Jasmin S., Julius O., Ramon R., Tim K., Tafi M. Funktioniert die Inszenierung von ‚Faust‘ als eigenständiges Werk? Am 28 November 2014 haben wir uns im Berner Stadttheater eine Inszenierung zu Goethes ‚Faust‘ angesehen. Dabei wurde uns die Aufgabe gestellt, festzustellen, ob jene Inszenierung als eigenständiges Werk funktioniert. Dazu haben wir uns im Klassenverband vier Kriterien erarbeitet, an denen dies gemessen werden kann: Wird die Handlung verständlich wiedergegeben? Ist der Grundkonflikt klar ersichtlich? Werden die Figuren akkurat dargestellt? Wie werden die Ideen der eigenständigen Darstellung umgesetzt? Jedes dieser vier Kriterien wird einzeln angeschaut und danach wird in einem finalen Schritt die ursprüngliche Fragestellung, ob die Inszenierung als eigenständiges Werk funktioniert, erschlossen. Alle Meinungen, die hier dargelegt werden, sind Ergebnisse von Unterhaltungen, welche im Plenum unserer Gruppe durchgeführt wurden. 1. Wird die Handlung verständlich wiedergegeben? Das Stück beginnt mit einem vorgelesenen Prolog im Himmel, der Wette zwischen Mephistopheles und Gott. Darauf folgt der rastlose Faust, welcher sich vergebens bemüht, wirkungsvoll zu arbeiten. Kurz darauf trifft er auf einen schwarzen Pudel, Mephistopheles. Dieser bietet ihm einen Pakt an die Freuden des Lebens zu zeigen, worauf Faust einwilligt. Nach einem Besuch in einer Bar und der Hexenküche trifft Faust auf Gretchen und verliebt sich. Mit Hilfe von Mephistopheles gelingt es ihm, ihr den Hof zu machen. Jedoch folgt darauf eine Auseinandersetzung mit ihrem Bruder, welcher zu einem Handgemenge ausartet, worauf dieser durch Faust stirbt. Um Faust auf andere Gedanken zu führen, bringt Mephistopheles ihn zur Walpurgisnacht, welche mit „viel Spass“ endet. Doch als Faust ein Abbild Gretchens sieht, zieht es ihn zurück zu ihr. Diese hat jedoch in der Zwischenzeit ihr Leben und ihre Psyche ruiniert, eine Folge von unabsichtlicher Vergiftung ihrer Mutter und das Ertränken des Kindes, welches von Faust gezeugt wurde. Das Stück endet mit einem verzweifelten Faust, welcher versucht Gretchen aus ihrem Delirium zu holen. Insgesamt ist die Handlung gut durchgeführt worden: Nachvollziehbar und ohne weiteres Wissen verständlich. 2. Ist der Grundkonflikt klar ersichtlich? Hierfür sollten wir erstmal die Grundkonflikte aufzählen: Das Faustische Streben = Wachsender Konsum, Streben nach mehr (Wissen, Spass, Geld etc.) Der Veloziferische Zeitgeist = Beschleunigendes Voranschreiten der Welt, Stress Ersteres kommt nur bedingt im Stück vor. Zwar steigen die Begierden Fausts, jedoch bezieht sich das einzig auf seine sexuellen Gelüste. Erhöhter Konsum allerdings war von uns nicht feststellbar. Dazu kannten wir jedoch auch die Vorgeschichte nicht. Somit können wir also nicht darauf zurückschliessen. Jasmin S., Julius O., Ramon R., Tim K., Tafi M. Vom veloziferischen Zeitgeist fehlte bei unserer Gruppendiskussion leider jede Spur. In gewisser Hinsicht wirkte Faust am Anfang viel gestresster als nach dem Abschliessen des Pakts. Die einzigen „Gestressten“ waren die Musiker, welche mit ihrem gehetzten Spiel das Volk darstellen sollten. (Mehr dazu Kp.3) In diesem Punkt sind wir uns einig: Die im „Faust I“ angedeuteten Grundkonflikte sind kaum ersichtlich. 3. Werden die Figuren akkurat dargestellt? Hierzu haben wir uns über die Wahrnehmung der verschiedenen Figuren ausgetauscht, wie Goethe versucht hat sie umzusetzen und wie sie im Stück erschienen sind. Faust: Zu Beginn wirkt er durchaus gebildet, doch ebenfalls ziemlich depressiv und mit seiner Situation masslos überfordert. Nach seinem Pakt mit Mephistopheles wirken seine Lebensfreude und sein Sexualtrieb übermässig verstärkt. Dies kam besonders bei der Kontaktaufnahme mit Gretchen zur Geltung. Dabei schien er zumeist massiv pervers zu sein! Dies entspricht nur bedingt Goethes Beschreibung. Gretchen: Ihr eindimensionaler Charakter stellt sie äusserst manipulierbar und naiv dar. Zu Zeiten wurde sie sogar als geistig eingeschränkt und zu hysterisch empfunden. Hier gehen unsere Meinungen leicht auseinander. Dennoch entsprach es nicht unsrer Auffassung von Gretchen in der Lektüre. Mephistopheles: Die Idee, ihn als einen Homosexuellen darzustellen, hat keinen von uns angesprochen. Die Darbietung sah fehl am Platz aus (auf der Bühne), wobei noch 2 Seiten mehr von ihm gezeigt werden, wovon eine so gut wie keine Charakter zeigte. An letztere können wir uns leider nicht mehr erinnern, womöglich kam sie nur einmal vor. Übrig bleibt eine Art dreigespaltene Figur. Andere Figuren: Es gab noch andere Figuren, deren Funktionen sich keinem von uns erschlossen haben. Sie wirkten einfach nur fehl am Platz. Das Volk, welches angeblich von den Musikern gespielt sein sollte, war nicht verständlich für uns. Ausserdem spielte die Musik nur in Szenenwechsel. Der Zusammenhang hat etwas gefehlt. 4. Wie werden die Ideen der eigenständigen Darstellung umgesetzt? Ein wichtiger Punkt einer Inszenierung ist, wie man eigene Ideen implementiert und umsetzt. Im Beispiel von ‚Faust‘ wurden Live-Aufnahmen auf eine Leinwand projiziert, um das Innere der Figuren und deren Hirn-Herz Situation darzustellen. Und dies ist sogar sehr gut gelungen. Man erkannte auch ohne Vorwissen, was dies darstellen sollte. Doch die Aufnahmen werden zusätzlich noch anders verwendet. Vereinzelt wurde direkt projiziert, was gerade eben auf der Bühne, die das Publikum auch sieht, passierte. Dies führte jedoch vermehrt zur Konfusion. Weitere Szenen haben verwirrend und zumeist eher unnötig gewirkt. Weswegen waren die Gesichter der Hexen in der Hexenküche mit Klarsichtfolie umhüllt, oder was war der genaue Sinn dahinter, dass sich Mephistopheles einmal nackt ausgezogen hat? Wobei diese Szenen auch eher etwas lächerlich wirkten und so, als ob sie einfach nur dazu da wären, um ein paar Lacher aus dem Publikum herauszulocken, oder es zu schockieren. Der genaue Zweck dieser Szenen wurde aus dem Theaterstück alleine nicht ersichtlich. Zuletzt haben wir noch die Szenen im Kopf, in denen die Schauspieler den Originaltext scheinbar aus einem Heft heraus vorlesen. Durch genaues Hinschauen wurde auch entdeckt, dass diese Hefte aus Jasmin S., Julius O., Ramon R., Tim K., Tafi M. leeren Blättern oder Musiknoten bestanden. Obwohl die schauspielerische Leistung exzellent war, hatte dies deren Qualität abschwächend erscheinen lassen. Fazit Als eigenständiges Werk ist die Inszenierung weniger zu betrachten. Ohne Vorbereitung in unserem Unterricht und ohne das Programmheft wäre vieles nicht ersichtlich gewesen. Elementare Begriffe für das Theaterstück (Grundkonflikte) sind nur bedingt ans Publikum gelangt und einige Zusätze und Szenen haben vermehrt für Konfusionen gesorgt. Die Schauspieler haben alle grossartige Leistungen erbracht, nur die Inszenierung war der grosse Schwachpunkt.