Musikinstrumente sind unnötig

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LOKALE KULTUR
Montag, 9. Januar 2012
21
Orgel und Trompete
im kecken Dialog
Rippas und Fröschle auf dem Hohenrechberg
Prof. Claude Rippas aus Zürich
(Trompete) und KMD Friedrich
Fröschle an der Orgel gastierten in der voll besetzten Wallfahrtskirche Hohenrechberg.
LILLI ELL
Rechberg. Das Jahr festlich zu beginnen – dafür ist das Konzert am
Dreikönigstag in der Wallfahrtskirche auf dem Hohenrechberg der Garant. Es präsentierte Werke vom Barock über die Romantik bis hin zu
modernen Spirituals-Bearbeitungen. Das ist spannend, weil das Repertoire für die Trompete klein ist,
sodass die virtuos gespielten Werke
allesamt Bearbeitungen waren,
zum großen Teil von Prof. Rippas
selber, ursprünglich komponiert für
andere Instrumente.
Mit KMD Fröschle, ehemals Kantor am Ulmer Münster, hatte Rippas
einen zuverlässigen, einfühlsamen,
aber auch virtuos wirkenden Organisten an seiner Seite, der zum einen mit Geschick sich im Hintergrund hielt und nur begleitete, zum
anderen aber auch immer wieder
aus der zweiten Reihe heraustrat
und solistische Parts übernahm.
In drei Solostücken zeigte er
dann auch eindrucksvoll, welche
wunderbaren Töne er der Orgel zu
entlocken vermochte. In Bachs „Toccata F-Dur“ war nicht nur Musikalität, sondern auch Technik gefragt.
Auch das zweite Solostück nahm
den Glanz der Werke in den DurTonarten auf. Händels „Orgelkonzert B-Dur op. 4“ erklang mit der
gleichen feinsinnigen, intelligenten
Registrierung, die immer wieder
wie ein ganzes Orchester ertönte.
Im dritten Solostück wechselte
Fröschle in die Romantik. Mendelssohns „Sonate III A-Dur“ setzte sich
deutlich von der barocken Pracht
der anderen Werke ab. Hier kam die
Wirkung nicht so sehr von der kraftvollen, zupackenden Spielweise, als
vielmehr von den langen Tönen als
Orgelpunkt, weniger Tempo, als vielmehr besinnliches Innehalten.
Die Werke mit Trompetensolo waren klug gewählt. Das neue Jahr
sollte festlich barock mit kraftvollen
Klängen begrüßt werden. Den Auftakt dazu bildete Telemanns Sonate
in D-Dur aus „Der getreue Musikmeister“. Rasche Tempi, präzise ausgespielte Töne wechselten sich mit
weichen, sanften Klängen des Largo
ab, um dann wiederum im schnellen Allegro des Schlusssatzes auszuklingen.
Versonnenes
Kinderlied als
Kleinod
Ein Kleinod im Programm, wenn
auch eigenwillig in der Bearbeitung, eben in einer ganz neuen Instrumentenbesetzung, war Mozarts
„Variationen über Ah, vous dirai-je,
Maman“. Spielerisch versonnen erklang dieses Kinderlied wie ein kecker Dialog zwischen Orgel und
Trompete, dann wieder melancholisch besinnlich, rhythmisch pointiert, aber auch zart intonierend, je
nach Variation, um dann die Melodie am Schluss kraftvoll ausklingen
zu lassen. Den Schluss bildeten
zwei Spirituals.
Das Publikum war begeistert und
feierte die Akteure mit lang anhaltendem Beifall. Die Musiker bedankten sich mit zwei Zugaben.
Tolle Solisten, gut eingespielte, entspannte Musiker: Der Abend mit dem Johann-Strauß-Festival-Orchester in der Bad Überkinger Autalhalle erfreute am Samstag rund
Foto: Patricia Jeanette Moser
300 Gäste. Der Erlös kommt dem Verein „pro palliativ“ zugute.
Vorwiegend heiter
Neujahrs-Benefizkonzert in Bad Überkinger Autalhalle war ein voller Erfolg
Nach zwei Jahren fand in Bad
Überkingen wieder ein Neujahrs-Benefizkonzert zugunsten der Palliativstation der Geislinger Helfensteinklinik mit
dem Johann-Strauß-FestivalOrchester und Solisten statt.
PATRICIA JEANETTE MOSER
KMD Friedrich Fröschle (links) und Professor Claude Rippas aus Zürich musizierten
Foto: Rolf Ell
in der Wallfahrtskirche Hohenrechberg.
Bad Überkingen. So gegenwärtig
die positiven Erinnerungen an das
letzte Konzert in Bad Überkingen
waren, so leicht knüpften Orchester
und die 300 Gäste am Samstag daran an und verbrachten einen heiteren Abend bei anspruchsvoller gehobener
Unterhaltungsmusik.
Beim Neujahrs-Benefizkonzert zugunsten des Vereins „pro palliativ“
verzichteten sämtliche Künstler des
Johann-Strauß-Festival-Orchesters
und die Solisten auf einen Teil ihrer
Gage, die Autalhalle wurde kostenlos zur Verfügung gestellt und auch
die Mitarbeiter der kommunalen
Musikalisch komplett neu erzählt
Verwaltung taten ihren Dienst unentgeltlich.
Klaus Meissner, Vorstandsmitglied des Vereins „pro palliativ“,
sprach in Vertretung von Dr. Andreas Schuler dankende Worte an
alle und bezeichnete das Konzert
als ein Kulturhighlight in Bad Überkingen zum Jahresbeginn. Das Publikum stimmte ihm mit tosendem
Applaus zu.
Schwungvolle,
zeitlose und allseits
bekannte Melodien
Ganz im Gegensatz zum Wetter
vor der Halle, gestaltete sich der
Abend in der Halle vorwiegend heiter. Die schwungvollen Melodien
von George Bizet, Franz Lehar, Luigi
Arditi, Vittorio Monti, Albert Lortzing und natürlich Johann Strauß
sind zeitlos und allseits bekannt.
Die Sopranistin Adelinde Bohn
stellte ihr musikalisches wie schau-
spielerisches Können zum Beispiel
bei Arien aus der Oper Carmen von
Bizet, unter Beweis. Schwungvolle
Leichtigkeit, Leidenschaft und Tragik verkörperte sie glaubhaft und authentisch.
Ihr komisches Talent zeigte Bohn
zusammen mit Ingrid Frey, ebenfalls Sopran, in Gioachino Rossinis
Katzenduett, dessen Text ausschließlich aus „Miau“ besteht.
Dazu kokettierten die beiden in allen Varianten und spielten mit dem
Publikum, das sich dies nur allzu
gern gefallen ließ.
Zum ersten Mal dabei war das
Tanzensemble „Champuspearls“,
vier reizende junge Damen, die sich
zu temperamentvollen CancanRhythmen und auch leiseren Tönen
stilvoll zu bewegen wussten.
Jean-Paul Mathé, der Gründer
des Festival-Orchesters, führte charmant, mit feinem Humor und informativ durch den Abend. Mit Anekdoten zu den einzelnen Komponisten erweiterte er das Wissen des Publikums.
Herausragend darf der erste Geiger genannt werden, René Kubelik,
ein Großneffe des berühmten Raffael Kubelik. Schon beim ersten Ton
entstand eine Verbindung zwischen
Instrument und Künstler; eine
große Gefühlsvielfalt spiegelte sich
in seinem Spiel, seiner Mimik und
seiner Körpersprache. Wie das gesamte Orchester zeigte auch er großen Humor. Da wurde mal gewitzelt
Klassik bekommt
einen Hauch von
Leichtigkeit
und gelacht, und so bekam die Klassik einen weiteren Hauch von Leichtigkeit. All dies sprang vom ersten
Takt an auf das Publikum über, sodass der Wunsch nach mehr nur
selbstverständlich scheint. In zwei
Jahren, so versprach Mathé, kommt
das Orchester wieder. Auch diese
Ankündigung belohnte das Publikum mit einem tosenden Applaus.
Musikinstrumente sind unnötig
Stuttgarter Saloniker krempeln im Alten E-Werk Klassiker auch mal um Begeisterungsstürme im Kulturhof Erpfenhausen dank „MA’cappella“
Die Stuttgarter Saloniker führten ihr Publikum im Alten
E-Werk in Göppingen mit einem vielseitigen Programm virtuos und launig ins neue Jahr.
Beliebte Melodien wechselten
mit ausgefallenen Raritäten.
SABINE GRASER-KÜHNLE
Göppingen. Allein gepflegte Salonmusik mit den schon hundert Mal
gehörten Klassikern ist nicht Sache
der Stuttgarter Saloniker. Sie bieten
ihrem Publikum zudem die raren
musikalischen Kostbarkeiten und
kredenzen sie virtuos mit guter
Laune und der höchst vergnüglichen Anmoderation von Kapellmeister Patrick Siben.
Und so bekam das Publikum
beim Neujahrskonzert im Alten
E-Werk immer wieder gern Gehörtes von Strauß, Offenbach, Sousa
und Waldteufel serviert. Da wogte
es anregend pulsierend im herrlich
ausmusizierten Dreivierteltakt des
Straußwalzers „Wiener Blut“, und
kaum sind die Walzerwellen verebbt, kommt eine weiteres Straußwerk daher, dieses jedoch in neuem
Arrangement umgekrempelt, auf
den Kopf gestellt, musikalisch komplett neu erzählt: „Wenn Sie das Gefühl haben, Sie sind falsch, dann
sind Sie richtig“, sagte Siben eingangs. „Die Fledermaus returns“,
basiert auf der Straußoperette und
hat beim Arrangeur Oskar Aichinger Fantasien ausgelöst, die zwi-
schen Jazz und neuer Musik angesiedelt sind.
„Jetzt müssen Sie auch einmal etwas tun“, kündigte der Kapellmeister später an und verteilte Schlittenglocken im Publikum – zur klingenden Begleitung der „Petersburger
Schlittenfahrt“. „Wir spielen so
lange, bis alle einmal dran waren“,
versprach Siben. Mit Begeisterung
gaben die Gäste die Schellen durch
die Reihen, bimmelten im mitreißenden Trab der Musiker. Doch
letztlich galoppierten die Saloniker
den „Bimmlern“ in der rasant-musikalischen Fahrt davon.
Bei den Salonikern spielt der Kontrabassist auch mal ein Fagottsolo. Foto: sgk
Schräg, im synkopierten Ragtime-Rhythmus, mutet das Werk Debussys „Golliwoggs Cakewalk“ aus
seinem Werk Childrens Corner
auch heute noch sehr modern an
und als Kontrastprogramm durfte
der gute „Alte Brummbär“ von Julius Fucik noch einmal herhalten.
Doch es wären nicht die Stuttgarter
Saloniker, wenn sie sich diese Komposition nicht ebenfalls für ihre heiteren Zwecke nutzbar gemacht hätten. Und so spielte am Dreikönigstag der Kontrabassist ausgelassen
dieses beliebte Fagottsolo.
Im „Champagnergalopp“ von
Hans Christian Lumbye schickten
die Musiker ihre Gäste in die Pause,
um sie mit Sousas Marsch „Stars
and Stripes forever“ wieder auf die
Plätze zu locken. Das kurz zuvor genossene Bier schien dem Publikum
wohl bekommen zu haben, denn
der erfrischend spritzig dargebotene amerikanische Marsch wurde
mit lauten Bravorufen bedacht.
Nun machte sich im Alten
E-Werk das „String and Swing Orchester“ breit: „That moaning trombone“ von Thomas Bethel, auf
Schwäbisch „Dr Posaunenbruddler“, entführte die Zuhörer beschwingt in die beginnende Jazzära
um 1920, Klarinette, Trompete, Posaune strahlten in virtuosen Soli in
Philipp Brahams „Lime House
Blues“. Der „Schlittschuhläufer“
von Emil Waldteufel war der schon
traditionelle „Rausschmeißer“ und
entließ die Gäste mit galanten
Schwüngen auf heißen Kufen – eh,
Violinensaiten.
Wozu braucht man Instrumente, wenn es solche Stimmen gibt? Sechs junge Männer,
die sich „MA’cappella“ nennen,
ersetzten am Freitag im Kulturhof Erpfenhausen ein ganzes
Orchester „nur mit dem Mund“.
CLAUDIA BURST
Erpfenhausen. Total ausverkauft
war das Konzert von „MA’cappella“
am Freitagabend im Kulturhof Erpfenhausen. Ausverkauft sind auch
bereits beide Zusatzkonzerte im
Februar. Wer steckt hinter diesem
Namen? MA’cappella, das sind Daniel Schmid, Gerrit Illenberger, Jan
Jäger, Jens Schauz, Nicolas Köhler
und Sebastian Jäger. Alle gerade
mal 18 bis 23 Jahre alt und aus dem
Landkreis Heidenheim. Und alle gesegnet mit einer grandiosen
Stimme und viel Musikalität. Damit
rissen sie in Erpfenhausen das Publikum regelrecht von den Stühlen vor
Begeisterung.
Optisch brav im schwarzen Anzug und weißen Hemd inszenierten
die Jungs Pop- und Rockhits inklusive dazugehöriger Begleitinstrumente wie Gitarre, Bass, Schlagzeug
oder – wo passend – auch Posaune
oder Mundharmonika. Alles „mundgemacht“ – mit Stimme, Zunge, Lippen, Gaumen, Luft. Wozu braucht
man Musikinstrumente, wenn es
solche Möglichkeiten gibt, schien
sich manch einer der Zuhörer zu fragen.
Diese sechs Herren rissen das Erpfenhausener Publikum zu Begeisterungsstürmen
Foto: Claudia Burst
hin und verursachen Gänsehaut: MA’cappella.
Mit jugendlichem Charme nahm
die „Boygroup“ sowohl die älteren
Semester als auch die jungen Fans
sofort für sich ein. Romantik pur
füllte den Kulturhof bei Songs wie
„Breakfast at Tiffany’s“, „Only you“
oder „Yesterday“. Ganz toll kamen
auch deutsche Lieder von den „Prinzen“ oder humorvolle eigene Songs
wie „Nicos Romanze“ an.
Die Boygroup hatte neben ihren
fulminanten Stimmen und ihrer Ungezwungenheit noch mehr drauf:
fröhliche, unkomplizierte Überleitungen, kleine Gags am Rande, immer mal wieder choreografische
Einlagen. Dass ihnen selbst vor allem der Spaß an ihrer Musik wichtig
ist, war zu spüren und diese gute
Laune schwappte von Anfang an
aufs Auditorium über.
Zum Repertoire der Vollblutmusiker, die auf lokaler Ebene schon Hallen mit vielen Hunderten von Fans
füllen, gehört auch klassische Musik von Bach über Beethoven bis Debussy. Sie suchen sich für ihr ZweiStunden-Repertoire aus, was ihnen
gefällt. Selbst wenn es eigentlich
nicht a-cappella-geeignet ist. Dann
machen sie es einfach dazu.
Absolut umwerfend waren vor allem „The Lion sleeps tonight“ und
Michael Jacksons „Billy Jean“. Obwohl die sechs von Anfang an auf
hohem Niveau sangen, konnten sie
sich bis hin zur letzten Zugabe steigern. Elton Johns „Can you feel the
love tonight“ verursachte schließlich Gänsehaut-Feeling pur.
Lang anhaltender Applaus inklusive Füßetrampeln.
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