben untersucht (Scherer 2001: 20). Einig sind sich die Autoren jedoch darin, dass Buddha als Sohn des Königs Schudhodhana und der Prinzessin Maya in der Nähe von Kapilavatsu im heutigen Nepal geboren wurde. 8 Unter den teilweise stark abweichenden Datierungsversuchen aus unterschiedlichen Quellen (Bechert 1992) scheint innerhalb der Indologie eine Kontroverse zwischen einer längeren und einer kurzen Chronologie nicht gelöst zu sein, die das Sterbejahr des Buddha in Bezug zu der Salbung des Königs Asoka berechnen (Bechert 1986; Lamotte 2000: 33). Der Freiburger Indologe Prof. Dr. von Hinüber teilte dem Verfasser in einem E-mail-Kontakt mit, dass die aktuelle westliche Forschung zu einer Datierung um 380 v.Chr. hin tendiere. In Handbüchern fände sich oft noch eine Datierung um 480 v. Chr. – genauere Angaben wie 483 v. Chr. gaukelten eine nicht vorhandene Sicherheit vor. 24 Er gehörte dem Geschlecht der Schakyas an, wovon sich die Bezeichnung Schakyamuni „der Weise aus dem Geschlecht der Schakyas“ ableitet (Lamotte 2000: 33), und trug den Vornamen Siddharta. Seine Jugend verbrachte er wohlbehütet in dem Adelshaus, wurde gemäß der Tradition im Alter von 16 Jahren mit Yasodhara verheiratet, welche den Sohn Rahula gebar. Der Legende nach unternimmt Siddharta vier Ausflüge aus dem königlichen Hof, auf denen er einem Alten, einem Kranken, einem Toten und einem Mönch begegnet, was ihm zu verstehen gab, dass das Leid des Alterns, der Krankheit und des Todes unausweichlich sind. Dies habe ihn dazu bewegt, den Palast heimlich zu verlassen um ein Leben als Asket und Wandermönch zu führen und dabei nach Mitteln zu suchen, um das Leiden der Wesen zu überwinden. Nach sechs Jahren der Askese und Meditation erreicht er im Alter von 35 Jahren die Erleuchtung durch eine Meditation, indem er einen Weg frei von Extremen verfolgt. Dies ereignete sich unter einem Baum, der fortan als Bodhi-Baum bekannt wurde. Er erkennt die vier Edlen Wahrheiten, die er in ersten Unterweisungen in Benares9 erklärt. Es folgt ein Leben des Lehrens und Unterweisens; im Alter von 81 Jahren „stirbt“ der Buddha (Klimkeit 1990: 91). 3.2.2 Die Vier Edlen Wahrheiten Die ersten Unterweisungen, die Buddha Schakyamuni in Benares fünf Schülern gab, handelten von den sog. vier Edlen Wahrheiten. Die vier Edlen Wahrheiten, die Wahrheit des Leides, des Ursprungs des Leides, der Beseitigung des Leides und die Wahrheit des Weges, sind Grundlage und Ausgangspunkt aller buddhistischer Unterweisungen. Denn der Kernpunkt des Buddhismus, so erläutert Gonsar Rinpotsche (1999a), sind die Lebewesen und nicht der Buddha selbst, nicht irgendwelche Götter und auch nicht das Erlangen übernatürlicher Kräfte, sondern die „Wesen mit Bewusstsein“ (1999a: 17). Deren Situation sei davon geprägt, Glück erfahren und Leid vermeiden zu wollen. Deshalb haben alle weiteren Unterweisungen und Anwendungen des Buddhismus ihren Ursprung in den vier edlen Wahrheiten, die im folgenden kurz dargestellt werden. Die erste der vier ist die edle Wahrheit des Leides. Leid wird dabei in drei Arten eingeteilt: Das Leid der Schmerzen, das Leid der Veränderung und das allumfassende Leid. Das Leid der Schmerzen deckt sich mit der konventionellen Bedeutung des Wortes Leid, 9 Die Bezeichnung „Predigt von Benares“ ist in westlicher Literatur geläufig. (z.B. bei Klimkeit 1990: 91), in der tibetisch-buddhistischen Glaubensgemeinde wird der Ausdruck „Unterweisungen“ verwendet oder die Umschreibung ‚Drehen des Rades des Dharma’. 25 wohingegen das Leid der Veränderung das umschreibt, was im Allgemeinen als Glück betrachtet wird. Doch wird dieses Glück als oberflächlich und nicht beständig erachtet. Es entsteht nur in der Veränderung eines leidvollen Zustandes, bzw. durch das Wegnehmen eines vorangegangenen Leides. Als simples Beispiel nennt Gesche Rabten (1997) den Wunsch, an einem heißen Sommertag in einen kalten See zu springen. Befinde man sich dann endlich in dem ersehnten kalten Wasser, so sei diese Erfahrung für kurze Zeit eine glückliche. Müsste man jedoch ein, zwei Stunden dort verharren, so würde das kalte Wasser „zur Quelle wirklichen Leids“ werden. Dieses gleiche Prinzip gilt für Besitz, Reichtum, gesellschaftliche Stellung und so weiter. Wenn wir diese Dinge nicht haben, sehnen wir uns sehr danach und sind überzeugt, dass sie die wirkliche Ursache wahren Glücks sind. Aber auch wenn wir tatsächlich erlangen, was wir wünschen, und eine kurze Zeit der Befriedigung erleben, scheint oft etwas schiefzugehen, und bald beginnen wir, uns zu ärgern und mit unserem Glück unzufrieden zu sein. Früher oder später wird es zur Quelle von Leid“ (Gesche Rabten 1997: 27). Das allumfassende Leid bedeutet, dass man keine Kontrolle über seine Erfahrungen und sein Schicksal (Geburt, Altern, Tod) hat. Es beschreibt eine Existenz ohne Freiheit und bildet den Ausgangspunkt für die ersten beiden Arten von Leid. In einer Analogie wird das allumfassende Leid mit einer Wunde verglichen, auf die man Salz streuen kann, was dem Leid der Schmerzen entspräche, oder eine lindernde Salbe auftragen kann, was dann Ähnlichkeit mit dem Leid der Veränderung habe. Grundlage ist jedoch die Art des Bestehens ohne Freiheit über das eigene Schicksal, die sowohl angenehme als auch unangenehme Erfahrungen ermöglicht. Diese Bestehensweise wird bedingtes Dasein (Samsara) genannt und in der zweiten edlen Wahrheit beschrieben (Gesche Rabten 1997: 28-29). Der Begriff Leid hat also verschiedene Bedeutungen im Buddhismus, und ohne Erklärungen kann die Aussage, dass alles bedingte Dasein Leid sei, zu Missverständnissen führen. Die zweite edle Wahrheit ist die des Ursprungs des Leidens und besagt, dass sich dieser im eigenen Geist befindet: Karma und Klescha, was mit Handlungen und Verblendungen übersetzt werden kann. Äußere Umstände werden nur als Faktoren für Wohlergehen oder Unbehagen gesehen, nicht als deren Ursachen. Solche Faktoren sind individuell und kollektiv sehr verschieden, wie es das von Gonsar Rinpotsche angeführte Beispiel des scharfen Essens verdeutlichen soll: “Für viele Leute aus dem Osten ist das Essen von Chili 26 ein Faktor für unbeschreibliches Glück; für viele Leute hier im Westen ist es ein Faktor für unbeschreibliches Leid“ (1999a: 27). Ob jemand nun Glück oder Leid erfährt, hängt ausschließlich von den früheren Handlungen dieser Person ab, weil nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung Handlungen einen Eindruck im Geist einer Person hinterlassen. Ob diese Eindrücke positiv oder negativ sind, hängt zum einen von der Motivation ab, mit der die Handlung durchgeführt wurde, und zum anderen von dem Effekt, den sie auf Lebewesen hat. Was den Lebewesen nützt, ist positiv und wird als heilsam bezeichnet, was ihnen schadet, ist negativ oder unheilsam. Ein anderes Kriterium der Bewertung von Handlungen als ihren Effekt auf die Lebewesen gibt es im Buddhismus nicht. Die Summe dieser Eindrücke formt dann die erfahrene Realität und die Neigungen des Geistes. Positive Eindrücke bringen positive Resultate und negative Eindrücke negative. Das Konzept des Karma wird sehr differenziert beschrieben, gilt aber als nicht einfach zu verstehen. Nach buddhistischer Auffassung erzeugt das Karma die Gegebenheiten der (Wieder-) Geburt eines Bewusstseinskontinuums. Der Schlüssel dazu ist ein Verständnis der Vergänglichkeit einer Person, von der man gewöhnlich nur die gröbste Ausprägung erkennen kann: Altern und Tod. Auf eine subtilere Art äußert sich dies in der Unbeständigkeit, die besagt, dass sie in jedem Augenblick10 entsteht und wieder vergeht, also unbeständig ist. Ein jeder Augenblick bedingt den nächsten. Dies gilt nicht nur für die gesamte Person, sondern auch für deren Geist, weswegen von dem Geisteskontinuum einer Person die Rede ist, welches mit dem Tod nicht endet. Der Vorgang des Todes wird in buddhistischen Schriften detailliert beschrieben. Der Tod, so viel sei an dieser Stelle gesagt, ist lediglich der subtilste aller Geisteszustände, wohingegen Schlaf-, Traum- und Wachbewusstsein gröbere Geisteszustände darstellen. Dieses Geisteskontinuum wird durch das Karma getrieben, erneut Geburt anzunehmen11 (Gonsar Rinpotsche 1999b: 46-67). Die Vorstellung, dass es sich dabei um ein „Ich“ handelt, gilt als ein falsches Konzept von der eigenen Person und fällt in den Bereich der Verblendungen: Wir denken, daß dieses Ich, diese Person, dieser Geist bis zum nächsten Leben geht. Das ist falsch. Was bleibt ist eine ähnliche Kontinuität, aber nicht dieselbe Person (Gonsar Rinpotsche 1999b: 56; Hervorh. im Orig.). 10 Der Augenblick wird in den buddhistischen Schriften folgend benannt: Wenn eine gesunde Person mit den Fingern schnalzt, so ist ein Augenblick der 64te Teil der Zeit (Gonsar Rinpotsche 1999a: S.47). 11 Die menschliche Existenz ist nur eine von insgesamt sechs Daseinsbereichen, die der Buddhismus kennt. Geburt kann also, je nach dem, wie gut oder schlecht diese Eindrücke sind, auch als Tier oder in Bereichen der Hölle oder in denen der weltlichen Götter stattfinden (Rabten 1997). 27 Da sich die Prozesse der Geburt, des Alterns, welches direkt nach der Geburt beginnt, und des Todes durch die Kraft des Karma ständig wiederholen, ist das Verständnis des bedingten Daseins ein zyklisches: Samsara wird auch als Daseinskreislauf beschrieben. Die Unwissenheit über die Art des Bestehens der eigenen Person, wie auch der Phänomene überhaupt, gilt als die Hauptursache für den Kreislauf des Daseins. Diese Unwissenheit projiziert ein Selbst in einer Weise, in der es nicht existiert, das ist der grundlegende Punkt. In einem zweiten Schritt wird dieses Selbst dann überbewertet. Aus der Anhaftung an das Ego wächst der Egoismus. Aus der so entstandenen Eigenliebe entstehen dann alle weiteren Verblendungen des Geistes wie Begierde, Hass, Eifersucht und so weiter, die zu unreinen Handlungen veranlassen, welche die Ursache für weitere Existenzen bilden usw.. Unwissenheit, Anhaftung und Hass werden als die drei Geistesgifte bezeichnet und werden in Darstellungen wie dem Lebensrad (siehe Abb. 3) in der Mitte als Schwein, Hahn und Schlange symbolisiert. Aus der Schnauze des Schweins der Unwissenheit heraus wachsen der Hahn der Anhaftung und die Schlange des Hasses (Rabten 1997: 117). Die dritte edle Wahrheit ist die der Beseitigung des Leides. Sie besagt, dass es möglich ist, von dem bedingten Dasein Freiheit zu erlangen, da die Verblendungen nicht in der Natur des Geistes liegen, weshalb dieser von ihnen befreit werden kann. Die Natur des Geistes ist in buddhistischer Auffassung Klarheit und Erkennen. Als Analogie führt Gonsar Rinpotsche (1999b) einen Kristall an, der von vielen Schichten aus Farbe und Schmutz umgeben ist. Da diese nicht in der Natur des Kristalls sind, ist es möglich, diesen davon rein zu waschen (1999b: 72-73). Grundlage aller Verblendungen ist die Unwissenheit bezüglich der Bestehensweise der eigenen Person. Diese wird fälschlicherweise als beständig und „inhärent existent“ betrachtet. Sie besteht nach der buddhistischen Auffassung nicht aus sich selbst heraus, sondern nur in einer abhängigen Art und Weise, ist beispielsweise abhängig von ihren Bestandteilen. Das Fehlen einer inhärenten Existenz wird als Leerheit bezeichnet und ist das zentrale Thema buddhistischer Philosophie. So bestehen die Dinge zwar in einer konventionellen Weise, letztendlich sind sie aber frei von einer innewohnenden Existenz, was als letztliche Wirklichkeit der Phänomene bezeichnet wird 12(Rabten 1997: 162). 12 Dieser sehr komplexe Sachverhalt kann im Rahmen dieser Arbeit nur kurz und oberflächlich benannt werden. Eine eingehende Erklärung würde ein Verständnis des Verfassers voraussetzen, das so nicht gegeben ist. „Wir können Leerheit nicht durch bloßes Lesen eines Buches erkennen“ (Gesche Rabten 1997: 274). 28 Abb.3 Das Lebensrad: Es symbolisiert die Lebewesen im Daseinskreislauf. In der Mitte sind die drei Geistesgifte Unwissenheit, Anhaftung und Hass als Schwein, Hahn und Schlange symbolisiert, wobei aus der Unwissenheit die beiden anderen Verblendungen hervorgehen. Im angrenzenden Kreis sind Menschen abgebildet, die auf der einen Seite durch negatives Karma in niedere Daseinsbereiche fallen und auf der linken Seite durch positives Karma in höhere Daseinsbereiche aufsteigen. In dem nächsten Kreis sind die sechs Daseinsbereiche des Samsara und in dem äußeren die sog. zwölf Glieder des abhängigen Entstehens dargestellt. Gehalten wird das Lebensrad von einem Monster, das an Tod und Vergänglichkeit erinnern soll. Der Mond oben links soll aufzeigen, dass es einen Zustand des Friedens jenseits des Leidens gibt; der Buddha oben rechts zeigt darauf und symbolisiert somit das Aufzeigen eines Auswegs aus dem bedingten Dasein durch das Dharma, was unter Befreiung oder Nirvana verstanden wird (Rabten 1997:119). 29 Unbeständig bedeutet, dass alle Phänomene, auch das Bewusstsein, in jedem Augenblick entstehen und wieder vergehen, also in keiner beständigen Weise existieren (Rabten 1997: 275). Somit ist es durch das richtige Erkennen der Bestehensweise der eigenen Person möglich, alle Fehler aus dem Geist zu beseitigen und Befreiung zu erfahren (Gonsar Rinpotsche 1999a: 31). Der Zustand der Befreiung wird als “Nirvana” bezeichnet. Dieser ist nicht als ein räumlicher Ort zu verstehen, sondern es handelt sich dabei um einen Geisteszustand. In ihm sind alle Leiden beseitigt und alle positiven Eigenschaften wie Weisheit und Liebe usw. voll verwirklicht. Der Weg dahin gilt als ein langer, harter und wird in der vierten edlen Wahrheit beschrieben (Gonsar Rinpoche 199b: 90-91). Nirvana bedeutet nicht das völlige Auslöschen einer Existenz, wie es manchmal fälschlicherweise angenommen wird. Gonsar Rinpoche (1999b) beschreibt dies aus buddhistischer Sicht als weder möglich noch erstrebenswert: „Alles zu machen, um nichts zu werden, ist kein richtiges, nützliches Ziel“ (1999b: 80). Wenn es manchmal als Ende der Existenz bezeichnet wird, so bezieht es sich auf das Ende des bedingten Daseins, auf den leidvollen Daseinskreislauf. Die vierte edle Wahrheit ist die des Weges, durch den es möglich ist, den Zustand der Befreiung zu erreichen. Ethik, Weisheit und Konzentration sind die zentralen Aspekte buddhistischer Praxis. Grundprinzip der Ethik ist die Schadlosigkeit (ahimsa) gegenüber den Lebewesen. Durch die Ethik sollen negative Handlungen verhindert werden und durch das Ausführen positiver Handlungen Verdienste angesammelt werden. Werden durch die Ethik die Handlungen des Körpers, der Rede und des Geistes gezähmt, so begünstigt dies das Entwickeln von Konzentration. Durch das Entwickeln von Konzentration kann der Geist zunehmend mittels Meditation geschult werden. Im Westen kursieren auch sehr viele verschiedene Ansichten darüber, was buddhistische Meditation sei. Gonsar Rinpotsche (1999a) meint dazu: Viele verstehen unter Meditation ein Entspannen des Geistes, aber das ist in keiner Weise die wirkliche Bedeutung von Meditation. Vielmehr ist Meditation ein gezieltes Trainieren und Schulen des Geistes, etwas Aktives, das eher einem Krieg im eigenen Geist gleicht (1999a: 23). Ziel ist es, die letztliche Weisheit zu erlangen, indem der durch Konzentration geschulte Geist mittels analytischer Meditation die zuvor erlernten Sachverhalte überprüft und 30 verinnerlicht. Dadurch kann ein direktes Verständnis der Leerheit erreicht werden. Weisheit entsteht durch Hören, Nachdenken und Meditation. So kann Egoismus überwunden und ein Wertschätzen der anderen erreicht werden. Letztliches Ziel ist es, die „Buddhaschaft“ zu erlangen und alle Lebewesen in einen Zustand des Glücks, der frei von Leid ist, zu führen (Rabten 1999:5). 3.2.3 Aspekte der Verbreitung Nach dem Ende von Buddhas Leben wurden seine Lehren in drei Versammlungen zusammengetragen und niedergeschrieben. Die Gesamtheit der Schriften bildet das Tripitaka, welches in drei Sammlungen unterschieden wird: das Vinaya Pitaka mit Ethik als zentralem Thema, das Sutra Pitaka mit Konzentration als zentralem Thema und das Abidharma Pitaka mit der Weisheit als zentralem Thema. Der Buddhismus hat sich in vielen Regionen Asiens ausgebreitet und dabei differente Ausprägungen entwickelt. Die verschiedenen Überlieferungen setzen unterschiedliche Schwerpunkte in der Philosophie und den Anwendungen. Die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Ausprägungen innerhalb des Buddhismus wird emisch mit der Notwendigkeit begründet, auf die individuellen Bedürfnisse der unterschiedlichen Wesen einzugehen. Aus diesem Grund habe Buddha so viele verschiedene Unterweisungen gegeben. In dieser Weise werden nicht nur die vielfältigen Ausprägungen des Buddhismus erklärt, sondern auch die Existenz unterschiedlicher Religionen. Diese werden zur Veranschaulichung mit Medizinsystemen verglichen: Die chinesische, indische, tibetische und westliche Medizinlehre sind voneinander sehr verschieden, sie haben aber alle das Ziel, Menschen zu heilen (Gonsar Rinpotsche 1999b: 8-10). Eine Unterscheidung ist die zwischen Hinayana und Mahayana, was mit kleinem und großem Fahrzeug übersetzt wird, wobei die Anhänger des Hinayana die Bezeichnung „Theravada“, „der Weg der Alten“, bevorzugen. In westlichen Abhandlungen findet sich auch die Bezeichnung nördlicher und südlicher Buddhismus, entsprechend der geographischen Verbreitung. Der tibetisch-mongolische Buddhismus wird dem Mahayana zugeordnet und als eine Weiterentwicklung dessen als Tantrayana bezeichnet. Die Unterschiede dieser Systeme sind nicht Thema dieser Arbeit und werden daher nicht vertieft13. Für die Betrachtung der untersuchten Entwicklungen in der Mongolei sind einige 13 Siehe dazu Katz 1982; Tauscher 1998. 31 Grundlagen des tibetischen Buddhismus von Bedeutung, die das Selbstverständnis der erforschten Gruppe bedingen. Diese werden im Kapitel 3.3 dargestellt. An dieser Stelle sei in einer notwendigerweise verkürzten Darstellung das Konzept des Mahayana als eine Weiterentwicklung des Hinayana betrachtet. Im Hinayana gilt als Idealbild der Arhat. Es handelt sich dabei um eine Person, die durch das Anwenden der Lehren Buddhas vollständige Befreiung von bedingtem Dasein erreicht. Seine Lehren hatte Buddha Schakyamuni mit einem Floß verglichen, durch das man zum anderen Ufer des Flusses übersetzen kann (Notz 2001: 53). Aus der Sicht des Mahayana wird ein solcher Arhat als unermesslich hilfreich für alle Lebewesen angesehen, doch führt das eigentliche Ziel noch einen Schritt weiter. Nicht nur man selbst solle das bedingte Dasein verlassen, so wie man mit dem Floß einen Fluss überquert, sondern das Ziel wird auf die Erlösung aller Lebewesen ausgedehnt (Rabten 1997: 166-8). Im Mahayana ist deswegen das Idealbild der Bodhisattva. Dieser strebt folglich nicht die individuelle Befreiung an, sondern ist bemüht, alle Lebewesen von ihren Leiden zu befreien. Allein zu diesem Zweck wird die Buddhaschaft angestrebt.14 Dieses Streben nach dem höchsten Ziel wird Bodhidschitta – Erleuchtungsgeist - genannt. Getrieben von diesem universalen Erbarmen gegenüber allen Lebewesen sucht der Bodhisattva Mittel und Wege, möglichst schnell alle Fehler aus dem Geist zu beseitigen und die positiven Eigenschaften voll zu verwirklichen: Die notwendige Kraft, um alle Wesen zu einer Freiheit von Leid zu führen, wird erst beim Erreichen der Buddhaschaft gewonnen. Buddha heißt auf tibetisch Sanggye. Sang bedeutet erwacht und Gye bedeutet vervollkommnet. Wovon erwacht? Erwacht von allen Hindernissen. Worin vervollkommnet? Vollkommen in Weisheit, Erbarmen und Kraft (Rabten 1997: 226). Ein Bodhisattva hat also den Erleuchtungsgeist, das Bestreben, alle Lebewesen von ihren Leiden zu befreien, voll entwickelt. Dieses Bodhidschitta bildet dann die Grundlage aller weiteren Anwendungen, die auf dem Weg des Bodhisattva geübt werden. Der MahayanaWeg, der auch großes Fahrzeug genannt wird, untergliedert sich in das Vollendungsfahrzeug und das Fahrzeug des Geheimen Mantras, welches auch Diamantfahrzeug genannt wird und sich auf die Tantras bezieht. Das Vollendungsfahrzeug verfügt über Methoden, die das altruistische Streben nach Erleuchtung erzeugen sollen, wie beispielsweise das Entwickeln der sechs Vollkommenheiten (Geben, Ethik, Geduld, Enthusiasmus, Konzentration, Weisheit). Das Diamantfahrzeug hingegen beinhaltet 14 Die volle Buddhaschaft geht noch einen Schritt weiter als der Zustand des Nirvana. Die Unterschiede zu erörtern würde hier jedoch zu weit führen (siehe dazu Gesche Rabten 1997 und Tauscher 1998). 32 tantrische Anwendungen des Buddhismus, die es dem geeigneten Anwender ermöglichen, den Zustand der Erleuchtung innerhalb eines Lebens zu erreichen. Diese wurden von indischen Meistern gelehrt und durch den tibetischen Buddhismus erhalten (Dalai Lama 2000: 105-113). 3.3 Der Buddhismus in Tibet 3.3.1 Diamantfahrzeug Es gibt hier viele Begriffe, die alle dasselbe meinen: Diamantfahrzeug, Vollendungsfahrzeug, Fahrzeug des Geheimen Mantra, Vadschrayana und Tantrayana oder auch nur Tantra, Weg des Tantra, resultierendes Fahrzeug, Vadschra-Fahrzeug etc.. Zu befürchten bleibt, dass diese Aufzählung nicht vollständig ist. Sie meinen entweder den Buddhismus tibetischer Prägung, der in der Religionswissenschaft Lamaismus genannt wird oder speziell eine Methode darin, nämlich die der Tantras (Notz 2004: 450). Tantra gilt als eine sehr fortgeschrittene und wirkungsvolle Methode in Verbindung mit Meditationsgottheiten, die nur für Anwender geeignet ist, welche die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Eine unabdingbare Voraussetzung für das Anwenden solcher Meditationen ist das zuvor beschriebene Bodhidschitta. Tantra, auch als Geheimes Mantra bezeichnet, sei jedoch „in keiner Weise etwas Geheimnisvolles“, wie Gonsar Rinpoche (2004) darlegt: Tantra wird als Geheimes Tantra oder Guhaya-Tantra bezeichnet, weil die Erklärungen, die es enthält, für eine Person, die einen entsprechenden Zustand des Geistes noch nicht erreicht hat, von keinem Wert sind. Für eine Person dagegen, die einen entsprechenden Zustand des Geistes erreicht hat, die dafür geeignet ist, sind diese Erklärungen von außerordentlich großem Wert. Deshalb heißt es, daß sie vor Personen, die nicht geeignet sind, geheimgehalten werden müssen. Das ist der einzige Grund, weshalb Tantra als geheimes Tantra bezeichnet wird (2004: 9). An dieser Stelle sollen daher auch weniger die Anwendungen betrachtet werden, sondern lediglich einige Grundzüge, wie sie von tibetischen Gelehrten dargestellt werden, um falschen Vorstellungen entgegenzuwirken, die sich um die Lehren des Tantra besonders 33 gerne zu bilden scheinen15. Von Interesse für die Betrachtung der Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei ist ein Verständnis der Meditationsgottheiten, wie sie im mongolisch-tibetischen Buddhismus verwendet werden. Tantra ist eine Richtung des Buddhismus, die immer eine Anwendung mit einer Meditationsgottheit bedeutet, die immer eine Erscheinung des Buddha ist. Im tibetischen Buddhismus gibt es eine große Anzahl verschiedener Meditationsgottheiten. Sie alle verkörpern Eigenschaften bzw. Qualitäten des erleuchteten Geistes wie Weisheit, Erbarmen, Kraft usw., indem sie eine Gestalt annehmen und einen Namen haben. Diese können dann um Segen gebeten und mit einem Mantra angerufen werden. Das Tantra soll es weiterhin dem Anwender ermöglichen, eine Verbindung zu den inneren Eigenschaften des Buddha herzustellen: wie zu einem anderen Menschen. Es sind die ganz besonderen Methoden der Tantras, die aufzeigen, wie man zu den inneren Eigenschaften des Buddha eine Verbindung herstellen kann. Beim Erlangen der vollen Erleuchtung werden Körper und Geist von einer Natur, sind nicht mehr voneinander getrennt. Da dies ein Merkmal des Zustands der vollen Erleuchtung ist, ist es auch richtig und möglich, daß geistige Eigenschaften eines erleuchteten Wesens verschiedene körperliche Erscheinungen zeigen (Gonsar Rinpotsche 1996b: 6). So ist Avalokiteshvara eine Verkörperung des Erbarmens der Buddhas, Manjuschri der Weisheit und Vadschrapani der Kraft. Tara ist eine weibliche Erscheinung der reinen Energie und der Aktivitäten der Buddhas (Gonsar Rinpotsche 1996b: 6). Es gibt vier Klassen der Tantras, die verschiedene Übungen entsprechend den Fähigkeiten des Schülers lehren, die sich in Anwendungen und Geschwindigkeit des Fortschritts unterscheiden.16 In den höchsten Anwendungen wird mit dem Geist auf subtilsten Ebenen gearbeitet, die sonst nur im Zustand des Todes „erlebt“ werden, um möglichst schnell den Zustand der Erleuchtung zu erreichen. Diese wirkungsvollen Methoden des Tantra dürfen 15 Der Dalai Lama (2000) schreibt 1963, vier Jahre nach seiner Flucht aus Tibet nach Indien, in einem kompakten Buch über den tibetischen Buddhismus, welches hier zitiert wurde, noch, dass die Lehren des Tantra sich „nicht für eine Darstellung in der Öffentlichkeit“ eigenen“ (S.112). 1977 bereits wird ein umfassendes Werk über Tantra in Tibet mit einer Einführung von ihm veröffentlicht, um den falschen Vorstellungen, die sich im Westen gebildet haben, entgegenzuwirken (Hopkins 1994). Aus einem Zitat des Dalai Lama auf dem Einband des Buches: „..obwohl Geheimes Mantra im Verborgenen erreicht werden muß, sind viele Bücher erschienen, die eine Mischung aus Wahrheit und Unwahrheit darstellen. Deshalb glaube ich, daß das Übersetzen und Verbreiten eines sachkundigen Werkes helfen könnte, diese falschen Überlegungen zu beseitigen. Aus diesem Grunde gebe ich eine Erklärung zu Tson.ka.pas Großem Geheimen Mantra.“ 16 Lediglich in der höchsten Klasse der Tantras gibt es Darstellungen von weiblichen und männlichen Gottheiten, die in sexueller Vereinigung dargestellt werden. Diese sei allerdings ausschließlich symbolisch zu verstehen in dem Sinne, dass Methode und Weisheit als vereint im eigenen Geist erreicht werden müssen. Zu gewöhnlichen sexuellen Vereinigungen habe das keinen Bezug, erklärt Gonsar Rinpotsche (2004: 26) ausdrücklich, um noch einmal auf die zu Beginn des Kapitels angesprochene Problematik der westlichen Projektionen zurückzukommen. 34 nur aus altruistischer Motivation zum Wohle aller Lebewesen eingesetzt werden (Dalai Lama 2000: 110-113). Eine Unterscheidung der Körper des Buddha bzw. der Buddhas ist die in Wahrheits- und Formkörper: Der Wahrheitskörper (Dharmakaya) ist der Geist und die Weisheit der Buddhas. In ihm verschmelzen alle erleuchteten Wesen, da sie von der gleichen Natur sind. Doch weil dieser für nicht erleuchtete Wesen nicht wahrnehmbar ist, manifestieren sich die erleuchteten Wesen in unterschiedlichen Formkörpern (Rupakaya). Die Formkörper werden in einem weiteren Schritt in Sambhogakaya und Nirmanakaya unterteilt. Den Sambhogakhaya (‚Genusskörper’, ‚Wohlstandskörper’ oder ‚Verweilkörper’) können wiederum nur sehr wenige Wesen mit erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit erkennen, weswegen sich Buddhas im Nirmanakaya, in den Erscheinungskörpern, auch für gewöhnliche Wesen sichtbar manifestieren. Diese können alle möglichen Formen annehmen und sind nicht unbedingt als solche erkennbar. Als höchster Nirmanakaya unseres Zeitalters gilt Buddha Schakyamuni, der sich als solcher zu erkennen gab17(Gonsar Rinpoche 1998: 48-56). Meditationsgottheiten, Schutzgottheiten und Orakel18 werden als Emanationen der Buddhas gesehen. Durch die Lehre der unterschiedlichen Manifestationen der Buddhas konnte der Buddhismus in Tibet und in der Mongolei flexibel auf die vorbuddhistischen indigenen Glaubensvorstellungen reagieren, indem er sich Elemente daraus einverleibte (Dagyab 2003: 61-72). Für die Anwendungen des Tantra gilt es als unerlässlich, sich einem qualifizierten geistigen Lehrer anzuvertrauen, da es ohne Anleitung eines solchen nicht möglich sei, eine adäquate Meditationsgottheit zu finden. Für die Anwendungen ist ferner eine Einweihung und eine Kraftübertragung für die jeweilige Gottheit notwendig. Falsche Anwendungen in diesem Bereich können aufgrund der Macht der Methode großen Schaden anrichten (Gonsar Rinpotsche 2004:132; Dalai Lama 2000: 112). 17 Aus dieser Sicht ist der Buddha Schakyamuni lediglich eine Emanation des Dharmakaya, Tauscher (1998) nennt dies eine „magische Erscheinung“, die den Lebewesen aus „didaktischen Gründen“ vorgeführt wird (S.101). 18 Siehe dazu Schüttler (1971). 35 3.3.2 Meister Die religionstypologische Bezeichnung Lamaismus für den Buddhismus tibetischer Ausprägung wird von tibetischer Seite entschieden als irreführend abgelehnt. Der Begriff lehnt sich an das tibetische Wort für den geistigen Meister „Lama“ an, der in diesem System des Buddhismus einen besonderen Stellenwert einnimmt. Die Bezeichnung Lamaismus wird jedoch von tibetischer Seite vehement zurückgewiesen. Loden Sherab Dagyab (1995) beklagt, dass die „eigenartige Wortschöpfung Lamaismus“ immer noch anzutreffen sei. Mit den Lamas würde dem Mythos Tibet ein weiterer Faktor für Projektionen geliefert (1995: 8). Der Dalai Lama (2000) bemängelt, dass durch den Begriff der Eindruck erweckt werde, es handle sich um etwas vom Buddhismus Verschiedenes (Dalai Lama 2000: 134). Die Bezeichnung Buddhismus ist selbst bereits ursprünglich eine (westliche) Fremdbezeichnung, die jedoch weitgehend übernommen wurde; die Eigenbezeichnung ist Dharma (Notz 2004: 263). Aus der Sichtweise des tibetischen Buddhismus kann dieses Dharma nur durch einen qualifizierten Meister auf den Schüler übertragen werden. Weil die direkte Übermittlung der Lehre in dem tibetischen Buddhismus solch einen besonderen Stellenwert hat, werden in manchen Gebeten alle wichtigen Meister der daraus sich ergebenden Übertragungslinie, angefangen von Buddha Schakyamuni bis zu den zeitgenössischen Meistern, genannt: In den Klöstern finden sich immer Darstellungen des sog. Verdienstfeldes, in denen die Meister der Übertragungslinie dargestellt werden (s. Abb. 4). Eine entsprechende Bedeutung für den einzelnen Anwender genießt der Meister besonders in den tantrischen Unterweisungen. Anwendungen des Tantra dürfen aus buddhistischer Sicht nicht ohne einen qualifizierten Lehrer vorgenommen werden. Deswegen wird betont, dass die Auswahl des Meisters sehr sorgfältig erfolgen solle. Es werden viele Kriterien genannt, die eine Person aufweisen muss, um als geistiger Meister in Frage zu kommen. Auch der Meister selbst sollte den Schüler sorgfältig daraufhin überprüfen, ob er für eine Meister-Schüler-Beziehung geeignet ist und welche Übungen mit welcher Meditationsgottheit angemessen sind. Als ein Beispiel, das Buddha selbst in Bezug auf das Überprüfen seiner Lehren nannte, wird oft das Bild eines Händlers angeführt, der Gold kaufen möchte und dieses vorher kritisch überprüft: „So wie Gold durch Brennen, Schneiden und Reiben geprüft wird, so prüft meine Worte. Und akzeptiert sie dann, aber nicht aus Respekt für mich“ (Gonsar Rinpoche 2005). 36 Abb.4 Das Verdienstfeld: Im Zentrum befindet sich der persönliche Meister in Form des Gründers der Gelug-Tradition Tsongkhapa, oberhalb der zentralen Figur befinden sich die Meister der Übertragungslinie in drei Gruppierungen: links solche, deren Werke ihren Schwerpunkt auf dem Aspekt der Weisheit haben, in der Mitte die Meister der direkten Übertragungslinie und rechts solche, deren Werke den Schwerpunkt auf dem Aspekt der Methode haben. Unterhalb der zentralen Figur befinden sich tantrische Meditationsgottheiten und verschiedene Erscheinungen von Buddhas und Bodhisattvas sowie Schutzgottheiten (Bild: Karte aus Rabten Choeling). 37 In diesem Sinne sollte die Person eines potentiellen Meisters und deren Lehren kritisch überprüft werden und es dürfe keine Beziehung aus blindem Glauben geschlossen werden. Wird diese Beziehung einmal geschlossen, dann ergeben sich daraus bestimmte Verpflichtungen und Verhaltensregeln für beide Seiten. Der geistige Meister wird dann als eine Verkörperung der Meditationsgottheiten angesehen, die den Schüler aus dem bedingten Dasein führt (vgl. Asvagosa 1985). Im tibetischen Buddhismus wird betont, dass der Meister nur eine Verkörperung der drei Juwelen ist, zu denen ein Buddhist Zuflucht nimmt, und nichts davon Verschiedenes oder Zusätzliches. Gesche Rabten (2000) veranschaulicht in seiner Biographie seine innere Beziehung zu seinem Meister durch einen langen Brief an diesen, der mit den Worten beginnt: O Herr aller Buddha-Familien und Beschützer der Lebewesen, obwohl Deine Erscheinungen grenzenlos sind, bete ich zu Dir von einer Natur, segne mich, damit mein ganzes Sein mit Dharma verbunden sei (2000: 54-55). Der Brief erstreckt sich dann über vier Seiten und in ihm sind alle Aspekte der Meisterverehrung aufgezählt. Er veranschaulicht zudem noch eine Tradition, die es in Tibet gab: der Verehrung des geistigen Meisters in literarischen Briefen Ausdruck zu verleihen. 3.3.3 Tulku-System Das Tulku-System findet in der Literatur bislang wenig Beachtung. In Werken über den Tibetischen Buddhismus findet sich meist nur ein kurzes Unterkapitel. Dem Autor ist nur eine Abhandlung bekannt, die sich explizit mit dem Thema beschäftigt und dabei über die Beschreibung einer Biographie hinausgeht (Bärlocher 1982). In tibetischen Texten finden sich jedoch, wie die Informanten des Verfassers berichten, detaillierte Abhandlungen über das System. Nach einer kurzen Einführung wird das System daher durch selbsterhobenes, empirisches Material beleuchtet, da drei der Interviewpartner selbst Tulkus sind, die erzählten, wie sie diese Institution einschätzen. Für die folgenden Ausführungen über die Mongolei ist von Interesse, wie mit dem System aus Sicht der Akteure umgegangen wird. Dessen genaue Funktionsweise und unterschiedliche Ausprägung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht gebührend betrachtet werden. Eine kurze und daher zwangsläufig vereinfachende Erklärung sei der Verständlichkeit halber vorangestellt. Ausführliche Erklärungen unter 38 historischer Sichtweise finden sich bei Schulemann (1976: 179-223). Bärlocher (1982) sammelte und analysierte zahlreiche Befragungen von tibetischen Tulkus im Exil. Tulku ist das tibetische Wort für Nirmanakaya (vgl. 3.3.1) auf Sanskrit und wird mit Erscheinungskörper übersetzt. Im Allgemeinen werden mit Tulkus jene ‚Wiederverkörperungen’ religiöser Lehrer gemeint (tib.: Yangsi), deren Betrachtung für die weitere Arbeit von Belang ist.19 ‚Wiederverkörperungen’ bezieht sich auf die ‚Nachfolger’ von Mönchen, die durch ihr Studium und ihre Meditationen solch hohe Erkenntnisse und Verwirklichungen erreicht haben, dass sie Kontrolle über die Prozesse ihres Todes und ihrer Wiedergeburt erreicht haben. Die Prozesse des Todes, des sog. Zwischenzustandes und der Geburtnahme werden in tibetischen Schriften detailliert beschrieben (vgl. Rabten 2000), und fortgeschrittene tantrische Meditationen machen sich solche ,subtilen’ Geisteszustände zu Nutze. Der durch diese Übungen geschulte ‚Tulku’ kann dann auf seine Wiedergeburt Einfluss nehmen20. Auf dieser Ebene der Erkenntnis wäre es bereits möglich, so die buddhistische Auffassung, den Kreislauf des bedingten Daseins zu verlassen, doch aufgrund seines Mitgefühls und der Bitten seiner Schüler kann er eine erneute Existenz als Dharma-Lehrer ansteuern, wenn alle entsprechenden Umstände dafür gegeben sind. Die Schüler, oft ganze Klöster, beten für die erneute Geburtnahme, und eng vertraute Personen suchen später die Wiedergeburt dieses Tulkus. Es werden dafür verschiedene Mittel und Methoden angewandt. Meist gibt der Tulku vor seinem Tod erste Prophezeiungen bezüglich seiner Wiedergeburt, weiter spielen Träume und Weissagungen eine Rolle, in Trance geratene Orakelpriester etc.. Die Zeit bis zu einer neuen Geburtnahme kann bei verwirklichten Tulkus zu den für ‚Normalsterbliche’ angegebenen 49 Tagen des Zwischenzustandes stark variieren, so dass diese entweder sofort oder erst Jahre später Geburt nehmen. Das wiedergeborene Kind wird dann bereits in jungem Alter gesucht und durch verschiedene Tests authentifiziert. Manchmal wird schrittweise aus sehr vielen Kandidaten der passende ausgewählt. Eine Verifikation der ausgewählten Person als die wahrhaftige Wiedergeburt des verstorbenen Meisters kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, sehr begehrt war immer eine Bestätigung des Dalai Lama (Bärlocher 1982: 70-83). 19 Tulkus im Sinne von wiedergeborenen großen Meistern werden oftmals ebenso mit einer jeweils bestimmten Meditationsgottheit in Verbindung gebracht, wodurch sich weitere Klassifikationen ergeben. (Siehe dazu Bärlocher 1982: 35-43). 20 Der Geist kann verschieden subtile Zustände annehmen: Das Wachbewusstein gilt als das gröbste, Traum und Schlaf sind jeweils etwas subtiler. Der subtilste Zustand ist der des klaren Lichts während des Todes. Durch die (lange geübten) tantrischen Meditationen kann dieser Zustand genutzt werden und der Sterbende für längere Zeit (bis zu drei Wochen) darin verweilen, ohne dass der Körper umfällt oder verwest (Bärlocher 1982: 70-73). 39 Diese Tulku-Praxis ist im tibetischen Buddhismus im 13. Jh. entstanden im Zusammenhang mit der Identifizierung der Inkarnationslinie der sog. Karmapas. Durch den dritten Dalai Lama wurde sie zu einem System erhoben (Schulemann 1958: 203). Nach buddhistischer Auffassung sind ja ohnehin alle Menschen Wiedergeburten von Lebewesen, und Bodhisattvas ‚nehmen’ aus Mitgefühl bewusst ‚Geburt’ als Menschen ‚an’, obwohl sie das nach buddhistischer Sicht teilweise nicht mehr müssten. Das genuin tibetische, was sich mit dem Tulku-System gebildet hat, ist, dass jeweils die ganz spezifischen Wiedergeburten eines gestorbenen Meisters gesucht und gefunden werden. Diese sind dann dazu verpflichtet, das Lebenswerk ihres ‚Vorgängers’ fortzuführen, wodurch sich lange Reinkarnationslinien ergeben. Am Anfang einer solchen Linie steht meist ein gelehrter Gesche, der einen Namen erhält, den dann alle weiteren Tulkus dieser Linie erhalten. So erhielt auch Lobsang Dargayaa den Namen Zava Rinpotsche, nachdem er als Wiedergeburt seines Vorgängers Zava Damdin bestimmt wurde (vgl. 5.3). Die Frage nach der Identität und dem Selbstverständnis eines Tulkus gestaltet sich insofern als schwierig, als die Befragten nach buddhistischer Auffassung zu einem Understatement bezüglich der eigenen Fähigkeiten gebunden sind (Schulemann 1958: 96-99). Bei den Interviews innerhalb der Feldforschungen des Verfassers war das Tulku-System stets ein wichtiger Aspekt. Im Folgenden werden einige, nach Ansicht des Verfassers zentrale, Einschätzungen der Informanten bezüglich des Tulku-Systems wiedergegeben. Auf die Frage hin, ob er dem Tulku-System eine Zukunft beimesse, schaute ein Mönch den Verfasser - sichtlich verwundert über die Frage - nahezu vorwurfsvoll an. Seine Antwort war, dass das System selbstverständlich Fortbestand haben müsse, denn wenn beispielsweise sein Lehrer Gonsar Rinpotsche sterbe, müsse er ja schließlich wissen, wo sein Meister hingegangen sei. Man könne ihn ja nicht so einfach gehen lassen. Dieser wiederum bemängelte, als er einige Wochen später in Österreich zu dem Thema interviewt wurde, dass das Tulku-System eine gewisse Inflation erfahre. „Manchmal denke ich, dass eines Tages jeder Schüler seinen Meister wiederfinden werde“ (GR: 12). Zasep Rinpotsche befand in dieser Frage ähnlich: I’m concerned myself because these days there are so many people saying I’m Tulku of this and I’m Tulku of that and even in the West there are some in America‚ I’m Tulku of this and I’m Tulku of that’ and people make jokes and laugh. But there are also many genuine Tulkus, good Tulkus (ZTR : 9). Den richtigen Tulku wiederzufinden sei allerdings sehr schwierig, erklärte Gonsar Rinpotsche. Mehrere Faktoren müssten zusammenkommen, damit eine Tulku-Bestimmung 40 erfolgreich stattfinden kann. Von den betenden und suchenden Schülern einmal abgesehen, müssen auch von der Seite des Meisters her einige Bedingungen erfüllt sein. Dieser müsse zunächst überhaupt erst die Fähigkeit besitzen, Kontrolle über den eigenen Tod und die Wiedergeburt zu erlangen, und diese Macht zu erreichen sei alles andere als einfach. Dann brauche er zusätzlich noch eine heilsame Motivation, fügte Gonsar Rinpotsche in Anspielung auf das oben genannte universale Mitgefühl Bodhidschitta hinzu. Es könne durchaus sein, dass ein Meister zwar den Wunsch hege, erneut im Kreise seiner Schüler wiedergeboren zu werden, und dieser Meister könne auch sehr gelehrt sein, aber trotzdem die Fähigkeit dazu noch nicht besitzen. Treffen Fähigkeit und Motivation zusammen, dann muss dieser Meister erst davon überzeugt sein, dass eine Wiedergeburt auch zum Wohle aller Lebewesen sei und einen Nutzen brächte: Ein großer Meister, der diese Wahl hat, wird das nur benutzen, wenn es wirklich einen großen Nutzen für die Wesen und für das Dharma hat. Sie sind nicht verpflichtet wegen einer Tradition oder einem System oder so, das spielt keine Rolle. Wenn also ein Meister wirklich diese Macht oder diese Kontrolle hat, dann wird er schauen, ob die Studenten gute Studenten sind oder nicht und ob seine Wiederkehr in diese Umgebung wirklich etwas für die Lebewesen bringt oder nicht. Dann erst werden sie wiederkommen, sonst nicht (GR: 12-13). Wenn dies der Fall ist, so sei dies ein sehr glücklicher Umstand, der einen großen Nutzen brächte. Er zweifle nicht daran, dass es das gibt und gegeben habe, stellte Gonsar Rinpotsche klar, und aus solchen Ereignissen heraus habe sich das System entwickelt. Allerdings berge das System als Institution die Gefahr, dass auch einmal jemand gefunden werde, der nicht der Nachfolger des gesuchten Meisters ist. Das Positive an dem System sei jedoch, dass dadurch eine Kontinuität gewährleistet werde. Und diese Einschätzung teilten alle Interviewten. The Tulku tradition is an important one, because when somebody is recognized as a Tulku then this little boy gets special training, teachings and initiations and so forth, train when they are young, train when they are very little, so that’s a very important time for the little kid; to pass on everything from the lineage, so it’s really important, that role is very important and I think this tradition will go on, will continue (ZTR: 8). Wenn ein Tulku unter besonderen Umständen aufwachse, habe er die Verpflichtung, am Lebenswerk des Vorgängers anzuknüpfen und diese Tradition fortzusetzen. Auf die Frage nach Kriterien für die Authentizität eines Tulkus antwortete Zasep Rinpotsche: But one thing what we say in Tibet, let's say you recognize one Tulku […] if he is dedicated his entire life for the Buddha, Dharma and Sangha, and the lineage then he served the purpose, whether it is the same mind- 41 consciousness or not if he is doing the job whatever has to be done, exactly what the previous incarnations more or less done, if he is very devoted, then that is the main, the whole purpose. So he served the purpose. That is the most important for people, for the world, for the society, for Buddha, Dharma. If he doesn’t do anything to help preserving the teaching, the lineage, even if he is the real Tulku it doesn’t make much difference. It doesn’t serve the purpose. So we don’t know exactly, but the main thing is that he is doing his job, so that’s fine, just leave it like that, that is what has happened most of the times in the past, because we don’t really know, you have to be clairvoyant [to see if it is the true Tulku or not, B.S.] (ZTR: 11-12). Bärlocher (1982) stellt in seiner Untersuchung fest, dass ein einmal als solcher bestimmter Tulku keine Möglichkeit besäße diesen Titel wieder loszuwerden, egal was er mache. Aber um wieder ein angesehener Meister zu werden, auch diese Meinung teilten alle Informanten des Verfassers, müsse sich der Tulku erst wieder in diesem Leben behaupten. 3.3.4 Geschichtliche Entwicklung Die Lehren des Buddha kamen in zwei Wellen nach Tibet, die als die frühe und die späte Bekehrung bezeichnet werden. Die erste Phase begann im 7. Jahrhundert unter dem 32. tibetischen König Songtsen Gampo, der erste Tempel errichten und eine eigene Schriftsprache und Grammatik entwickeln ließ. Es wurden in der Folgezeit indische Meister eingeladen, welche die Lehrreden des Buddha übersetzten und unterrichteten. Als bekanntester unter ihnen gilt der tantrische Meister Padmasambhava (siehe Tsogyal 1996), der sich gegen die Widerstände der heimischen Bön- Religion durchsetzte und Teile davon in die Lehre integrierte (Dalai Lama 2000: 127-129). Nach einer Phase der Unterdrückung des Buddhismus durch nicht- buddhistische Adelige wurde im zehnten Jahrhundert unter großen Mühen und Anstrengungen ein zweiter Anlauf vorgenommen. Erneut wurden indische Meister eingeladen, wie beispielsweise Atischa, und Tibeter reisten nach Indien um den Buddhismus zu erlernen und in ihrem Lande zu etablieren. Es wurden mehrere Schulen gegründet, aus denen heraus sich im Laufe der Zeit die vier tibetischen Orden entwickelten: Nyingma, Kagyü, Sakya und Gelug. Im zwölften Jahrhundert erlangte der Sakya-Orden politische Macht im Zusammenspiel mit der mongolischen Herrschaft, auch die Vormachtstellung des Dalai Lama und des Gelug ist zu einem Teil mit den Mongolen verknüpft. Der Begründer des Gelug- Ordens ist Je Tsonkhapa (1357-1419), der eine neue tantrische Schule unter besonderer Berücksichtigung der klösterlichen Vinaya- Regeln gründete, weswegen der Gelug-Orden als „die Tugendschule“ bezeichnet wird. Andere Bezeichnungen sind ‚die Tugendhaften’, 42 ‚Gelbmützen’ oder der veraltete Begriff ,die gelbe Kirche’ (Notz 2004: 178). Seine Werke, die sich an den Darlegungen Atischas orientieren, haben heute eine fundamentale Bedeutung innerhalb des Ordens, wie beispielsweise sein Lam Rim Chenmo, die ‚Darlegungen auf dem Stufenweg der Erleuchtung’ (Tsong-kha-pa 2000). Dabei handelt es sich um eine Art Leitfaden durch die gesamten Lehren. Tsongkhapa wird in der Literatur als Reformator bezeichnet, weil er die klösterliche Disziplin, die auf den Vinaya-Texten basiert, wieder einführte. In Folge dessen wurden in Tibet sehr großen Klöster gebaut wie Gandan, Drepung und Sera. Die klösterliche Ausbildung rückte dadurch in den Vordergrund, die unter anderem Wert legt auf das Auswendiglernen relevanter Texte und philosophische Debatten und Meditationsklausuren beinhaltet. Nach ca. 20 Jahren Studium kann durch verschiedene Prüfungen und Disputationen ein sog. Gesche-Titel erworben werden. Der weltweit bekannteste Vertreter dieses Ordens heutzutage ist der vierzehnte Dalai Lama. Der Titel Dalai stammt aus dem Mongolischen, wird mit ‚Ozean der Weisheit’ o.ä. übersetzt und wurde von Althan Khan 1578 an den Mönch Sönam Gyatso verliehen. Dieser war bereits der dritte seiner Inkarnationslinie. Ab dem fünften Dalai Lama ist dieser das religiöse und weltliche Oberhaupt der Tibeter (Schulemann 1958: 63-117, 224-267). Gemeinsam beruhen alle vier tibetischen Orden auf der philosophischen Schule der Madhjamika, der Schule des mittleren Weges. Die Unterschiedlichkeit der vier tibetischen Schulen vergleicht der Dalai Lama (2000) mit der Verschiedenheit von Flugzeugmodellen, die schlussendlich alle in Abhängigkeit von Motorleistung und Luftwiderstand am Himmel fliegen (2000: 133-134). Die vorbuddhistische Bön-Religion scheint sich im Laufe der Zeit dem Buddhismus, der seinerseits von ihr beeinflusst wurde, so weit angeglichen zu haben, dass Terminologisches und die Richtung, in der heilige Stätten umrundet werden, die größten Unterschiede zu sein scheinen (Powers 1998: 344). Weil die chinesische Befreiungsarmee 1949 in Tibet einmarschierte, existiert dieses heute nur noch als autonome Provinz Chinas. Aufgrund der massiven Unterdrückung der Religionsausübung flohen 1959 viele Tibeter, darunter alle hier zitierten tibetischen Autoren, ins indische Exil (Barrnaux 1995: 288-306). 43 4. Geschichte des Buddhismus in der Mongolei bis zum Zusammenbruch des sozialistischen Systems Da die Untersuchungen für die vorliegende Arbeit in dem Gebiet der heutigen Mongolischen Volksrepublik stattfanden, beziehen sich die folgenden Ausführungen hauptsächlich auf dieses Gebiet. In älterer Literatur findet sich die Bezeichnung Äußere Mongolei, die sich in Bezugnahme auf China von der Inneren Mongolei, einer autonomen Region der chinesischen Volksrepublik, unterscheidet. Die Mongolei ist extrem dünn besiedelt und hat bei einer Fläche von 1.564.000 km² nur 2.421.000 Einwohner, wobei allein 760.000 Menschen in der Hauptstadt Ulaan Baatar leben (Barrata 2003: 589). 4.1 Stationen der Ausbreitung des tibetischen Buddhismus in der Mongolei Ähnlich wie beim Beispiel Tibet spricht man auch bei der Mongolei von zwei Phasen der Bekehrung zum Buddhismus bzw. von zwei Perioden der Verbreitung der Lehre, die sich allerdings in der Mongolei geschichtlich etwas später ereigneten und von Tibet aus stattfanden. So wird der mongolische Buddhismus im Großen und Ganzen mit dem tibetischen gleichgesetzt (Heissig 1970: 297).21 Insbesondere gilt dies für das zugrunde liegende geistige Konzept und die klösterliche Ausbildung. So wie der Buddhismus in Tibet flexibel auf die örtlichen Gegebenheiten reagierte, indem er sich gewisse Lokalgottheiten einverleibte, können auch für die Mongolei lokalspezifische Elemente beobachtet werden.22 In Bezug auf die lebenspraktische Ausgestaltung ist daher von einem Synkretismus die Rede (Heissig 1970: 346). Ein heute sehr prägnanter Unterschied zu Tibet ist jedoch, dass in der Mongolei alle Mönche als „Lama“ bezeichnet werden und sich dieser Name nicht auf das Konzept des geistigen Meisters bezieht, wie bereits in Kap. 3.3.2 beschrieben wurde. Unter Ögedei Khan (1228-41), dem Sohn und Amtsnachfolger Dschinghis Khans, fand an dessen Hof ein Disput unterschiedlicher Religionen statt, den der aus Tibet dazu 21 W.A. Unkrig kommt bereits 1927, als der Buddhismus in der Mongolei noch weitgehend intakt war, in seiner Einleitung zu einem sowjetischen Werk über den mongolischen Buddhismus zu diesem Schluss (S.6). 22 Beispielsweise werden in der Mongolei gewisse Verhaltensregeln hinsichtlich des Herdfeuers eingehalten, die ihren Ursprung in dessen vorbuddhistischer Verehrung haben (Dumas 1987). 44 eingeladene Sakya Pandita gewinnen konnte. Dadurch etablierte sich der tibetische Buddhismus in der sog. ‚ersten Verbreitung der Lehre’ in der Mongolei unter Khubilai Khan (1215-1294)23, dem späteren Kaiser von China und Begründer der Yuan-Dynastie. Khubilai Khan ließ in der Mongolei und auch in Peking Klöster bauen (Sagaster 1989: 234-237). Er soll zusammen mit Phagpa Lama sogar einen Plan für einen mongolischtibetischen, buddhistischen Universalstaat erarbeitet haben, dem ein mongolischer Großkhan als weltlicher Herrscher und ein tibetischer (Sakya-) Lama als geistliches Oberhaupt vorstehen sollten (Sagaster 1976: 3). Mit dem Niedergang der Yuan- Dynastie in China 1368 zerfiel das mongolische Großreich in kleinere Regionalbezirke, sog. Khanate. Die aufstrebenden Mandschus machten sich in der Folgezeit den Buddhismus als integratives Element ihrer sich ausdehnenden Herrschaft zu Nutze (Barkmann 1999: 21). Einen erneuten Aufschwung erlebte der Buddhismus dann im 16. Jahrhundert unter Althan Khan (1507-82), der bestrebt war, wieder ein mongolisches Großreich zu errichten. In Anlehnung an die Idee des Universalstaates, dem in wechselseitiger Abhängigkeit ein mongolischer Großkahn und ein tibetischer Lama vorstanden, wandte sich Althan Khan wieder an die Tibeter. Er lud den dritten Dalai Lama24 in die Mongolei ein. Der mongolische Geschichtsschreiber Secen (zit. nach Sagaster 1976)25 berichtet über die Zusammenkunft: Am heutigen Tage sind Sigemüni (Sakyamuni), und der heilige Lama der Zeit des Kampfes, und Qormusta (d.h. Althan Khan), der großmächtige König dieser Länder, zusammengetroffen. Wenn sie von diesem glückbringenden, günstigen Tage an den von den Blutwellen bewegten großen Strom in ein von aufquellender Milch durchsetztes klares Meer verwandeln und den von den Vorfahren eröffneten weißen Weg diese (heilbringende) Norm (aufs neue) eröffnen, so ist dies die Frucht unseres Vertrauens auf König und Lama. (1976: 42-43).26 Dadurch konnte sich die Tradition des tibetischen Gelugpa-Ordens, dem die Dalai Lamas angehören, in der Mongolei etablieren. Der Buddhismus breitete sich somit von ‚Oben’ nach ‚Unten’ aus, teilweise wurden per Erlass der Fürsten gewisse Gottheiten und 23 Frühe Kontakte zum Buddhismus soll es schon durch die Uiguren vereinzelt gegeben haben, erste buddhistische Texte wurden übersetzt (Sagaster 1989: 235). Unter Dschinghis Khan gab es bereits vereinzelte buddhistische Klöster (Atwood 2004: 48). 24 Der bei diesem Anlass von Althan Khan den Titel Dalai Lama erst verliehen bekam (wie bereits in 3.3.4 beschrieben wurde). 25 Bei dem hier zitierten „Secen qung tayiji“ handelt es sich um den Großvater des Sagan Secen (geb. 1604), dessen ‚Geschichte der Mongolen und ihres Fürstenhauses’ (1985 [1829]) das erste Werk mongolischer Geschichtsschreibung war, welches einer westlichen Leserschaft zur Verfügung stand. Das Werk gilt heute noch als Klassiker. 26 Klammersetzungen auch im Original. 45 Handlungen, wie beispielsweise das Schlachten aus rituellem Anlass, verboten (Grünwedel 1970:82). Die Lamas übernahmen schrittweise die gesellschaftlichen Funktionen der Schamanen (Heissig 1970: 341). Als sichtbarer Ausdruck der Zusammenarbeit des tibetischen Gelug-Ordens mit der Mongolei wurde der vierte Dalai Lama dort als ein Enkel des Althan Khan geboren. In der Folgezeit gewannen die Lamas zunehmend an Bedeutung an den Höfen der mongolischen Fürsten als Berater und Gelehrte; des Weiteren wurden sie auch wegen ihrer medizinischen Fähigkeiten geschätzt. Auch die Klöster vermehrten sich in Bezug auf Anzahl und auf Besitz. Um die Klosteranlagen bildeten sich oft kleine Siedlungen mit dienstleistenden Familien. Manche Klöster wurden im Laufe der Zeit sehr wohlhabend, sie besaßen sowohl Land als auch Viehherden. Die Klöster bedeuteten einen weithin manifesten Einschnitt in das Wirtschaftswesen des Landes und stellten teilweise eine Konkurrenz für den Adel dar (Barkmann 1999: 30-34). Die Klöster nahmen darüber hinaus auch einen Bildungsauftrag gegenüber der Bevölkerung wahr. Durch die Errichtung von Klosterschulen trugen sie nicht nur zur Bildung des Adels bei, sondern kümmerten sich auch um die Alphabetisierung der einfachen Bevölkerung. Welchen Stellenwert die Klöster in jener Zeit hatten, wird an dem Faktum deutlich, dass bis zu 45 % der männlichen Bevölkerung in Klöstern lebte (Heissig 1970: 333-336; Notz 2004: 313). Mit dem Einzug des tibetischen Buddhismus der Gelugpa-Schule kam auch das TulkuSystem in die Mongolei. Tulku heißt auf Mongolisch Khubilgan, wobei die Khubilgane der Mongolei den Tulkus in Tibet entsprechen. Wenn ein Khubilgan starb, suchten hier, ebenso wie in Tibet, seine Schüler dessen Nachfolger, und wichtige Positionen wurden von Khubilganen besetzt. Am bekanntesten und wichtigsten in der ‚äußeren’ Mongolei war die Linie der Jetsündampa Khudukhtus (Hyer 1983: 13-15). Der Begründer dieser Inkarnationslinie und somit erster Jetsündampa Khudukthu war Öndör Gegen (1635-1723), ein Nachfahre des Altan Khan. Als Sohn eines Fürsten geboren, nahm er in jungen Jahren die ersten buddhistischen Gelübde. Nach einer Ausbildung in Tibet wurde er als Vertreter der höchsten Inkarnationslinie zum religiösen Oberhaupt der Mongolei gekürt und erhielt den Ehrennamen Zanabazar. Der dritte Jetsündampa Khudukhtu wurde bereits in Tibet geboren. Der achte Jetsündampa Khudukhtu, 1870 in Lhasa (Tibet) geboren, wurde 1911, als die Mongolei von der chinesischen Qing-Dynastie unabhängig wurde, als weltliches Oberhaupt einer konstitutionellen Monarchie eingesetzt (Sagaster 1989: 234). 46 4.2 Umwälzungen im 20. Jahrhundert Zu Beginn des letzten Jahrhunderts stand die Mongolei zwischen den beiden Großmächten China und Russland. Als sich Jetsündampa Khudukthu um die Jahrhundertwende an Russland wandte, hegte er die Hoffnung, einen Beschützer für die mongolische Religion und Gesellschaftsstruktur zu erhalten. Die instabile politische Situation im Peking von 1911 nutzte er, um die Mongolei als von China unabhängig zu deklarieren und sich als Oberhaupt der konstitutionellen Monarchie einsetzen zu lassen, wodurch er den Namen Bogda Khan (,heiliger Herrscher’) erhielt. In der Folgezeit der wechselnden politischen Konstellationen der Mongolei wurde er zu einer bedeutenden Figur, die sich sowohl chinesische als auch russische Eroberer zu Nutze machten, indem diese ihn als eine legitimierende Repräsentationsfigur formell zum Staatsoberhaupt ernannten.27 Der Einmarsch der Roten Armee in die Mongolei im Jahre 1921 bereitete den Machtwechseln ein Ende und etablierte schrittweise eine kommunistische Regierung in der Mongolischen Volksrepublik. Als Satellitenstaat stand sie in der Folgezeit unter dem starkem Einfluss der Sowjetunion. Es bildete sich eine Mongolische Volkspartei aus drei verschiedenen Fraktionen, zu einer von ihnen gehörte der Bogda Khan, der von 1921 bis zu seinem Tode 1924 das Oberhaupt der konstitutionellen Monarchie blieb. Jedoch wurde seine Befugnis auf rein religiöse Angelegenheiten limitiert und schrittweise in finanzieller und juridischer Hinsicht eingeschränkt. Seine vertrauten Geistlichen und sein persönlicher Arzt wurden verhaftet und nach einem Prozess hingerichtet. Im Jahre 1924 erkrankte der Bogda Khan, wurde von einem sowjetischen Arzt behandelt und verstarb noch im selben Jahr. Eine Nachfolge des Bogda Khan wurde konstitutionell verboten (Atwood 2004: 270-271). Durch den schleichenden Prozess der zunehmenden Repression und das Fehlen des religiösen Oberhauptes nach 1924 war es wohl für die religiöse Bevölkerung naheliegend gewesen, in die „innere Emigration“ zu gehen, sich also zurückzuziehen und die Religionsausübung im Verborgenen weiter zu betreiben. Hier könnte sich eine Erklärung dafür finden, dass es keine ausgeprägte mongolisch-buddhistische Exilgemeinde gibt, wie sie im Falle des tibetischen Buddhismus existiert.28 Die hier dargestellten Prozesse waren Teil einer Periode der frühen Konflikte zwischen Kommunismus und Buddhismus in der Mongolei, in der sich die ländliche Bevölkerung in 27 Auf die geschichtlichen Details, wie bspw. die 18-monatige Besatzung durch den (weiß-) russischen Baron von Ungern-Sternberg, kann in der Arbeit nicht eingegangen werden. (Siehe dazu Bawden (1968 und 1997); Ewing (1980)). 28 In Tibet fanden die „Säuberungsaktionen“ während eines kleinen Zeitfensters statt, was die Glaubensgemeinde dazu bewegte, den Dalai Lama in Sicherheit zu bringen und mit ihm ins Exil zu ziehen. 47 religiöse und antiklerikale Lager polarisierte. Die kommunistische Partei errichtete beispielsweise neue Schulen29, Kooperativen und Parteizentren, um Einfluss auf die Bevölkerung ausüben zu können. In der von 1929-1932 währenden sogenannten „Leftist Period“ begannen die Konflikte zunehmend zu eskalieren. Von staatlicher Seite wurde angefangen, Besitztümer der Lamas und Viehherden der Klöster zu konfiszieren. Des weiteren wurden erhebliche Steuern auf Mönche in militärtauglichem Alter erhoben, es folgten Schauprozesse und Hinrichtungen von hohen Lamas unter dem Vorwand, sie seien Konterrevolutionäre. Im Jahre 1930 kam es sogar zu einem bewaffneten Aufstand eines Klosters. Die folgende Periode, die „Legal Campaign“, reagierte auf diesen Aufstand mit einer breit angelegten gesetzlichen und steuerlichen Offensive gegen die Klöster, um diese zu schwächen. 1934 wurden entsprechend dem sowjetischen Gesellschaftsmodell in jedes Kloster Kontrolleure geschickt, die der Partei und den Sicherheitsbehörden Bericht erstatteten. Die Mönche konnten nur noch durch unermüdliche Spenden der Bevölkerung überleben. Von 1934 an begann die sog. „Final Campaign“, eine systematische Vernichtung der Klöster und Mönche in der Mongolei. Weil die Klöster nicht alleine durch Besteuerung zu dezimieren waren (nach 1932 wuchs die Anzahl der Mönche wieder auf 75.000 an), beinhaltete der neue Plan militärische Aktionen und Massenexekutionen. Der amtierende Premierminister Gendün, der sich in Opposition zu Stalin weigerte, solche Aktionen durchzuführen, wurde von der Sowjetunion durch den „mongolischen Stalin“ Choibalsang ersetzt, welcher dann die militärische Vernichtung der Klöster anordnete (Atwood 2004: 47). Gendün, der zwölf Jahre lang in der Mongolei regiert hatte und erster Premierminister gewesen war, wurde verhaftet, nach Moskau gebracht und dort 1937 erschossen30. Der neue Regent Choibalsang bilanzierte 1939, dass er bislang 17.353 Mönche verhaften und 20.356 exekutieren ließ. Des Weiteren waren 50.000 Mönche dazu gebracht worden, ein weltliches Leben zu führen, wobei dieser Schritt teilweise nach einer Internierung in sowjetischen Gulag-Lagern erfolgte (Atwood 2004: 48). Beispielhaft für diese Prozesse ist die folgende Geschichte, die ein Mönch über das Leben seines Großvaters erzählte. Jener war Mönch im Kloster Amarbayasgalant gewesen, wurde als solcher verhaftet und in ein Internierungslager gebracht. Mehrmals sei ihm die Möglichkeit geboten worden, dem Buddhismus abzuschwören und freigelassen zu werden, was er ablehnte. Nach zehn Jahren sei er unter Androhung seiner Exekution gezwungen worden zu heiraten, woraufhin er ein weltliches Leben in der Nähe seines ehemaligen 29 Im Jahre 1929 besuchten 5.773 Kinder öffentliche Schulen und 18.995 Kinder gingen in Klosterschulen (Atkinson 2004: 47). 30 Bei einem Treffen mit Stalin 1935 soll er das Vorgehen der Sowjetunion in der Mongolei als Roten Imperialismus bezeichnet und eine eigene Vorgehensweise der Mongolei gefordert haben (Mongolia Today 2005a). 48 Klosters führte und in einer Fabrik arbeitete. Das Kloster sei völlig verlassen gewesen und Tiere hätten darin gehaust, berichtete der Mönch dem Verfasser.31 Das Kloster war demzufolge eines der wenigen, die nicht vollständig zerstört wurden. Einem Bericht des Departements für Religiöse Angelegenheiten aus dem Jahre 1939 zu Folge waren zu diesem Zeitpunkt bereits 724 der insgesamt 767 registrierten Klöster zerstört worden. Die Aktionen seien jahrelang geplant und durch Kartographien und Luftaufnahmen der Roten Armee vorbereitet worden, berichten mongolische Journalisten (Mongolia Today 2005b). Insgesamt wurden knapp 5.500 Gebäude zerstört, 5.916 Kilogramm Silber aus religiösen Gegenständen und 336.734 Stück Vieh beschlagnahmt. Ein Mitarbeiter des Innenministeriums berichtete über die sowjetische Einflussnahme: Russian advisors were assigned to each department, controlling everything. They prepared lists of those to be arrested, participated in interrogations and confiscations. Mostly Buryats, Kalmycks and Tuvinians, they all had Mongolian names and spoke fluent Mongolian. Perhaps, they were trained in advance. But Russians were in command of all (Myatav, zit in: Mongolia Today 2005b). Um 1900 soll es in der äußeren Mongolei über 700 Klöster gegeben haben (Heissig 1970: 299; Moses 1977: 125), die ab 1937 alle geschlossen waren. Im Jahre 1944 ordnete Stalin auf internationalen Druck anlässlich des Besuches einer Delegation von Roosevelt in Moskau an, in Ulaan Baatar unter strenger Kontrolle ein Kloster wieder zu eröffnen. Gandan Gentechling war somit das einzig „intakte“ Kloster bis 1990, das aufgrund der strengen staatlichen Kontrolle als Alibi-Kloster bezeichnet wurde. Religiöse Treffen und Zusammenkünfte fanden im Geheimen statt, viele Privatpersonen hatten Schriften und Statuen während der gesamten Zeit des Kommunismus versteckt gehalten (KollmarPaulenz 2003: 18-21). Bedingt durch die Perestroika in der Sowjetunion fand auch in der Mongolei im Jahre 1990 eine friedliche demokratische Revolution statt, in der es dem langjährigen Vasallenstaat gelang, sich aus dem starken politischen und ideologischen Einfluss des „großen Bruders" zu lösen. Die Mongolei war zu diesem Zeitpunkt von einer ökonomischen Krise gezeichnet, deren Auswirkungen eine Verarmung großer Teile der Bevölkerung nach sich zog, die auch noch heute manifest ist (vgl. Bruun et al. 2000). 1992 erhielt die Mongolei eine eigene Verfassung und es fanden zum ersten Mal demokratische Wahlen im Land statt, welche die frühere kommunistische MPRP (Mongolian People’s Revolutionary Party) gewann. Verfassungsrechtlich wurde Religionsfreiheit gewährt, unter Wahrung 31 In einem persönlichen Gespräch mit dem Verfasser am 25.09.04. 49 einer laizistisch fundierten strikten Trennung von Staat und Religion, die sich allerdings gegenseitig zu respektieren haben (Barkmann 1997: 72). Mit der Legalisierung der Religion erfolgte ein von vielfältigen Aktivitäten begleiteter Prozess des Wiederaufbaus, der bis Betrachtungsgegenstand dieser Arbeit ist. 50 heute anhält und bekanntermaßen 5. Ein Mönch in der Mongolei Dieses Kapitel gibt den Kern der empirisch gewonnenen Erkenntnisse über die Mongolei am Beispiel der Lebensgeschichte Zava Rinpotsches wieder. Dazu wird zuerst dem Anspruch nach Transparenz der Forschungsverhältnisse Genüge geleistet, werden Stationen der Lebensgeschichte erzählt und anschließend die für die Revitalisierung relevanten Prozesse einer eingehenderen Betrachtung unterzogen. 5.1 ...und ein Ethnologe - Reflexion einer Feldforschungsbeziehung Im Zuge der sog. „writing-culture“-Debatte (Clifford and Marcus 1986) wurden ethnographische Repräsentationsformen grundsätzlich in Frage gestellt. Erkenntnisse und Aussagen wurden darin im Zuge der Postmoderne als Ergebnis vielschichtiger Wechselbeziehungen enttarnt, wobei Erkenntnisinteresse, methodische Vorgehensweise und imaginierte Leserschaft genauso Faktoren darstellen, welche die „Ergebnisse“ beeinflussen, wie die Interpretationsleistung der Autoren. Eine der Forderungen, die konkret aus dieser Debatte an die Ethnologie gewachsen sind, ist, eine bestmögliche Transparenz der Datengewinnung herzustellen. Für biographische Ansätze ist es in diesem Sinne zu einer Notwendigkeit geworden, den Entstehungskontext der „Datengewinnung“ zu thematisieren. Dazu gehört neben dem Darlegen der Forschungsmethoden und –schritte auch eine Reflexion des Aufeinandertreffens von „Erkenntnisinteresse“ und „Objekt“. In diesem Sinne reflektiert dieser Abschnitt die Forschungsbeziehung zu Zava Rinpotsche auf persönlicher Ebene und ist deswegen in der ersten Person verfasst. An dieser Stelle möchte ich noch darauf verweisen, dass die Verwendung des Begriffs „Ethnologe“ in der Unterüberschrift nicht Ausdruck einer Anmaßung (eines Studenten, der ich zum Zeitpunkt des Forschens und Schreibens war) ist, sondern vor dem Hintergrund erfolgte, dass die Forschungsbeziehung aufgrund einer „ethnologischen Zusammenkunft“ entstanden ist und somit die folgenden Ausführungen Beziehungsaspekte widerspiegeln, wie sie sich beim Arbeiten mit einem Hauptinformanten generell ergeben können. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Forschungsaufenthalt im Rahmen dieser Arbeit mit zwei Monaten für die wissenschaftliche Disziplin vergleichsweise kurz war und sich einige Schwierigkeiten durch mangelnde Erfahrung ergaben. Brigitta Hauser-Schäublin charakterisiert teilnehmende Beobachtung folgendermaßen: „Teilnahme bedeutet Nähe, Beobachten, Distanz: Teilnehmende Beobachtung setzt sich 51 deshalb aus widersprüchlichem Verhalten zusammen [...]. Nicht immer ist es einfach, diese gegensätzlichen Ansprüche unter einen Hut zu bringen“ (Hauser-Schäublin 2003: 38). In diesem „Spagat zwischen Nähe und Distanz“ (ebd.: 37) erlebte ich mich während des Aufenthalts in der Mongolei häufig. Zava Rinpotsche hatte ich im Jahre 2003 in Ulaan Baatar persönlich kennen gelernt. Gesehen hatten wir uns jedoch davor schon im Schweizer Kloster Rabten Choeling, als er dort studierte und ich ein Wochenendseminar besuchte. Die persönliche Nähe während meines Forschungsaufenthaltes im Jahre 2004 zeichnete sich bereits bei der Begrüßung ab, die, obwohl sie inmitten einer hektischen Situation in Guru Deva Rinpotsches Tempel stattfand, sehr herzlich war. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Reliquien des Buddha mit einer großen Delegation von Leuten in Guru Deva Rinpotsches Haus. Diese Reliquien mussten zum Ende einer knapp zweiwöchigen Tournee durch die Mongolei zum Flughafen gebracht werden. Das bedeutete Termindruck, Organisation, Pannen und erforderte Improvisationstalent - eine durchaus charakteristische Situation für das Leben von Zava Rinpotsche. Er ist einer von denen, deren Rat und Tat gefragt ist, wenn etwas schief läuft. Trotzdem war es ein freudiges Wiedersehen. Zava Rinpotsche erwähnte, dass er von Gonsar Rinpotsche über mein Kommen informiert worden sei und bot mir seine Unterstützung bei meinem Vorhaben an, welches ich ihm bei Gelegenheit genauer erklären solle. Die Einladung, in seiner Wohnung unterzukommen, nahm ich fürs erste dankend an. Mein Vorschlag, dass ich in den Zeiten, in denen wir in Ulaan Baatar sein würden, auch in einem Hotel wohnen könnte, um ihm und seiner Familie nicht permanent zur Last zu fallen, wurde zwar in einer scherzhaften Weise abgelehnt. Es war dabei aber deutlich zu spüren, dass es beleidigend gewesen wäre, ins Hotel zu gehen, da ich durch Gonsar Rinpotsches Vorankündigung meines Besuches quasi zu einem Teil der Familie geworden war. Mein Vorhaben, über den Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei zu schreiben, stieß auf Zustimmung und Unterstützung, doch erschien meine Antwort auf die Frage, wozu diese Forschung denn diene, wenig einleuchtend. Zu einem späteren Zeitpunkt gab Zava Rinpotsche einmal als Grund für meinen Aufenthalt einfach an, dass ich ein Buch über die Mongolei schreiben würde. Die Vagheit der Verwendung meiner erhobenen Forschungsdaten außerhalb meines Prüfungsunterfangens, ebenfalls ein ethisches Problem ethnologischer Forschung (vgl. Hauser-Schäublin 2003: 52-53), schmälerte nicht die Herzlichkeit, mit der ich in die Familie integriert wurde. In der Wohnung in Ulaan Baatar war ständig jemand zu Besuch, darunter auch viele Leute, die Englisch sprachen oder sogar Deutsch, wie eine Schwester und eine Cousine von Zava 52 Rinpotsche, was informelle Befragungen ermöglichte. Im familiären Umfeld von Zava Rinpotsche verband mich eine besondere Freundschaft mit seiner Mutter und seinem Bruder, der ebenfalls Mönch ist, obwohl wir keine gemeinsame Sprache sprachen. Manche Situationen, wie beispielsweise jene, als mir die Mutter zeigte, dass man den Kaffee mit dem Löffel nur im Uhrzeigersinn umzurühren habe, erinnerten mich daran, dass man in der Ethnologie von einer zweiten Sozialisation spricht, durch die der Ethnologe wie ein Kind in kulturelle Normen hineinwachse (vgl. Fischer 2002: 12). Durch das gemeinsame Erleben des Alltages verstärkten sich Nähe und Gemeinschaftsgefühl. Die Tage in Ulaan Baatar endeten beispielsweise immer damit, dass Zava Rinpotsche seine Gebete rezitierte. Fast immer saßen dabei mehrere Leute mit im Zimmer, die Zeremonie dauerte in der Regel knapp eine Stunde. Auch ich war meistens mit im Zimmer. So hatte ich die Möglichkeit, vieles über sein soziales Umfeld zu erfahren, was mich andererseits temporär zu einem festen Bestandteil dieses Umfeldes werden ließ. Im Verlauf des Aufenthaltes verbrachte ich eine Woche mit Zava Rinpotsche und seinem Bruder in der Wüste Gobi, wir teilten dort die Jurte mit einem weiteren Mönch. Wir halfen bei den Bauarbeiten an dem Tempel, aßen gemeinsam, erlebten einen plötzlich aufkommenden Kältesturz in der noch sommerlich aufgebauten Jurte, sorgten uns um den Hundewelpen Zava Rinpotsches, es entwickelten sich situationsspezifische „running-gags“ durch das gemeinschaftliche Miteinander. Dies alles waren Faktoren, die ein Vertrauen entstehen ließen, welches die Erörterung meines Themas in den Interviews begünstigte. Eine wesentliche Voraussetzung dafür war sicherlich die Entscheidung Zava Rinpotsches, diese Nähe und Begegnung zuzulassen. Besonders intensiv empfand ich diese Begegnung an dem Abend des 12. Oktober 2004, als wir ein ausführliches episodisches Interview führten über seine Rolle seit der Wiederkehr aus seinem Studienaufenthalt in der Schweiz. Geführt wurde das Interview in der oben genannten Jurte in der Gobi, nachts bei Kerzenschein, als die anderen schon schliefen. Nach dem Ende der Aufzeichnung ergab sich an jenem Abend noch ein längeres Gespräch, das zu einer erneuten Aufzeichnung führte. Mein Anliegen war es, eine biographische Erzählung anzuregen, um am Beispiel seiner Person etwas über den Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei zu erfahren. Judith Schlehe sieht die „Stärke ethnologischer Forschung darin [...], dass sie das Augenmerk auf kulturelle Dynamiken richtet“ und danach fragt, „wie das Individuum seine Welt erlebt“ (Schlehe 2003: 91). Gerade die Gespräche über seine Rolle bei dem Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei betrafen neben den Aspekten des Gestaltens dieser Rolle auch das Erleben und Empfinden seiner Rolle als Bedeutungs- und Hoffnungsträger. Dadurch, dass die durch das Interview herbeigeführte Situation bei Zava 53 Rinpotsche auch zu einer Selbstreflexion führte, hatte ich den Eindruck, dass so etwas wie ein Dialog zwischen uns auf sehr persönlicher Ebene stattgefunden hat. Was ich davon berichten und einer Analyse unterziehe würde um „relevante Prozesse“ zu schildern und was ich als vertraulich erachten würde, hat Zava Rinpotsche mir überlassen. Dadurch war ich mit einer ethischen Entscheidung konfrontiert, die qualitativ Forschende immer wieder zu treffen haben (vgl. 2.3). Die Rolle des Forschers erfordert Distanz, um beobachten zu können. Ein wichtiges Instrument, um Distanz zu schaffen, ist das Schreiben eines Tagebuchs. In Ulaan Baatar ging ich dazu öfters allein in ein (europäisches) Café, um gegenüber all dem vereinnahmenden Alltag auch räumlich eine Außenperspektive einzunehmen. Es finden sich in meinem Tagebuch Einträge, die sich dem Sachverhalt widmen, dass - um mit den Worten der Grounded Theory zu sprechen „Forschung als Arbeit zu verstehen ist“ (Strauss 1998: 34). Eine kleine Beschwerde vorweg: mir geht hier die Forscherei mächtig auf den Senkel. Hab jetzt definitiv keine Lust mehr, ständig zu überlegen, wann ich welches Interview führen kann, hab keine Lust mehr, bei jedem Gespräch überlegen zu müssen, wie das jetzt in meine Arbeit passt, was ich nachfragen sollte und was ich lieber im Interview fragen soll, damit ich nicht doppelte Antwort bekomme, hab keine Lust bei jedem Gespräch im Hinterkopf zu haben, dass ich das nachher aufschreiben muss (Tagebucheintrag B.S.17.10.04). Der Nutzen solcher kurzer „Ausflüge“ wird in Aufsätzen über Feldforschung öfters erwähnt (Hauser-Schäublin 2003: 38; Illius 2003: 83-84; Flick 2000: 77; Fischer 2002: 11). Das Spezifische an meiner Situation war, dass ich zwar ständig beobachten konnte und mitten im Geschehen war, jedoch die Sprache nicht verstand. Nachfragen konnte ich bei Zava Rinpotsche, wollte jedoch nicht durch ständige Fragen seine Nerven in einem ohnehin sehr ausgelasteten Alltag zusätzlich belasten. So kam zu dem Wechselspiel von Nähe und Distanz zusätzlich ein inneres Spannungsverhältnis von Forschungsinteresse und Höflichkeit. Ich hatte bewusst meinen Standpunkt mit zunehmender Forschungsdauer immer stärker zum Pol „Höflichkeit“ hin verlagert. Zava Rinpotsche hat durch seine Stellung als Tulku in der Mongolei eine Ehrenposition. Die Nähe, die ich zu ihm hatte, war nicht gewöhnlich, und ich wollte die Situation und seine Höflichkeit nicht ausnutzen. Im Umgang mit dieser „Respektsperson" war also Feingefühl gefragt. Im Gesamten betrachtet lassen sich mehrere Ebenen der Begegnung beschreiben: Die eines Informanten und eines Forschers, die eines Meisters und eines Gastes und die zweier junger Männer, die allmählich Freundschaft miteinander schlossen. 54 Etwa nach Ablauf der Hälfte der Zeit meines Aufenthaltes fiel die Entscheidung, die Arbeit biographisch auszurichten. Gerade zu diesem Zeitpunkt war es jedoch keineswegs leicht, die zugesicherten Interviews zu führen. Zava Rinpotsches voller Terminkalender war ebenso ein Grund wie auch seine Scheu, über sich selbst zu sprechen. Zugesichert wurden mir die Interviews zwar jedes Mal, aber sie fanden dann meist doch nicht statt. Auf Anraten eines guten Freundes von Zava Rinpotsche pochte ich schlussendlich darauf, feste Termine auszumachen, was meinem Empfinden zunächst zuwider lief, sich im Nachhinein aber als richtige Vorgehensweise erwies. Beim letzten Interview am vorletzten Tag, bei dem es um die Vernetzungen der Glaubensgemeinschaften gehen sollte, kamen wir gemeinsam zur Erkenntnis, dass wir über das meiste schon geredet hatten („but this you already know“).32 5.2 ...und seine Lebensgeschichte – Stationen einer religiösen Laufbahn Die lebensgeschichtlichen Interviews wurden schwerpunktmäßig auf die religiöse Laufbahn Zava Rinpotsches hin geführt und sollen im Folgenden auch diesbezüglich dargestellt werden. Die zitierten Interviewpassagen wurden sprachlich am Redefluss orientiert wiedergegeben. Um eine bessere Leserlichkeit zu gewährleisten wurden kleinere Fehler behoben und in diesen Fällen von der Wiedergabe des exakten Wortlauts Abstand genommen. Schon in der frühen Kindheit - Zava Rinpotsche gibt an, dass seine Erinnerung bis in sein drittes Lebensjahr zurück reiche - ist sein Leben mit dem Buddhismus verknüpft. Geboren wurde er am 5. September 1976 in dem zu jener Zeit kommunistischen Ulaan Baatar.33 Seine ersten Begegnungen mit dem Buddhismus machte Zava Rinpotsche im Rahmen von jährlichen Zusammenkünften ehemaliger Mönche, die sein Großvater organisierte. Dieser lud dazu andere Ehemalige seines Kollegiums ein, um mit ihnen buddhistische Zeremonien abzuhalten, philosophische Debatten zu führen, Texte zu studieren usw.. Diese Zusammenkünfte mussten aufgrund der Verfolgung von Buddhisten heimlich abgehalten werden und waren als Feste „getarnt“, bzw. in ein Fest eingebettet, für welche die Familien 32 Meine betreuende Professorin hatte mich in unserem für mich sehr hilfreichen E-mail-Kontakt vor der Gefahr gewarnt, zu sehr auf Interviews als Informationsquelle fixiert zu sein und darüber die Informationen, die sich aus Beobachtung und Alltagsgesprächen ergeben, zu vernachlässigen. 33 Ulaan Baatar heißt übersetzt Rote Helden. 55 Speisen und Stutenmilch zubereiteten. Die religiösen Teile wurden dann streng geheim vom „harten Kern“ der Gläubigen durchgeführt34. Damit während der Zeremonien keine unbekannten Personen in die Jurte kamen, standen Zava Rinpotsche und seine Geschwister abwechselnd davor Wache. Im Rahmen dieser Zusammenkünfte erklärten die alten Leute auch dem kleinen Jungen Grundlegendes über den Buddhismus. Seine Beziehung zu der Gruppe beschreibt er folgendermaßen: Then after the other people have gone they started to do the Pujas and everything, they also read different texts and talked about historical things. For me, you know, these activities are in a very close Karma with these people because I loved these people, you know, these old people so much from my early childhood on, after three or four years I remind everything 35 (ZR1: 2-3). Gerade diese ersten Belehrungen über Elementares aus dem Buddhismus nehmen einen wichtigen Stellenwert in seinen Erzählungen ein, da sie für ihn den Beginn seiner Ausbildung bedeuten. Seine Familie habe ihn dann „scherzeshalber“ manchmal auf ein Bett gesetzt, so als ob dies ein Thron sei, und ihn einen „Lama“ genannt, woraufhin er erste „Unterweisungen“ über einfache Verhaltensmaßregeln, wie das Vermeiden von Trinken usw. gab. Solche nicht unüblichen Spielereien mit einem Kind bekommen in der autobiographischen Retrospektive großes Gewicht zugeschrieben. Der Vater von Zava Rinpotsche war ein weiterer wichtiger Impulsgeber für seine religiöse Laufbahn. Nachdem der Großvater 1984 verstorben war, führten seine Eltern die geheimen Treffen weiter, so dass daraus eine Tradition entstanden ist, die heute von ihm fortgeführt wird, obwohl der Vater mittlerweile verstorben ist. In der frühen Jugend, erzählt Zava Rinpotsche, habe er oft Spaziergänge mit seinem Vater gemacht, der ihm dabei viel über den Buddhismus erzählte, so beispielsweise über die religiösen Lebensgeschichten seiner Onkel. Der Vater hatte viele Onkel, vier davon waren Mönche, von denen zwei getötet und zwei für zehn Jahre inhaftiert wurden. Alte Meister hatten dem Vater Visionen geschildert, denen zufolge der Kommunismus ein Ende finden und der Buddhismus sich wiederaufbauen sollte. Diese Prophezeiungen nahmen die beiden zum Anlass, gemeinsam Pläne über seinen Eintritt in ein Kloster zu schmieden. 34 Die Aussage, dass der Buddhismus im Geheimen während der sozialistischen Zeit Fortbestand hatte, bestätigt Karénina Kollmar-Paulenz (2003) in einem Aufsatz über den Buddhismus in der Mongolei nach 1990. Selbst hohe Parteifunktionäre gaben nach Darstellung von Kollmar-Paulenz später zu, buddhistische Rituale durchgeführt zu haben (S. 20). 35 In dem sehr vertraulich geführten Interview über seine Entdeckung als Tulku behauptet er sogar, dass er vereinzelte Erinnerungen an diese Personen von einem Treffen habe, das einen Monat nach seiner Geburt stattfand. 56 Gehorsam gegenüber den Eltern und den geistigen Meistern bezeichnete Zava Rinpotsche bei mehreren Gelegenheiten immer als eine unabdingbare Verhaltensregel.36 Er selbst habe diese Gebote immer befolgt: I never broke my father’s speech, nor my grandfather’s. And I didn’t receive any punishment from father or grandfather. Then after 1990, when I became a monk, I followed the Gurus’ speech” (ZR 2: 7). Ins Kloster Amarbayasgalant gingen der Vater, Zava Rinpoche und sein Bruder Bilguun gemeinsam im Mai 1990, als, wie er berichtet, die Klöster wieder besiedelt wurden und Mönche wieder ihre Roben tragen durften. Die Reise dorthin dauerte mehrere Tage und erfolgte zu Fuß, per Anhalter und mit dem Bus - beide haben die Anreise als beschwerlich in Erinnerung. Die Abgelegenheit des Klosters wird jedoch als günstiger Umstand für das Mönchsleben gewertet, da die Studien nicht so leicht durch Ablenkungen unterbrochen werden.37 Den ersten Monat verbrachten die beiden Jungen und ihr Vater damit, bei den Renovierungsarbeiten zu helfen. Das Kloster musste erst einmal gereinigt, die Statuen wieder aufgestellt werden etc.. Nach drei Wochen legten die beiden Jungen erste Gelübde ab, trugen von da an Mönchsroben und nahmen an den täglichen Zeremonien teil. Nach kurzer Zeit, so erzählt Zava Rinpotsche, hätten sie ihren Vater aufgefordert, wieder zurück nach Ulaan Baatar zu gehen, da sie nun als Mönche nicht mehr in der Obhut der Familie leben wollten, sondern den Vorbildern der alten Mönche folgen. Unter jenen befanden sich auch Gelehrte aus dem Gandan Kloster in Ulaan Baatar, das während der sozialistischen Zeit nicht geschlossen worden war. Unter ihnen befanden sich seine ersten Lehrer, welche ihn in den Wintermonaten unterrichteten, in denen Zeit für Studien blieb, weil das raue Klima keine Renovierungsarbeiten gestattete. Im Jahr 1994 fand eine große Eröffnungsfeier statt, zu der viele Vertreter der Gelug-Tradition aus dem Ausland eingeladen wurden, wodurch sich u.a. die Verknüpfung zu dem tibetischen Exilkloster in der Schweiz festigte. Zava Rinpotsche, der zu dieser Zeit noch Lobsang Dargayaa hieß, war einer der ersten beiden Mönche, die 1996 in die Schweiz zur Ausbildung eingeladen wurden. Die Zeit dort empfand er als besonders angenehm: In Switzerland generally it was a great time, great! Because in Switzerland Rabten Choeling is such a nice center and the Gurus are amazing. There is no word for the Gurus – Geschela [Gesche Thubten], they are all 36 In einem ersten langen Gespräch während einer Jeepreise erklärte er mir ausführlich das Beispiel einer seiner Schwestern, die nicht den Ratschlägen ihres Vaters folgte („to break father’s speech“) und dadurch mehrere Jahre in eine schwierige Lebenssituation geraten sollte, in der sie immer wieder auf die Hilfe ihrer Brüder angewiesen war. 37 Weil Amarbayasgalant ein historisches Kloster ist – der erste Jetsündampa Khudugtu liegt darin bestattet – fanden sich 1990 dort viele alte Mönche ein, um es schnellstmöglich wieder instand zu setzen. 57 Guru. And the life condition is on a very high level: food, accommodation, everything is so comfortable (ZR2: 17). Aufgrund des hohen Lebensstandards dort konnte er sich voll und ganz seinen Studien widmen. Als einen weiteren entscheidenden Vorteil gegenüber seinem Heimatkloster gab er an, dass sie in der Schweiz nur selten Arbeiten wie Putzen, Kochen usw. für das Kloster verrichten mussten, was ebenfalls mehr Zeit für das Studieren übrig gelassen habe. Es bestehe allerdings die Gefahr, von all dem Luxus wie Fernsehen, Kino, Fußball etc abgelenkt zu werden. Könne man sich jedoch konzentrieren, dann sei Rabten Choeling „the best place to study“ (ZR2: 17).38 Er gab an, in den insgesamt viereinhalb Jahren, die er in Europa verbrachte, nur zweimal im Kino gewesen zu sein 39. Während dieser Zeit legt er auch die vollen Mönchsgelübde in dem Kloster Tashi Rabten in Österreich ab. Seine beiden Hauptlehrer dort, Gonsar Rinpotsche und Gesche Thubten, erinnern sich an ihn als einen sehr entschlossenen, eifrigen Studenten. Da er wusste, dass ihm nur wenige Jahre für das Studium in der Schweiz zur Verfügung stehen würden, nahm er zusätzlich zu dem normalen Unterricht noch Privatunterricht bei Gesche Thubten, welcher die Position des „teaching-master“ inne hat. Als er dann im Jahre 2001 in die Mongolei zurückkehrte, wurde er selbst „Lehrbeauftragter“ (teaching master) für Amarbayasgalant40. Er gründete das Unterstützungsbüro „Amar Mur“ in Ulaan Baatar und nahm weitere Aktivitäten auf, die im Kapitel 5.4 genauer beschrieben werden. Eine einschneidende Veränderung seiner Rolle sollte sich ereignen, als er 2003 zum Tulku bestimmt wurde. 5.3 ...und sein Vorgänger - Entdeckung als Tulku In Tibet und in der Mongolei wurden die Wiedergeburten großer Meister wenige Jahre nach ihrer Geburt von einer Delegation aus Vertrauten des Vorgängers gesucht. Mit dem Tode des achten Jetsündampa Khudukhtu endete diese Tradition im Jahre 1924 in der 38 Diese Meinung teilten alle von mir befragten mongolischen Mönche, die in der Schweiz studierten. Einmal habe er sich einen Zeichentrickfilm und einmal einen James-Bond-Film angeschaut, beide Male sei dies im Zusammenhang von einem Ausflug, der zusammen mit den Lehrern stattfand, erfolgt. 40 Im Kloster herrschten jedoch Rivalitäten und Uneinigkeiten, so dass die Stellung Zava Rinpotsches nicht unangefochten war. Ich wurde allerdings gebeten, keine konkreteren Details öffentlich zu machen. Eine umfassende Analyse des Konflikts war mir auf Grund der mangelnden Sprachkenntnisse nicht möglich. Ein konkurrierender (englischsprechender) Mönch verstrickte sich allerdings in erhebliche Widersprüche, als er Zava Rinpotsches Position strittig machte. Persönliche Rivalitäten und (nach Einschätzung dritter Informanten) Eifersüchteleien sind für den Werdegang der Lebensgeschichte auch nicht weiter von Belang. 39 58 Mongolei. Im Jahre 2003 wurde erneut ein Tulku bestimmt: Lobsang Dargayaa wurde zur Wiedergeburt des Zava Damdin ernannt. Im Folgenden werden zunächst einmal die Geschehnisse dieser Ernennung wiedergegeben, wie sie sich dem Verfasser nach Gesprächen mit Zava Rinpotsche und weiteren Personen darstellten. Mit Zava Rinpotsche ist immer der Mönch und Hauptinformant dieser Arbeit gemeint. Zava Damdin hingegen ist die Bezeichnung für seinen Vorgänger – ein gelehrter Gesche, der um die Jahrhundertwende ins Zwanzigste Jahrhundert in der Mongolei lebte.41 5.3.1 Eigen- und Fremddarstellung des Rollenwechsels anlässlich der Ernennung zum Tulku Als Lobsang Dargayaa zusammen mit anderen Mönchen im Jahre 2003 ein anderes Kloster besuchte um eine bestimmte religiöse Zeremonie durchzuführen, ahnte er nicht, in welche Ereigniskette der Verzehr eines „Momos“ – eine Art tibetischer Maultasche – verstrickt sein sollte. Im Laufe der dort abgehaltenen Zeremonie aß Lobsang Dargayaa ein solches Momo und in Folge dieses Verzehrs erkrankte er an einer Lebensmittelvergiftung, von der er sich zehn Tage lang nicht richtig erholen konnte. Er zog sich zur Genesung in die Wohnung seiner Mutter zurück, um keine weiteren Personen durch seine Krankheit zu beunruhigen. Währenddessen ereignete sich jedoch etwas Außergewöhnliches in Indiana, USA. Dort erschien eine Gottheit spontan und außerhalb von Zeremonien in dem Körper eines Mönches und sprach über Ereignisse in der Mongolei. Die Gottheit war Zetapa, eine tibetisch-mongolische Schutzgottheit, die als Dharma-Beschützer bezeichnet wird. Der Mönch war das übliche Orakel42von Zetapa, der in einer bestimmten Verbindung mit der Gottheit steht, welche in dafür bestimmten Ritualen in seinen Körper eingeladen wird um auf diese Art Weissagungen machen zu können und Ratschläge zu geben. 41 Literatur über Zava Damdin in einer westlichen Sprache ist dem Verfasser nicht bekannt, tibetische und mongolische Schriften von und über ihn seien innerhalb der Gelug-Tradition sehr bekannt, wie die Informanten berichten. Als eine Quelle über den Autor der „weissen Geschichte“ taucht Zava Damdin in Sagaster (1976) auf (S.53). 42 In der emischen Sichtweise werden solche Besessenheitsrituale, in denen eine Gottheit in den Körper eines Mönches eingeladen wird, als Orakel bzw. engl. „envocation of the oracle“ bezeichnet (siehe dazu Schüttler 1971: 68-81). 59 Abb.5 Schutzgottheit Zetapa: dessen Orakel hat Zava Rinpotsche als Tulku bestimmt. 60 Nachdem der Mönch in Trance gefallen war, teilte die Schutzgottheit mit, dass Lobsang Dargayaa, den er namentlich erwähnte, die Wiedergeburt von Zava Damdin sei, in der Mongolei lebe und zu dieser Zeit schwer erkrankt sei. Für seine Gesundheit sei es dienlich, ihn so schnell wie möglich zum Tulku zu ernennen und die dementsprechenden Zeremonien durchzuführen. Der Kontakt in die Mongolei solle über einen bestimmten Gesche, der in Indien lebte, zustande kommen, teilte die Schutzgottheit Zetapa durch ihr Orakel weiterhin mit. Dem Gesche in Indien wurden dann alle relevanten Informationen mitgeteilt, woraufhin dieser bereits wenige Tage später mit einem offiziell versiegelten Brief seiner Gesellschaft, der Dorje Shugden Society, in die Mongolei reiste. Diesen Brief übergab er an Guru Deva Rinpotsche, den prominentesten Vertreter des Buddhismus in der Mongolei. Guru Deva Rinpotsche, der schon immer den Verdacht hegte, dass Lobsang Dargayaa nicht nur ein gewöhnlicher Mönch, sondern die Wiedergeburt irgend eines großen Meisters sei, veranlasste dann die notwendigen Zeremonien für die Ernennung zum Tulku. Diese beinhalteten unter anderem eine zeremonielle Reinigung durch das Offerieren eines Bades, die Darbringung von Mandalas sowie die Übergabe bestimmter Kleidung und Reliquien des Vorgängers. Eine weitere Bestätigung Lobsang Dargayaas als Wiedergeburt von Zava Damdin erfolgte durch zwei Orakel von Dorje Shugden, einer anderen tibetischmongolisch buddhistischen Schutzgottheit. Zava Damdin, der Vorgänger, stand in enger Verbindung mit diesen beiden Gottheiten, woraus sich diese Geschehnisse ableiten lassen. Zetapa war die persönliche Schutzgottheit von Zava Damdin und auch der Beschützer, wie solche Schutzgottheiten genannt werden, von dessen Kloster in der Mittelgobi, wie Gonsar Rinpotsche in einem Interview berichtete. Im tibetischen Buddhismus spielt die Befragung solcher Orakel eine besondere Rolle – vor wichtigen Entscheidungen werden oft die Orakel der Schutzgottheiten befragt, so wurde beispielsweise vor der Flucht des Dalai Lama aus Tibet ein Orakel befragt. 43 Auch im Exil ist die Befragung von Orakeln zu wichtigen Anlässen nach wie vor eine gängige Praxis geblieben.44 Notwendig dafür sind speziell ausgebildete Mönche, die mit der jeweiligen Schutzgottheit in einer besonderen Verbindung stehen.45Der besagte Mönch, der zur Zeit der Weissagung über Zava Damdins Wiedergeburt in einem Zentrum in Indiana lebte, wurde erst im Exil zum Orakel ausgebildet und die Tatsache, dass die Schutzgottheit für 43 Im Zuge einer seit den 1990er Jahren verstärkt auftretenden Streitigkeit um die Schutzgottheit Dorje Shugden wurde diese Orakelbefragung innerhalb der tibetischen Exilgemeinde kontrovers diskutiert. Streitpunkt ist im Nachhinein u.a., welche Gottheit es gewesen sein soll. (Siehe dazu Gassner 1999). 44 Dies berichteten die Informanten für diese Arbeit und auch der Verfasser selbst konnte mehrmals solche Befragungen beobachten. 45 Das Fortbestehen der Tradition der Orakel-Befragungen widerspricht der Annahme Schüttlers (1971), der anlässlich einer Untersuchung solcher Mönche ein baldiges Ende dieser Praxis im Exil prophezeite (S.1). 61 diese Weissagung ohne die entsprechende Zeremonie ‚erschien’, wertet durch die Besonderheit des Ereignisses dieses auf. Seitdem Lobsang Dargayaa den Namen Zava Rinpotsche erhielt, hat sich seine Rolle deutlich verändert. Vorher war er ein Mönch in einer gehobenen Position, der verantwortlich für die Ausbildung in dem Kloster Amarbayasgalant war und sich um die jungen Mönche kümmerte. Nach der beschriebenen Ernennung zur Wiedergeburt eines bedeutenden Gesches der Mongolei kamen ihm völlig neue Aufgabenbereiche zu. Er wurde zu großen Feierlichkeiten ihm zu Ehren in die Region in der Mittelgobi eingeladen, aus der sein Vorgänger stammte und in der er ein Kloster leitete. Als er in der Menschenmenge dort die alten Leute sah, die Schüler seines Vorgängers waren, reflektierte Zava Rinpotsche einmal in einem Gespräch, sei ihm erst so richtig klar geworden, dass er nicht nur einen Namen übernehme, sondern auch die Verpflichtung, an dem Lebenswerk seines Vorgängers anzuknüpfen. Aus dieser Verpflichtung heraus begann er, an der Stelle der Ruinen einen neuen Tempel zu errichten. Doch bleibt die Bedeutung seines neuen Namens nicht nur auf diese Region beschränkt. Sein Vorgänger war in der ganzen Mongolei bekannt gewesen, er studierte in der Hauptstadt, unterrichtete an mehreren Orten. Darüber hinaus verfasste er Schriften, die in der Mongolei und in Tibet hohe Berühmtheit erfahren haben. Zava Rinpotsche wurde mittlerweile schon in mehrere Regionen eingeladen, vor allem zu der Ost- und Südgobi bestehen starke Verbindungen durch seinen Vorgänger. Auch in Ulaan Baatar fallen ihm neue Aufgaben zu. Insgesamt gibt es nur drei Tulkus in der Mongolei, von denen einer er selbst und einer sein Lehrer Guru Deva Rinpotsche ist, weswegen ihm zunehmend repräsentative Aufgaben zu kommen. Beispielsweise als im Jahre 2003 ein prominenter Vertreter der tibetischen Exilgemeinde die Mongolei besuchte, begleitete er diesen während der gesamten Zeit seines Aufenthaltes und übersetzte die Unterweisungen und Einweihungen, die dieser in der Öffentlichkeit gab, vom Tibetischen ins Mongolische. Darunter war auch eine Großveranstaltung in Ulaan Baatar in einer Art Stadthalle (UB-Palace) und Pressekonferenzen mit Fernsehen etc.. Innerhalb dieser Glaubensgemeinde kommt ihm als „Rinpotsche“ eine Schlüsselfunktion zu. Aber auch in Ulaan Baatar wenden sich nun viele Personen an ihn als einen buddhistischen Meister. Traditioneller Weise sind dies auch „Laien“, die ein ganz normales weltliches Leben führen und in schwierigen Lebenssituationen um Rat fragen. 62 Abb.6 Pressekonferenz: Zava Rinpotsche übersetzt für Trijang Choktrul Rinpoche bei dessen Besuch 2003. Abb.7 Orakelbefragung: Zava Rinpotsche übersetzt die Reden des in Trance gefallenen Orakel-Mönches. 63 So sieht er sich mit der Aufgabe konfrontiert, auf Anfragen solcher ‚Schüler’ oder ‚Anhänger’ hin Weissagungen zu machen, die sich mitunter auf folgenschwere Entscheidungen in Medizin, Politik und Wirtschaft beziehen. Viele Personen bitten auch um Gebete und Zeremonien, um für alltägliche Probleme und Sorgen günstige Umstände zu erwirken. Fragen im Bezug auf Lehre und Anwendung des Buddhismus, sofern sie auftauchen, beantwortet Zava Rinpotsche gerne in seiner neuen Rolle als Lehrer. Aufgrund der vielfältigen Verpflichtungen sei es, dass er so viel reisen müsse, seit er zum Tulku ernannt wurde. Vorher verbrachte er die meiste Zeit im Kloster Amarbayasgalant. Auch die Geburtstage feierten sie erst, seit er Tulku sei, sagte Zava Rinpotsche nahezu entschuldigend bei einer kleinen Geburtstagsfeier im Hause seiner Mutter. Innerhalb der Familie wird Zava Rinpotsche wie ein Juwel gehegt und gepflegt. Stolz berichtete die Mutter, wie andere Leute in Peking und China sie als „Mutter eines Buddha“ bezeichneten. Seine Schwester meinte, durch die Ernennung zum Tulku habe er sich kaum geändert, seine Aktivitäten hätten schon vorher bestanden, es seien lediglich neue Aufgaben dazugekommen. Seit seine Mutter aufgrund der hohen Kinderzahl von zehn frühpensioniert wurde, widme diese sich voll und ganz der Unterstützung des Klosters und des Anliegens ihres Sohnes. Und sein Bruder verdeutlichte, dass er stolz darauf sei, der Bruder eines Tulku zu sein. Zava Rinpotsche sei zwar manchmal etwas streng, aber er bewundere seine Entschlossenheit und achte seine Hingabe an das Dharma. Zum Vergleich nennt er einen jungen Tulku der tibetischen Exilgemeinde, der seine Mönchsgelübde zurückgegeben habe und ein weltliches Leben führe, was er als skandalös erachte. Die beiden Brüder machen fast alles gemeinsam, Bilguun ist auch Zava Rinpotsches Fahrer und somit immer bei allen Anlässen dabei. In der Familie ist Zava Rinpotsche das Oberhaupt geworden, alle machen, was er sagt, und für wichtige Entscheidungen wird er gefragt. In Gesprächen über ihn nennt seine Familie ihn lediglich „Rinpotsche“, seinen Ehrentitel ohne weitere namentliche Zusätze. In der Wohnung in Ulaan Baatar haben sie ihm eine Klingel eingerichtet. Läutet er diese, eilt jemand zu ihm und fragt, wie man ihm helfen könne. Das Annehmen einer solchen Position, die ihm seine Familie angeboten hatte, bestätigt auch das Annehmen einer dominanten Rolle. Diese wird, wie so vieles, damit begründet, so besser den Lebewesen dienen zu können, bestätigt aber durchaus eine alltägliche Annahme der gehobenen Position, die den an anderer Stelle geäußerten reflektorischen (Selbst-) Zweifeln zuwider läuft. Auch innerhalb des beforschten Verbundes der exiltibetischen Glaubensgemeinschaft genießt Zava Rinpotsche durchaus ein Ansehen. In Gesprächen mit seinen Lehrern sprechen diese sehr respektvoll von dem zum Zeitpunkt der Gespräche noch relativ frisch 64 ernannten Tulku. In den Vorgesprächen zu der Feldforschung betonte Gonsar Rinpotsche, dass Zava Rinpotsche sich zu einem guten „Rinpotsche“ (tib. für kostbares Juwel) entwickelt habe und er ihn als kompetent erachte. Er hat ihn als einen sehr entschlossenen, eifrigen Studenten in Erinnerung: Als er hier war, war er noch nicht als Tulku anerkannt, aber er war ein sehr intelligenter Student, sehr ernsthaft und hatte ein gutes Verhalten. In der kurzen Zeit hat er durch seine starken Bemühungen sehr viel gelernt und auch viele positive Eigenschaften entwickelt. Als er dann als ein Tulku entdeckt wurde, habe ich das als sehr passend empfunden (GR:14). Auch der in Kanada lebende Exiltibeter Zasep Rinpotsche ist von der Authentizität Zava Rinpotsches als Tulku überzeugt. I do trust Dorje Shugden and Zetapa. Also, when I am spending time with Zava Rinpotsche I can feel his devotion and I don’t have any doubt that he is a genuine Tulku (ZTR: 10). Er hob besonders dessen soziale Kompetenz hervor und betonte seine Entschlossenheit und seine Sprachkenntnisse. Dass Zava Rinpotsche literarische Gedichte auf Tibetisch an seine Meister schreibt, wertete er ebenfalls als Indiz dafür, dass er die Wiedergeburt eines Meisters ist, da diese Gedichte eine besondere Qualität hätten. Beide wie auch der in der Schweiz lebende Gesche Thubten sehen ein großes Potential darin, dass Zava Rinpotsche eine solche Rolle übernommen habe. Dies ermögliche eine vielversprechende Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei, jedoch, und darin sind sich alle einig, müsste sich Zava Rinpotsche in dieser Aufgabe erst behaupten. Als Tulku habe er besondere Rechte und Möglichkeiten in der Glaubensgemeinde, doch dass er die Aktivitäten seines Vorgängers auch fortführen kann, muss er allein in diesem Leben unter Beweis stellen. In Anbetracht des Lobes, den alle interviewten Lehrer ihrem Schüler entgegenbrachten, erwarten sie mit Zuversicht dessen Taten. 5.3.2 Detailbetrachtungen der Selbstwahrnehmung In dem Interview über seine Entdeckung als Tulku verglich Zava Rinpotsche sich mit seinem Vorgänger: 65 Generally Zava Damdin is a Living Buddha, he is a great scholar of Mongolia and even his scriptures are very famous for all of the Gelug-Tradition. That is why, if you compare Zava Damden and me, then this is like day and night. Then I feel like this: I’m like the night but Zava Damdin is like day (ZR2:10). Diese Aussage spiegelt mehrere typische Problematiken wider, die sich in Gesprächen mit Tulkus ergeben. Bärlocher (1982) fand in seiner ausgiebigen Untersuchung unter Tulkus heraus, dass diese in Selbstbeschreibungen dazu neigen, „die eigene Person und ihre Bedeutung so weit herunterzuspielen wie nur möglich“ (1982: 96). Eine solche Tendenz ist generell innerhalb der buddhistischen Glaubensgemeinde zu finden. Dieses „obligatorische Understatement“ gestaltet sich jedoch in einer biographischen Erzählung, wie sie durch die Interviewsituation im Rahmen einer Feldforschung herbeigeführt wird, zu einem Dilemma, da ja auf der anderen Seite das Interesse besteht, alles Mögliche zu tun, um die Lehre zu erhalten und zu verbreiten und ein konsequentes Herunterspielen der eigenen Person kein zufriedenstellendes Bild für den Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei abgäbe. Um dennoch etwas Positives über die eigene Person berichten zu können benutzte Zava Rinpoche in seiner Erzählung einen rhetorischen Umweg, indem er berichtete, was andere Leute über ihn erzählten, bzw. wie andere Leute auf ihn reagierten. Davon nannte er mehrere Beispiele bei unterschiedlichen Gelegenheiten. Besonders geehrt fühlte er sich durch den Respekt, den ihm seine Lehrer entgegenbrachten. Schon früh, so erzählte er, habe sein erster Lehrer aus dem Kloster Gandan in Ulaan Baatar ihn zu sich auf den Thron genommen, wenn er mehreren jungen Mönchen die tibetische Schrift unterrichtete, auch als er für seinen Studienaufenthalt in die Schweiz flog, wurde er bereits am Flughafen ehrenhaft von einem Gesche empfangen und nicht, wie er erwartet hätte, von einem einfachen Mönch abgeholt. Ein weiteres Beispiel, das Zava Rinpotsche bei einem anderen Anlass nannte, sind die tibetischen Gedichte, die er an seinen Meister schreibt. Diese knüpfen an eine tibetische Tradition an und sind in Versen in einer besonderen Ausdrucksweise geschrieben. Ein Mönch aus dem Kloster Gandan in Ulaan Baatar bestritt, dass Zava Rinpotsche die Fähigkeit habe, solche Texte in der traditionellen tibetischen Sprache zu verfassen und bezichtigte ihn deshalb, diese in Tibet von einem Ghostwriter schreiben zu lassen um sie dann als die eigenen zu präsentieren. Den Vorwurf wertete er als Kompliment für seine Gedichte. Trotz der „Fremdkomplimente“, die er in den Erzählungen einbaut, zieht sich das Geringschätzen der eigenen Person wie ein roter Faden durch das Interview, wodurch sich eine Ambivalenz auftut: For me it’s a very heavy thing, because all my Gurus always had respect for me. Somehow I feel that but I always take down myself of course. I’m like nobody, somehow, but my teachers loved me so much (ZR2: 13). 66 Bei diesem Understatement handelt es sich jedoch nicht nur um ein rhetorisches Mittel, sondern es ist Ausdruck einer buddhistischen Geistesschulung. In tantrischen Anwendungen gilt das Geheimhalten der persönlichen Fortschritte und Erkenntnisse als eine Vorraussetzung dafür, weitere Erkenntnisse zu erzielen (Gonsar Rinpotsche 2004: 93). Das Überwinden von Egoismus und das Wertschätzen aller Lebewesen sind zentrale Bestandteile buddhistischer Übungen (siehe Dalai Lama 1993: 206; Rabten 1997: 189), weswegen solche Äußerungen Ausdruck einer grundsätzlichen Einstellung der Wertschätzung anderer sein können und nicht als ein „fishing for compliments“ missverstanden werden dürfen. Es war im Gesprächsverlauf eine Ambivalenz im Selbsterleben der Rolle erkennbar, welche sich immer deutlicher herauskristallisiert hatte. Mit dem lang andauernden Interview, das nachts in einer Jurte in der Gobi geführt wurde, entstand eine vertraute Atmosphäre, die eine derartige Selbstreflexion begünstigte. Erst im Verlauf des Gespräches zeichneten sich nach und nach zweifelnde Blickwinkel auf die eigene Aufgabe ab. Zava Rinpotsche beteuerte, dass er selbst nie von sich behaupten würde, er sei ein Tulku, doch weil er von den Schutzgottheiten und seinen Lehrern dazu ernannt wurde, fühlt er sich dazu verpflichtet, sein Schicksal anzunehmen: „Then if the Gurus and our protectors determined that I am Zava Damdin’ Tulku, then I have to accept it and I have to follow the Gurus’ speech and I also have to continue Zava Damdin’ activities. [...] This is a very big responsibility and it is not easy, it’s hard to accept it. Once I told to one of my Gurus that it’s impossible to accept, but this Guru said ‘you have to accept it’ “ (ZR2: 10-11). Als er sein Schicksal einmal angenommen hatte, ergäbe in der Retrospektive wieder einiges Sinn, wie beispielsweise die Treffen mit den alten Mönchen und der Umstand, dass er ein braves Kind war, in der Schule sehr zurückgezogen, und dass er sich stets auf das Dharma konzentrieren wollte. Durch die Ernennung zum Tulku und durch den Segen, den er dadurch erhalten habe, fühle er sich stark und habe keine Angst vor Hindernissen. Sein größtes Leiden bestehe darin, dass er zu wenig Ausbildung erhalten habe: „At the moment my biggest suffering is because of education, because I have no education“ (ZR2: 19). Das beschriebene Leiden spiegelt die generelle Situation des heutigen Buddhismus in der Mongolei wider, und es hängt auch damit zusammen, dass er erst so spät zum Tulku ernannt wurde. Ginge es nach ihm, so versicherte er in anderen Gesprächen, studierte er am liebsten in Rabten Choeling in der Schweiz, wo so viele gelehrte Meister leben. Aus Respekt vor seinen Meistern und um den Bitten der Menschen, die seinen Vorgänger 67 kannten, Genüge zu leisten, nehme er seine Aufgabe wahr. Der Respekt vor seinen Meistern und der Respekt, den er seinem Vorgänger gegenüberbringt, werten seine Situation in seinen Darstellungen wieder auf. In Zeiten, in denen die tantrischen Anwendungen überhand genommen hatten und die Philosophischen Schulen vernachlässigt wurden, habe sein Vorgänger dafür gesorgt, dass bei der Ausbildung in dem Kloster wieder gemäß der Überlieferung zuerst die Philosophischen Schulen unterrichtet werden. An diese Tradition wolle er anknüpfen und in dieser Weise das Kloster in der Mittelgobi aufbauen. Man könnte an dieser Stelle eine Parallele zu dem berühmten Reformator und Begründer der Gelug-Tradition Je Tsonkhapa in Tibet sehen, der ebenfalls in Zeiten der Degeneration wieder ein tantrisches System errichtete, das großen Wert auf klösterliche Disziplin und philosophische Studien legt (Schulemann 1958: 114). Ein solch implizierter Vergleich wertet die Tätigkeiten des Vorgängers Zava Damdin ungemein auf. Das Vertrauen auf die Meister und das Anwenden der Übungen, die sie ihn lehrten, bieten einen Ausweg aus dem Dilemma der mangelnden Ausbildung. Deutlich wird dies an dem Beispiel der Weissagungen, um die er oftmals gebeten wird. Diese mache er nicht selbst, sondern durch eine spirituelle Verbindung, die durch Einweihungen und vorbereitende Übungen erzeugt wurde, helfen der Meister und die Meditationsgottheiten, die Weissagungen zu machen. Die einzelnen Vorgänge eines solchen „Mo“, wie diese Weissagungen genannt werden, zu beschreiben, würde an dieser Stelle zu weit von dem Thema abführen. Jedoch sei ein Punkt verdeutlicht, der das Selbstverständnis widerspiegelt. Um diese Übungen durchführen zu können, nehme Zava Rinpotsche zuerst Zuflucht zu den drei Juwelen und führe bestimmte Meditationen mit einer Gottheit durch. Die Meister, die Buddhas, Bodhisattvas und die Meditationsgottheiten lade er in der Meditation ein: All these come together and come to me. Then they give their blessing and the Guru is in my heart. Then my Guru is doing this [Mo], not me. I just pray and concentrate like this (ZR2: 24). Denn die Weissagungen, die er macht, sind unter Umständen sehr folgenschwer („very dangerous“), da die Mongolen sehr gläubig seien. Was er sage, würden sie tun. Gefragt werde er oft zu persönlichen, familiären Angelegenheiten, aber auch beispielsweise, ob es ratsam sei, eine schwierige Operation durchführen zu lassen, einen bestimmten Job anzunehmen oder eine Firma aufzukaufen. Diese Verantwortung könne er persönlich nicht übernehmen, doch zwängen ihn solche Fragen auf der anderen Seite zu Antworten, da er die Leute nicht „im Stich lassen“ könne. 68 But I am not skilled for that. But it’s very difficult. If someone asked, then if I say I don’t know, then I just break their wish, because everyone wished: ‘Oh, visit Zava Damdin Rinpotsche and ask something (ZR2: 22). Dieser Verantwortung könne er sich nicht entziehen, wenn er den Buddhismus wieder in die Gesellschaft integrieren wolle. Mit dem Vertrauen auf seine Meister sei es dann wichtig, Initiative zu ergreifen: When we make something, then we recognize what is wrong, what is right, which is good, which is bad, which is fool, which is skill, we just recognize. If we don’t do any experience, if we don’t do any practice, then we don’t know, which is good, which is bad, which is right, which is wrong. It is the point, I think (ZR2: 27). Es war seine Entschlossenheit und seine Hingabe an das Dharma, was seine Lehrer an Zava Rinpotsche lobend hervorgehoben hatten. Die Ansicht, dass er sich in seiner Rolle behaupten muss, teilt er mit seinen Lehrern. Und trotz aller Zweifel und Skepsis gab Zava Rinpotsche das Bild eines jungen Mannes ab, der sehr wohl gewillt ist, solch schwierige Aufgaben anzugehen. Dementsprechend erzählte Zava Rinpotsche seine Lebensgeschichte so, dass sie voller Elemente ist, die retrospektiv seine Ernennung zum Tulku schlüssig machen. Die beschriebenen Selbstzweifel wurden in ihrer komplexen Konstellation erörtert. Sie treten besonders deutlich im Bezug auf die eigene Ausbildung hervor. Dieser Umstand spiegelt einen Aspekt der aktuellen Situation des Buddhismus in der Mongolei wider. 5.4 ... und seine Arbeit – Revitalisierung des Buddhismus aus der Handlungsperspektive Im Folgenden werden drei Betrachtungspunkte der Revitalisierung in konkreter Handlungsperspektive des Protagonisten dargestellt. Nachdem Zava Rinpotsche im Jahre 2000 aus der Schweiz zurückkehrte, begann er damit, neue Projekte zu starten um den Buddhismus in der Mongolei zu reinstallieren. Schon bevor er als Tulku entdeckt wurde, hatte er eine gewisse Verpflichtung zum Handeln durch die Ausbildung, die in ihn „investiert“ wurde. Er gründete Amar Mur, ein Büro in Ulaan Baatar, das konkrete Unterstützungsarbeiten koordinierte. Durch die Verpflichtung als Tulku begann er mit dem Wiederaufbau eines Klosters in der Mittelgobi, und auch in Ulaan Baatar fielen ihm neue Aufgaben und Verpflichtungen durch und für seine Schüler zu. 69 5.4.1 Erster Versuch der Etablierung einer Struktur: die NGO Amar Mur Am 25. Mai 2002 eröffnete Zava Rinpotsche im Zentrum von Ulaan Baatar offiziell das Büro seiner neu gegründeten Nichtregierungsorganisation Amar Mur : Amar Mur Centre for training and external relations of Amarbayasgalant Monastery, wie es die Internetpräsenz betitelt (Amarbayasgalant 2005a). Das Zentrum besteht aus einem Büroraum und einem Seminarraum und ist mit einer Voll- und einer Teilzeitstelle besetzt. Zu den Aufgabenfeldern, die er mit dem Büro abdecken möchte, gehören karitative, repräsentative und koordinative Funktionen im Zusammenhang mit dem Kloster Amarbayasgalant. In der Selbstdarstellung im Internet werden die Aufgaben folgendermaßen beschrieben: to provide information on Buddhist teachings for the public, to expand the external relationship of Amarbayasgalant monastery, to improve the educational level of monks of Amarbayasgalant monastery, to broaden research work on Buddhism and to support the development of society and individuals by regularly organizing charity works for vulnerable people (Amarbayasgalant 2005a). Einen Großteil der alltäglichen Aktivitäten seiner Mitarbeiter beanspruchen die karitativen Aufgaben. Amar Mur sponsort und betreut die Ausbildung von ca. 10 Jungen und 10 Mädchen, die entweder Waisen sind oder deren Familien ihnen keine Schulbildung ermöglichen können. In Amarbayasgalant leben ca. 16 Waisen, die auf diese Weise von Amar Mur betreut werden, 8 gab es schon vor der Gründung von Amar Mur und 10 weiteren wurde ein Leben im Kloster angeboten. Zwei von ihnen entschieden sich jedoch, wieder in das Waisenhaus zurückzukehren. Zava Rinpotsche ließ einen pensionierten Lehrer finden, der für die elementare Schulbildung der jungen Mönche sorgt. Finanzielle Unterstützung erhält das Projekt aus Österreich. Es werden nicht nur die Jungen in den Klöstern unterstützt, sondern auch Kinder, hauptsächlich Mädchen,46 in Ulaan Baatar. Dort kümmern sich seine Mitarbeiterinnen, eine davon war selbst einmal Lehrerin, um die Schulbildung. Es handelt sich dabei um Mädchen, die aus Familien stammen, in denen sie keine Möglichkeit hätten, die Schule zu besuchen, weil sie sich keine Unterrichtsmaterialien und auch keine adäquate Kleidung leisten könnten. Mit der NGO versucht Zava Rinpotsche, für die betreuten Personen eine Chancengleichheit herzustellen, 46 Nachdem zwei Mönche aus Amarbayasgalant wieder in das Waisenheim zurückkehren wollten, hatte Amar Mur zwei Jungen in Ulaan Baatar in das Schulförderungsprogramm mitaufgenommen. 70 indem sie alles Notwendige für den Schulbesuch organisiert bekommen. Ein solcher Aspekt der praktischen Hilfeleistung wird von Kritikern des Buddhismus von diesem öfters gefordert. Die Arbeit, so berichtet die Mitarbeiterin Gerlee, beschränke sich nicht nur auf die Kinder, sondern schließe die jeweiligen Familien mit ein, die durch Alkoholismus und Verwahrlosung gekennzeichnet seien. Die Kinder würden dann zu Hoffnungsträgern für die ganze Familie, sofern sie nach der Schule eine Arbeit finden. Zu Beginn hatte das Projekt zehn Jungen und zehn Mädchen, schrittweise wurde versucht, neue Sponsoren für begabte Kinder zu finden und das Projekt auszuweiten. In dem Seminarraum von Amar Mur findet regelmäßig freiwilliger zusätzlicher Unterricht statt, der von ehrenamtlichen Lehrern angeboten wird. Ein weiteres Anliegen von Amar Mur, welchem Zava Rinpotsche als dessen Gründer vorsteht, ist es, die Hilfe aus dem Ausland zu koordinieren. Zasep Rinpotsche sponsorte mit Hilfe seiner Schüler beispielsweise die Grabung eines Brunnens in Amarbayasgalant, da kein fließendes Wasser in dem Kloster vorhanden war. Solche und ähnliche Projekte werden durch das Büro organisiert, koordiniert und kontrolliert. Nachdem ein Projekt erfolgreich war, wird den Sponsoren ein Feedback gegeben, Bilder versandt etc.. Obwohl es eine Organisation des Klosters Amarbayasgalant ist, bleibt das Wirken nicht auf den religiösen Bereich beschränkt. Ein medizinisches Hilfsprojekt aus Österreich unterstützte Zava Rinpotsche mit Hilfe von Amar Mur. Die jungen Ärzte und Pfleger arbeiteten ein halbes Jahr in der Mongolei, statteten Intensivstationen aus, lernten Personal auf die medizinischen Geräte ein, brachten sogar einen ganzen Rettungswagen nach Ulaan Baatar. Amar Mur half bei der Organisation im Vorfeld, knüpfte Kontakte, organisierte Übersetzer und betreute die Österreicher während der ganzen Zeit ihres Aufenthaltes. Amar Mur versucht also, ein internationaler Ansprechpartner zu sein. Des weiteren werden von Zeit zu Zeit öffentliche Unterweisungen über Buddhismus organisiert und abgehalten. Der Seminarraum steht jederzeit als Meditationsraum zur Verfügung. Mönche und Nonnen, die in Ulaan Baatar zu Besuch sind, können dort übernachten. Eine kleine Bücherei dort beinhaltet buddhistische Literatur in verschiedenen Sprachen und ist ebenfalls öffentlich zugänglich. 71 Abb.8 Amar Mur: Eine Mitarbeiterin im Büro. Abb.9 Meditationsraum: Meditationsraum von Amar Mur. 72 Der Schwerpunkt im Bezug auf die buddhistische Lehre liegt jedoch auf der Koordination von Unterweisungen und dem Einladen buddhistischer Lehrer aus dem Ausland. Im Rahmen einer pragmatischen Vielseitigkeit hat Amar Mur buddhistische Kinderbücher veröffentlicht, eine Tätigkeit, auf welche die interviewte Mitarbeiterin besonders stolz war. Mit der Gründung dieser NGO zeichnete sich bereits eine Modifizierung des Buddhismus in der Mongolei ab, die über den Wiederaufbau des Buddhismus hinausgeht. Einerseits bildete sich dadurch eine transnationale Struktur und andererseits geht der Buddhismus einer sozialen Verantwortung nach. 5.4.2 Anknüpfen am Lebenswerk seines Vorgängers: der Wiederaufbau des Klosters Delgeruun Choira Wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde, übernahm Zava Rinpotsche mit seinem neuen Namen als Tulku auch die Verpflichtung an das Lebenswerk seines Vorgängers anzuknüpfen. Auf Bitten der Bevölkerung widmete er sich als erstes dem Wiederaufbau des Klosters seines Vorgängers, welches in der Mittelgobi gelegen ist. An dieser Stelle baute er bereits einen ersten kleinen Tempel im gleichen mandschurischen Architekturstil wie Amarbayasgalant. Das Kloster seines Vorgängers war so angeordnet, dass bei einem Rundgang die einzelnen Tempel den Stufen des Weges zur Erleuchtung, wie sie in den Lam-Rim-Texten der Gelug-Tradition beschrieben sind, entsprechen. Letztendlich ist es sein langfristiges Ziel, nach und nach wieder eine solche Anordnung aufzubauen. Das erste Bauwerk ist charakteristischerweise ein Tempel des Mandschuschri, des Buddhas der Weisheit, da es Zava Rinpotsches höchstes Anliegen ist, die Unterweisungen des Buddha in der Mongolei wieder zum Erblühen zu bringen, wie er versicherte. Charakteristisch für den mandschurischen Baustil sind die dekorativen Dachziegel, welche für den Tempel eigens aus China importiert wurden. Der 29- jährige Mönch musste die Ziegel selber in China bestellen, den Transport von Peking nach Ulaan Baatar organisieren, die Zollabfertigung abwickeln, was in der Mongolei ohne Beziehungen kaum zu bewerkstelligen ist, Lastwagen mieten, die die Fracht von der mongolischen Hauptstadt in einer Tagesreise über unbefestigte Straßen zu dem Tempel fahren. Schließlich musste er Arbeiter anheuern, welche einen Tag lang damit beschäftigt waren, den Inhalt des Containers auf die Lastwagen zu verladen etc.. 73 Abb.10 Bau des Tempels: Delgeruun Choira. Abb.11 Mandschurische Dachziegel: für den Tempel. 74 Abb.12 Historische Kulturgüter: Alte Mongolin überreicht Zava Rinpotsche Schriften seines Vorgängers. Abb.13 Wertvolle alte Schriften: in Gold verfasst und von der Bevölkerung im Geheimen erhalten. 75 Bei der Abwicklung des Transports traten unerwartete Probleme auf, denn ein Großteil der Ziegel war nicht angemessen bepackt worden und kam deshalb in Ulaan Baatar bereits beschädigt an. Also musste Zava Rinpotsche eine Reklamation veranlassen, neue Ziegel bestellen usw. Auch das Anbringen der Ziegel war mit Komplikationen verbunden: Zwei Tage lang suchte Zava Rinpoche zusammen mit einer Mitarbeiterin speziell ausgebildete chinesische Handwerker. Als ein Team gefunden war, wurde ein Vertrag ausgehandelt, jedoch erschienen diese nicht zu der Arbeit, woraufhin schlussendlich lokale mongolische Arbeiter die Ziegel auf das Dach montierten. Was hier am Beispiel der Dachbedeckung beschrieben wurde, zeichnete sich auch bei allen anderen Arbeiten ab: Der junge Mönch war als Unternehmer tätig und musste sich dafür eigens eine Struktur aufbauen. Er stellte sich Arbeiterteams für die unterschiedlichen Arbeiten wie Mauern, Schreinern, Kunstmalerei zusammen, und war für deren Unterkunft, Verpflegung und Bezahlung verantwortlich. Alles Arbeiten, die nicht zum alltäglichen Klosterleben gehören, aber getan werden müssen. Dann tauchten ständig Probleme und unvorhergesehene Situationen auf. Nicht immer kamen alle in Ulaan Baatar abgeschickten Materialien am Tempel an, und die Arbeiten schritten deutlich langsamer voran, wenn Zava Rinpotsche nicht vor Ort war. All dies erfordere ein strenges Auftreten, sagte dieser, als er sorgfältig Inventur machte. Mit seiner Leitungsfunktion sind aber auch Problemlösungen gefragt, die deutlich schwieriger sind, denn wie verhält sich beispielsweise ein buddhistischer Mönch, der sich nicht aufregen soll und dessen Handeln von Erbarmen und Mitgefühl geprägt sein soll, wenn eine vertrauter Mitarbeiter, der selbst einmal Mönch war, in China eintausend Dollar - für die Mongolei eine durchaus beträchtliche Summe an Geld - nicht wie vorgesehen in Materialien und deren Transport investiert, sondern im Nachtleben veruntreut? Diese Frage diskutierte er beispielsweise mit einem befreundeten Geschäftsmann, der selbst mehrere Firmen leitet, ausführlich bei einem Abendessen. Die rein geschäftlichen Ratschläge schienen Zava Rinpotsche jedoch nicht so richtig zufrieden zu stellen, auch wenn er seiner Rolle als Unternehmer gerecht werden muss. Die Bevölkerung in der Provinz seines Klosters machte ihm hingegen eine Revitalisierung des Buddhismus einfach. Deutlich zu spüren war eine gläubige Hingabe bei den Familien, welche die Bauarbeiten unterstützen. Sie selbst schränkten sich in ihrem Lebensstandard ein, um Jurten für die Klosteranlage zur Verfügung zu stellen und leisteten Unterstützung, so gut es geht. Eine alte Frau, die den Vorgänger Zava Damdin noch als kleines Mädchen kennen gelernt hatte, versteckte Schriften und Statuen während der gesamten sozialistischen Zeit in einer Höhle. Sie erlebte, wie die Mönche verhaftet und exekutiert wurden und wie das Kloster zerstört wurde. Respektvoll besucht sie ihn heute nahezu 76 täglich, wenn er vor Ort ist und bringt immer wieder noch eine neue kleine Statue o.ä. vorbei, obwohl die meisten Sachen bereits an Zava Rinpotsche übergeben wurden. Zu einem Teil finanzierte er den ersten Tempel durch den Verkauf von Juwelen und Reliquien aus seinem persönlichen Besitz. Ein anderer Teil der ca. 100.000 Dollar, die der Tempelbau bis zum Zeitpunkt meiner Feldforschung gekostet hatte, stammte von befreundeten Sponsoren aus der Mongolei und aus Europa. Nach Geldgebern suchen wolle er erst, wenn schon ein Tempel stünde und das Kloster bereits in Betrieb sei. Vorher jemanden nach Spenden zu fragen, ohne konkret aufzeigen zu können, wofür, fände er unpassend, erklärte Zava Rinpotsche bei einer Besichtigung der ersten Arbeiten an den Dachziegeln. Für ein Kloster, das schon in Betrieb ist, sei es viel leichter, Sponsoren zu finden. Für die Zukunft hegte Zava Rinpotsche die Hoffnung, dass die Leute aus seinem Team, die nun Erfahrungen im Bau eines Tempels gesammelt hatten, routinierter an zukünftige Tempelbauprojekte herangehen könnten. Ganz in der Nähe gibt es einen Ort, an dem ein kleiner Tempel für Meditationsklausuren stand. Dieser liegt, durch eine Quelle wie eine Oase begrünt, in einer felsigen Landschaft so eingeschlossen, dass er von außen nicht zu erkennen ist. Es war ein Platz, der mit einer Schutzgottheit verbunden war. Die Kommunisten hätten den Tempel in der verborgenen Oase nicht zerstört, sondern ihn für Partys genutzt, was die Schutzgottheit nicht erfreut habe. Vor diesem Hintergrund zeichnet die Schutzgottheit nach Auffassung der Gläubigen auch verantwortlich für die Blitze, die den Tempel zerstört haben. Auf der Ruine möchte Zava Rinpotsche als nächstes ein Klausurzentrum bauen. Dies würde sich hervorragend eignen, um exiltibetische Lehrer und deren Schüler einzuladen. 5.4.3 Umsetzungsprozess der Reimplantierung des Buddhismus: Aufgaben, Ziele und Strategien Für seine Vorhaben ist Zava Rinpotsche auf ein ganzes Team an Mitarbeitern angewiesen. Diese auszuwählen ist eine schwierige Aufgabe, der sich Zava Rinpotsche stellen muss. In der heutigen Mongolei, die ohnehin durch eine hohe Arbeitslosenquote gekennzeichnet ist, bedeutet es viel, für einen solch wichtigen Lama zu arbeiten. Neben einer angemessenen Bezahlung genießen seine Mitarbeiter demnach auch ein hohes Prestige, wenn ein solcher Mitarbeiter zu bestimmten Leuten an einen Ort reist, wird er dort als Abgesandter Zava 77 Rinpotsches entsprechend gebührend empfangen. Leute zu finden, denen er richtig vertrauen kann und denen er Verantwortung und Handlungskompetenz übertragen kann, ist dann nicht einfach, wenn diese Stellen ohnehin schon begehrt sind. Auch hier versucht Zava Rinpotsche, Personen aus seinem nahen familiären und klösterlichen Umfeld zu rekrutieren. Dass eine enge Verbindung zu den Mitarbeitern besteht, scheint ein wichtiges Merkmal zu sein. So kümmerte er sich um ehemalige Mönche, die in schwierige Lebenssituationen geraten waren und besorgte ihnen anschließend Arbeit, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Er sprach über seine Mitarbeiter stets von „one of our persons“, wenn er eine Person meinte, die für ihn arbeitet. Das Rekrutieren vertrauenswürdiger Personen ist, so hatte der Verfasser den Eindruck, eine wichtige Aufgabe bei der praktischen Umsetzung der Revitalisierung des Buddhismus. Wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde, war es in der ländlichen Provinz der Mittelgobi einfach, den Buddhismus bei der Bevölkerung zu integrieren, da diese an den Traditionen anknüpfen möchte. Wenn sich die Gelegenheit dazu bot, zeigte der junge Meister den Schülern in der ländlichen Provinz grundlegende Meditationsübungen und Geistesschulungen für sie als persönliche Anwendungen. In Ulaan Baatar gestaltet sich die Situation hingegen ein bisschen anders. Zava Rinpotsche habe dort ca. einhundert Laienschüler, wie er im Herbst 2004 angab, die er alle individuell unterrichte. Wenn er in Ulaan Baatar ist, vergeht praktisch kein Tag, an dem keine Schüler bei ihm vorbeikommen und über etwas sprechen möchten, jedoch seien diese Anliegen meist weltlicher Natur, da die momentane Lebenssituation der urbanen Bevölkerung in der jungen Marktwirtschaft kaum Spielraum für buddhistische Studien lasse: at the moment, the Mongolian people, because of our economy, because of our political situation, because of many things, run after their money for surviving, to make a living. Of course they need to do so. Because of that, many people cannot do a serious practice, nor a serious studying for Buddhism. But they still have got the respect and faith, still they believe so much. But they like this kind of things very much, you know, they only ask for Pujas [Zeremonien, B.S.], they only ask for Mo [Weissagung, B.S.] for their goodness. Because they don’t have, you know, any good studyings (ZR2: 23-24). In zehn bis fünfzehn Jahren sei in der Mongolei die Zeit „reif“ für ernsthafte Laienanwender, spekulierte Zava Rinpotsche bei einem Gespräch über seine Schüler in Ulaan Baatar. Seine Lehrer rieten ihm zwar, alsbald ein Zentrum in Ulaan Baatar zu errichten, das sich hauptsächlich Laienschülern widmet. Doch konzentriere er sich nach Rücksprache mit ihnen zunächst auf den Bau des Tempels in der Mittelgobi. Dass ihm das Mönchstum besonders am Herzen liegt, erkennt man daran, dass er kaum eine Möglichkeit 78 auslässt, dies zu betonen. Zuerst wolle er eine monastische Gemeinschaft als Basis haben, dann widme er sich verstärkt den Laienanwendern.47 Zava Rinpotsche versucht weiterhin, auch hin und wieder eine gewisse Öffentlichkeit zu erreichen und zu informieren. Ein Fernsehsender, der ihn interviewte, brachte als Folge mehrere Sendungen über seine Aktivitäten. Ging es zuerst um den klösterlichen Alltag in Amarbayasgalant, so nutzte er die Gelegenheit, einen Bericht über das medizinische Hilfsprojekt drehen zu lassen, wozu er mit einem Fernsehteam die verschiedenen Krankenhäuser besuchte. Ein anderes Beispiel war eine Feierlichkeit für einen seiner Lehrer in Ulaan Baatar. Dieser lebte die ganze sozialistische Zeit über in dem Kloster Gandan und erlangte unter Buddhisten eine Bekanntheit durch das Anfertigen von Statuen und das Unterrichten von rituellen Tsam-Tänzen. Anlässlich der Feier, die im Kloster Gandan abgehalten wurde und in der dem alten Mönch eine Auszeichnung verliehen wurde, schrieb Zava Rinpotsche ein Langlebensgebet für diesen Meister in tibetischer Schrift. Im Vorfeld half er bei der Organisation der Feier und ließ autogrammkartenähnliche Bilder von dem alten Mönch anfertigen. Durch das Anknüpfen an die Tradition, nach der für buddhistische Meister Langlebensgebete von anderen Meistern verfasst werden, drückte Zava Rinpotsche seinen Respekt dem Meister gegenüber aus. Zusätzlich dazu erreichte er ein öffentliches Auftreten, indem er neben seinem Lehrer saß und jedem Teilnehmer der Zeremonie ein solches Bild überreichte. Den Mönchen teilte er die Langlebensgebete aus, wodurch er seinen Status in der religiösen Hierarchie zu untermauern schien. Seine Hauptaufgabe sieht Zava Rinpotsche darin, dass er die Unterweisungen wieder in einer gelebten Tradition in der Mongolei installieren möchte. Dazu ist es ihm ein Anliegen, immer wieder tibetische Meister in die Mongolei einzuladen. Gesche Thubten, einer seiner Lehrer aus der Studienzeit in der Schweiz, besuchte beispielsweise seit mehreren Jahren die Mongolei, um die Sommerklausuren zu leiten und Unterricht zu geben. Im Jahre 2004 war er allerdings aus gesundheitlichen Gründen verhindert, 2005 besuchte er erstmals den frisch gebauten Tempel in der Mittelgobi. Für die Zukunft wünscht sich Zava Rinpotsche, dass er Strukturen liefern kann, die es ermöglichen, tibetische Meister und auch deren Schüler aus dem Ausland einzuladen. Für diese böte sich eine Möglichkeit, in abgelegenen Tempeln in einer malerischen Landschaft Meditationsklausuren abzuhalten oder Unterweisungen zu erhalten. Durch die Kontakte könnten sich so auch Sponsoren aus dem Westen finden, die den Erhalt der mongolischen Klöster unterstützen könnten. 47 Während des Erstellens dieser Arbeit teilte Zava Rinpotsche dem Verfasser per E-mail mit, dass er mittlerweile ein neues Zentrum in Ulaan Baatar gründe: Zava Damdin Sutra and Scripture Institute. 79 Zusätzlich zu dem Wiederaufbau der Klöster in einer traditionellen Struktur sieht sich Zava Rinpotsche mit der Aufgabe konfrontiert, den Buddhismus unter der Zivilbevölkerung zu etablieren. Dies erfordert Geschick im Umgang mit seinen Laienschülern und den Aufbau einer neuen Struktur, die sich von der traditionellen Gesellschaftsordnung, in welche der Buddhismus eingebettet war, erheblich unterscheiden. 80 Abb.14 Kalligraphie: Zava Rinpotsche verfasst ein Langlebensgebet für einen seiner Lehrer. 81 Abb.15 Repräsentationsaufgaben: Zava Rinpotsche bedankt sich offiziell bei einer österreichischen Ärztin des Hilfsprojekts. Abb.16 Fernsehdokumentation: Eine Sendereihe dokumentiert Zava Rinpotsches Aktivitäten. 82 6. Internationale Verflechtungen der Glaubensgemeinde am Beispiel der Ausbildung Zava Rinpotsches Die Lebensgeschichte Zava Rinpotsches lässt erahnen, dass die Reimplantierung des Buddhismus in der Mongolei ohne Hilfe aus dem Ausland kaum denkbar war und ist. Zu lange war die Glaubensausübung unterdrückt, als dass sich die Lehre in einer lebendigen Weise hätte erhalten können. Aus diesem Grunde wird die Ausbildung junger Mönche durch die Glaubensgemeinschaft des tibetischen Buddhismus im Exil unterstützt. Zava Rinpotsche erhielt einen Teil seiner Ausbildung in der Schweiz in einem Exilkloster. Am hier vorliegenden Fall sollen im Folgenden die Verflechtungen betrachtet werden, die zu diesem Umstand geführt haben. Dabei liegt der Fokus auf der Ausbildung Zava Rinpotsches und somit auf den Verbindungen, die seine Lehrer miteinander haben. In diesem Kapitel wird das Netzwerk vom Ausgangspunkt einer Person her beschrieben, wobei auch die Werdegänge der Personen, die für die Kontakte ins Ausland gesorgt haben und deren Verbindungen zueinander von Bedeutung sind, in den Fokus gerückt werden. Die Beschreibung der Verflechtungen Zava Rinpotsches in seiner jetzigen Tätigkeit bildet den Abschluss der Einzelfallbetrachtung; dieses Gefüge wird dann in einem globaleren Kontext analysiert. 6.1 Die Anfänge in der Mongolei: Verbindungen durch Guru Deva Rinpotsche In seiner Jugend hatte Zava Rinpotsche schon Kontakte zu ehemaligen Mönchen und - was er damals noch nicht wusste - Schülern seines Vorgängers. In seiner Zeit als junger Mönch unterrichteten ihn mehrere solche alten Mongolen als Lehrer, die hier im einzelnen nicht aufgezählt werden. Besondere Bedeutung hatte der Lama Guru Deva Rinpotsche, da dieser seinen Aufenthalt in der Schweiz vermittelte. Guru Deva Rinpotsche wurde in der innermongolischen Ordos-Hochebene geboren, früh als Tulku entdeckt und lebte bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr in der Mongolei. Anschließend ging er nach Tibet, um dort im Kloster Drepung zu studieren. Wie die Informanten berichteten, war der Austausch zwischen Tibet und der Mongolei zu jener Zeit recht üblich gewesen.48 Kurz bevor viele 48 Auch in der Autobiographie eines tibetischen Mönches finden sich zahlreiche Hinweise darauf: Gesche Rabten beschreibt, dass einer seiner Lehrer ein Mongole war, der in Tibet unterrichtete (Rabten 2000:142). 83 Tibeter im Jahre 1959 wegen der chinesischen Besatzung über den Himalaya nach Indien flohen, zog Guru Deva Rinpotsche nach Nepal, um dort zu unterrichten. Später lebte er in Indien und half maßgeblich beim Aufbau der tibetischen Klöster im indischen Exil. Dadurch bestanden seinerseits viele Kontakte innerhalb der tibetischen Exilgemeinde und sowohl das Leben im Exil als auch der Bau von Klöstern gehörten zum Erfahrungsschatz dieses buddhistischen Gelehrten. Unter seinen Lehrern befand sich neben anderen prominenten Meistern wie Kyabgye Pabonkha Rinpotsche, Kyabgye Tridschang Dorje Chang und Kyabgye Ling Rinpotsche auch Kyabgye Gonsar Rinpotsche, der Vorgänger des bereits erwähnten Abtes des Klosters Rabten Choeling in der Schweiz. Nach der demokratischen Wende in der Mongolei 1990 widmete er sich besonders dem Wiederaufbau des Buddhismus dort. Er begann schwerpunktmäßig den Wiederaufbau des Klosters Amarbayasgalant zu unterstützen und lebt seither selbst in Ulaan Baatar (Amarbayasgalant 2005b). In seiner Verantwortung für das Kloster Amarbayasgalant und durch sein Bemühen, die buddhistische Lehre wieder aufleben zu lassen, arrangierte er die Kontakte in die Schweiz und einigte sich mit Gonsar Rinpotsche darauf, dass immer zwei Mönche in Rabten Choeling studieren können. Der erste junge Mönch, den er auswählte, war Zava Rinpotsche alias Lobsang Dargayaa, der ihm schon im Kindesalter als etwas Besonderes aufgefallen war, wie Zasep Tulku berichtete. Zava Rinpotsche selbst erlebt das Netzwerk passiv, nicht so sehr er, sondern sein Vater und seine Lehrer bestimmen ganz maßgeblich seinen Werdegang als Mönch. Im Rückblick auf die Jugendzeit hatte er auf der persönlichen Handlungsebene von klein an aktiv am Wiederaufbau des Buddhismus mitgearbeitet. Im Interview formulierte er dies folgendermaßen: „from my childhood I got my future goal, the ultimate goal, I have to be a fully ordinated monk and I have to take care of the monastery“ (ZR2: 7). Betrachtet man hingegen die Struktur bzw. das Netzwerk aus der Außenperspektive, so war er darin kaum mehr als ein Spielball, die Arrangements wurden für ihn gemacht. Sein Handeln hatte darin bestanden, das zu machen, was seine - sich zugegebenermaßen gut ergänzenden Autoritätspersonen ihm auftrugen: even in my childhood I never broke my father’s speech, nor my grandfather’s. I haven’t received any punishment from my father or grandfather or from others. Since 1990 and after I became a monk, then also I followed gurus’ speech, doing the study and the work all the time (ZR2: 7). 84 6.2 Transformation in der Schweiz: Studien bei Gonsar Rinpotsche Bei der Eröffnungsfeier des Klosters Amarbayasgalant 1995 wurde bei der Begegnung von Guru Deva Rinpotsche und Gonsar Rinpotsche abgesprochen, dass in der Schweiz eine Ausbildung mongolischer Mönche erfolgen kann. Auf die Frage, was seine Verbindung zu der Mongolei sei, antwortete Gonsar Rinpotsche, dass die Verbindung durch seinen Namen bestünde. Der letzte Gonsar Rinpotsche, sein Vorgänger und vierter Gonsar innerhalb der Tulku-Linie, habe lange Zeit in der Mongolei gelebt. Dieser war Tibeter, ging in jungen Jahren nach seiner Ausbildung im tibetischen Kloster Sera in die Mongolei und wurde dort Abt einer Abteilung des großen Gandan Klosters in der heutigen Stadt Ulaan Baatar. Dort lebte er insgesamt ca. 30 Jahre lang und unternahm mehrere Reisen in benachbarte Regionen wie die Innere Mongolei und Burjatien, in denen er unterrichtete. Auf diese Weise schloss er viele Kontakte zu den mongolischen Volksgruppen. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war er - noch vor dem Aufkommen des Sozialismus in der Mongolei - zusammen mit vielen seiner mongolischen Schüler, darunter auch Guru Deva Rinpotsche, nach Tibet zurückgekehrt. In Tibet unterrichtete er aufgrund der umfassenden Sprachkenntnisse und der bestehenden Verbindungen zu ihnen weiterhin mongolische Mönche. Die Klosteruniversitäten in Tibet und der Mongolei waren nach derselben Struktur aufgebaut und hatten teilweise dieselben Texte als Standardwerke für die Ausbildung, was den beschriebenen Austausch begünstigte. Der jetzige Gonsar Rinpotsche berichtete: Als er [sein Vorgänger, B.S.] zurück nach Tibet gekommen war, haben ihn alle diese mongolischen Mönche um Unterweisungen gebeten, weil er direkt auf Mongolisch mit ihnen sprechen konnte. Das ist der Kontakt. Und später dann, als er gestorben ist und ich gekommen bin, hatte ich immer noch diese enge Beziehung zu den mongolischen Mönchen, darunter Guru Deva Rinpotsche (GR: 3). Der junge jetzige Gonsar Rinpotsche wird Herzensschüler von Gesche Rabten, einem besonders herausragenden Gelehrten Tibets. Zusammen fliehen die beiden im Jahre 1959 nach Indien ins Exil. Gonsar Rinpotsche war zu diesem Zeitpunkt 10-jährig. Von dort aus wurde Gesche Rabten vom Dalai Lama gebeten, die Schüler aus dem Westen zu unterrichten. Als Folge davon reiste er 1974 erstmals in die Schweiz, wobei Gonsar Rinpotsche als sein Übersetzer fungierte. Obwohl Gesche Rabten Abt des Exilklosters bei Rikon war, gründete er 1978 das Zentrum Tharpa Choeling am Mont Pèlerin, um ein 85 zusätzliches Studienzentrum zu schaffen49. Nach seinem Tode 1986 wurde es in Rabten Choeling umbenannt und die Leitung fiel in die Hände von Gonsar Rinpotsche als seinem Herzensschüler. Im indischen Exil habe der Kontakt zwischen Guru Deva Rinpotsche und Gonsar Rinpotsche weiterhin bestanden. Zu einem Wiedersehen sei es bei der Einweihungszeremonie in Amarbayasgalant gekommen. Als Basis, auf der dieser Kontakt zustande gekommen war, diente die Meister-Schüler-Beziehung zwischen Guru Deva Rinpotsche und dem Vorgänger des Gonsar Rinpotsche.50 Die Intensität dieser Verbindung und das langandauernde Verhältnis der beiden zueinander, welches über die Tulku-Linien über „Generationen“ vererbt wird, bildet eine zentrale Kraft im Netzwerk der „GelugpaLineage“, wie die Glaubensgemeinde sich selbst auf Englisch manchmal bezeichnet (ZTR: 6). In der Schweiz durchlief Zava Rinpotsche dann ein Kernstück seiner Ausbildung. In der vorlesungsfreien Zeit erhielt er zusammen mit einem anderen mongolischen Mönch gesonderten Unterricht von Gesche Thubten Trinley, dem „teaching master“ von Rabten Choeling. Zu diesem unterhielt Zava Rinpotsche ebenfalls eine Meister-SchülerBeziehung, die den Grundstein dafür gelegt hatte, dass Gesche Thubten in den Folgejahren die Mongolei besuchte, um dort Zeremonien zu leiten und Unterricht zu geben. Des weiteren erlebte Zava Rinpotsche in der Schweiz aus eigener Anschauung, wie ein Kloster im Exil aufgebaut wurde und wie es unter veränderten Bedingungen Fuß fassen konnte. Rabten Choeling wurde in den 70er Jahren von Gesche Rabten in dem Bestreben gegründet, die tibetisch-buddhistischen Lehren zu erhalten und für westliche Menschen zugänglich zu machen. Unter den veränderten Bedingungen in Europa versuchte Gesche Rabten, den tibetischen Buddhismus in einer authentischen Form zu unterrichten und zu erhalten. Dieses Bestreben führt seit seinem Tod Gonsar Rinpotsche weiter. Durch die spezifische Situation in Europa ergaben sich dafür neue Rahmenbedingungen, auf welche sie flexibel reagierten. Erfahrungen im Exil hatten Gesche Rabten und Gonsar Rinpotsche bereits in Indien gemacht, in Europa entwickelten sie selbst neue Strukturen, um Zentren organisieren und unterhalten zu können. Dies alles lernt Zava Rinpotsche während seines Studienaufenthaltes nahezu en passant kennen. Es prägt ihn ebenso wie der rege Austausch innerhalb der Exilgemeinde in Europa. Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit der Exil-Tibeter funktioniere, antwortete Gonsar Rinpotsche, dass es keine Zusammenarbeit in diesem Sinne gäbe. Im Gegensatz zum 49 Des weiteren gründete Gesche Rabten noch das Zentrum Tashi Rabten auf dem Letzehof in Feldkirch, Österreich, und ebenso weitere buddhistische Zentren in Hamburg, München und Mailand. 50 Eine kurze Beschreibung der Beziehung zwischen Meister und Schüler findet sich im Abschnitt 3.3.2. 86 Katholizismus, der durch sein missionarisches Streben weltweit sehr gut organisiert sei, gäbe es innerhalb der buddhistischen Glaubensgemeinde keine solche zentrale Organisation, weil dort ein Missionsanspruch fehle. Jede Tradition sei für sich organisiert und auch innerhalb der Gelug-Tradition gäbe es weniger Zusammenarbeit als dies früher der Fall war. Die Gemeinschaft werde durch die Tatsache zusammengehalten, dass sie alle Schüler von wenigen herausragenden Meistern seien. Dabei handle es sich bspw. um Kyabgye Tridschang Dorje Tschang, einen mittlerweile verstorbenen Lehrer des Dalai Lama. Kennzeichnend für das Lernen sei gewesen, das sie eine persönliche Beziehung zu diesen hatten: wir sind alle wie Schüler von demselben Meister, haben eine große Harmonie untereinander und sind vereinigt. Deswegen hat alles eine lange Zeit sehr gut funktioniert, egal wo wir waren, ob in Indien oder im Ausland (GR: 16). Allerdings seien viele dieser großen Meister gestorben, worunter die Qualität der Ausbildung zu leiden drohe, fügte Gonsar Rinpotsche hinzu. Doch auf der materiellen Ebene gäbe es weniger Probleme: als wir ins Exil gekommen sind, war es zuerst sehr schwierig, aber jetzt haben alle ihren Platz gefunden, jeder hat sein eigenes Kloster, sogar schöne Tempel, immer größere Tempel werden gebaut und überall gibt es Telefon usw., das wäre früher in Tibet unvorstellbar gewesen (GR:: 17). Die Klage über den Verfall der Lehre kann hier auf mehrere Arten gelesen werden. Nach buddhistischer Kosmologie befinden wir uns in einem „Zeitalter des Niedergangs“, da den Lehren des Buddha Schakyamuni für das gegenwärtige Zeitalter eine Verweildauer von ca. fünftausend Jahren prognostiziert wurde, von denen ca. die Hälfte vergangen ist. Des weiteren muss eine solche Aussage insofern relativiert werden, als Gonsar Rinpotsche selbst zu einem wichtigen Träger der buddhistischen Lehre im Westen geworden ist und somit das obligatorische Understatement (vgl. Kap. 3.3.3.) auf seine Person anwendet. Ferner kann es als eine Motivation betrachtet werden, die Lehren zu erhalten, um einem solchen Verfall vorzubeugen: Gonsar Rinpotsche gibt seit dem Jahr 2001 jeweils einen Monat im Jahr Unterweisungen zu Tsongkhapas Lam Rim Chen Mo, einem Basistext des tibetischen Buddhismus. Eine direkte mündliche Übertragung von einem qualifizierten Meister gilt als Bedingung für ein adäquates Verständnis und dient als Ermächtigung zu einem späteren Unterrichten und steht damit im direkten Zusammenhang mit dem Erhalt der Übertragungslinie. In seiner Zuhörerschaft finden sich neben exiltibetischen Mönchen und Nonnen aus Tibet und Nepal auch europäische Ordinierte und Laien. Die Mischung 87 der Zuhörerschaft ist charakteristisch für das Zentrum Rabten Choeling. Eine Transmission tibetischer Lehren in diesem Umfang ist in Europa bzw. der „westlichen Welt“ Neuland, gehört jedoch zu den weniger populären Angelegenheiten. Einweihungen in tantrische Praktiken, wie beispielsweise in das Kalachakra, erfreuen sich bei einem weitaus größeren Publikum einer besonderen Beliebtheit; in besonderem Maße gilt dies für die esoterischen New-Age-Kreise. Die eher aufwendigen und lang andauernden Unterweisungen inhaltlicher Natur ziehen nicht ein so großes Publikum an, gelten aber als ein unabdingbarer Bestandteil der tibetisch-buddhistischen Ausbildung. Diese Entschlossenheit, unter Mühen und gegen Widerstände trotzdem Mittel und Wege zu finden, der traditionellen Lehre in einem veränderten Umfeld einen Nährboden zu liefern, prägte das Umfeld, in dem Zava Rinpotsche seine Ausbildung erhielt und war somit ein Nebenprodukt seiner Ausbildung.51 Ferner wurden in Rabten Choeling und auch in Tashi Rabten ständig neue Bauprojekte fertiggestellt oder neue gestartet, weitere Zentren wurden gegründet und zu Feierlichkeiten, an denen ein Tulku der oben genannten Lehrer anwesend war, kamen andere exiltibetische Meister aus ganz Europa und teilweise aus Amerika angereist. Doch auch eine starke Spaltung der Gelug-Tradition prägt das Umfeld des lernenden jungen Tulkus. Ende der 1990er Jahre spitzte sich ein Konflikt um die Schutzgottheit Dorje Shugden zu, anlässlich des Verbotes, das der Dalai Lama bezüglich der Anwendungen mit dieser Gottheit aussprach. Von der hier erforschten Glaubensgemeinde wurde das Verbot jedoch nicht akzeptiert und als politisches Manöver der tibetischen Exilregierung verstanden, welches nicht im Einklang mit den Traditionen der Meister ihrer Übertragungslinie steht. Eine gewisse Standhaftigkeit im Befolgen der Traditionen, auch gegen Widerstände - ein Abschwören der Gottheit brächte eine größere Öffentlichkeit mit sich – war auch eine der Eigenschaften, die Zava Rinpotsche bezüglich der praktischen Umsetzung des Buddhismus in der Schweiz beobachtet hatte und die dadurch Teil seiner Persönlichkeit wurde. 51 Man kann hier vom Phänomen der sogenannten "hidden curricula" sprechen, einem Ausbildungsbestandteil, der nicht direkt intendiert war, jedoch hinsichtlich der späteren Tätigkeit von Zava Rinpotsche in der Mongolei essenziell bedeutsam ist. 88 6.3 Rückkehr in die Mongolei: ein Akteur auf transnationaler Ebene Nachdem Zava Rinpotsche zurückgehrt war, begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt. Er war nicht mehr (nur) Schüler, sondern mittlerweile selbst zum Lehrer geworden, was sich in seiner Ernennung zum „teaching master“ von Amarbayasgalant manifestierte. Er gründete das Unterstützungsbüro Amar Mur, mit dem internationale Hilfeleistungen koordiniert wurden und das als Anlaufstelle diente. Damit reagierte Zava Rinpotsche bereits auf die vorgefundenen Umstände in der Mongolei in einer flexiblen Weise, wie er sie bei den Exilanten beobachten und adaptieren konnte. Dadurch, dass sein Büro eine Anlaufstelle bietet, wurde er selbst zum Knotenpunkt in einem Netzwerk. Durch die Ernennung zum Tulku kamen ihm dann die vielseitigen Verpflichtungen durch seinen Vorgänger zu. In der Rolle als Unternehmer, wie sie im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde, kann er auf das Wissen zurückgreifen, das er beiläufig durch Beobachtung der Verhältnisse in der Schweiz gelernt hatte. Die Situation in der jungen mongolischen Marktwirtschaft unterscheidet sich deutlich von der traditionellen mongolischen Gesellschaftsordnung, innerhalb derer der Buddhismus die vorangegangenen Jahrhunderte existierte und seine Struktur traditionell so ausprägte, wie er sie in alten Schriften beschrieben fand. Die (post-)modernen Anforderungen an einen Akteur, der unter Zuhilfenahme vielfältiger Vernetzungen den Buddhismus wieder aufbauen möchte, sind jedoch anders gelagert und weit komplexer. Es erscheint nicht verwegen, zu behaupten, dass sich die Situation unwesentlich von den Strukturen, die er in der Schweiz aus eigener Anschauung kennen gelernt hatte, unterscheidet. Die Flexibilität im Umgang mit „weltlichen“ Personen, die er durch das Zusammenleben von Mönchen, Nonnen und Laien beobachten konnte, der Umgang mit Sponsoren, die Sorgen und Nöte von Laienanwendern im Berufsleben, all dies sind Herausforderungen, denen sich Zava Rinpotsche in seiner neuen Rolle als Tulku stellen muss. Wie er seine Probleme im Umgang mit „Angestellten“ bei einem Abendessen mit einem erfolgreichen Unternehmer bespricht, zeigt auf, dass er durch seinen Aufenthalt in der Schweiz nicht nur buddhistische Philosophie studiert hatte, sondern auch praktische Menschenkenntnis erhalten hat, die er höchstwahrscheinlich durch eine Ausbildung in einem abgelegenen Kloster in der mongolischen Steppe nicht in dem Umfang hätte erwerben können. Ein Zentrum, in dem sich beispielsweise ein alter tibetischer Gesche und die Tochter eines gläubigen Sponsoren-Ehepaares die Türklinke in die Hand geben, bietet dagegen eine gute Vorraussetzung, neue Wege für eine alte Lehre zu finden. 89 Über seine Kontakte zu weltlichen Personen sagte Zava Rinpotsche: I am even connected with many politicians, also with many businessmen nowadays, but I always talk about our history, our culture and our religion. I do not talk with them about politics or business. […]I think; they like to listen to this conversation. That’s why they visit us very often (ZR4: 16). Den entschlossenen Blick auf die traditionellen Lehren hat Zava Rinpotsche jedoch ebenso übernommen. Verheiratete Mönche, wie sie in der Mongolei, besonders in Ulaan Baatar, manchmal anzutreffen sind, lehnt er strikt ab. Aus diesem Grunde konzentrierte er sich zunächst auf den Wiederaufbau des Tempels in der ländlichen Region, bevor er ein neues Zentrum in Ulaan Baatar zu gründen beabsichtigt. Er möchte erst ein relativ stabiles, funktionierendes Zentrum haben, an dem die Lehre wieder praktiziert werden kann. Dann, in einem zweiten Schritt, möchte er sich in den „Großstadtdschungel“ der sich stark verändernden Hauptstadt wagen, nicht umgekehrt. Seine Lehrer rieten ihm dazu, so bald als möglich Unterweisungen in Ulaan Baatar zu geben, doch er entschied sich dazu, erst den Bau des Tempels abzuwickeln. Gesche Thubten lud er dann im Folgejahr bereits in den neuen Tempel in die Gobi ein, um dort die Sommerklausur zu leiten, wie er es die vorangegangenen Jahre in Amarbayasgalant getan hatte. Gesche Thubten gibt in einem Interview an, dass seine Verbindung in die Mongolei ausschließlich religiöser Natur sei und auf einer Meister-Schüler-Beziehung zu Zava Rinpotsche beruhe. Er unterrichte in der Mongolei, um dessen Ausbildung zu unterstützen, damit dieser dort dann selbst als ein Multiplikator der buddhistischen Lehre fungieren könne. In Amarbayasgalant kümmern sich inzwischen andere Mönche um die Ausbildung, Zava Rinpotsche konzentriert sich nun auf die Gobi. Zur Zeit des Verfassens der Arbeit war er im Begriff, ein neues Institut in Ulaan Baatar: Zava Damdin Sutra and Scritpure Institute zu gründen. Er wird dabei von Guru Deva Rinpotsche unterstützt, der trotz seines fortgeschrittenen Alters von 97 Jahren weiterhin die Aktivitäten des Wiederaufbaus des Buddhismus in der Mongolei mitträgt. Er ist heutzutage einer der Hauptlehrer von Zava Rinpotsche; wichtige Schritte, die der junge Verantwortliche unternimmt, bespricht er vorher und nachher mit Guru Deva Rinpotsche; viele Kontakte in das Ausland laufen über ihn als prominenten Ansprechpartner, die er dann an den jungen Tulku weitervermittelt. 90 Abb.17 Kooperation 1: Zava Rinpotsche erklärt Zasep Rinpotsche die Bauweise seines neuen Tempels. Abb.18 Kooperation 2: Die beiden Rinoptsches beim Fotoshooting in Ulaan Baatar. 91 Abb.19 Retreat-Oase: Nächste Lokalität, die als Klausurzentrum wiederaufgebaut werden soll. Abb.20 Besuch aus dem Ausland: Zasep Rinpotsche und drei seiner westlichen Schüler nach der Begutachtung des Ortes beim Picknick mit Zava Rinpotsche. 92 Der in Kanada lebende Exiltibeter Zasep Tulku Rinpotsche, der, wie bereits erwähnt, den Aufbau des Buddhismus in der Mongolei unterstützt, kennt Guru Deva Rinpotsche als einen einflussreichen Lehrer seit seinem 14. Lebensjahr. Dieser, so berichtete Zasep Tulku von einem Gespräch mit Guru Deva Rinpotsche, trug ihm auf: ‘you’, he said, referring to me ‘you young Tulkus work together, help each other to preserve the lineage and teaching in Mongolia’. And he said ‘I might be gone tomorrow, maybe next month, who knows’. […] I think I like to work together with Zava Rinpotsche in the future (ZTR: 8). Die Kommunikation mit seinen Meistern erfolgt meist per Telefon. In persönlichen Gesprächen bespricht Zava Rinpotsche beispielsweise auch vieles mit seinem Lehrer Gonsar Rinpotsche in der Schweiz. Das Telefon ist infolgedessen aus dem Leben Zava Rinpotsches nur schwer wegzudenken. Selbst aus der Gobi heraus telefoniert er per Satellitentelefon mit Ulaan Baatar, um das Nötigste zu koordinieren. Dabei erfreute er sich in jüngerer Zeit des besseren Empfangs eines neuen Telefons, das ihm befreundete Geschäftsleute aus Taiwan überließen. Auch eine postmoderne Spielart der HandyNutzung konnte ich während meinen Feldforschungen in Ulaan Baatar beobachten: Als eines Abends während der täglichen, ca. einstündigen Gebete, die laut rezitiert werden, das Handy klingelte, nahm er den Anruf an, rezitierte allerdings für einige Sekunden weiterhin seine Gebete, um zu signalisieren, dass er im Moment nicht sprechen könne, bevor er wieder auflegte. In dringenden Fällen klingelte das Telefon erneut, woraufhin er die Gebete dann unterbrach, um den scheinbar wichtigen Anruf entgegenzunehmen. Entferntere Kontakte laufen auch über E-mail, diese werden jedoch mehr von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Büros bearbeitet, als von den Mönchen selbst. Die E-mail-Kommunikation sei sehr praktisch, kommentierte Zava Rinpotsche, jedoch flache die Kommunikation dadurch ab. Aus diesem Grunde schreibe er von Zeit zu Zeit noch, zwischen all dem Trubel, traditionelle, kalligraphisch verfasste Briefe in Gedichtform an seine Meister, um seine Verehrung auszudrücken. 6.4 Resümee zur transnationalen Problematik Ein Mönch beschrieb die Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei als eine Angelegenheit von Großvater und Enkel. Anhand der Ausbildung Zava Rinpotsches wurde aufgezeigt, wie die internationalen Verflechtungen geholfen haben, diese Kluft in der 93 Tradierung der Lehre, die sich durch die fehlende Generation in der Übertragungslinie auftat, zu überbrücken. In gleichem Maße bedeutsam ist aber auch die Nutzung der modernen Formen von Kommunikation zwecks Koordination mit Personen, die über den gesamten Erdball verstreut sind. Die sehr persönlichen Meister-Schüler-Beziehungen (vgl. Kap. 3.3.2.) können als die wesentlichen Kräfte betrachtet werden, die diese über den Globus verstreut lebenden Buddhisten miteinander verbinden. Durch das Tulku-System werden diese Verbindungen über die Inkarnationslinien an den jeweiligen Nachfolger weitergegeben, wodurch sich das buddhistische Vermächtnis über mehrere Generationen weg vernetzt. Das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren ermöglicht auch eine effektive transnationale Zusammenarbeit beim Wiederaufbau des Buddhismus, die ohne das Fundament der Vernetzung kaum denkbar wäre. Die hier wirksam werdenden Strukturen helfen buddhistischen Führungspersonen wie Zava Rinpotsche sowohl bei der Ausbildung zur und Einübung in die "zeitgemäße" buddhistische Glaubensausübung wie auch in der Anwendung seines lebenspraktischen politischen Geschicks als Oberhaupt der Glaubensgemeinden. In der Ethnologie werden solche Verflechtungen im Allgemeinen unter dem Begriff Diaspora diskutiert. Durch diesen Begriff werden „Bezüge zu einer ganzen Reihe von Phänomenen hergestellt, die auf sehr allgemeiner Ebene mit der Auflösung lokaler Grenzen und der Konstruktion transnationaler Identitäten in Beziehung stehen“ (Kokott 2002: 96). Wie diese aussehen, variiert meist mit den unterschiedlichen Gruppen, für die der Begriff angewandt wird. Eine einheitliche Verwendung zeichnet sich bislang in der wissenschaftlichen Diskussion (noch) nicht ab. James Clifford spricht beispielsweise von „diaspora consciousness“ (1994: 311) – ein Konzept, dem eine auf gemeinsamen Erfahrungen basierende kollektive Identität zugrunde liegt. Solche Ansätze, wie sie auch Cohen (1997) und Safran (1991) vertreten, implizieren allerdings eine Homogenität bezüglich der sozialen Beziehungen und des Gemeinschaftsbewusstseins, die in dem Falle der hier untersuchten Glaubensgemeinde in der heutigen Ausprägung nicht gegeben ist. Ein Ansatz, wie Brah ihn vertritt, nach dem in jeder Konstruktion einer kollektiven Identität verbindliche Gemeinsamkeiten hervorgehoben und bestärkt werden (1996: 124), scheint in diesem Falle etwas griffiger. Wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, sehen die Protagonisten ihre Glaubensgemeinschaft nicht als homogene Gruppe – dies wird höchstens für die Vergangenheit postuliert, wie in den oben zitierten Interviewpassagen deutlich wurde. Dennoch erfolgt eine Koordination, die nicht als offiziell im Sinne von institutionalisiert gesehen wird. Was die Exiltibeter zusammenarbeiten lässt, ist die 94 Tatsache, dass sie Schüler derselben Lehrer sind und somit derselben Übertragungslinie angehören. Die Zusammenarbeit, die sich durch die dadurch entstandenen persönlichen Verpflichtungen ergibt, bezeichnete Zasep Rinpotsche als „organically network“, welches sich auf die Gelug-Tradition stützt. In diesem Sinne korreliert das aufgezeigte Phänomen mit der Herkunft des Wortes Diaspora, wie es Tölölyan (1996) in einer gleichnamigen Zeitschrift beschreibt. Er sieht die Genese des Wortes eng mit einer Glaubensgemeinde verknüpft, der jüdischen im babylonischen Exil (1996: 11). Doch scheinen die DiasporaKonzepte nur bedingt auf die Glaubensgemeinde zuzutreffen, da es nicht nur um die Vernetzung dieser untereinander geht, sondern das Exil eine neue Situation hervorgerufen hat. Es sind nicht Gläubige, die sich zwecks Glaubensausübung miteinander vernetzen und ansonsten ein „normales“ Leben führen in den jeweiligen Ländern, sondern der Sachverhalt ist ein bisschen anders. Gonsar Rinpotsche erwähnte in der oben zitierten Interviewpassage, dass mittlerweile jeder sein eigenes Kloster im Exil habe und schöne Tempel gebaut würden. Mit jeder bezieht er sich auf Meister und Tulkus, die im Exil erneut als Multiplikatoren der Lehre dienen, indem sie in dem jeweiligen Land, in dem sie – meist auf Bitten ihrer Schüler hin – wohnen, die Lehre in den jeweiligen Umständen zu etablieren versuchen. Die Diskussionen um diasporatische Identitäten und damit verbundene Transnationalismen werden im Zusammenhang der postkolonialen Debatten geführt, in denen Dichotomien wie Ost und West überwunden werden sollen. Inspiriert werden die Diskurse zu einem beträchtlichen Teil von Intellektuellen, die selbst vor einem Hintergrund der Migration schreiben. Intellektuelle aus „dem Osten“ schreiben „im Westen“ Abhandlungen über diese Dichotomien (Appadurai 2003: 28). Eine ähnliche Struktur ist auch in der beforschten Glaubensgemeinde zu beobachten, allerdings nicht im wissenschaftlichen, sondern im religiösen Spektrum. Wenn Exiltibeter in „westlichen“ Ländern ihre Zentren errichten, bildet sich damit jeweils eine landesspezifische Ausprägung. Von den Unterschieden der Schüler aus einem Schweizer Zentrum zu denen aus einem Zentrum in Italien wusste Zava Rinpotsche ausführlich zu berichten. In diesem Sinne greift der Ansatz der Diaspora zu kurz, da die Exiltibeter sich nicht nur aus einem Selbstzweck heraus vernetzen. Die Untersuchungen über den Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei wurden im Sinne der Grounded Theory nicht thesenüberprüfend, sondern theoriegenerierend geführt. Es wurde aufgezeigt, wie durch die Lebensgeschichte Zava Rinpotsches über seine Ausbildung diese transnationalen Verflechtungen ins Interesse rücken mussten. Die Ermittlung der zugrunde liegenden Struktur legen solche Rückschlüsse nahe. Für eine eingehendere Betrachtung der transnationalen Verflechtungen im oben genannten Sinne 95 wäre eine breiter angelegte Forschung notwendig. Diese wäre stärker noch an mehreren Orten durchzuführen, um die lokalspezifischen Ausprägungen Exilklöster und deren Interaktionen miteinander zu untersuchen. 96 unterschiedlicher 7. Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei Die bisherigen Ausführungen beschreiben exemplarisch den Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei am konkreten Beispiel Zava Rinpotsches. Im Folgenden sollen die Entwicklungen nach der demokratischen Wende von 1990 in der Mongolei einer detaillierteren Betrachtung unterzogen werden. 7.1 Ausgangslage und Entwicklungen der Reimplantierung des Buddhismus in der Mongolei seit der Aufhebung des Religionsverbotes 1990 Seit 1990 ist die Religionsausübung in der Mongolei wieder erlaubt, im Jahre 1992 wurde sie verfassungsrechtlich garantiert. Jedoch war durch die antiklerikale Kampagne unter sowjetischem Einfluss die gesamte Struktur des Buddhismus zerstört. Von den einst 700 Klöstern, die es in der äußeren Mongolei gegeben haben soll (Heissig 1970: 299), war nur noch eines unter strenger Kontrolle der kommunistischen Partei ‚intakt’. Rein äußerlich war diese Ausgangslage mit einem Nullpunkt gleichzusetzen. Dennoch schienen die Mönche schnell wieder Einzug in das Alltagsbild der Mongolei gehalten zu haben. Dies trifft insbesondere für die ländlichen Regionen, aber in geringerem Ausmaß auch für die Hauptstadt Ulaan Baatar zu. Eine Statistik nennt für das Jahr 1994 bereits 2000 Mönche und zehn registrierte Klöster (Barkmann 1997: 70), im Jahre 2003 waren bereits 200 Klöster und 3000 Mönche registriert (Kollmar-Paulenz 2003: 19). Dieser rasche Wiederaufbau der Klöster ist damit zu erklären, dass der Buddhismus auch in den Repressionszeiten im Verborgenen weiterhin Bestand gehabt hatte. Für Zava Rinpotsche war dies durch die heimlichen Treffen, denen er als kleines Kind beiwohnte, deutlich geworden. Vor diesem Hintergrund waren Teilgruppen der Bevölkerung durch ihr vorausgegangenes persönliches Wirken im Untergrund stark motiviert gewesen, den Buddhismus in der Mongolei wieder zu etablieren. Große Teile der Schriften, Statuen und Utensilien wurden während der gesamten kommunistischen Zeit von der Bevölkerung versteckt gehalten, so dass nach 1990 vieles plötzlich wieder auftauchte (Vgl. KollmarPaulenz 2003: 20). Der Buddhismus hielt Einzug in das öffentliche Leben und auch in Institutionen. Religionsunterricht wird an den Schulen zwar nach wie vor nicht erteilt, 97 jedoch haben sich eine staatliche und eine private Hochschule für den Buddhismus gebildet. Neben den Klöstern, in denen Mönche leben, haben sich in Ulaan Baatar auch Zentren für Frauen gebildet, in denen teilweise Nonnen, aber auch viele Frauen leben, welche die Laiengelübde abgelegt haben und somit eine ernsthafte Ausübung der Religion betreiben, ohne sich als Nonne ordinieren zu lassen (Kollmar Paulenz 2003: 23). Wenige alte Gelehrte, die einen besonderen Bezug zur Mongolei haben, widmen sich voll und ganz dem Wiederaufbau des Buddhismus dort. Besonders hervorgetan haben sich beispielsweise Bakula Rinpotsche, der allerdings letztes Jahr verstarb, und Guru Deva. Beide sind hochangesehene Tulkus und waren maßgeblich an der Organisation des Aufbaus der Klöster und der Lehre beteiligt. An Zava Rinpotsches Beispiel wurde deutlich, welche federführende Rolle Guru Deva Rinpotsche am Wiederaufbau des Klosters Amarbayasgalant hatte. Bakula Rinpotsche engagierte sich in besonderem Maße bei der Ausbildung mongolischer Mönche, was eines der Kernprobleme der Reimplantierung des Buddhismus darzustellen scheint (Barkmann 1997: 75). 7.2 Rahmenbedingungen und Verlauf der Revitalisierung Die buddhistischen Revitalisierungsbemühungen in der Mongolei knüpfen an jene Formen der Glaubensausübung an, wie sie in nicht-repressiven Ländern weiterhin Bestand hatten. Kennzeichnend für die Revitalisierung in der Mongolei ist, dass sich der wiederauflebende Buddhismus aus zwei Quellen "speist". Hierzu zählt zum einen der "Restbestand" des buddhistischen Vermächtnisses, also jene Kulturgüter und jene Personen, die im Verborgenen innerhalb der Mongolei erhalten werden konnten bzw. weitergewirkt haben. Zum anderen fußt die Arbeit bei der Reimplantierung auf den Aktivitäten jener, die im Exil als Buddhisten wirkten und die nun auch aus dem Ausland unterstützt wurden und werden. Dementsprechend galt und gilt es nun, die Bestrebungen aus der Bevölkerung und die Unterstützung aus dem Ausland zusammen zu führen. Kernstücke für eine erfolgreiche und schnelle Reimplantierung sind eine gute finanzielle Grundlage, rechtliche Sicherheit, sowie eine gute Organisation der Klöster und der Ausbildung. Auf diesen Ebenen waren und sind im Prozess der Revitalisierung zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Ein Teil der finanziellen Unterstützung für den Wiederaufbau der Klöster stammt von Sponsoren aus dem Ausland. Guru Deva Rinpotsche, der während der sozialistischen 98 Herrschaft in der Mongolei im Ausland weilte, lebt seit der Demokratisierung wieder in der Mongolei – der Präsident Orchibat offerierte ihm 1994 die mongolische Staatsbürgerschaft. Er gilt als einer der zentralen Hoffnungsträger für die Reorganisation des Klosterwesens. Zu seinen wichtigsten Aufgaben nach der Rückkehr zählte - wie Zava Rinpotsches Beispiel aufzeigt - der Wiederaufbau des Klosters Amarbayasgalant. Hierfür hatte er aufgrund seiner zahlreichen Kontakte auch finanzielle Mittel aus dem Ausland einwerben können. Ein rechtliche Angelegenheit, die in diesem Zusammenhang der Klärung bedurfte, war die Frage nach den Eigentumsverhältnissen an Klöstern, Schriften und heiligen Gegenständen wie Statuen etc.. Vor dem Hintergrund der Expropriation der Klöster in den 30er Jahren leistete die Regierung zwar teilweise Unterstützung beim Wiederaufbau einiger Kunstwerke, doch scheint die Frage nach „Schadensersatzansprüchen“ bis heute genauso wenig geklärt zu sein wie jene nach den Besitzverhältnissen. Die spezifischen historischen Voraussetzungen und der Weiterbestand vieler Gesetze aus der sozialistischen Vergangenheit erschweren eine juristische Klärung des Problems. Hinzu kommt, dass der Buddhismus auch in der vorsozialistischen Zeit nie einen juristischen Körper, wie es beispielsweise die christlichen Kirchen in Deutschland darstellen, bildete. Die Klöster – und somit auch deren Besitztümer – waren meist an Reinkarnationslinien bestimmter Lamas gekoppelt. Beispiele dafür, zu welchen Komplikationen dies führen kann, wusste auch Zava Rinpotsche zu berichten: So wurden einige Utensilien seines Vorgängers, die Zava Rinpotsche von der Bevölkerung erhalten hat, von der Bezirksverwaltung eingefordert, um diese in einem Museum auszustellen. Bereitwillig hatte er die Sachen abgegeben, da seines Erachtens eine solche Ausstellung zugleich eine gute Öffentlichkeitsarbeit für die Geschichte des Buddhismus und für seinen Namen darstelle. Da aber in weiten Teilen des Landes weder Klöster noch Tulkus vorhanden sind, gibt es oftmals auch keine „Trägerschaften“ für die Besitzverhältnisse mehr. Wie sehr sich die heutigen Bedingungen von den traditionellen Voraussetzungen unterscheiden, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass es um 1900 in den von Mongolen bewohnten Gebieten (einschließlich der Inneren Mongolei, aus der Guru Deva stammt) noch 243 inkarnierte Lamas gab, während es heute in der äußeren Mongolei insgesamt nur drei solche leitenden Würdenträger gibt. Die Folge ist der Abbruch der Inkarnationslinien. Dies wiederum führt zu einem zentralen Problem der buddhistischen Revitalisierungsbestrebungen. Mit dem Fehlen der Lamas kann die buddhistische Bewegung auch nicht auf die erforderliche Ausbilder-Generation zurückgreifen. Welche gravierenden Folgen sich aus 99 dem Fehlen der Meister ergeben, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass - wie in Kap. 3 kurz dargelegt - die direkte Übertragung der buddhistischen Lehre vom Meister auf den Schüler ein Hauptmerkmal der tibetischen Tradition der Gelugpas ist und diese in identischer Form in der vorsozialistischen Mongolei vorzufinden war. Verbunden mit dem jahrzehntelangen Verbot der Ausübung der Religion in der Mongolei wuchs eine Generation ohne offizielle religiöse Ausbildung auf, was einen Generationensprung in der Übertragung verursacht: Die jungen Mönche, welche heute wieder in den Klöstern vorzufinden sind, entstammen der Enkelgeneration der letzten ‚Mönche’, die vor der kommunistischen Zeit ordiniert wurden. Die im Land verbliebenen Buddhisten der alten Generation waren, wie in Kap. 4.2 dargelegt, durch die politischen Verhältnisse gezwungen worden, ein weltliches Dasein zu führen, zu arbeiten, eine Familie zu haben etc. und hatten daher keine gebührende religiöse Ausbildung erfahren und sind deshalb auch außerstande, selbst adäquat auszubilden. Dementsprechend ist man bei der Ausbildung der jungen Mönche auf die Unterstützung der im Exil lebenden Glaubensgemeinschaft angewiesen. Auch hierfür bietet Zava Rinpotsche ein Beispiel, der ja bekanntermaßen einen Großteil seiner Ausbildung in der Schweiz erhielt. Generell gibt es seit der Demokratisierung in der Mongolei die Tendenz, dass eine beträchtliche Anzahl von Mönchen aus der Mongolei zu den tibetischen Exilklöstern in Indien reist, um dort eine religiöse Ausbildung zu erhalten. Parallel dazu werden Lehrer aus dem Ausland in die Mongolei eingeladen, wie beispielsweise Bakula Rinpotsche in Ulaan Baatar und Gesche Thubten als ein Lehrer Zava Rinpotsches. Ziel sei es, so erklärte Gesche Thubten in einem Interview, mongolische Mönche wie Zava Rinptosche auszubilden, die dann dort wieder als Multiplikatoren dienen könnten. Durch diese beiden Komponenten, also die Ausbildung von Mongolen im Ausland und das gleichzeitige Unterrichten ausländischer Lehrer in der Mongolei, wird von der Glaubensgemeinde versucht, die Lehre in der Mongolei wieder aufzubauen. Dabei stellen die Meister-Schüler-Beziehungen jene Säulen dar, die das Netzwerk zusammenhalten. Durch den Rückbezug auf die Tulku-Tradition kann der Generationensprung zumindest partiell ‚gekittet’ werden. Hiervon war auch schon in Kap. 5.3, 5.4.2 u. 6 die Rede. Inwieweit dies in erforderlichem Maße gelingt, soll in der nun folgenden Diskussion der mit der Revitalisierung verbundenen Probleme und Lösungsversuche aufgezeigt werden. 100 7.3 Probleme und Lösungsversuche: Analyse und Diskussion Die hier zu diskutierenden Probleme sind einerseits in der klösterlichen Ausbildung und andererseits in der gesellschaftlichen Umsetzung des Buddhismus verortet. In Bezug auf die klösterliche Ausbildung birgt der oben erwähnte Generationensprung ein vielgestaltiges Wechselspiel von Problemen, Lösungsversuchen und Konflikten. Ein anderer Aspekt, der in diesem Kapitel diskutiert wird, ist, dass der Buddhismus neue Formen der Ausgestaltung und Außendarstellung benötigt, um sich unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen verankern zu können. Die Konflikte, die sich in den neu errichteten Klöstern ergeben, resultieren zu einem großen Teil aus unterschiedlichen Einstellungen zu der klösterlichen Disziplin, die in der Tradition des Gelug-Ordens (gemäß der Bedeutung ihres Namens ‚die Tugendhaften’) dem Mönchstum ein Zölibat verordnet. In der jetzigen Situation klafft eine kaum zu überbrückende Differenz zwischen der Großvatergeneration, die im Lauf der Geschichte zu einem weltlichen Leben mit Familie konvertierte und daher asketische Regeln ablehnt, und der Enkelgeneration, die sich größtenteils nach den klösterlichen Traditionen richtet. Man könnte dies als einen untypischen Generationenkonflikt zwischen den ‚alten Pragmatikern’ und den ‚jungen Puristen’ bezeichnen. Der Terminus ‚Alte Pragmatiker’ bezeichnet hier diejenigen Männer, die vor der kommunistischen Zeit als Mönche gelebt hatten und nach 1990 wieder ihre Roben angezogen und den Neuaufbau der Klöster in Angriff genommen haben. Viele von ihnen verbringen nun ihren Lebensabend zusammen mit ihren Familien in den Klöstern. Dass diese mittlerweile ca. 80/90 Jahre alten Personen als Mönche mit Familien in den Klöstern leben, wird von den Meistern im Exil als historisch bedingte Ausnahme meist wohlwollend hingenommen, da diese zwangsweise verweltlicht worden waren und dennoch viel für den Erhalt des Buddhismus im Verborgenen und für dessen Wiederaufbau getan haben. Was jedoch als weit kritischer angesehen wird, ist die Tatsache, dass diese stark verweltlichten „Mönche“ für weite Teile der jungen Generation als Vorbilder fungieren. Viele Kinder wurden seit der Wende gemäß der alten Tradition als Novizen in die Klöster geschickt, was sie nicht hinderte, dann als junge Erwachsene ebenso Familien zu haben und trotzdem als Mönch im Kloster leben zu wollen. Eine solche „Doppelrolle“ ist in der Mongolei öfters zu beobachten, wird allerdings von den Meistern im Exil durchweg kritisiert, wie 101 alle interviewten buddhistischen Meister in Bezug auf ihre Tradition beteuerten. Gonsar Rinpotsche formuliert diese Position in buddhistischer Manier sehr diplomatisch: Wenn jemand als Mönch gekleidet teilweise zu Hause mit Frau und Kindern lebt und teilweise im Kloster Gebete und Rituale durchführt, dann ist das natürlich besser als nichts; aber wenn es die Möglichkeit gibt, als ein richtiger Mönch mit den vollen Gelübden zu leben, dann ist das viel besser als so eine Art von Scheinmönch zu sein (GR: 8). Ähnlich sah es Zasep Rinpotsche, der in einem Gespräch auf die Analogie zu der Situation in Burjatien verwies: auch dort gäbe es „verheiratete Mönche“, allerdings würde die Tradition sich durch diejenigen Mönche, die in Indien studierten und als „richtige Mönche“ zurückkehrten, langsam wieder erholen. Diese ‚jungen Puristen’ waren die Hoffnungsträger aller Interviewten, verknüpft mit der Hoffnung, dass in der Mongolei langsam durch die Reimplantierung der reinen Lehre, wie sie im Exil erhalten wurde, wieder intakte Klöster entstünden. Solche verheirateten Mönche seien nämlich keine „mongolische Spielart“, wie es manchmal bezeichnet werde, sondern lediglich Überbleibsel aus der sozialistischen Zeit. Im Aufeinandertreffen von engagierten Mönchen wie Zava Rinpotsche, die den alten Lehren, die sie aus dem Studium im Ausland kennen, folgen wollen, und denjenigen, die solche Hybridbildungen von Mönchstum und weltlichem Dasein, wie sie die Großvätergeneration vorlebt, befürworten, liegt ein Zündstoff für Konflikte um die Vorherrschaft in den Klöstern. Dies resultiert zum Teil aus der Situation, dass sich die buddhistische Überlieferung der Gelug-Tradition zu großen Teilen ‚enträumlicht’ hat, um mit den Worten Arjun Appadurais (1998: 13) zu sprechen. Dieser entwickelte innerhalb der Diskussion um die kulturelle Globalisierung ein hilfreiches Begriffsinstrumentarium. Entgegen der Annahme einer Vereinheitlichung oder „MacDonaldisierung“ (Ritzer 1993) der Gesellschaft wird aus kulturwissenschaftlicher Perspektive im Zuge der Globalisierung eine Aufwertung des Lokalen diagnostiziert, was sich in Wortschöpfungen wie „Glokalisierung“ (Robertson 1998) niederschlägt. Appadurai betont ebenso eine Örtlichkeit (‚locality’), die sich jedoch durch globale kulturelle Strömungen enträumlicht hat. Diese kulturellen Strömungen setzen sich aus komplexen, einander überschneidenden und gleichzeitig ‚disjunktiven’ Ordnungen zusammen, die keine vereinheitlichende Perspektive zulassen. Die kulturellen Ströme nennt er: ethnoscapes, [..] technoscapes, [..] financescapes and [..] ideoscapes. The suffix scape allows us to point to the fluid, irregular shapes of these landscapes, shapes that characterize international capital as deeply as they do international clothing styles (Appadurai 1996: 33). 102 Daraus ergeben sich landscapes, die aus unterschiedlichen Winkeln betrachtet verschiedene Bilder hervorrufen. Das Modell, welches Appadurai durch die Beschäftigung mit Massenmigration entwickelte, orientiert sich zwar mehr an den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen, hat aber den Anspruch, auch für kleinere Einheiten bis hin zum handelnden Individuum als Erklärungsmodell zu dienen. In diesem Sinne ließe es sich gut auf die Strömungen des tibetischen Buddhismus anwenden. Dieser hat sich, wie an Zava Rinpotsches Ausbildung deutlich wurde, enträumlicht und im Exil in neuen Ausprägungen erhalten. Durch die Zugehörigkeit zu einer transnationalen Gemeinschaft erfolgte dann in einem zweiten Schritt ein Rückfluss in die Mongolei. Transnational war der tibetische Buddhismus, wie in Kap. 3.3.4 und 4 dargelegt wurde, schon seit seiner Entstehung gewesen. Die unterschiedlichen lokalspezifischen Ausprägungen des Buddhismus bilden somit eine solche disjunktive Ordnung, die durch den „Rückfluss“ des traditionellen buddhistischen Diskurses der Gelug-Tradition in der Mongolei zu den beschriebenen Spannungen führt. Appadurai postuliert weiterhin, dass die Phantasie als „Gegengift gegen die Begrenztheit sozialer Erfahrungen“ zu einer „sozialen Praxis“ geworden ist und eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung des Individuums zu einer Zugehörigkeit zu einer diasporischen Öffentlichkeit spielt: „Die Biographien gewöhnlicher Menschen werden auf diese Weise zu Konstruktionen, bei denen die Imagination eine bedeutsame Rolle spielt“ (Appadurai 1998: 22). Karénina Kollmar-Paulenz (2003) berichtet, dass in der Mongolei das Mönchstum von jungen Leuten nicht nur aus religiösen Gründen angestrebt wird, sondern auch als ein „job“ aufgefasst werde – in Anbetracht der hohen Arbeitslosigkeit könnte dies einen der entscheidenden Beweggründe darstellen. So käme es dazu, dass manche Mönche nur tagsüber im Kloster ihre Pflichten erfüllten, abends nach Hause gingen und nicht einmal wüssten, welchem Orden sie angehörten (2003: 10-11). Zava Rinpotsche, der im Einklang mit seinen Lehrern aus dem Exil eine streng puristische Haltung einnimmt, berichtete, dass er öfter von seinen Schülern zu kulturellen Veranstaltungen wie Theater o.ä. eingeladen werde. Bei einer dieser Veranstaltungen, einer Art „poetry jam“, habe er einmal mit ansehen müssen, wie ein „Mönch“, der dieselben Robe trug wie er, romantische Liebesgedichte vortrug. Er habe diese Situation damals als so beschämend empfunden, dass er beschloss, fortan auf derartige Ausflüge zu verzichten. Appadurai (1996) beschreibt Spannungen und Differenzen, die sich aus globalen Strömen von Kultur ergeben, folgendermaßen: The critical point is that both sides of the coin of global cultural process today are products of the infinitely varied mutual contest of sameness and difference on a stage characterized by radical disjunctures between 103 different sorts of global flows and the uncertain landscapes created in and through these disjunctures (1996: 43). Obwohl Appadurais Theorie nicht direkt auf religiöse Gemeinschaften in diesem Sinne ausgelegt zu sein scheint – Religion ist in seinen fünf –scapes nicht explizit erwähnt – macht sein Modell der enträumlichten kulturellen Ströme die beobachteten Phänomene greifbar. Die Überschneidungen der verschiedenen Teilbereiche lassen darüber hinaus auch einige Beobachtungen aus Kapitel 6 plausibel erscheinen. Darin wurde die These aufgestellt, dass Zava Rinpotsche durch das Kennenlernen der Situation der Exilklöster in der Schweiz und Österreich neben seiner religiösen Ausbildung sich auch weitere Fähigkeiten aneignen konnte, die für seine Revitalisationsbemühungen in der Mongolei hilfreich sind. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Zentren sich in Europa bereits auf die „westlichen“ Verhältnisse eingestellt haben und Zava Rinpotsche neben der Organisation des Wiederaufbaus der Klöster auch neue Strukturen der gesellschaftlichen Etablierung des Buddhismus in der postsozialistischen Mongolei entwickeln muss. Eine erfolgreiche Reimplantierung ist nur möglich, wenn die vielfältigen Ansprüche an den Buddhismus seitens der mongolischen Bevölkerung gebührend berücksichtigt werden. Zum einen wäre hier das Sprachproblem zu nennen. Barkmann (1997) stellt die Behauptung auf, dass der Buddhismus seine Schriften ins Mongolische übersetzen müsse, wenn er erneut Fuß fassen wolle. Schon Stalin habe die Frage gestellt, warum die Sprache der Religion Tibetisch sei, wenn die Mongolei doch auf ihrer Unabhängigkeit bestünde. Kritische Stimmen aus der Bevölkerung werden laut, die beklagen, dass ja nichts von den Gebeten und der Liturgie zu verstehen sei (Barkmann 1997: 74). Zava Rinpotsche begann deswegen beispielsweise mit der Übersetzung der Werke seines Vorgängers. Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass ein fundamentaler Bestandteil der klösterlichen Ausbildung philosophische Debatten sind, die an eine eigens dafür ausgeprägte Form der tibetischen Sprache gekoppelt sind und nicht ohne weiteres übersetzt werden können. Dies kollidiert mit der bereits in Kap.5.4.3 herausgestellten Notwendigkeit, die Lehren auch für die Laienbevölkerung zugänglich zu machen, sofern das Ziel ernst genommen wird, den Buddhismus in der veränderten gesellschaftlichen Situation zu verankern. Ein weiterer Punkt der Etablierung des Buddhismus in der jungen Marktwirtschaft ist die Fähigkeit einer flexiblen Adaption an die gesellschaftlichen Verhältnisse. Vor der kommunistischen Zeit war der Buddhismus mit der mongolischen Gesellschaftsstruktur verschmolzen, war Teil einer jahrhundertelangen Tradition. Auf welche Art und Weise sich der religiöse Bereich unter den veränderten Voraussetzungen mit den sozialen, 104 politischen und ökonomischen Verhältnissen verbinden kann, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Eine Forderung, die immer wieder an den Buddhismus gestellt wird, ist, dass er seine Lehren auch durch konkretes soziales Engagement umsetzt (vgl. Barkmann 1997: 74). Die beschriebenen karitativen Funktionen der NGO Amar Mur stellen erste Schritte dar, die Zava Rinpotsche in diese Richtung unternommen hatte. Dabei bediente er sich ebenso transnationaler „flows“, d.h. der Geldflüsse von Sponsoren aus dem Ausland, die durch Verbindungen zu den buddhistischen Meistern im Exil zustande kommen. Im Gegenzug erfolgt eine Aufwertung des Lokalen durch die alten Statuen und Schriften, sowie die Reinstallierung von Klöstern und Tempeln in den entlegenen Gebieten der mongolischen Steppe, die ihrerseits eine Faszination auf westliche Sponsoren ausüben. Solche Wechselwirkungen scheinen für die Mongolei charakteristisch zu sein, hat diese doch in den im Westen verbreiteten Reportagen meist noch das Image der unberührten Natur und des geheimnisvoll Mysteriösen. Eine Einbindung in internationale Strukturen hat ihrerseits den nicht zu unterschätzenden Effekt der Aufwertung des Buddhismus innerhalb der Bevölkerung, die sich scheinbar nicht frei gemacht hat von den verherrlichenden Projektionen des Westens, wie die vielfältigen Trends in den Medien, der Marketingstruktur und der Mode zeigen. Dabei ist es interessant zu beobachten, welche Rolle der Buddhismus, der mit der Tradition verbunden ist, einnehmen wird. Christopher Kaplonski (2004) untersucht in seinem Werk „Truth, history and politics in Mongolia. The memory of heroes.“ den Rückgriff auf die eigene Geschichte als identitätsstiftenden Diskurs in der Mongolei.52 Gerade nach der Umwälzung von 1990 sei die Konzeption einer mongolischen Identität in Abgrenzung zur chinesischen und russischen zu einer bislang nicht da gewesenen Bedeutung gelangt. Die Figur Chinghis Khans nimmt daher auch in der mongolischen Öffentlichkeit einen breiten Raum ein und unterstreicht so einen oft anzutreffenden mongolischen Nationalstolz.53 Inwieweit der Buddhismus eine Rolle im Nationalbewusstsein spielen wird, hängt maßgeblich davon ab, wie er sich an die gesellschaftlichen Verhältnisse anpassen kann. In Kapitel 5.4.3 wurde am Beispiel von Zava Rinpotsches Laienschülern aufgezeigt, dass sich durchaus auch namhafte Vertreter aus Wirtschaft und Politik Rat bei buddhistischen Mönchen holen – Kollmar-Paulenz beschrieb dieses Vorgehen sogar für kommunistische Parteifunktionäre (2003: 20). In Ulaan Baatar lassen sich in vielen Autos, gerade auch in denjenigen noblerer Bauweise, 52 Unter den drei untersuchten Figuren, Chinghis Khan, Zanabazar und Süchbataar, nimmt jedoch das religiöse Oberhaupt Zanabazar nicht die von ihm erwartete Bedeutung ein (Kaplonski 2003: 23). 53 Auch Zava Rinpotsche war der Überzeugung, dass Chinghis Khan nicht schlecht gewesen sein könne, da schließlich in seinem Gefolge der Buddhismus Einzug in die Mongolei hielt. Ferner war er der Auffassung, dass die Mandschus ebenfalls Mongolen seien, weswegen die Mongolei nie ihre Souveränität verloren habe. Beides sind Beispiele für einen Rückgriff auf Geschichte als eine positive Identitätsstiftung. 105 beispielsweise buddhistische Schutzamulette an den Rückspiegeln beobachten, was die These einer Adaption des Buddhismus bei jenem Teil der Bevölkerung, der maßgeblich an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt ist, schließen lässt. Dass sich andererseits auch Zava Rinpotsche durch den Umgang mit erfolgreichen Unternehmern Ratschläge für seine Aktivitäten holt, wurde bekanntermaßen in 5.4.3 beschrieben. Wie eng die Verflechtungen zwischen den verantwortlichen Religionsführern und der ökonomischen Elite sind, belegt das von mir beobachtete Beispiel, bei dem Zava Rinpotsche inmitten einer anderen Beschäftigung eine seiner I-Ging ähnlichen Mo-Befragungen durchführte, und unmittelbar danach einen Unternehmer anrief und ihm dringend dazu riet ein bestimmtes Geschäft just zu diesem Zeitpunkt abzuschließen. Inwieweit eine solche Symbiose Früchte tragen wird und eine breitenwirksame Etablierung des Buddhismus herbei geführt werden kann, bleibt abzuwarten und hängt vom Erfolg solcher Unternehmungen ab. Die daraus entstehenden Praktiken erinnern stark an das Modell der Hybridbildungen, wie es im Zuge postkolonialer Debatten diskutiert wurde. Hauptvertreter dieses Diskussionsansatzes ist Homi Bhaba (1985), der Kultur in einem dritten Raum oder Interstitium verortet. Der dritte Raum entsteht, vereinfachend gesagt, zwischen bzw. neben den Binaritäten wie Ost und West, die Edward Said (1981) als Konstruktionen entlarvte. Solche Konstrukte seien zu starr, so Homi Bhaba und würden die westliche Hegemonie überbewerten. Auch Bhaba konzentriert sich stärker auf gesellschaftliche, kulturelle und politische Strömungen. In unserem von Migration und ethnischer Hybridität54 gekennzeichnetem Zeitalter geht es seines Erachtens darum, die Zwischenräume, Spaltungen und Unterschiede aufzuzeigen und kulturelle Differenzen als ,produktive Desorientierungen’ zu deuten. Die Subjekte sollen nicht nach einer ethnischen Festlegung definiert werden, sondern gerade die Verknotung von Teilaspekten der unterschiedlichen ethnischen, klassen- und geschlechtsspezifischen Zugehörigkeiten sollten die kulturelle Identität bestimmen. Unser Dasein sei von einem Gefühl des Überlebens geprägt, es befinde sich an den „Grenzen der ‚Gegenwart’“, was sich nur durch Begriffe mit der Vorsilbe ‚Post’ ausdrücken ließe: Postmoderne, Postkolonialismus, Postfeminismus.[...]. Dieses ‚Darüber-Hinaus’ ist weder ein neuer Horizont noch ein Zurücklassen der Vergangenheit.[...]. Anfänge und Enden sind wohl die tragenden Mythen der mittleren Jahre. (Bhabha 2000:1) 54 Hybridität beschreibt Bhaba folgendermaßen: “Hybridity is the sign of the productivity of colonial power, its shifting forces and fixities; it is the name for the stratetic reversal of the process of domination through disavowal (that is, the production of discriminatory identities that secure the ‘pure’ and original identity of authority). Hybridity is the revaluation of assumption of colonial identity through the repetition of discriminatory identity effects” (Bhabha 1985: 34). 106 Bhabas Konzept orientierte sich an einer postkolonialen Ausgangslage. In wie weit dies für die postsozialistische Mongolei zutrifft, wäre noch zu überprüfen. Hybridbildungen in der Ausgestaltung des Buddhismus wurden aufgezeigt und zeichnen sich auch für die Zukunft ab. Jedoch ist das Phänomen noch zu jung, um es abschließend beurteilen zu können. Zava Rinpotsche war der Auffassung, dass die Zeit für Laienanwender des Buddhismus in der Hauptstadt Ulaan Baatar erst im Laufe der nächsten Jahren kommen werde. Wie sich der Buddhismus durch die persönlichen Verflechtungen mit der aufsteigenden Wirtschaft verbindet und welche Formen dadurch entstehen, wäre ein interessantes Thema für zukünftige Untersuchungen, in denen dann ein Vergleich mit den postkolonialen Theorien erfolgen könnte. Während hier Prognosen schwierig sind, kann als gesichert gelten, dass die Entwicklungen des Buddhismus maßgeblich von der Weiterentwicklung von Personen wie Zava Rinpotsche abhängen, die als Multiplikatoren der Lehre die Hoffnungsträger der Glaubensgemeinde darstellen. 107 8. Schlussbetrachtung und Ausblick Vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Prozess der Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei. Aufgrund der dürftigen Literaturlage wurde der Entschluss gefasst, eine Erhebung vor Ort durchzuführen. Begünstigend wirkte sich aus, dass bereits Kontakte zu buddhistischen Führungspersönlichkeiten bestanden. Dadurch war es möglich, den aktuell stattfindenden Prozess authentisch zu dokumentieren. Neben teilnehmender Beobachtung rekurriert die Studie auf dem methodischen Zugang der Biographieforschung. Mit diesem Ansatz war es möglich, die vielschichtigen Ausdrucksformen, Spannungsfelder und Verflechtungen der Revitalisierung in Form einer Innensicht zu eruieren. Als Schlüsselinformant diente Zava Rinpotsche, ein Hauptakteur im Prozess der Revitalisierung, in dessen Biographie sich alle wesentlichen Stationen und Verflechtungen widerspiegeln. Zava Rinpotsche wird in seiner Kindheit Zeuge der sozialistischen Repression gegenüber dem Buddhismus und des illegalen Fortbestehens religiöser Praktiken im Verborgenen. In seiner Adoleszenz erlebt er den demokratischen Umschwung der Mongolei, verbunden mit der Legalisierung der Religion und den ersten Versuchen des Wiederaufbaus zerstörter Klöster. Nach dem Vorbild seines Großvaters wird er selbst ein Mönch und damit zum Akteur der buddhistischen Revitalisierung. Bedingt durch sein ausgeprägtes Engagement wird er zur Ausbildung in ein tibetisches Exilkloster in der Schweiz gesandt, wodurch er Teil eines transnationalen Netzwerkes wird, das sich maßgeblich am Wiederaufbau des Buddhismus in der Mongolei beteiligt. Nach seiner Rückkehr wird ihm die Ausbildungsleitung seines Klosters übertragen und er übernimmt repräsentative Aufgaben. Einen Einschnitt bezüglich seiner Rolle stellt die offizielle Bestimmung als ‚Tulku’, die gefundene Wiedergeburt eines großen Meisters, dar. Als ‚Living Buddha’ ist er verpflichtet am Lebenswerk seines Vorgängers anzuknüpfen. Eine Hauptaufgabe sieht er darin, den Aufbau des zerstörten Klosters seines Vorgängers in Angriff zu nehmen, wobei er auf Ressourcen des internationalen Netzwerks der Glaubensgemeinde zurückgreifen kann, in welcher er fortan eine Schlüsselposition einnimmt. Wie bereits angedeutet, bilden sich in der Vita Zava Rinpotsches alle wesentlichen Spannungsfelder ab, die im Kontext der Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei von Relevanz sind. Im Wesentlichen handelt es sich dabei sowohl um Konfliktfelder innerhalb der Glaubengemeinschaft wie auch um externe Probleme, die aus der Auseinandersetzung mit der mongolischen Gesellschaft resultieren. 108 Ein essentielles Problem in der Organisation der Glaubensgemeinschaft ist die Unterbrechung der Übertragungslinie, die sich durch die lange Zeit des Glaubensverbotes ergeben hat. Man spricht hier von einem Generationensprung in der klösterlichen Tradierung vom Großvater zum Enkel. Dieser Generationensprung führt zu zwei Konfliktfeldern, zum einen im Bereich der Ausbildung und zum anderen im Bereich der klösterlichen Disziplin. Von existentiell bedrohlicher Natur ist die Situation in der Ausbildung in den Klöstern. Aufgrund der jahrzehntelang währenden politischen Repression sind nahezu keine mongolischen Meister vorhanden, wodurch die traditionelle Übertragung vom Meister auf den Schüler unterbrochen wurde, die für den Fortbestand der buddhistischen Lehre in ihrer mongolisch-tibetischen Glaubensgemeinde Ausprägung bedient sich zwingend zur erforderlich Überbrückung des ist. Die mongolische ‚generation-gaps’ der transnationalen Verflechtungen mit dem tibetischen Buddhismus. Dabei findet eine Reaktivierung der seit Jahrhunderten bestehenden Verflechtungen mit der tibetischen Glaubensgemeinde statt. In der hier vorliegenden Untersuchung konnte gezeigt werden, dass diese Verflechtungen auf die Meister-Schüler-Beziehungen und auf das Tulku-System zurückzuführen sind. Die Meister-Schüler-Beziehungen haben eine außerordentliche Bindungskraft und führen zu vielen gegenseitigen Verpflichtungen. Im Tulku-System, bei dem der Glaube an die Wiedergeburten bedeutender Meister im Vordergrund steht, findet durch die Übertragung der Verpflichtungen und Beziehungen des Vorgängers an die gefundene Wiedergeburt traditionsgemäß eine Vernetzung statt. Auf der Basis dieser beiden Beziehungsgeflechte war es möglich, dass in der Mongolei trotz des generationgaps noch Verflechtungen zu der tibetischen Glaubensgemeinde bestanden. Dadurch, dass die tibetischen Buddhisten aufgrund der Repressalien in Tibet mittlerweile selbst im Exil lebten, verstärkte sich der transnationale Charakter dieser Beziehungen. Die auf diese Weise verflochtene Glaubensgemeinde versucht nun das Ausbildungsproblem auf zwei Wegen anzugehen. Zum einen reisen tibetische Meister in die Mongolei, um dort zu unterrichten und zum anderen werden mongolische Mönche in Exilklöstern ausgebildet, um als Multiplikatoren zu dienen. Zava Rinpotsches Ausbildung im Schweizer Rabten Choeling ist hierfür charakteristisch. Insbesondere jene Mönche, die in ausländischen Exilklöstern mit der „reinen Lehre“ in Kontakt gekommen sind, versuchen wieder eine traditionelle Ausprägung des Buddhismus zu reimplantieren, die mit ihrer Betonung des zölibatären Mönchstums im Widerspruch zu Teilen der Großvatergeneration stehen. Durch die Zwangsverweltlichung gibt es in der Mongolei viele ehemalige Mönche, die nach dem Verbot des Buddhismus eine Familie 109 gründeten und 1990 als verheiratete Mönche mit dem Wiederaufbau der Klöster begannen. Diese Generation wird von der Exilgemeinde und den dort ausgebildeten jungen Puristen als Ausnahmefall toleriert. Ein Konfliktpotenzial bildet die Vorbildfunktion, die diese Lebensweise evoziert: Junge Mönche, die auf traditionelle Weise in jungen Jahren ins Kloster kamen, sehen für sich in der Doppelrolle von Mönch und Familienvater eine durchaus akzeptable Lebensweise. Nach der tibetischen Überlieferungslinie ist eine Abkehr vom Zölibat für Mönche allerdings nicht diskutabel. Dieser Umstand birgt ein Konfliktpotenzial, das eine Spaltung der buddhistischen Glaubensgemeinde nicht ausschließen lässt und zu einer ernsthaften Gefährdung des Revitalisierungsprozesses werden könnte. An diesem Beispiel manifestiert sich eine Widersprüchlichkeit in der mongolischen Gesellschaft. Offenbar existiert auch weiterhin ein Bedürfnis an der Tradition anzuknüpfen, aber die Bedingungen für die Revitalisierung sind nicht mit jenen vergleichbar, wie sie vor dem Verbot vorzufinden waren. Während in der vorsozialistischen Zeit die traditionellen Strukturen generell mehr junge Menschen ins Kloster führten und diese dann auch bereit waren, sich dem zölibatären Lebensstil anzupassen, werden diese Regeln heute grundsätzlich in Frage gestellt. Das Festhalten an einer Doppelrolle lässt sich mit dem Bedürfnis erklären, sich mit der Robe wieder ein Stück mongolische Identität anzueignen. Auf diese veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, so hat die Untersuchung zeigen können, muss der Buddhismus auch in anderen Bereichen reagieren. Federführende Vertreter der Revitalisation stehen daher auch vor neuen Aufgaben, um den Buddhismus entsprechend der veränderten Bedarfslage zu modifizieren. In der jungen Marktwirtschaft scheint dabei ein adäquater Umgang mit Laienanwendern gefragt zu sein, ebenso die Fähigkeit, als Unternehmer zu wirken und angemessene Repräsentationsformen zu finden. Die Revitalisierung des Buddhismus kann nur funktionieren, wenn deren Vertreter hierzu tragfähige Strukturen schaffen. Hierfür bedarf es zum einen unternehmerischer Fähigkeiten, um den Wiederaufbau der Klöster zu organisieren, die Gründung von öffentlichkeitswirksamen Zentren, wie z.B. Anlaufstellen für die Bevölkerung in Ulaan Baatar, voranzutreiben, sowie die zu diesem Zweck erforderlichen finanziellen Mittel aufzutreiben. Dabei sind auch Fähigkeiten und Verbindungen notwendig, die sich durch die Kontakte mit der Exilgemeinschaft ausbilden. Der Umgang mit den Gläubigen erfordert von den Vertretern des Buddhismus ein empathisches Geschick bei Laienanwendern und den Transfer der Lehre auf eine allgemein verständliche Ebene. Hierunter fällt auch das Übersetzen der (tibetischen) Schriften in die mongolische Sprache. 110 Der bei dieser Untersuchung verfolgte Ansatz, Revitalisierung unter dem Aspekt der Ressourcen zu betrachten, die den Akteuren zur Verfügung stehen, hat sich als fruchtbar erwiesen. Neben dem Aufzeigen der relevanten Prozesse in der Mongolei rückten damit auch die internationalen Verflechtungen unter einem leicht abweichenden Blickwinkel in den Fokus und unterscheiden sich dadurch vom Ansatzpunkt gängiger Globalisierungsdebatten. Durch die emische Betrachtungsweise konnten religiöse Implikationen der transnationalen Verflechtung besonders konturiert herausgearbeitet werden. Es wurde dabei deutlich, dass sich durch die Exilsituation zeitgemäße Adaptionen an die jeweiligen Gesellschaften herausbilden, die untereinander einen flexiblen Austausch ermöglichen. Appadurais Modell der „cultural flows“ kam diesem Ansatz zwar nahe, doch fehlt ihm die spezifisch religiöse Komponente, wie sie für die hier beschriebenen Phänomene konstitutitv waren. Bei den hier in Rede stehenden Vernetzungen konnte exemplarisch aufgezeigt werden, wie der Buddhismus eine dynamische Beziehung zu seiner jeweiligen Umwelt aufbauen konnte, wobei durchaus von einer wechselseitigen Beeinflussung der Akteure gesprochen werden kann. Als Beispiel hierfür steht die Beobachtung des Zusammentreffens von Business mit modernster Technologie und dafür angewandter traditioneller Orakelbefragungen. In dieser Arbeit wurde an solchen Beispielen auf der Ebene einzelner Akteure aufgezeigt, dass der Buddhismus einen starken Einfluss auf das Leben von Entscheidungsträgern nimmt. In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass er somit „im Stillen“ die Gesellschaften beeinflusst, in denen er Fuß fasst. In Globalisierungsdebatten, die von Theorien geprägt sind, welche einen Kampf der Kulturen prognostizieren (Huntington 1996; Bolz 2002), finden solche friedlichen Infiltrationen von Gesellschaften, wie sie der Buddhismus weltweit praktiziert, wenig Beachtung. So verwundert es auch nicht, dass in den Sozialwissenschaften die stille Einflussnahme des Buddhismus trotz der Popularität des Dalai Lama kaum wahrgenommen wird, während Parolen der islamischen Fundamentalisten als Bedrohungsszenario überall diskutiert werden55 und dadurch das Bild von einer insgesamt bedrohlichen „Dritten Welt“ zementiert wird. Zweifelsohne konnten durch die Studie wichtige Tendenzen aufgezeigt werden. Allerdings müsste, um die beschriebenen Erkenntnisse in einen größeren theoretischen Rahmen einflechten zu können, noch weitere Grundlagenforschung betrieben werden, die 55 Selbst Manuel Castells (2002), der sich in seiner Trilogie über das Informationszeitalter dezidiert mit der „Netzwerkgesellschaft“ beschäftigt, übergeht den Buddhismus, wenn er sich bei seiner Betrachtung der Religionen auf Christentum und Islam beschränkt (2002b). 111 Vergleiche mit Entwicklungen an anderen Stellen miteinbeziehen sollte. Hinsichtlich der Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei ließen sich interessante, vielschichtige Entwicklungsstränge beobachten, die in ihrem weiteren Verlauf verfolgt werden müssten. Es zeichneten sich Spannungsfelder ab, in denen divergente Entwicklungen denkbar sind. Von der Art, wie die Konfliktlösungsversuche verlaufen und sich die Hybridbildungen gestalten, wird entscheidend abhängen, welche der möglichen Richtungen die Adaption des Buddhismus in der Mongolei einschlägt. Vor diesem Hintergrund erscheint es indiziert, die gesellschaftlichen Entwicklungen mit einer Langzeitforschung zu begleiten. Um die aufgezeigte Komplexität der ablaufenden Prozesse in ihrer Tiefenstruktur untersuchen zu können, wäre eine breiter angelegte Vorgehensweise indiziert. Insbesondere gilt dies für die transnationalen Verflechtungen und die komplexen Wechselbeziehungen sowie Hybridbildungen zwischen den buddhistischen Exilgemeinden und ihrer jeweiligen Umwelt in der Gastkultur. Zur Erforschung dieses Phänomens bietet sich ein interdisziplinärer Ansatz, wie er im Zusammenhang mit der „multi-sited ethnography“ (Marcus 1995) diskutiert wird, an. Dadurch ließen sich die komplexen gesellschaftlichen Auswirkungen noch facettenreicher durchleuchten, und es könnte auch der Notwendigkeit einer Reflexivität des Forschungsprozesses stärker entsprochen werden. 112 9. Glossar 9.1 Personen Althan Khan (1507-82), Initiator der zweiten Phase der Verbreitung des Buddhismus in der Mongolei. Atischa (982-1054), bengalischer Meister, Schüler des indonesischen Meisters Suvarnadvipa, dessen Unterweisungen er nach Indien und nach Tibet brachte. Begründer der KadamTradition, die von Meister Dsche Tsongkhapa als Gelug-Tradition weitergeführt wurde. Bilguun Bruder von Zava Rinpotsche. Bogda Khan (1870-1924), Heiliger Herrscher, Beiname des achten →Jetsündampa Khudukhtu. Buddha Schakyamuni Bekannt als Begründer des Buddhismus. Choibalsang (1895-1952), von Stalin zur Zeit der „Final Campaign“ 1936 als Diktator der Mongolei eingesetzt („mongolischer Stalin“). Dschinghis Khan (1162?-1227), eigentlicher Name Temüjin. 1206 zum Dschinghis Khan ernannt. Begründer des mongolischen Großreiches, mongolischer Nationalheld bis heute. Gendün, (1895-1937), Premierminister der Mongolei zu Beginn der „Final Campaign“, 1936 seines Amtes enthoben, 1937 im Zuge von Stalins ‚großer Säuberung’ erschossen. 113 Gesche Thubten Trinley Exiltibetischer buddhistischer Meister der Gelug-Tradition, lebt und lehrt in Rabten Choeling als teaching-master, besucht regelmäßig die Mongolei, um in Klöstern zu unterrichten und die Zeremonien der Sommerklausur zu leiten. Lehrer von Zava Rinpotsche. Gonsar Rinpotsche Abt von Rabten Choeling und Tashi Rabten. Buddhistischer Meister, Schüler von Gesche Rabten, Lehrer von Zava Rinpotsche. Fünfter seiner Reinkarnationslinie, sein Vorgänger, der vierte Gonsar, lebte lange Zeit in der Mongolei als berühmter Gelehrter. Guru Deva Rinpotsche Mongolischer Meister, zentrale Persönlichkeit bei der Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei seit 1991. Jetsündampa Khudukhtu Reinkarnationslinie des geistigen, zeitweise auch weltlichen Oberhauptes der Mongolei. Nach seiner religiösen Ausbildung in Tibet wurde Öndör Gegen (1635-1723) der erste J.K., nach dem achten J.K. starb 1924 die Linie offiziell aus, da die kommunistische Partei die erneute Suche einer Wiedergeburt verhinderte. Ein neuer J.K. wurde von der tibetischen Exilregierung in Indien bestimmt, bleibt jedoch umstritten. Kubilai Khan (1215-1294), Enkel von Dschinghis Khan, mongolischer Khan und späterer Kaiser von China, Begründer der Yuan- Dynastie. Lobsang Dargayaa Mönch in der Mongolei, Hauptinformant für die Arbeit. Geb. 1976, wurde 2003 als Wiedergeburt von Zava Damdin bestimmt. Siehe Zava Rinpotsche. Ögedei Khan (1186-1241), Sohn und Amtsnachfolger Dschinghis Khans. 114 Öndör Gegen (1635-1723), religiöses Oberhaupt der Mongolei, Begründer der Inkarnationslinie der Jetsündampa Khudukhtus. Phagpa Lama (1235-1280), tibetischer Lama, entwickelte eine neue Schrift für das Mongolische. Sakya Pandita (1182-1251), tibetischer Lama. Tsongkhapa (1357-1419), tibetischer Meister, Begründer der Neuen Kadampa-Tradition, auch als Gelug-Tradition bekannt. Zanabazar siehe Jetsündampa Khudukhtu. Zasep Tulku Rinpotsche In Kanada lebender exiltibetischer buddhistischer Meister der Gelug-Tradition. Unterstützt den Buddhismus in der Mongolei. Zava Damdin Gelehrter buddhistischer Meister der Mongolei um 1900. Verfasser innerhalb der GelugTradition bekannter buddhistischer Abhandlungen sowie von Werken über die mongolische Geschichte. Vorgänger des Zava Rinpotsche. Zava Rinpotsche Junger Tulku aus der Mongolei, Hauptinformant bei den Feldforschungen zu der vorliegenden Arbeit. Hoffnungsträger für die Revitalisierung des Buddhismus in der Mongolei. Baut das Kloster Delgeruun Choira seines Vorgängers Zava Damdin in der Mittelgobi wieder auf. 115 9.2 Orte Amarbayasgalant Historisches Kloster in der Mongolei, ca. 350 km nordöstlich der Hauptstadt Ulaan Baatar, in der Nähe von Darchan gelegen. Eines der ersten ländlichen Klöster, die wiederaufgebaut wurden, da es nicht vollständig zerstört wurde. Erstes Kloster, in dem Zava Rinpotsche lebte. Im Internet unter www.amarbayasgalant.org vertreten. Delgeruun Choira Kloster in der Mittelgobi, ca. 250 km südlich von Ulaan Baatar gelegen. An der Stelle der vollständig zerstörten Ruinen begann Zava Rinpotsche mit dem Wiederaufbau des Klosters seines Vorgängers. Rabten Choeling Buddhistisches Klosterinstitut in der Schweiz. 1978 von dem exiltibetischen Meister Gesche Rabten gegründet, seit dessen Tod ist Gonsar Rinpotsche der Abt, seit 1996 studieren dort Mönche aus Amarbayasgalant. Tashi Rabten Buddhistisches Klosterinstitut in Österreich. Wurde ebenso von Gesche Rabten gegründet und steht in engem Kontakt mit Rabten Choeling. Ulaan Baatar Hauptstadt der Mongolei. Wörtlich übersetzt heißt es Rote Helden. 116 9.3 Begriffe56 Abkürzungen bedeuten: skt – sanskrit und tib - tibetisch. Übersetzungen sind kursiv . Abidharma Pitaka (skt) Phänomenologie; eine der drei Schriftensammlungen, die im →Tripitaka zusammengefasst sind. A.P. behandelt das Thema Weisheit (Pitaka bedeutet Korb). Ahimsa (skt) Schadlosigkeit; Grundprinzip buddhistischer Ethik. Arhat (skt) Feindzerstörer; Eine Person, die ihren Geist von Leid und den Ursachen des Leides befreit hat, also die Hindernisse des →Karma und der →Klescha beseitigt hat. Avalokiteshvara (skt) Erscheinung des Mitgefühls aller →Buddhas. Anuttara Tantra (skt) Höchste Form der Anwendungen des →Tantra. Bodhisattva (skt) Eine Person, deren Charakter vom Erleuchtungsgeist vollständig geprägt ist. Bodhidschitta (skt) Geist der Erleuchtung; Erleuchtungsgeist. Eine geistige Einstellung, die auf das Wohl der anderen ausgerichtet ist, von dem Wunsch, die volle Erleuchtung zu erlangen geprägt ist. Diese Auffassung bildet den Kern des Großen Fahrzeugs und tritt immerwährend und ‚spontan’ auf, wenn sie durch Geistesschulung einmal verwirklicht wurde. 56 Die einzelnen Begriffe wurden sprachlich zugeordnet. Dafür wurden die Abkürzungen „skt“ für sanskrit und „tib“ für tibetisch verwendet. Übersetzungen wurden durch Kursivsetzungen gekennzeichnet. 117 Buddha (skt) Erwachter; ein Wesen, das seinen Geist von den zwei Hindernissen, den Verblendungen und deren subtilen Eindrücken im Geist befreit hat und alle positiven Eigenschaften wie Weisheit, Erbarmen und alle Fähigkeiten zur Vervollkommnung gebracht hat. Dharma (skt) Halten, Tragen; es gibt viele Bedeutungen dieses Ausdrucks; im Allgemeinen werden damit die Unterweisungen des Buddha und ihre Verwirklichungen auf dem Weg zur Erleuchtung bezeichnet. Emische Bezeichnung für Buddhismus/Religion. Dharmakaya (skt) Wahrheitskörper eines Buddha, sein voll erleuchteter Geist. Im D. verschmelzen alle erleuchteten Wesen. Gelug (tib) Einer der vier Traditionen innerhalb des tibetischen Buddhismus, von Meister →Je Tsongkhapa gegründet. Gesche (tib) Heilsamer Freund; ein geistiger Meister, in der →Gelug-Tradition ein Titel, den ein Mönch erreicht, der die fünf großen Abhandlungen gemeistert hat: Logik (Pramana) , Anwendungen der Vollkommenheiten (→Paramita), Sicht des Mittleren Weges (→ Madhyamika), klösterliche Disziplin (→Vinaya) und Phänomenologie (→Abhidharma). Hinayana (skt) Kleines Fahrzeug; Weg und Anwendungen des →Dharma, die in erster Linie das Erreichen der individuellen Befreiung aus dem bedingten Dasein zum Ziel haben, indem der Kreislauf von →Karma und →Kleschas durchtrennt wird. Kagyü (tib.) Eine der vier Traditionen innerhalb des tibetischen Buddhismus. Karma (skt) Handlung; reine Handlungen (eines Erleuchteten Wesens) und unreine Handlungen. Die unreinen Handlungen werden in heilsame, unheilsame und neutrale Handlungen des 118 Körpers, der Rede und des Geistes eingeteilt. Im Buddhismus gelten Handlungen, die einem selbst und anderen Leid und Schaden zufügen, als unheilsam, Handlungen, die einem selbst und den anderen Glück und Frieden bringen, als heilsam. Heilsame und unheilsame Handlungen bilden dann die Ursachen für die Erfahrungen von Glück und Leid innerhalb des bedingten Daseins. Klescha (skt) Verblendung; Es gibt viele Arten von Verblendungen im Buddhismus, die drei Hauptverblendungen sind Begierde, Hass und Unwissenheit (Rabten 1997: 53). Mahayana (skt) Großes Fahrzeug; Weg und Anwendungen des Dharma, die zum Ziel haben, den Zustand der vollen Erleuchtung zum Wohl aller Lebewesen zu erfüllen. Siehe auch →Bodhidschitta und →Bodhisattva. Madhyamika (skt) Schule des Mittleren Weges. Philosophische Richtung des Mahayana, der höchsten der vier philosophischen Schulen im tibetischen Buddhismus. Mantra (skt) Geistbeschützer; Worte oder Silben zum Schutz des Geistes; Namenssilben der Buddhas, werden im Rahmen von tantrischen Meditationen mit Gottheiten viele tausend Male rezitiert. Nirmanakaya (skt) Emanationskörper der Buddhas. Einer der beiden Unterteilungen des →Rupakaya. Als Höchster N. dieses Zeitalters gilt Buddha Shakyamuni, auch hoch verwirklichte Meister werden im tib. Buddhismus als Nirmanakaya betrachtet. Nirvana (skt) Jenseits von Leid oder Befreiung; Zustand des Geistes, in dem alle Verblendungen und Leiden beendet sind; vollständige Befreiung aus dem bedingen Dasein (→Samsara) und seinen Ursachen. 119 Nyingma (tib) Die älteste der vier Traditionen innerhalb des tibetischen Buddhismus. Om Mani Padme Hum (skt) Namenssilbe (→Mantra) des →Avalokiteschvara. Paramitas (skt) Vollkommenheit; Anwendungen des Mahayana, welche die Lebensweise des Bodhisattva bestimmen: Geben, Ethik, Geduld, Enthusiasmus, Konzentration und Weisheit. Rupakaya (skt) Formkörper, Erscheinungsform der erleuchteten Wesen, wird in →Sambhogakaya und → Nirmanakaya unterteilt. Sambhogakaya (skt.) Genusskörper, Wohlstandskörper oder Verweilkörper. Erscheinungsform der Buddhas, die nur weit verwirklichte Lebewesen wahrnehmen können. Samsara (skt) Daseinskreislauf; die Erfahrungen von Geburt und Tod bedingt durch Handlungen (→Karma) und Verblendungen (→Klescha). Sangha (skt) Höchste Gemeinschaft; bezeichnet konventionell die klösterliche Gemeinschaft, im eigentlichen Sinne sind alle erhöhten Wesen darunter zu verstehen. Sakya (tib) Eine der vier Traditionen innerhalb des tibetischen Buddhismus. Sutra (skt) Allgemeine Unterweisungen des →Dharma, die →Buddha Schakyamuni für alle Anwender gegeben hat. 120 Sutra Pitaka (skt) Lehrrede, Leitfaden; eine der drei Schriftensammlungen, die im →Tripitaka zusammengefasst sind. S.P. behandelt das Thema Konzentration. (Pitaka bedeutet Korb). Tantra (skt) Kontinuum; komplexe Anwendungen innerhalb des Mahayana für fortgeschrittene Anwender in Verbindung mit einer Meditationsgottheit, mit der das subtile Kontinuum eines Wesens in die drei Körper des Buddha, →Dharmakaya, →Sambhogakaya und → Nirmanakaya, umgewandelt werden. Theravada (skt) Weg der Alten; ‚kleines Fahrzeug’. Form desBuddhismus, in der die persönliche Befreiung aus dem →Samsara angestrebt wird. Tripitaka (skt) Die Gesamtheit der Unterweisungen des Buddha Schakyamunii. Das Tripitaka wird in drei Sammlungen unterschieden: das Vinaya Pitaka mit Ethik als zentralem Thema, das Sutra Pitaka mit Konzentration als zentralem Thema und das Abidharma Pitaka mit Weisheit als zentralem Thema (Pitaka bedeutet Korb). Tulku (tib) Skt: →Nirmanakaya; Im Allgemeinen auch eine (Namens-) Bezeichnung für reinkarnierte buddhistische Meister. Bsp: Zasep Tulku Rinpoche. Vinaya Pitaka (skt) Ethik; eine der drei Schriftensammlungen, die im →Tripitaka zusammengefasst sind. V.P. behandelt das Thema Ethik. (Pitaka bedeutet Korb). 121 10. Quellenverzeichnis Amarbayasgalant 2005a Amar Mur. http://www.amarbayasgalant.org/amarmur.shtml. Präsentation im Internet. (Zuletzt gesehen am 22.08.2005). 2005b Guru Deva Rinpoche. http://www.amarbayasgalant.org/gurudeva.shtml. Präsentation im Internet. (Zuletzt gesehen am 22.08.2005). Amborn, Hermann (Hg.) 1993 Unbequeme Ethik. Überlegungen zu einer verantwortlichen Ethnologie. Berlin: Reimer. Appadurai, Arjun 1996 Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization. Minneapolis et al.: University of Minnesota Press. Public Worlds, Volume 1. 1998 Globale ethnische Räume. Bemerkungen und Fragen zur Entwicklung einer transnationalen Anthropologie. In: Beck, Ulrich (Hg.): Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S.11-40. 2003 Knowledge, Circulation and Collective Biography. 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Abbildungsverzeichnis Abb.1: Amarbayasgalant S.20 Abb.2: Arbeitsplatz S.20 Abb.3 Das Lebensrad S.29 Abb.4 Das Verdienstfeld S.37 Abb.5 Schutzgottheit Zetapa S.60 Abb.6 Pressekonferenz S.63 Abb.7 Orakelbefragung S.63 Abb.8 Amar Mur S.72 Abb.9 Meditationsraum S.72 Abb.10 Bau des Tempels S.74 Abb.11 Mandschurische Dachziegel S.74 Abb,12 Historische Kulturgüter S.75 Abb.13 Wertvolle alte Schriften S.75 Abb.14 Kalligraphie S.81 Abb.15 Repräsentationsaufgaben S.82 Abb.16 Fernsehdokumentation S.82 Abb.17 Kooperation 1 S.91 Abb.18 Kooperation 2 S.91 Abb.19 Retreat-Oase S.92 Abb.20 Besuch aus dem Ausland S.92 133