www.pedro-amaral.eu « Deux portraits imaginaires », 1/2 Nr. 15 «Deux portraits imaginaires» (für Ensemble) Eigentlich erhielt Pedro Amaral von der Lissabonner Oper den Auftrag, ein Musiktheaterwerk zu schreiben, das teilweise auf Pessoas «Fausto» basieren sollte; die Uraufführung war für das Jahr 2014 vorgesehen. Wegen massiver Einsparungen am Opernhaus musste das ursprüngliche Vorhaben dann scheitern. «Jedoch war ich so begeistert von Pessoas Faust-Tragödie, dass ich die zwei Porträts schrieb als eine Reminiszenz an dieses abgebrochene Projekt, als Teile eines imaginären Puzzles», meinte Pedro Amaral. Seine Musik ist inspiriert vom Ende des dritten Aktes, dem Abschnitt, der wegen eines Dialoges zwischen Faust und Maria (Gretchen) eine zentrale Bedeutung in der fünfaktigen Anlage hat, die ansonsten von Monologen dominiert ist, ausgedehnten Blankvers-Monologen, in denen im Grunde genommen Pessoa selbst seine persönlichen Erkenntnisprobleme reflektiert. Die mit Hingabe liebende Maria steht einem zur Liebe unfähigen Faust gegenüber. Laut Amaral «möchte Faust lieben, jedoch denkt er, er sähe sich lieben, und diese Einsicht hält ihn zurück.» Die formale Anlage gliedert sich in insgesamt elf Abschnitte, wobei sich eher getragene (Faust) mit lebendig-virtuosen (Maria) abwechseln. Das musikalische Porträt von Maria basiert auf einer grossen Sekunde, die wegen ihrer zwei Halbtöne symbolisch zu verstehen ist: Maria sehnt sich nach Zweisamkeit. Faust ist durch eine kleine Sekunde (einen Halbton) charakterisiert: «Faust ist ein Individualist und obwohl er nach Liebe verlangt, ist er dazu verurteilt, sich durch sich selbst zu vervollständigen.» Zwischen dem letzten Faust-Abschnitt (Faust V) und dem letzten Maria-Abschnitt hat Amaral einen «Commentaire» eingefügt, der «einen Moment der Distanz und der Meditation» zwischen dem Hörer und den Porträts der beiden Charaktere darstellen soll. Bemerkenswert ist auch, dass manche musikalische Phrasen als direkte Übertragungen der Worte in Musik anzusehen sind, so etwa ein quasi syllabisches Trompetensolo (Maria I) auf ihre Worte: www.pedro-amaral.eu « Deux portraits imaginaires », 2/2 «Ich liebe, wie nur Liebe lieben kann. Dass ich dich liebe, ist mein Grund zur Liebe.» (Amo como o amor ama. Não sei razão p’ra amar-te mais que amar-te.) Die Partitur erhält eine Vielzahl derartiger Symbole bzw. Klangchiffren, deren Kenntnis für eine intuitive Auffassung dieser Musik freilich entbehrlich ist. Johannes Knapp (März 2013)