Ursachen und Verlauf des Vietnamkriegs

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Geschichte-Spezialgebiet:
U RSACHEN UND V ERLAUF DES
V IETNAMKRIEGS
Bernhard Stiftner
Datum: 30. März 2002
Dieses Dokument wurde ohne kommerzielle Software - mit freien Alternativen wie Linux
und LYX/LATEX - geschrieben.
1
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
2
Personen, Organisationen, Hintergründe
2.1 Ho Chi Minh, Viet Minh, Dang Lao Dong . .
2.2 Bao Dai, Ngo Dinh Diem, Nguyen Van Thieu
2.3 FNL (“Vietcong”) . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon . . . .
2.5 Chruschtschow, Breschnew . . . . . . . . . .
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Verlauf
3.1 Situation nach dem 2. Weltkrieg . . . . .
3.2 französische Phase (1946-1954) . . . . .
3.3 amerikanische Phase (1964-1968) . . . .
3.4 Vietnamisierung des Krieges (1969-1975)
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Chronik
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1 Einleitung
Kein anderer Krieg sollte jemals in einem derartigen Debakel für die USA enden wie
der Vietnamkrieg. Noch heute sitzt vielen “kalten Kriegern” der Schrecken tief, und bei
so mancher kriegerischer Auseinandersetzung mit amerikanischer Beteiligung wird heute
noch das “Schreckgespenst Vietnam” heraufbeschworen. Vietnam setzte nicht nur traurige
neue Maßstäbe in den Mitteln der Kriegsführung (man erwähne nur den großflächigen Einsatz von Napalmbomben und hochgiftigen Entlaubungschemikalien), sondern erweiterte
die militärische Auseinandersetzung um den medialen Aspekt: der Vietnamkrieg war der
erste Krieg, der “live” im US-Fernsehen übertragen wurde und sich so der Öffentlichkeit
in seiner ganzen Grausamkeit präsentierte - eine derart direkte und relativ unzensurierte
Kriegsberichterstattung wurde von da an bei keiner amerikanischen Intervention mehr geduldet. Es ist kaum verwunderlich, dass sich daraufhin in den eigenen Reihen der USA der
Widerstand gegen einen Krieg, der unzähligen Zivilisten und US-Soldaten das Leben kostete, horrende Summen verschlang und trotzdem keine Erfolge in Aussicht stellte, formierte.
Andererseits hatte Ho Chi Minh mit seiner Taktik des Volkskrieges eine effektive Form der
Kriegsführung gefunden, er beschwörte den “Aufstand einer ganzen Nation”, und indem
er seine Verbündeten, die UdSSR und China, gegeneinander ausspielte, erreichte er, dass
Nordvietnam kein abhängiger Satellitenstaat wurde und trotzdem massive1 Unterstützung
erhielt.
2 Personen, Organisationen, Hintergründe
2.1 Ho Chi Minh, Viet Minh, Dang Lao Dong
Ho Chi Minh galt als einer der einflussreichsten kommunistischen Führer des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1890 in Zentralvietnam (das damals noch Teil von Frankreichs Kolonialreich war) geboren und arbeitete schließlich kurzzeitig als Lehrer und Schiffskoch. Vor dem
ersten Weltkrieg lebte er in London und Paris und wirkte an der Gründung der Kommunistischen Partei Frankreichs mit. Nach einer Schulung in Moskau wurde er 1924 nach China
geschickt, wo er Mitbegründer der Kommunistischen Partei Indochinas (ICP) wurde.
Nach der japanischen Besetzung Vietnams im Jahr 1941 organisierte er die nationale
und antikoloniale Widerstandsbewegung Viet Minh, eine Art Nachfolgeorganisation der
ICP, die alle Bevölkerungsschichten und - trotz ihres kommunistischen Charakters - auch
antikommunistische und bürgerliche Kräfte mit einbezog; das Phänomen der Bindung von
bürgerlichen an kommunistische Strömungen läßt sich wohl nur durch die immense Unterdrückung des Landes von außen erklären. Den Mitgliedern der Bewegung fiel es jedenfalls
angesichts der japanischen und später französischen Besatzung leicht, in den Dörfern Sympathisanten zu gewinnen und diese für den Volksaufstand gegen den äußeren Feind anzuwerben. Nach der Niederlage Japans und der Machtübernahme durch die Viet Minh, die
durch die Augustrevolution erreicht werden konnte, wurde die Demokratische Republik Vietnam (DRV) ausgerufen, deren Präsident Ho Chi Minh wurde. Durch Land- und Bildungsreformen, durch die Einführung einer Gesundheitsversorgung und durch die militante Unterstützung des Unabhängigkeitsstrebens der Menschen konnte die Viet-Minh-Organisation
die Sympathie der Bevölkerung gewinnen; gleichzeitig sorgten auch die Besatzungsmächte
von selbst durch ihr großteils grausames Vorgehen für den gegen sie gerichteten Hass, aus
dem die Viet Minh politisches Kapital schlagen konnten.
Ho Chi Minh erwies sich als brillianter Politiker und Stratege, der die Bevölkerung für
seine Anliegen gewinnen konnte und dessen Taktik des Volkskrieges, d.h. des Aufstandes
einer ganzen Nation, sich als sehr effektiv erwies. Durch das geschickte Ausspielen sei1 die Ausgaben von China und UdSSR zusammen betrugen jedoch nur etwa ein Zehntel der US-Militärhilfe
für Südvietnam!
3
ner Verbündeten, der UdSSR und China, konnte er weiters verhindern, dass Vietnam ein
abhängiger Satellitenstaat wurde.
1951 gründete Ho Chi Minh die Partei der Werktätigen Vietnams (Dang Lao Dong), die
die Nachfolge der (aus taktischen Gründen zugunsten der Viet Minh) aufgelösten Kommunistischen Partei Indochinas antrat und in der die Viet-Minh-Bewegung aufging. Die DangLao-Dong-Partei erreichte in den darauffolgenden Jahren die für kommunistische Staaten
typischen hohen Wahlergebnisse (z.B. 99,8% am 8.Mai 1960). Bis zu seinem Tod 1969
kämpfte Ho Chi Minh für die Wiedervereinigung Vietnams, die 1975 mit der Kapitulation
Südvietnams vollzogen wurde.
2.2 Bao Dai, Ngo Dinh Diem, Nguyen Van Thieu
Bao Dai, der vietnamesische Erbkaiser, proklamierte schon am 11. März 1945, vor der
Kapitulation Japans, die Eigenstaatlichkeit des Landes unter japanischer Kontrolle, als die
Viet Minh jedoch stärker wurden und noch im selben Jahr die Macht im Norden übernahmen, dankte Bao Dai ab. Er erschien erst 1949 wieder auf der politischen Bühne, als
Frankreich seine Gegenregierung zur DRV unter Bao Dais Führung im Süden Vietnams installierte. Sein Kaiserreich wurde auch noch in der Schlusserklärung der Genfer IndochinaKonferenz verankert. 1955 fand in Südvietnam ein Referendum über dessen künftige Regierungsform (Monarchie oder Republik) statt, bei der der Kaiser abgesetzt wurde und sein
bisheriger Ministerpräsident Ngo Dinh Diem die Macht übernahm, der daraufhin die Republik Vietnam ausrief. Diem war Katholik mit konfuzianisch geprägtem Weltbild, ein vietnamesischer Nationalist und glühender Antikommunist. Wie ein Mandarin herrschte er mit
Hilfe seiner Verwandtschaft und Bekanntschaft über Südvietnam, nahm nach Belieben seine politischen Gegner fest und zementierte seine Machtposition durch die Abschaffung von
Wahlen, durch Notstandsdekrete, autokratische Vollmachten und durch Vetternwirtschaft.
Besonders bei buddistischen Mönchen und Nonnen stießen diese Tatsachen auf massiven
Protest, einige von ihnen führten sogar öffentliche Selbstverbrennungen durch.
Am 1. November 1963 kam es in Südvietnam zu einem Putsch buddhistischer Generäle, der von Kennedys Regierung gebilligt wurde, da auch den USA die äußerst undemokratischen Zustände dort ein Dorn im Auge waren. Dabei wurden Diem und sein (am
Machtmissbrauch wesentlich beteiligter) Bruder getötet. Die politische Lage in Südvietnam stabilisierte sich jedoch nicht mehr, und seit dem Tod Diems wechselten sich ständig
militärische und zivile Regierungen ab, bis durch “relativ demokratische” Wahlen General
Nguyen Van Thieu an die Macht kam, der aber an der aussichtslosen Situation Südvietnams
auch nichts mehr ändern konnte und ähnlich diktatorisch wie seine Vorgänger regierte.
2.3 FNL (“Vietcong”)
Die Nationale Befreiungsfront (FNL) wurde am 20. Dezember 1960 in Südvietnam als Widerstandsbewegung gegen die dortige Regierung gegründet. Sie war ein Zusammenschluss
von etwa 20 kommunistischen und bürgerlichen Parteien sowie ethnischen Minderheiten.
Die FNL wurde als “südvietnamesische Viet Minh” angesehen, und tatsächlich hatte sie
einen ähnlich militanten Charakter wie die Viet Minh (ab 1951: Dang Lao Dong) und wurde von Nordvietnam massivst unterstützt. Über den sogenannten Ho-Chi-Minh-Pfad, der
von der DRV über Laos und Kambodscha in den Süden Vietnams führte, wurde ständig
Nachschub für die FNL geliefert, und schon bald konnten die im Westen als Vietcong berüchtigten Guerilla-Kämpfer große Teile Südvietnams (besonders die ländlichen Gebiete)
unter ihre Kontrolle bringen, worauf die USA mit schweren Bombardements reagierten.
1966 wurde die Stärke der FNL auf etwa 200 000 Mann geschätzt, zusätzlich zu den rund
400 000 Mann starken regulären DRV-Truppen. Mit dem US-Gegenschlag nach der TetOffensive 1968 verlor die FNL jedoch wegen hoher Verluste an Bedeutung, und die regulären DRV-Truppen übernahmen den Großteil der militärischen Aufgaben.
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2.4 Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon
Während des 2. Weltkriegs waren die USA mit den Viet Minh verbündet, als jedoch der
Kalte Krieg im Begriff war, auszubrechen, befürchtete Washington, dass den Chinesen
und Russen Tür und Tor in Südostasien geöffnet werden könnten - das nationale Element und die Unabhängigkeitsbestrebungen der Viet-Minh-Bewegung wurden von den USRegierungen nicht wahrgenommen. Während des französischen Kolonialkrieges in Vietnam leisteten die USA aber nur minimale Unterstützung für Frankreich, denn der damalige
US-Präsident Eisenhower wurde nicht zuletzt gewählt, um den Koreakrieg zu beenden, und
die USA wollten keine weitere Auseinandersetzung in Asien mehr riskieren. Als jedoch
1956 Wahlen über eine Wiedervereinigung Vietnams abgehalten werden sollten, war es vor
allem die US-Regierung unter Eisenhower, die sich aus Angst vor einem Sieg Ho Chi Minhs
gegen ein solches Vorgehen aussprach - die Wahl wurde schließlich verhindert. Südvietnam
wurde von da an großzügig von den USA unterstützt, denn nach amerikanischer Einschätzung würde sich ganz Südostasien - vor allem Laos, Kambodscha, Birma oder Thailand “sehr rasch” dem Kommunismus zuwenden: wenn Südvietnam als erster “Dominostein”
fallen würde, so würde das eine Kettenreaktion hervorrufen, die den “kommunistischen
Block” erheblich stärken würde. Eisenhowers Dominotheorie prägte die US-Außenpolitik
noch weit über seine Amtszeit hinaus, obwohl sie der Fehleinschätzung zugrunde lag, dass
die UdSSR, China, Nordvietnam und andere kommunistische/sozialistische Nationen einen
monolithischen Block bildeten. Auch Kennedy folgte der von Eisenhower vorgegebenen
Politik, unter seiner Ära wurden jedoch zusätzlich sogenannte “Militärberater” nach Südvietnam entsandt, die ihre Verbündeten in militärischen Gegenmaßnahmen schulen sollten.2 Kennedy lehnte jedoch strikt die Stationierung von regulären US-Bodentruppen in
Vietnam ab. Da für die amerikanische Regierung wegen der diktatorischen Herrschaft des
südvietnamesischen Präsidenten Diem Handlungsbedarf bestand, billigte sie den Putsch einiger Generäle in Saigon im November 1963, bei dem Diem ums Leben kam. Einige Tage
später wurde Kennedy ermordet; das Präsidentenamt wurde automatisch an den bisherigen
Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson übertragen. Während seiner Amtszeit eskalierte der
Konflikt in Vietnam, denn Johnson war fest entschlossen, für “jegliche Unterstützung zu
sorgen, die nötig ist, den Krieg zu gewinnen”. Nach einigen massiven Bombardierungen
(Operationen “Flaming Dart” und “Rolling Thunder”) setzte Johnson gegen die Bedenken des Militärs durch, US-Bodentruppen einzusetzen, wozu ihn die von ihm selbst durch
den Kongress gepeitschte Tonking-Resolution ermächtigte. Zuerst landeten 3 500 Marines
am 8. März 1965 in Vietnam, doch da die militärischen Erfolge auf sich warten ließen,
genehmigte Johnson immer größere Aufmärsche von amerikanischen Truppen, die “den
Vietcong aufspüren und töten” sollten. Andererseits versuchte Johnson, die Eskalation vor
der Öffentlichkeit geheimzuhalten, was aufgrund des Medieninteresses an Vietnam scheiterte und Empörung unter den US-Bürgern hervorrief. Am 5. November 1968 wurde Nixon
zum nächsten Präsidenten gewählt; er lernte aus den Fehlern seines Vorgängers und prägte
das Schlagwort Vietnamisierung, mit dem der schrittweise Rückzug von US-Truppen und
die Übertragung der militärischen Aufgaben an die Südvietnamesen gemeint war. Die amerikanischen Ausgaben für die Unterstützung ihres Verbündeten blieben immens hoch, bis
im Frühjahr 1974 die Reduzierung der US-Hilfeleistungen zum wirtschaftlichen Zusammenbruch Südvietnams und schließlich zu dessen Kapitulation führte.
2.5 Chruschtschow, Breschnew
Nach dem Tod Stalins verfolgte Nikita Sergejowitsch Chruschtschow eine Politik der Entstalinisierung und der friedlichen Koexistenz mit dem Westen; die Kubakrise und der Mauerbau in Berlin (den Chruschtschow nur äußerst widerwillig akzeptierte) stellten eher Ausnahmen von dem neuen außenpolitischen Kurs dar. Die Koexistenzpolitik führte jedoch zu
Spannungen mit Peking, das die neuen sowjetisch-westlichen Beziehungen als Abkehr von
2 was
nach dem Genfer Abkommen verboten war - deshalb geschah es heimlich
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der marxistisch-leninistischen Ideologie betrachtete. Der Konflikt zwischen Moskau und
Peking eskalierte schließlich, als sich die UdSSR weigerte, das für den Bau einer Atombombe erforderliche Wissen mit China zu teilen, und zeitweilig überschatteten sowjetischchinesischen Spannungen sogar den West-Ost-Konflikt. Aufgrund der Koexistenzpolitik
hielt sich die UdSSR mit der wirtschaftlichen und militärischen Hilfe für Nordvietnam
anfangs eher zurück, jedoch änderte sich das, nachdem Chruschtschow im Oktober 1964
abgesetzt wurde; Leonid Breschnew wurde der neue sowjetische Präsident. Im Jahr 1965
fand ein Treffen zwischen Ho Chi Minh und dem neuen sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin statt, der bereit war, der DRV umfangreichere Hilfe zukommen zu lassen,
wenn Nordvietnam der Moskauer Linie folgen würde. Ho Chi Minh lehnte entschieden ab
und begann Gespräche mit Peking, worauf Moskau prompt reagierte, seine Bedingungen
fallen ließ und die Verhandlungen wieder aufnahm. Unter der Ära Breschnew wurde die
Unterstützung für die DRV kontinuierlich erhöht, bis sie die chinesischen Hilfsleistungen
schließlich übertrafen.
3 Verlauf
Es wäre zu einfach, den Vietnamkrieg als eine Auseinandersetzung zwischen den USA und
einem vom “kommunistischen Block”3 unterstützten Land darzustellen; die Wirklichkeit
ist - wie immer - etwas komplizierter, schließlich geht dem gemeinhin bekannten amerikanischen Vietnamkrieg noch eine lange Vorgeschichte voraus. Der Auseinandersetzungen
in Vietnam begannen eigentlich schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ersten
Indochinakrieg Frankreichs. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde der Konflikt von den
Amerikanern fortgesetzt und schließlich “vietnamisiert”, bis der insgesamt an die 30 Jahre dauernde Krieg durch die Kapitulation Südvietnams ein Ende fand. Der Unterscheidung
der jeweiligen “Hauptakteure” folgend kann der Vietnamkrieg also in drei Phasen unterteilt
werden: die französische, amerikanische und vietnamesische Phase.
3.1 Situation nach dem 2. Weltkrieg
1940, nach dem “Blitzkrieg” Hitlers, musste Frankreich seine Kolonie Indochina, bestehend aus Vietnam, Laos und Kambodscha, an den deutschen Bündnispartner Japan abgeben. Während dieser Zeit formierte sich bereits der Widerstand gegen die Besatzer: Ho Chi
Minh gründete die Viet Minh, eine nationale (nationalistische?) und antikoloniale Bewegung unter kommunistischer Führung, die die Unabhängigkeit Vietnams anstrebte.
Nach der Kapitulation Japans am 15. August 1945, die erst durch den Einsatz der Atombombe in Hiroshima und Nagasaki erzwungen worden war, begannen nationalchinesische
Verbände den Norden und britische Truppen den Süden Vietnams zu besetzen, wie es kurze Zeit zuvor auf der Potsdamer Konferenz der Siegermächte des 2. Weltkriegs beschlossen
wurde.
Die ausländischen Besatzer waren jedoch bei der Bevölkerung unbeliebt, im Gegensatz
zur Viet-Minh-Bewegung, die schon im Guerillakampf gegen die Japaner die Sympathie
der Vietnamesen gewonnen hatte. Ho Chi Minh rief - gleichzeitig mit der Kapitulation
Japans - die Demokratische Republik Vietnam (DRV) mit der Hauptstadt Hanoi aus und
deklarierte ihre Unabhängigkeit. Mit dem Sieg der von der Viet Minh ins Rollen gebrachten Augustrevolution dehnte sich ihr Einfluss auf große Gebiete im Norden aus. Nach der
Machtübernahme in Nordvietnam verwirklichte Ho Chi Minh große Boden- und Bildungsreformen und richtete eine funktionierende Gesundheitsversorgung ein, andererseits wurde
die Bevölkerung zum Kampf mobilisiert (Volkskrieg - “jeder Mensch ist ein Soldat, jedes
Dorf eine Festung, jede Straße eine Front”4 ), und die Vorgangsweise gegen Landeigentü3
den es in der Form gar nicht gab - vor allem die Beziehungen zwischen UdSSR und China waren oft äußerst
feindselig!
4 Zitat: General Vo Nguyen Giap
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mer artete mehr und mehr aus: Tausende wurden hingerichtet, etwa eine Million Menschen
flohen in den Süden. Trotzdem unterstützte ein Großteil der Bevölkerung die Viet Minh
und viele schlossen sich freiwillig ihrer Volksarmee an.
3.2 französische Phase (1946-1954)
Nach dem zweiten Weltkrieg jedoch versuchte Frankreich wieder Einfluss in seinen ehemaligen Kolonien zu gewinnen und in Südostasien dauerhaft Fuß zu fassen; Präsident de
Gaulle wollte gewissermaßen einen “kolonialen Paukenschlag”, und noch im Jahr 1945
landeten französische Truppen in Vietnam, aber der französische Einfluss beschränkte sich
wegen des heftigen Widerstandes der Viet Minh auf einige Städte im Süden Vietnams.
Anfang des Jahres 1946 kamen Frankreich und (das damals noch nicht kommunistische)
China zu einer Übereinkunft, und nationalchinesische Truppen zogen sich aus Nordvietnam zurück. Auch England zog seine Truppen ab.
Am 6. Jänner 1946 fanden die ersten Wahlen in der Geschichte Vietnams statt, aus
denen die Viet-Minh-Kandidaten mit 95%(!) der Stimmen als klarer Sieger hervorgingen.
Zwei Monate später unterzeichneten Frankreich und die DRV die Konvention von Hanoi: Frankreich erkannte die DRV als autonomen Staat in seinem Kolonialreich, der Union
Française, an, im Gegenzug stimmte die DRV dem Verbleib von französischen Truppen an
einigen festgelegten Orten bis zum Jahr 1950 zu. Zu diesem Zeitpunkt waren die Beziehungen zwischen beiden Staaten noch “normal”, aber die bilateralen Spannungen wuchsen
ständig. Die Situation eskalierte, als der französische Zoll im November 1946 versuchte,
eine für die DRV bestimmte Waffenlieferung zu beschlagnahmen, dies aber von Viet-MinhMilizen verhindert wurde. In einer anschließenden “Strafaktion” Frankreichs beschossen
Kriegsschiffe und Flugzeuge die Hafenstadt Haiphong, wobei über 6 000 Zivilisten den
Tod fanden. Daraufhin entwickelte sich ein offener Krieg, der jedoch für die technisch weit
überlegenen Franzosen nicht die erhofften Erfolge brachte, da sich die Bevölkerung mit
den Viet Minh solidarisierte und sich in ihren Volkskrieg eingliederte; die Franzosen konnten sich gegen den Widerstand der Bevölkerung und deren Unabhängigkeitswillen nicht
durchsetzen. Bis zum Jahr 1950 kämpften die DRV alleine gegen die französischen Kolonialtruppen; im Jänner dieses Jahres aber nahmen die Sowjetunion und das seit einem
Jahr kommunistische China diplomatische Beziehungen zur DRV auf - im Gegenzug erkannten die USA und England die von Frankreich in Saigon installierte Gegenregierung
unter Kaiser Bao Dai an. Die USA begannen weiters mit ihrer Militärhilfe für Saigon und
bestritten einen Großteil (bis zu 80%) der horrenden Kriegsausgaben Frankreichs, andererseits eroberte die nordvietnamesische Volksarmee die Grenzgebiete zu China, was erstmals
intensivere militärische und wirtschaftliche Hilfeleistungen für die DRV von den anderen
kommunistischen Staaten ermöglichte. Noch im selben Jahr (1950) begann der Koreakrieg
und damit eine enorme Präsenz amerikanischer Truppen im südostasiatischen Raum.
Im Jahr 1954 kam es zur entscheidenden Schlacht zwischen französischen und nordvietnamesischen Truppen. DRV-Verbände kesselten die Festung Dien Bien Phu ein, die
nach 55 Tagen trotz amerikanischer Luftunterstützung von der DRV eingenommen wurde.
Frankreich scheiterte somit endgültig als Kolonialmacht und musste sich, wie es auf der
Genfer Indochina-Konferenz beschlossen wurde, aus Vietnam zurückziehen, das entlang
des 17. Breitengrades in die DRV im Norden und das Kaiserreich unter Bao Dai im Süden
geteilt wurde. In Südvietnam konnten in weiterer Folge jedoch keine stabilen politischen
Verhältnisse hergestellt werden: 1955 wurde der Kaiser von seinem Ministerpräsidenten
Ngo Dinh Diem abgesetzt, der daraufhin das Land mit diktatorischen Methoden regierte obwohl Südvietnam weit von einem auch nur annähernd demokratischen System entfernt
war, wurde es massiv von den USA unterstützt.
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3.3 amerikanische Phase (1964-1968)
Das Land stand fortan im Mittelpunkt der globalen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges; die USA hatten die Schlusserklärung der Genfer Konferenz nicht unterzeichnet und
beschlossen im Sinne der von Präsident Truman geprägten Eindämmungspolitik gegen den
Kommunismus, Südvietnam massiv militärisch und wirtschaftlich zu unterstützen; Zehntausende “Militärberater”, die im Notfall auch die Schießerlaubnis hatten, wurden von den
USA in Südvietnam stationiert, da die US-Regierung befürchtete, dass mit dem Fall Südvietnams auch eine Reihe anderer Länder kommunistisch werden könnte (Domino-Theorie).
Als im Jahr 1960 die FNL (die sog. Vietcong) in Südvietnam gegründet wurde und einen
Teil dieses Landes unter ihre Kontrolle brachte, reagierten die USA mit sofortigen Bombardierungen, wobei neben Napalm auch hochgiftige Chemikalien zur Vernichtung der Ernte
in Vietcong-Rückzugsgebieten eingesetzt wurden. Nach der Ermordung des südvietnamesischen Präsidenten Diem im Jahr 1963 verschlechterte sich die dortige politische Lage
erheblich: ein Putsch folgte auf den anderen, zivile und militärische Regierungen wechselten sich immer wieder ab, noch dazu gelangen der FNL einige bedeutende Erfolge am
Schlachtfeld - 1964 schätzte das US-Verteidigungsministerium, dass sich 40% Südvietnams unter Kontrolle der Vietcong befanden. Im August des selben Jahres ereignete sich
der sogenannte Tonking-Zwischenfall, der den USA schließlich als Anlass für eine Ausweitung ihres Krieges auf Nordvietnam diente.
Der Tonking-Zwischenfall Dem US-Militär war bekannt, dass Anfang 1964 von der
UdSSR moderne Flugabwehr- und Radareinrichtungen entlang des Golfs von Tonking stationiert worden waren. Am 30. Juli griffen südvietnamesische Patrouillenboote die nordvietnamesischen Radarinstallationen unter der Überwachung des US-Zerstörers “Maddox”
an. Trotz des Protests der DRV, die das als Verletzung ihrer Hoheitsgewässer5 betrachtete,
blieb die “Maddox” vor der Küste Nordvietnams. Am 2. August eröffneten Torpedoboote
der DRV das Feuer auf den amerikanischen Zerstörer, der jedoch unbeschädigt blieb. Zwei
Tage später behaupteten die USA, dass ein neuerlicher Angriff auf die “Maddox” stattgefunden hätte, obwohl sich später herausstellen sollte, dass sich deren Kapitän aufgrund
von technischen Problemen getäuscht hatte und einen nordvietnamesischen Überfall nur
am Radarschirm zu erkennen glaubte. Trotzdem wurde der vermeintliche “Akt kommunistischer Aggression” von den USA benutzt, um den (nie erklärten) Krieg auf Nordvietnam,
das die FNL im Süden unterstützte, auszuweiten: Schon am 5. August wurden Häfen und
Versorgungseinrichtungen der DRV bombardiert.
Die Tonking-Resolution Der amerikanische Präsident Johnson, auf den das Präsidentenamt nach der Ermordung Kennedys automatisch übergegangen war, ließ nach den TonkingZwischenfällen im Kongress über eine Resolution abstimmen, die es erlaubte, “alle erforderlichen Maßnahmen” zu ergreifen, um amerikanische und alliierte Streitkräfte zu schützen und um “weitere Aggression” zu verhindern. Weiters sollte sie Johnson ermächtigen,
nach eigenem Ermessen zu entscheiden, wann “Frieden und Sicherheit” in der Region erreicht wären. Mit überwältigender Zustimmung wurde die Resolution nach kurzer Debatte
im US-Senat und Repräsentantenhaus verabschiedet, womit die USA einer Kriegserklärung
so nahe wie nie zuvor kamen. Schließlich konnte der Präsident im Konflikt so vorgehen,
wie er es für richtig hielt.
Als Reaktion auf die Tonking-Resolution entschied sich auch die DRV zu einer härteren
Gangart, und im September 1964 marschierten die ersten nordvietnamesichen Truppen im
Süden des Landes ein. Seit 1954 erhielt die DRV umgerechnet 500 Millionen Dollar von
der UdSSR und 460 Millionen Dollar von China an Wirtschafts- und Militärhilfe, da es Ho
Chi Minh gut verstand, beide Großmächte gegeneinander auszuspielen und in einen gegen5 tatsächlich
hatte Nordvietnam seine Hoheitsgewässer nicht festgelegt
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seitigen Wettbewerb zu drängen; die US-Hilfen für Südvietnam waren jedoch bedeutend
höher.
Anfang 1965 intensivierten die USA die Bombardierungen Nordvietnams; auf einige
Vietcong-Überfälle reagierte Amerika mit den Operationen “Flaming Dart” und “Rolling
Thunder”, bei denen zwar Unmengen an hochexplosiven Sprengstoffen, Napalm, Streubomben und hochgiftigen (tlw. dioxinhältigen!) Herbiziden6 abgeworfen wurden, die aber
trotzdem nicht den erhofften militärischen Erfolg brachten. Deshalb entschloß sich Präsident Johnson, Bodentruppen einzusetzen, von denen die ersten am 8. März 1965 in Vietnam landeten; die Eskalation wurde jedoch seitens der US-Regierung geheim gehalten - da
jedoch aus jedem Fernsehbericht schon ersichtlich war, dass sich die Lage erheblich zugespitzt hatte, verlor die Regierung das Vertrauen der US-Bürger, und die amerikanische (und
später auch internationale) Antikriegsbewegung fand immer mehr Anhänger.
Die USA erreichten trotz massivster Bombardements und modernster Infrastruktur,
die überall in Südvietnam errichtet wurde, keine bedeutsamen Erfolge, jedoch stiegen die
Kriegsausgaben ins Unermessliche: laut US-Presse wurden 1966 täglich allein 7 Mio. Dollar für Munition ausgegeben, weiters wären 75 Bomben bzw. 400 000 Dollar erforderlich,
um “eine Feindleiche zu produzieren”. Die Antikriegsbewegung wuchs weiter: im April
1967 demonstrierten 200 000 Menschen in New York gegen den Vietnamkrieg, weltbekannte Intellektuelle wie Russell oder Sartre verurteilten das aggressive Vorgehen der USA.
Schließlich wurden im September 1967 in Südvietnam Parlaments- und Präsidentschaftswahlen durchgeführt, denen jedoch massive Proteste und Selbstverbrennungen von
buddhistischen Mönchen vorangegangen waren. Jeder Kandidat wurde überprüft, damit
sich kein “Kommunist” zur Wahl aufstellen lassen konnte. General Nguyen Van Thieu trug
einen knappen Wahlsieg davon, und die USA hatten damit ihren “demokratischen” Staat
Südvietnam, den sie mit allen Mitteln gegen die “kommunistische Aggression” verteidigen
wollten.
Tet-Offensive Am 31. Jänner 1968 begann mit dem vietnamesischen Neujahrsfest Tet
eine Überraschungsoffensive der Vietcong, bei der über 80 000 Guerillas etwa 40 wichtige Städte und unzählige Verwaltungszentren und Ortschaften angriffen. Einigen VietcongKämpfern gelang es schließlich, die amerikanische Botschaft in Saigon zu erstürmen, was
einen einen schweren Schock für Amerika bedeutete, da das Geschehen live im Fernsehen übertragen wurden; die meisten US-Bürger glaubten bis zu diesem Ereignis, dass die
USA im Begriff wäre, den Krieg zu gewinnen - mit dem Verlust ihrer Botschaft wurde den
Amerikanern schlagartig die eigene Verwundbarkeit vor Augen geführt und ihre Zuversicht
zunichte gemacht. Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten drehte sich um 180
Grad, da durch die Tet-Offensive klar wurde, dass die USA noch mit einem sehr langen
Krieg zu rechnen hätten, der von der amerikanischen Öffentlichkeit nicht mehr akzeptiert
wurde. Präsident Johnson war am Boden zerstört und verzichtete auf eine zweite Präsidentschaftskandidatur. Trotz des (aus nordvietnamesischer Sicht) immensen politischen Erfolgs
der Offensive mussten die Vietcong aber große Verluste hinnehmen, und durch einen im
Februar erfolgenden US-Gegenangriff wurden sie so empfindlich geschwächt, dass ab diesem Zeitpunkt die Hauptlast der Kriegsführung bei den regulären DRV-Truppen lag - für
die Vietcong-Guerillas war die Tet-Offensive daher eine militärische Niederlage.
Unter dem wachsenden Druck auch aus den eigenen Reihen kündigte Präsident Johnson einen teilweisen Bombardierungsstopp und die Aufnahme von Friedensverhandlungen
an, die am 13. Mai 1968 in Paris begannen, aber bald ins Stocken gerieten: unüberwindbare Differenzen gab es in den Fragen, ob sämtliche US-Bombenangriff gestoppt werden
würden und ob auch die FNL (die sog. Vietcong) am Verhandlungstisch sitzen dürfe.
Am 5. November wurde Richard Nixon zum neuen US-Präsidenten gewählt; im März
1969 verfügte er eine (streng geheime) Bombardierung der DRV-Rückzugsgebiete in Kambodscha, und während des selben Monats erreichte die amerikanische Stationierung in Süd6 von
denen vor allem das Entlaubungsmittel “Agent Orange” traurige Berühmtheit erlangte
9
vietnam ihren Höchststand mit über 540 000 Mann, während DRV- und FNL-Verbände
insgesamt 240 000 Mann umfassten.
3.4 Vietnamisierung des Krieges (1969-1975)
Im Mai des Jahres 1969 folgte jedoch mit der Verkündung der Nixon-Doktrin die Trendwende: Durch die sog. Vietnamisierung sollten die US-Truppen bei gleichzeitiger Übertragung ihrer militärischen Aufgaben an die südvietnamesische Armee schrittweise abgezogen werden, wobei letztere durch immense US-Hilfe “verteidigungsfähig” gemacht werden
sollte. Nixon versuchte damit die Gradwanderung zwischen einer weiteren Verstrickung in
einen aussichtslosen Krieg und der Kapitulation des US-Militärs. Damit wandelte sich der
Vietnamkrieg zu einem klassischen Stellvertreterkrieg, in den weder die USA noch die
UdSSR bzw. China mehr direkt eingriffen, aber mit gewaltiger Militär- und Wirtschaftshilfe ihre Verbündeten unterstützten. Amerika überließ der Saigoner Regierung riesige Mengen modernster Waffentechnik und rüstete die Luftwaffe Südvietnams zur viertgrößten der
Welt auf, die Sowjetunion und China aber unterstützten die DRV und die FNL ebenfalls
mit High-Tech-Gerät, jedoch verursachte dies nicht einmal ein Zehntel der Kosten, die die
USA durch den Krieg bestreiten mussten.
Im Juni 1969 proklamierte die FNL schließlich die Provisorische Revolutionäre Regierung der Republik Südvietnam (PRRSV), die von vielen sozialistischen und blockfreien
Staaten anerkannt wurde; am 3. September starb Ho Chi Minh, die Führung Nordvietnams
wurde von Ministerpräsident Dong, Verteidigungsminister General Giap (der schon den
entscheidenden Sieg gegen die Franzosen 1954 errungen hatte), vom Nationalversammlungsvorsitzendem Chinh und Parteigeneralsekretär Duan übernommen.
Im Mai 1970 marschierten südvietnamesische und amerikanische Soldaten in das schon
seit Monaten bombardierte Kambodscha ein, um DRV-Basen zu zerstören. Die geplante Invasion in Laos zu dem selben Zweck scheitert jedoch an der Zustimmung des USKongresses, der durch die immer lauter werdenden Proteste in den eigenen Reihen zu dieser Entscheidung veranlasst wurde. Dies war das erste Mal, dass die Antikriegsbewegung
Einfluss auf die Politik gewann. Fast ein Jahr später versuchten auf sich allein gestellte südvietnamesische Truppen, in Laos einzudringen, sie wurden aber von DRV-Verbänden zum
Rückzug gezwungen. Zur gleichen Zeit ging die Präsenz der US-Bodentruppen bedeutend
zurück, und die militärische Hilfe vor Ort seitens der USA wurde immer mehr auf die
Luftunterstützung und die Bombardierung beschränkt, während die südvietnamesischen
Streitkräfte auf mehr als eine Million Soldaten und damit auf ein Drittel aller wehrfähigen Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren aufgestockt wurden. 1971 erhielt Nordvietnam
insgesamt etwa 175 Mio. Dollar und Südvietnam etwa 1,9 Mrd. Dollar an Hilfeleistungen,
trotzdem wurde die militärische und politische Lage in Saigon immer aussichtsloser.
Im September 1972 kam aber wieder Bewegung in die bis dahin festgefahrenen Friedensverhandlungen, und die Unterhändler der DRV und der USA behaupteten, dass der
Frieden in “greifbarer Nähe” sei - General Thieu, der damalige Machthaber Südvietnams,
lehnte den vorgeschlagenen Waffenstillstand jedoch strikt ab. Erst im Jänner 1973 kam es
zu einer Einigung zwischen der USA, der Republik Vietnam, der DRV und der PRRSV
und der Unterzeichnung des Abkommens über die Beendigung des Krieges und der Wiederherstellung des Friedens in Vietnam, mit dem der Abzug aller US-Truppen festgelegt
und die Regelung der Probleme den beiden vietnemesischen Seiten ohne äußere Einmischung übertragen wurde. Obwohl daraufhin die amerikanischen Truppen wie vereinbart
abgezogen wurden, hielt der Krieg zwischen Nord- und Südvietnam unermindert an.
Ende 1973 standen 300 000 DRV-Kämpfern und Vietcong-Guerillas über eine Million südvietnamesischer Soldaten gegenüber, die durchschnittlich siebenmal mehr Munition
verfeuerten als ihre nordvietnamesischen Gegner, aber dermaßen demoralisiert waren, dass
ihnen die DRV-Truppen überlegen zu sein schienen. Anfang 1974 führte die erhebliche
Reduzierung der US-Hilfe für Südvietnam zur Verschärfung der Wirtschaftskrise, worauf
der “fast demokratisch gewählte Diktator” Thieu mit verstärktem Terror gegen seine poli10
tischen Gegner reagierte. Ein Jahr darauf begann eine militärische Großinitiative der DRV,
die sich auf das Zentrale Hochland entlang des inzwischen großzügig ausgebauten Ho-ChiMinh-Pfades konzentrierte. Nach dem fast kampflosen Fall etlicher wichtiger Militärstützpunkte führte die Offensive dazu, dass die demoralisierten südvietnamesischen Streitkräfte
die Flucht ergriffen. Der unaufhaltsame Vormarsch der DRV-Truppen endete schließlich
am 30. April mit der Eroberung Saigons, worauf Südvietnam bedingungslos kapitulierte.
Damit war ein 30 Jahre dauernder Krieg beendet, der mindestens 2 Mio. Vietnamesen
das Leben gekostet hatte, in dem 9 000 der 15 000 Dörfer vernichtet und durch Bomben,
Minen und Pflanzengifte einige Millionen Hektar Land zerstört und verseucht wurden, um
nur einige Beispiele für die Grausamkeiten dieses Krieges zu nennen.
4 Chronik
1945
Juli: Am Rande der Potsdamer Konferenz der Siegermächte wird die provisorische Teilung Vietnams in zwei durch den 16. Breitengrad getrennte Besatzungszonen beschlossen; im Norden sollen nationalchinesische, im Süden britische Truppen die
Japaner nach deren Kapitulation entwaffnen.
13. bis 16. August: Nationaler Kongress der Viet Minh: Appell an das gesamte Volk zum
Aufstand gegen die japanische Fremdherrschaft. → Beginn der sog. Augustrevolution
15. August: Japan kapituliert nach amerikanischen Atombombenabwürfen.
19. August: Die Viet Minh übernehmen im Nordvietnamesischen Hanoi die Macht; mit
dem darauffolgenden Sieg der Augustrevolution dehnen sie ihren Einfluss aus.
2. September: Ho Chi Minh proklamiert die (kommunistisch geführte) Demokratische
Republik Vietnam (DRV). Die Amerikaner sind zu dieser Zeit die Hauptverbündeten
der Viet Minh.
13. September: Entsprechend der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz beginnt die britische Besetzung Südvietnams und der nationalchinesische Vorstoß in den Norden des
Landes.
Oktober: Zur Durchsetzung seiner Kolonialansprüche landet Frankreich erste Verbände
in Saigon.
1946
28. Februar: In einer Übereinkunft mit Frankreich verpflichtet sich Nationalchina zum
Rückzug seiner Truppen aus Nordvietnam; auch Großbritannien zieht seine im Süden stationierten Truppen ab.
6. März: Konvention von Hanoi: Frankreich erkennt die DRV als autonomen Staat in seinem Kolonialreich an, als Gegenleistung stimmt die DRV dem Verbleib französischer
Truppen bis 1950 zu.
23. November: Nachdem Viet-Minh-Milizen verhindert haben, dass eine für die DRV
bestimmte Waffenlieferung vom französischen Zoll beschlagnahmt wird, reagiert
Frankreich mit einer brutalen “Strafaktion”. → Beginn des Ersten Indochinakriegs
11
1950
14. Jänner: China (seit 1. Oktober 1949 Volksrepublik), die Sowjetunion und Jugoslawien
nehmen diplomatische Beziehungen zur DRV auf.
1951
Frühjahr: Offensive der nordvietnamesischen Streitkräfte; sie bringen etwa zwei Drittel
Vietnams unter ihre Kontrolle.
1954
Jahresanfang: Beginn der entscheidenden Schlacht um Dien Bien Phu.
7. Mai: Ende der Schlacht um Dien Bien Phu: nach 55 Tagen Einkesselung durch die vietnamesische Volksarmee muss Frankreich (trotz US-Luftunterstützung) kapitulieren
und ist damit als Kolonialmacht in Vietnam endgültig gescheitert.
8. Mai bis 21. Juli: Indochina-Konferenz in Genf: Waffenstillstandsabkommen zwischen
Frankreich und DRV; Teilung Vietnams entlang des 17. Breitengrades in die DRV
im Norden und das Kaiserreich unter Bao Dai im Süden. Im Juli 1956 sollen in
beiden Teilstaaten freie Wahlen zur Wiedervereinigung abgehalten werden. → Ende
des Ersten Indochinakriegs
1955
Oktober: In Südvietnam setzt Ministerpräsident Ngo Dinh Diem den Kaiser Bao Dai ab,
ruft die souveräne Republik Vietnam (RVN) aus und ernennt sich zu deren Präsident.
Die USA verstärken darauf ihre Unterstützung für Südvietnam.
1956
16. Juli: Die auf der Genfer Indochina-Konferenz festgelegten Wiedervereinigungswahlen
werden von Südvietnam aus Furcht vor einem kommunistischen Gesamtsieg verhindert.
1960
20. Dezember: Etwa 20 kommunistische und bürgerliche Parteien schließen sich in Südvietnam zur Nationalen Befreiungsfront (FNL) zusammen, die im Westen als Vietcong bekannt wird. Es entbrennt ein Bürgerkrieg zwischen FNL und der südvietnamesischen Regierung unter Diem. Im selben Jahr noch setzen die USA, die Diem
unterstützen, Napalm und Herbizide gegen die FNL ein.
1963
1. November: Putsch buddhistischer Generäle unter der Führung von Duong Van Minh in
Südvietnam: Diem wird getötet.
22. November: Kennedy wird ermordet.
12
1964
Jänner: Erneuter Putschversuch in Südvietnam; die instabilen Zustände im Teilstaat machen sich durch den im selben Jahr fünfmalig erfolgenden Wechsel zwischen zivilen
und Militärregierungen bemerkbar.
August: Tonking-Zwischenfall: Torpedoboote der DRV greifen den in ihr Hoheitsgebiet
eingedrungenen US-Zerstörer “Maddox” an. Ein von den USA fingierter zweiter Angriff auf die US-Marine dient als Vorwand zum Angriff auf Nordvietnam.
Tonking-Resolution: der US-Kongress erteilt dem neuen Präsidenten Johnson nahezu uneingeschränkte Vollmachten zur Kriegsführung in Vietnam.
1965
März: Erste US-Bodentruppen landen in Vietnam; kurz darauf finden die ersten großen
Antikriegsdemonstrationen in den USA statt.
1967
3. September: General Thieu wird in Südvietnam durch ein “relativ demokratische” Wahl
zum Präsidenten gewählt, er regiert aber genauso autoritär und diktatorisch wie seine
Vorgänger.
1968
31. Jänner Überraschungsoffensive der Vietcong (“Tet-Offensive”): unter anderem dringen Vietcong-Truppen bis in die US-Botschaft in Saigon ein; für sie ist die Operation
zwar eine militärische Niederlage, aber ein großer politischer Erfolg: die Vietcong
hinterlassen eine Spur des Schreckens.
Februar: US-Truppen gehen zum Vergeltungsschlag über; die Vietcong erleiden hohe
Verluste, die Hauptlast der Kriegsführung verlagert sich auf die DRV-Truppen.
13. Mai: In Paris finden offizielle Friedensgespräche zwischen der DRV und den USA
(deren Präsident sich erst unter massivem Druck der Öffentlichkeit zu Verhandlungen
drängen ließ) statt, die sich über fast fünf Jahre hinziehen werden.
Die internationale Protestbewegung gegen den “schmutzigen Krieg” wächst weiter
an.
31. Oktober: Der amerikanische Präsident Johnson verfügt einen vollständigen Bombardierungsstopp.
1969
18. März: Wiederaufnahme der amerikanischen Bombardierungen: Ziele sind vor allem
die DRV-Rückzugsgebiete in Kambodscha.
Mai: Sowohl FNL als auch USA schlagen Pläne zur Friedensregelung vor; Nixon (der seit
November 1968 Präsident ist) prägt das Schlagwort “Vietnamisierung” (≈ “NixonDoktrin”), d.h. den Abzug eigener Truppen und die Übertragung der militärischen
Verantwortung auf südvietnamesische Streitkräfte.
3. September: Ho Chi Minh stirbt im Alter von 75 Jahren; eine Vierergruppe übernimmt
die Führung Nordvietnams.
13
1970
Jahresende: Die amerikanische Präsenz in Vietnam geht schrittweise zurück, jedoch rüstet die südvietnamesische Armee (mit amerikanischer Unterstützung) massiv hoch.
1971
Jahresende: Die amerikanische Präsenz in Vietnam geht weiter rapide zurück; die militärische Hilfe beschränkt sich vor allem auf die Luftunterstützung.
1972
29. März: DRV-Truppen beginnen mit einer überraschenden Großoffensive, die südvietnamesische Grenzverteidigung wird regelrecht überrannt.
8. Mai: Zur Vergeltung ordnet Nixon die Wiederaufnahme der großflächigen Bombardements, eine Seeblockade und die Verminung des Hafens von Haiphong an.
September/Oktober: Ergebnisse der Pariser Friedensgespräche sind “greifbar nahe”, ein
möglicher Waffenstillstand wird jedoch von Südvietnam abgelehnt.
1973
27. Jänner: In Paris wird das “Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam” unterzeichnet.
29. März: Gemäß dem Abkommen werden sämtliche US-Truppen aus Vietnam abgezogen.
Jahresende: Trotz des Waffenstillstandsabkommens gehen die Kämpfe zwischen Nordund Südvietnam unvermindert weiter.
1974
Frühjahr: Reduzierung der US-Militärhilfe führt zur Verschärfung der Wirtschaftskrise
und zu noch chaotischeren Zuständen in Südvietnam.
1975
Jänner: DRV-Großoffensive im Zentralen Hochland; die demoralisierten südvietamesischen Truppen ergreifen die Flucht.
25. April: der südvietnamesische Präsident flieht angesichts der ausweglosen Lage nach
Taiwan.
30. April: DRV-Truppen marschieren in Saigon ein; Südvietnam kapituliert. → Ende des
Vietnamkriegs
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