4. SINFONIE KONZERT TfN · Philharmonie | Spielzeit 2016/17 DER PAKT MIT DEM TEUFEL 4. SINFONIEKONZERT Samstag, 25. März 2017, 19:30 Uhr, Kaiserpfalz Goslar Sonntag, 26. März 2017, 20:00 Uhr, Großes Haus Hildesheim DER PAKT MIT DEM TEUFEL Friedrich Smetana Doktor Faust Ouvertüre zu einem Puppenspiel Sergej Rachmaninoff Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 43 für Klavier und Orchester SOLISTIN Caterina Grewe, Klavier – Pause – Franz Liszt Eine Faust-Symphonie in drei Charakterbildern 1. Faust 2. Gretchen 3. Mephistopheles – Chorus mysticus SOLIST Konstantinos Klironomos, Tenor Männerchor des Gesangverein „Liederkranz“ von 1867 e. V. Salzgitter Bad (Einstudierung: Zenon Zimnik) TfN · Philharmonie (Klavier/Orgel: Shuichiro Sueoka) DIRIGENT Werner Seitzer Den Konzertflügel für den 26.3. stellte freundlicherweise der Kulturring Hildesheim zur Verfügung. 2 DER PAKT MIT DEM TEUFEL Goethes treuer Gesprächspartner Johann Peter Eckermann war davon überzeugt, dass der „Faust“ irgendwann eine gebührende Bühnenmusik erhalten würde. Goethe selbst zeigte sich weit weniger zuversichtlich: „Das Abstoßende, Widerwärtige, Furchtbare, was sie stellenweise enthalten müsste, ist der Zeit zuwider. Die Musik müsste im Charakter des ,Don Juan‘ sein; Mozart hätte den ,Faust‘ komponieren müssen.“ Mehrere Tonschöpfer haben sich an diesem Stoff mit und ohne Gesang versucht: Spohr, Berlioz, Schumann, Wagner, Gounod, Arrigo Boito, auch Eduard Lassen, ein heute vergessener Komponist des 19. Jahrhunderts, der als Einziger eine Schauspielmusik zu einer Weimarer Aufführung beider „Faust“-Teile (1876) lieferte. Ferruccio Busonis 1925 uraufgeführte Oper „Doktor Faust“ bearbeitet zwar dasselbe Thema, basiert aber genauso wenig auf Goethes Text wie Friedrich Smetanas Doktor Faust von 1862. Dessen Ouvertüre zu einem Puppenspiel des tschechischen Marionettenkünstlers Matěj Kopecký (1775-1847) beginnt mit einer energischen, vibrierenden Einleitung, mit Sforzati und kalkulierten Pausen. Danach wird es vorübergehend leise. Dieser Teil hebt dunkel an. Fragen, Zweifel und Verführbarkeit des ewigen Sinnsuchers treten vor das innere Auge. Smetana weiß Spannung auf engem Raum mephistophelisch zu inszenieren. In nicht einmal fünf Minuten ist das Stück schon vorbei. Vorher aber bringen das Klavier und die Posaune noch markante Farben ein. Die Streicher präsentieren ein tänzerisches Element, das sich verspielt gibt, fast naiv vor einer neuerlich dramatischen Wendung. Schließlich klingt das Ganze accelerando aus. Für Arthur Rubinstein war Sergej Rachmaninoff der „faszinierendste Pianist nach Busoni. Er besaß das Geheimnis des goldenen lebendigen Tones, der aus dem Herzen kommt und unnachahmlich ist“. Rachmaninoff war trotz seiner Fingerfertigkeit, die an den „Teufelsgeiger“ Paganini erinnern mochte, zu einem diabolischen Pakt nicht fähig. Zu empfindsam und zu gutmütig war seine Natur. Er fasste Musik als Liebesbezeugung, ja als die Liebe selbst auf. Musik komme direkt aus dem Herzen und spreche einzig zum Herzen. Sie sei „die Schwester der Poesie“ und ihre Mutter der Kummer. Rachmaninoffs melancholische Seite ließ ihn teilhaben am unerlösten Dasein und das Fieber der Welthölle erahnen. Die erfolgreich unter Leopold Stokowski in Baltimore uraufgeführte Paganini-Rhapsodie op. 43 aus dem Jahr 1934 besteht aus einer kurzen Introduktion sowie aus dem Thema mit 24 Veränderungen. Diese kleinen Charakterstücke bilden in ihrer harmonisch dichten, gefühlsintensiven Aneignung der Vorlage praktisch deren freie Neuschöpfung. Niccolò Paganinis 3 Caprice op. 1. Nr. 24, verbunden mit einem oft verwendeten traditionellen (spöttischdiabolischen) Dies-irae-Zitat, geht als Spurenelement in Rachmaninoffs Komposition auf. Darauf weist schon die ungewöhnliche Position des Themas hin, das zwischen den ersten beiden Variationen erscheint und so dem Werk nicht vorangestellt, sondern in dieses wahrhaft eingelagert ist. Ein späteres Ballett nach der Rhapsodie greift das bekannte Gerücht auf, wonach Paganini einem Teufelspakt seine rasenden Geigenkünste verdankte. Seine damit verbundenen faustischen Liebeshändel reflektieren die mittleren, mehr lyrisch gehaltenen Variationen. „Die Persönlichkeit Faustens verzettelt und vertut sich; er handelt nicht, lässt sich gehen, zögert, experimentiert, irrt sich, denkt nach, feilscht und ist nur an seinem kleinen Glück interessiert“, äußerte Franz Liszt im Umfeld seiner Faust-Symphonie. Auch in Liszts Verständnis, dargelegt etwa in reichen Verstrickungen des musikalischen Themenmaterials, streckt sich Faust vergeblich nach der absoluten Erkenntnis. Weder Mark M. Antokolski: Mephistopheles erhält er vom Diabolus den Stein der Weisen, noch erhebt er sich zum vollkommenen Menschsein, weil er bei Gretchen auf der ganzen Linie enttäuscht. Mephistopheles‘ Scherzo neckt mit dem Tritonus und harmonischen Kratzfüßen, bis der Chorus mysticus das letzte, erlösende Wort hat. Den Chor wollte der Komponist anfangs unsichtbar auftreten lassen, was aber in Konzertsälen, die im Gegensatz zu Theaterbühnen keinen Vorhang haben, schlecht möglich war. Liszt stellte im Übrigen auch einen Schluss ohne Chor bereit. Beide Varianten fanden Fürsprecher: Liszts Schwiegersohn Richard Wagner (ohne Chor), Liszts musikjournalistischer Förderer Franz Brendel (mit Chor). Der Komponist widmete seine Faust-Symphonie dem befreundeten Hector Berlioz. Liszt hatte zuerst nur an eine kleine Orchesterbesetzung gedacht, diese Fassung aber unveröffentlicht gelassen. Drei Jahre später, 1857, kam die Symphonie überarbeitet zur Uraufführung, mit großem Orchester samt Solo-Tenor und Männerchor im letzten Satz. Es blieb nicht die einzige Revision. 1861 ging das Werk bei Schuberth & Co. in Leipzig in Druck. Roland Mörchen 4 DAS REICH DER GEDANKEN Den zweiten Teil des Konzerts bildete die Faust-Symphonie, ein Werk, welches das größte, nachhaltigste Interesse der versammelten Musiker in Anspruch nahm, und von denen, die ich zu sprechen Gelegenheit hatte, einstimmig als das bedeutendste Liszts auf diesem Gebiet anerkannt wurde. Es zerfällt in vier Sätze, Faust, Gretchen, Mephistopheles mit dem Schlußchor für Männerstimmen „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“ etc. und steht also der äußeren Gestalt der Symphonie am nächsten. Natürlich ist dabei nicht an eine spezielle Faust-Musik zu denken; das Werk nimmt den geistigen Inhalt des Faust zum Vorwurf und bringt diesen in drei Charakterbildern zur Erscheinung. Liszts Individualität hat darin wohl den ihr entsprechendsten, kühnsten und großartigsten Ausdruck gewonnen. […] So ist der erste Satz ein ganzer Faust, mächtigen Dranges voll, die Gegensätze in der Stimmung des Helden in großartiger Weise umspannend. Der zweite ist deutsch träumerisch, er beginnt mit der Darstellung eines reinen, kindlich bewußtlosen Zustandes und schildert dann das allmähliche Erwachen der Liebe und die weitere Entwicklung. […] Mephistopheles im dritten Satz verspottet das Vorausgegangene, indem er die Hauptmotive, die den ersten Sätzen, wie in den anderen symphoJulius Nisle: Der Teufelspakt nischen Dichtungen Liszts, zugrunde liegen, travestiert, verkehrt, ins Lächerliche und Fratzenhafte verzerrt. […] Es war anfangs, so viel ich weiß, die Absicht des Komponisten, mit demselben zu schließen und somit nur diese drei Charakterbilder aufzustellen. So weit gediehen indes, erkannte er die Notwendigkeit eines Abschlusses und fügte darum den „Chorus mysticus“ als vierten Satz hinzu. […] Es sind vorzugsweise drei Momente, welche hier hervorgehoben werden müssen: zunächst der Übergang aus der Hölle zum Himmel, die Vermittlung beider Seiten, die meisterhafte Art und Weise, wie das letzte Bild 5 eingeführt, an die Stelle des vorigen gesetzt wird; sodann ist es die Auffassung der Worte Goethes, welche mir als eine tief bedeutsame, vorzugsweise gelungene erschien; endlich aber war für mich der Umstand, daß nur durch diesen Schlußchor das Werk sich zum Ganzen rundet, und ohne ihn als ein solches meiner Ansicht nach gar nicht bestehen könnte, von besonderer Wichtigkeit. […] Noch jetzt bin ich der Ansicht, daß jener dritte Satz einen Schritt mindestens über die bisherigen Grenzen der Instru­ mentalmusik hinaus bezeichnet. Mußte dieser Schritt aber allein als gewagt erscheinen, so erhält er durch den Schlußchor seine Rechtfertigung, denn das Werk wird dadurch in das Reich der Gedanken erhoben, kulminiert in dieser gedanklichen Spitze, so daß Ary Scheffer: Faust und Margarete im Garten dadurch auch für den dritten Satz die erklärende Lösung gegeben ist. Ohne jenen Schluß ist dieses mephistophelische Scherzo ein geistreiches – beiläufig erwähnt auch außerordentlich schwieriges – Musikstück voll origineller charakteristischer Klangwirkungen, das allein jedoch – so scheint es mir bei der ersten Bekanntschaft – beim Publikum kaum durchzubringen sein dürfte. Mit demselben ist der Schlüssel gegeben, und das gedankliche, über die bloß musikalische Sphäre hinausragende Element, was darin enthalten ist, gewinnt dadurch seinen Stützpunkt. So ist dieser Schluß ein wahrer Sonnenaufgang, und ich kann mein Entzücken nur mit dem vergleichen, das ich empfand, als mir die 9. Symphonie Beethovens zum erstenmal in ihrer poetischen Bedeutung klar wurde. In Wahrheit: der Gedanke wird hier in ähnlicher Weise aus dem Instrumentalen heraus erzeugt, wie in der 9. Symphonie, aber neu und schöpferisch, nicht durch Nachahmung. Franz Brendel (1857) 6 Die in Tokio geborene, deutsch-japanische Pianistin Caterina Grewe erhielt im Alter von vier Jahren ihren ersten Klavierunterricht. Sie hat mit ihren Konzerten bereits große Anerkennung bei Kritikern und Publikum, insbesondere in Großbritannien, Deutschland und Frankreich, gefunden. Sie spielte Solo- und Kammermusikabende u. a. im SteinwayHaus London und Hamburg, im Mozartsaal und in der Laeiszhalle in Hamburg, in dem Pump Room in Bath, in Paris, im Rachmaninoffsaal des Moskauer Konservatoriums, in der Royal Albert Hall, der Cadogan Hall, St James’ Piccadilly und in den Fairfield Halls in London. Sie hatte außerdem zahlreiche Konzertauftritte in der Laeiszhalle in Hamburg und spielte bei Konzerten, die von der ARD, vom NDR, BBC in England und von France Musique in Paris aufgezeichnet wurden. Caterina Grewe erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben. Ihr Debütalbum für KNS Classical erschien im April 2016 mit zwei Werken von Schumann – den „Davidsbündlertänzen“ und dem „Concert sans orchestre“. Der griechische Tenor Konstantinos Klironomos studierte bei Christina Giannakopoulou am „Athenaeum Konservatorium“ in Athen. 2009 schloss er das Studium mit Auszeichnung und dem ersten Preis ab. Er studierte als Stipendiat der Maria Callas Stiftung und der Alexander S. Onassis Stiftung an der Universität Mozarteum Salzburg im Masterstudium Oper und Musiktheater bei Barbara Bonney, Josef Wallnig und Eike Gramss. Er besuchte mehrere Meisterkurse bei Kurt Equiluz, Daphne Evangelatos, Aris Christofellis, Cheryl Studer und Jeannette Pilou. Seit 2007 ist Konstantinos Klironomos Mitwirkender bei mehreren Produktionen der Griechischen Staatsoper in Athen. In Salzburg war er auch zu hören in zwei Produktionen des Mozarteums als Don Ottavio in Mozarts „Don Giovanni“ und als Graf Almaviva in Rossinis „Il Barbiere di Siviglia“. Als Konzertsänger im In- und Ausland sang er u. a. in Händels „Messiah“ und Verdis „Messa da Requiem“. Konstantinos Klironomos gehört seit der Spielzeit 2013/14 zum festen Ensemble des Theaters für Niedersachsen. 7 IMPRESSUM TfN · Theater für Niedersachsen Theaterstr. 6, 31141 Hildesheim www.tfn-online.de Spielzeit 2016/17 Jörg Gade PROKURISTEN Claudia Hampe, Werner Seitzer REDAKTION Roland Mörchen FOTOS Archiv, außer S. 7: Caterina Grewe: K. Kikkas/Konstantinos Klironomos: T.Behind-Photographics TEXTE S. 3-4: Originalbeitrag für dieses Programmheft; S. 5-6: Beitrag von Franz Brendel zit. n.: Dorothea Redepenning: Franz Liszt – Faust-Symphonie, Wilhelm Fink Verlag, München 1988, S. 74 ff. (Überschrift: Red.); S. 7: www.caterina-grewe.com (gekürzt), www.tfn-online.de (gekürzt) GESTALTUNG ProSell! Werbeagentur GmbH, Hannover LAYOUT Jolanta Bienia | DRUCK Sattler Direct Mail GmbH & Co. KG INTENDANT Gefördert durch: Medienpartner: Sponsoren/Partner: Freunde des Theater für Niedersachsen e. V. 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