Hermann • Der Werbewert der Prominenz ISBN 978-3-8329-6874-8 65 BUC_Hermann_6874-8 .indd 1 Materialien zur interdisziplinären Medienforschung 65 Tobias Hermann Der Werbewert der Prominenz Vermögensrechtliche Ansprüche bei werblicher Zwangskommerzialisierung insbesondere von Politikern Nomos 27.10.11 09:52 http://www.nomos-shop.de/13942 Materialien zur interdisziplinären Medienforschung Herausgeber Professor Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem Band 65 BUT_Hermann_6874-8.indd 2 27.10.11 09:51 http://www.nomos-shop.de/13942 Tobias Hermann Der Werbewert der Prominenz Vermögensrechtliche Ansprüche bei werblicher Zwangskommerzialisierung insbesondere von Politikern Nomos BUT_Hermann_6874-8.indd 3 27.10.11 09:51 http://www.nomos-shop.de/13942 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2011 ISBN 978-3-8329-6874-8 1. Auflage 2012 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2012. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. BUT_Hermann_6874-8.indd 4 27.10.11 09:51 http://www.nomos-shop.de/13942 Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 11 Einleitung 13 Erster Teil: Rechtstatsächliche Grundlagen der Werbung A. Der Begriff Werbung B. Die Bedeutung der Werbung mit Prominenz C. Die unterschiedlichen Formen der Werbung mit Prominenz I. Produktwerbung (Image- und Sympathiewerbung) 1. Klassische Imagewerbung 2. Umgekehrte Imagewerbung II. Kommunikative Werbung mit sozialkritischer Botschaft (Schockwerbung) III. Hybride Werbung IV. Mediale Eigenwerbung 18 18 19 21 21 21 23 25 27 32 Zweiter Teil: Rechtliche Grundlagen der Werbung mit dem Bild oder Namen 34 A. Allgemeines Persönlichkeitsrecht I. Verfassungsrecht II. Zivilrecht B. Besonderes Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild nach dem KUG I. Der Grundsatz der Einwilligung, § 22 Satz 1 KUG 1. Bildnis 2. Rechtsnatur und Reichweite der Einwilligung 3. Einwilligung in die Veröffentlichung von Nacktfotos II. Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis nach § 23 I Nr. 1 KUG 1. Reichweite des Privatsphärenschutzes a) Differenzierung nach der Art der Person b) Stellungnahme und Kritik des EGMR c) Reaktion des BGH und des BVerfG d) Ausblick 2. Unerlaubte Bildniswerbung 34 34 39 42 43 43 45 47 50 50 50 54 58 60 65 5 http://www.nomos-shop.de/13942 III. Entgegenstehende berechtigte Interessen des Abgebildeten, § 23 II KUG IV. Rechtsfolgen C. Besonderes Persönlichkeitsrecht am eigenen Namen nach § 12 BGB 67 72 73 Dritter Teil: 75 Die Fälle Oskar Lafontaine und Joschka Fischer A. Der Fall Oskar Lafontaine ./. Sixt Leasing AG I. Das erstinstanzliche Urteil des LG Hamburg: Vorrang des kommerziellen Persönlichkeitsrechts II. Bestätigung durch das Berufungsurteil des OLG Hamburg III. Das Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs: Vorrang der Meinungsfreiheit des Werbenden IV. Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG B. Der Fall Joschka Fischer ./. Springer Vierter Teil: Die bisherige Rechtsprechung zur ungenehmigten Werbung mit Bildnissen Prominenter A. Klassische Produktwerbung B. Nutzung des Bildnisses als eigene Ware (Personenmerchandising) C. Abdruck des Bildnisses auf und in einem Produkt I. Bücher und Cover II. Abschieds- und Gedenkmedaillen III. Stellungnahme D. Nutzung des Bildnisses für ein Theaterstück, Musical oder einen Film I. Das Marlene-Urteil des KG Berlin II. Die Marlene-Urteile des Bundesgerichtshofs 1. Marlene I 2. Marlene II – Der blaue Engel a) Das Urteil b) Stellungnahme zum Doppelgänger als Bildnis des Originals III. Die Bestätigung der Marlene-Rechtsprechung des BGH durch das BVerfG IV. Stellungnahme zu Marlene I E. Werbung mit Meinungsäußerung des Werbenden I. Schockwerbung von Benetton 1. Benetton-Entscheidungen des BGH: Unlauterkeit der Werbung 6 75 76 77 78 79 80 83 83 84 86 87 88 89 92 92 93 93 95 95 96 97 97 110 111 111 http://www.nomos-shop.de/13942 2. Benetton-Entscheidungen des BVerfG: Meinungsfreiheit des Werbenden 3. Stellungnahme II. Lucky Strike: Werbung mit den Vornamen Prominenter 1. Berufungsurteile des OLG Hamburg: Vorrang des Persönlichkeitsrechts a) Dieter Bohlen ./. British American Tobacco b) Ernst-August von Hannover ./. British American Tobacco 2. Revisionsurteile des BGH: Vorrang der Meinungsfreiheit des Werbenden a) Dieter Bohlen ./. British American Tobacco b) Ernst-August von Hannover ./. British American Tobacco F. Mediale Eigenwerbung I. Urteil des BGH in Sachen Kundenzeitschrift „Chris Revue“ II. Urteil des LG Berlin in Sachen Alexander Schalck-Golodkowski 1. Inhalt der Entscheidung 2. Stellungnahme III. Urteil des BGH in Sachen Marlene III IV. Boris Becker – Abbildung auf der Nullnummer der FAZ 1. Inhalt der Entscheidung des LG München 2. Revisionsurteil des BGH 3. Stellungnahme V. Günther Jauch - Abbildung auf der Titelseite eines Rätselheftes 1. Urteile des LG und OLG Hamburg: Vorrang des Art. 5 I 2 GG 2. Urteil des BGH: Vorrang des Rechts am eigenen Bild bei minimalem Informationswert VI. Schlussfolgerung für den Fall Joschka Fischer ./. Springer 134 135 Fünfter Teil: 137 Ansprüche bei ungenehmigter Bildniswerbung A. Angemaßte Eigengeschäftsführung ohne Auftrag B. Bereicherungsrecht: Eingriffskondiktion I. Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion II. Bereicherungsgegenstand: Etwas erlangt III. Auf Kosten des Bereicherungsgläubigers 1. Eingriff in den wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt fremden Rechts a) Ablehnung der Rechtswidrigkeitstheorie b) Zuweisungstheorie: Normative Marktabgrenzung aa) Rein ideeller Ansatz im älteren Schrifttum 112 114 118 120 120 121 122 122 123 124 125 126 126 127 127 129 129 130 131 132 132 137 141 141 142 143 144 144 146 151 7 http://www.nomos-shop.de/13942 bb) Anerkennung wirtschaftlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts (1) Monistischer oder dualistischer Ansatz (2) Die Ansicht des BGH (3) Stellungnahme cc) Einschränkungen durch die Herrenreiter-Doktrin des BGH (1) Objektive Vermarktungsfähigkeit (2) Subjektive Vermarktungsbereitschaft (3) Stellungnahme zur immateriellen Lösung des BGH (4) Aufgabe der kommerziellen Präformierung durch den I. Zivilsenat des BGH und Stellungnahme (5) Festhalten an der Herrenreiter-Doktrin c) Der kommerzielle Wert von Politikern d) Zwischenergebnis 2. Grenzen des Zuweisungsgehalts der Persönlichkeitsrechte a) Zeitliche Begrenzung des Zuweisungsgehalts der Persönlichkeitsrechte b) Sachliche Begrenzung des Zuweisungsgehalts der Persönlichkeitsrechte aa) Zivilrechtliche Begrenzungen (1) Sittenwidrigkeit der Politikerwerbung, § 138 I BGB (2) Verstoß gegen § 134 BGB i.V.m. Art. 66 GG als Verbotsgesetz (a) Art. 66 GG direkt (b) Art. 66 GG analog (c) Auswirkungen der Nichtigkeit eines hypothetischen Lizenzvertrages auf die Bereicherungshaftung (3) Zwischenergebnis bb) Grundrechte des Werbeträgers - das „normenhierarchische Argument“ des BGH (1) Schutz des kommerziellen Persönlichkeitsrechts über Art. 2 I, 1 I GG (a) Der irreführende Leitsatz in der Caroline-IIEntscheidung des BVerfG 8 153 154 157 159 164 166 167 169 171 176 179 180 181 181 183 184 184 186 186 187 190 192 192 194 194 http://www.nomos-shop.de/13942 (b) Das Recht auf wirtschaftliche Selbstbestimmung und seine Mystifizierung (c) Wechselwirkung zwischen ideellen und materiellen Interessen (d) Abwehrrecht gegen den Staat und Schutzpflicht des Staates (e) Wertungswiderspruch und Grenze der Kommerzialisierung (f) Abwägung jedenfalls über Art. 5 II GG (2) Schutz des kommerziellen Persönlichkeitsrechts über Art. 14 I 1 GG (a) Formale Kritik am eigentumsrechtlichen Ansatz (b) Vergleich mit dem Urheberrecht (c) Das Leistungskriterium (3) Ergebnis cc) Grundrechte des werbenden Unternehmens (1) Satire als Unterfall des Art. 5 III 1 Var. 1 GG? (2) Kommerzielle Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 GG (3) Pressefreiheit, Art. 5 I 2 GG dd) Abwägung nach dem Schwerpunkt der Werbung (1) Zuordnung der Werbung zur betroffenen Teilöffentlichkeit (a) Politische Öffentlichkeit (b) Unterhaltungsöffentlichkeit (aa) Dogmatische Einordnung des medialen Vorverhaltens und Beispiele (bb) Imagelehre von Ladeur (cc) Grenzen der Unterhaltungsöffentlichkeit (c) Wirtschaftliche Öffentlichkeit (d) Öffentlichkeitsübergreifende Äußerungen (aa) Verknüpfung von Politik- und Unterhaltungsöffentlichkeit (bb) Einordnung hybrider Werbeanzeigen (cc) Vorteilsausgleich (dd) Selbstregulierung innerhalb der betroffenen Teilöffentlichkeit (ee) Vergleich mit Kommunikation im Straßenraum (2) Auslegung hybrider Werbeanzeigen 197 201 202 203 205 206 209 212 214 220 222 222 224 226 226 227 230 234 236 239 244 245 248 249 250 253 257 260 261 9 http://www.nomos-shop.de/13942 (a) Perspektive eines unbefangenen Betrachters (b) Motivation des Werbenden: Verführung durch trojanische Pferde (c) Zwischenergebnis (d) Funktionen des Art. 5 I 1 GG (e) Kalkulierter Rechtsbruch: Goliath herausfordern (f) Vergleich mit Rechtsprechung zur Geldentschädigung (g) Ergebnis (3) Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 I EMRK (4) Ausbeutung des Werbe- und Imagewertes (5) Sachlicher Zusammenhang zwischen Werbung und Werbeträger (6) Ehren-, Image- und Intimschutz des Werbeträgers 3. Bewertung der Fälle Lafontaine und Lucky Strike a) Sixt ./. Lafontaine b) Lucky Strike-Entscheidungen: Künftige juristische Humorkontrolle c) Zusammenfassung 4. Abweichendes Ergebnis für den Fall Fischer ./. Springer 5. Rechtsfolge a) Allgemeine Bereicherungshaftung, § 818 I-II BGB b) Grundsätze der dreifachen Schadensberechnung c) Höhe des Wertersatzes d) Verschärfte Bereicherungshaftung, §§ 819 I, 818 IV, 285 I BGB e) Ergebnis f) Entreicherung, § 818 III BGB 261 264 270 270 273 275 277 278 280 284 290 293 293 296 299 301 303 303 306 308 312 317 318 Schlussbetrachtung 320 Bilderverzeichnis 323 Literaturverzeichnis 337 10 http://www.nomos-shop.de/13942 Einleitung Die Diskussion über die Rechtsprobleme des Persönlichkeitsschutzes hat sich verlagert. Nach der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den BGH im Jahre 1954 ging es zunächst als Reaktion auf den Werteverfall im Zuge des Nationalsozialismus1 fast ausschließlich um den Schutz der ideellen Interessen der Persönlichkeit,2 insbesondere durch einen Anspruch auf Geldentschädigung.3 Diese primär ideelle Schutzrichtung wird – historisch betrachtet völlig zu Recht auch heute noch stets besonders hervorgehoben. Im Zeitalter der modernen Mediengesellschaft stehen dagegen die wirtschaftlichen Aspekte des Persönlichkeitsrechts im Vordergrund,4 um deren Anerkennung bis Ende der 1990er Jahre heftig gestritten wurde. Die Attraktion und Symbolkraft der Identitätsmerkmale berühmter Persönlichkeiten ist für eine moderne Kulturwirtschaft geradezu charakteristisch5 und löst eine Nachfrage von verschiedener Seite aus. Die Prominenz einer Person kann auf vielfältige Art und Weise verwertet werden.6 Zu den häufigsten Formen der Vermarktung zählt das Merchandising, bei dem durch die körperliche Verbindung des Persönlichkeitsmerkmals mit einem Produkt ein besonderer Kaufanreiz geschaffen werden soll.7 Ob Bilder eines Prominenten auf Tassen, T-Shirts oder Büchern, das Personenmerchandising8 hat sich längt zu einem eigenen Industriezweig entwickelt9 und zwar nicht nur zu Lebzeiten des Prominenten, sondern über seinen Tod hinaus.10 Einerseits kann der Promi1 Fuchs, Deliktsrecht, S. 37. Ausführlich zum Persönlichkeitsrecht im Nationalsozialismus: Martin, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, S. 209-225. 2 Jung, Die Vererblichkeit des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 183; Hartl, Persönlichkeitsrechte als verkehrsfähige Vermögensgüter, S. 17 ff., 26 f. Ausführlich dazu: Martin, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, S. 227 ff. 3 Siehe nur: BGHZ 128, S. 1 ff. – Caroline von Monaco I; BVerfGE 34, S. 269 ff. – Soraya. In beiden Entscheidungen ging es um ein von der Presse erfundenes Interview. Zusammenfassend: Gounalakis, AfP 1998, S. 10-25; Wachs, Entschädigungszahlungen, S. 10 ff. Ausführlich dazu: Vierter Teil, D. IV. und Fünfter Teil, B. III. 1. b) cc) (3). 4 Dreier/Schulze-Dreier, Vor §§ 22 ff. KUG Rn. 1; Klüber, Persönlichkeitsschutz und Kommerzialisierung, S. 7. 5 Seemann, Prominenz als Eigentum, S. 1 f. 6 Allgemein dazu: Friedrich, Unerlaubte Vermarktung. Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, S. 29 ff. Instruktiv zur Frage, wie man Prominenz kommerzialisiert: Schneider, Der Januskopf der Prominenz, S. 237-316. 7 Schertz, AfP 2000, S. 495 (497); Schulze Wessel, Die Vermarktung Verstorbener, S. 74. 8 Siehe dazu ausführlich die gleichnamige Promotion von Magold sowie Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 256. Aus der Rechtsprechung: BGH GRUR 1987, S. 128 ff. – Nena. 9 Seemann, Prominenz als Eigentum, S. 55; genaue Marktdaten finden sich bei Schertz, ZUM 2003, S. 631 (633). 10 Schulze Wessel, Die Vermarktung Verstorbener; Taupitz/Müller, Rufausbeutung nach dem Tode: Wem gebührt der Profit? Näher dazu: Vierter Teil, D. 13 http://www.nomos-shop.de/13942 nente über diesen Weg sein Image aufbauen und sich eine zusätzliche Verdienstquelle erschließen. Andererseits wird die Privatsphäre von Prominenten in Presse und Rundfunk durch Paparazzi-Fotos11 oder erfundene Interviews12 gegen ihren Willen vermarktet. Neuerdings wird auch die unbefugte wirtschaftliche Verwertung fremder Persönlichkeitsmerkmale im Rahmen von „Comedy“ 13 und Reality-Literatur14 diskutiert. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen Fälle, in denen Wirtschafts- und Presseunternehmen mit dem Namen oder Bildnis eines prominenten Politikers werben, obwohl dieser der Werbung nicht zugestimmt hat. Für diese Fälle hat sich der Begriff der rücksichtslosen „Zwangskommerzialisierung“ einer Person als Mittel der Absatz- oder Auflagensteigerung zur Verfolgung rein kommerzieller Interessen eingebürgert.15 Mit der „Kommerzialisierung der eigenen Persönlichkeit“ wird das Phänomen bezeichnet, dass Persönlichkeitsrechte einen eigenen Leistungsgegenstand darstellen können,16 wobei dies in den Fällen der Zwangskommerzialisierung ohne oder gegen den Willen des Betroffenen erfolgt. Bereits im Jahre 1956 hat der BGH anerkannt, dass einem Prominenten ein Anspruch aus Eingriffskondiktion zustehen kann, wenn sein Bildnis unerlaubt vermarktet wird.17 Auch das LG und OLG Hamburg haben diese Frage in den Fällen Lafontaine und Fischer bejaht.18 Spätestens seit den beiden Grundsatzurteilen des BGH vom 1.12.1999 in Sachen Marlene Dietrich19 besteht in Rechtsprechung und Literatur weitestgehend Einigkeit darüber, dass sich das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Ausprägungen auch auf wirtschaftliche Belange erstrecken, so dass im Hinblick auf die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen genau zwischen der Verletzung der materiellen (vermögenswerten = kommerziellen) und immateriellen (ideellen) Bestandteile des Persönlichkeitsrechts zu unterscheiden 11 Dazu ausführlich: Fahrenhorst, ZEuP 1998, S. 84-103. 12 BGH NJW 1965, S. 686 ff. – Soraya; BGHZ 128, S. 1 ff. – Caroline I. Ausführlich zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Massenmedien: Tacke, Medienpersönlichkeitsrecht. 13 Lüssmann, Persönlichkeitsschutz und „Comedy“; Wenmakers, Rechtliche Grenzen der neuen Formen von Satire im Fernsehen. 14 Dörre, Rechtsschutz gegen Reality-Literatur; Frey, Romanfigur wider Willen auf der Grundlage von BVerfG NJW 2008, S. 39 ff. – Esra. 15 Siehe nur: BGH NJW 1995, S. 861 (865) – Caroline I; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, Rn. 85, 90; Jung, Die Vererblichkeit des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 170-172; Marwitz, AfP 2003, S. 405-409; Seitz, NJW 1996, S. 2848; Siemes, AcP 201 (2001), S. 202-231. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht: Schneider, Der Januskopf der Prominenz, S. 297. 16 Claus Ahrens, Verwertung, S. 435, 531 ff. 17 BGHZ 20, S. 345 ff. – Paul Dahlke. 18 Siehe dazu: Dritter Teil. 19 Siehe dazu: Vierter Teil, D. 14 http://www.nomos-shop.de/13942 ist.20 Das Persönlichkeitsrecht muss heute den Spagat zwischen Abwehr- und Verwertungsrecht schaffen,21 wobei jedoch divergierende Urteile der Instanzgerichte zur Frage ergehen, inwieweit Ansprüche wegen der Verletzung der kommerziellen Bestandteile bestehen und unter welchen Voraussetzungen. Auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es bislang nur ansatzweise gelungen, ein geschlossenes dogmatisches Konzept zu entwickeln,22 insbesondere was die verfassungsrechtlichen Grundlagen des kommerziellen Persönlichkeitsrechts angeht. Helle spricht daher von einer „Großbaustelle“.23 Diese Arbeit mag dazu beitragen, die Arbeiten auf dieser „Großbaustelle“ weiter voranzubringen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen von unerlaubter Werbung mit Prominenz waren bislang nur vereinzelt Gegenstand juristischer Abhandlungen.24 Im Ersten Teil geht es zunächst darum, die rechtstatsächlichen Grundlagen der Werbung herauszuarbeiten und die verschiedenen Werbeformen gegeneinander abzugrenzen. Die Werbung hat sich gewandelt und das Recht muss auf diese Wandlung mit differenzierten Lösungen reagieren. Insbesondere der Einsatz Prominenter erfolgt heute nicht mehr allein mit dem Ziel, das positive Image eines bestimmten Prominenten auf ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung zu übertragen (Erster Teil, C. I. 1.), wie z.B. im Fall von Thomas Gottschalk auf die Goldbären von Haribo. Die Werbung des 21. Jahrhunderts ist vielschichtig und lässt sich nicht mehr auf die klassische Image- und Sympathiewerbung in dem eben genannten Sinne reduzieren (Erster Teil, C. IV.). Die satirische Werbung der Sixt Leasing AG mit dem Bildnis von Oskar Lafontaine und der Zigarettenfirma British American Tobacco mit den Vornamen von Ernst-August von Hannover und Dieter Bohlen dokumentieren diese Entwicklung der Werbung hin zu neuen Spielarten und Mischformen aus wirtschaftlicher und politisch-gesellschaftlicher Kommunikation ganz deutlich. Der I. Zivilsenat des BGH hat im Fall Lafontaine ./. Sixt am 26. Oktober 2006 ein Grundsatzurteil gefällt und das kommerzielle Persönlichkeitsrecht von Politikern stark reduziert,25 nachdem Lafontaine in den Vorinstanzen noch ein Zahlungsanspruch wegen der unerlaubten Werbung mit seinem Bild- 20 Fuchs, Deliktsrecht, S. 45, 48; 51-53; Gerda Müller, VersR 2008, S. 1141 (1151 f.); Soergel/ Beater, § 823 BGB Anh. IV Rn. 30. 21 Biene, Starkult, Individuum und Persönlichkeitsgüterrecht, S. 160. 22 Klüber, Persönlichkeitsschutz und Kommerzialisierung, S. 6 f. 23 Helle, JZ 2008, S. 138 (138). Dabei bezieht sich diese Einschätzung nicht nur auf die Rechtslage in Deutschland, sondern auch auf die in Frankreich und England. 24 Gauß, Der Mensch als Marke; Knudsen, Werbung mit Prominenten; Magold, Personenmerchandising; Schertz, Merchandising; Seemann, Prominenz als Eigentum. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht: Zenk, Die versixte Merkel. 25 BGH NJW 2007, S. 689-691 - Rücktritt des Finanzministers. 15 http://www.nomos-shop.de/13942 nis zuerkannt wurde.26 Dieses Grundsatzurteil hat der I. Senat in zwei weiteren Urteilen vom 5. Juni 2008 zur unerlaubten Werbung mit den Vornamen von zwei Protagonisten der Unterhaltungsöffentlichkeit - Dieter Bohlen und Ernst-August von Hannover - bestätigt (Vierter Teil, E. II.).27 Demgegenüber hat das LG Hamburg am 27. Oktober 2006 ein vom BGH abweichendes Urteil zugunsten von Joschka Fischer gefällt, der ohne seine Einwilligung vom Springer-Verlag als prominenter Werbeträger für eine neue Tageszeitung eingesetzt wurde.28 Die im Ergebnis divergierenden Urteile in Sachen Lafontaine und Fischer stehen im Mittelpunkt dieser Untersuchung. Die Lösung des Problems der Zwangskommerzialisierung fremder Persönlichkeitsmerkmale wird dadurch verkompliziert, dass sich die Werbung in den genannten Fällen nicht in einer reinen Wirtschaftskommunikation in Gestalt einer bestimmten Produktaussage erschöpft, sondern darüber hinaus in ironischer oder provokanter Weise auf ein aktuelles Thema Bezug nimmt, das einen unter den Schutz des Art. 5 I GG fallenden Kommunikationsakt darstellen könnte. Für die rechtliche Lösung dieser Fälle sog. hybrider Werbung29 müssen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Ausprägungen des Rechts am eigenen Bild und Namen auf der einen und die Kommunikationsgrundrechte des werbenden Unternehmens aus Art. 5 I GG auf der anderen Seite in einen gerechten und schonenden Ausgleich gebracht werden. Im Zweiten Teil wird zunächst die verfassungsrechtliche (A. I.) von der zivilrechtlichen Seite des allgemeinen Persönlichkeitsrecht (B. II.) abgegrenzt, da diese Unterscheidung maßgeblich ist für die spätere Lösung der Streitfälle im Fünften Teil. Im Anschluss sollen die besonderen Persönlichkeitsrechte am eigenen Bild nach dem Kunsturhebergesetz (KUG, B.) und Namen gemäß § 12 BGB (C.) dargestellt werden. Die Urteile in Sachen Lafontaine und Fischer werden im Dritten Teil inhaltlich zusammengefasst. Im Vierten Teil wird die bisherige Rechtsprechung zur ungenehmigten Werbung mit Bildnissen Prominenter systematisiert und zusammengefasst, um mögliche Kriterien für die spätere Abwägung zwischen den Interessen des Werbeträgers und 26 OLG Hamburg ZUM 2005, S. 164 (164 ff.); LG Hamburg ZUM 2004, S. 399 (399 ff.) Rücktritt des Finanzministers. Siehe Bilderverzeichnis Motiv 1. Die Firma Sixt hat sich geweigert die Werbeanzeigen für die Veröffentlichung in dieser Arbeit zur Verfügung zu stellen und dem Autor mit der Einschaltung eines Rechtsanwalts gedroht! 27 BGH Urteile vom 5. Juni 2008 – I ZR 223/05 = AfP 2008, S. 598 (598 ff.) - Schau mal, Dieter/ Geschwärzte Worte; I ZR 96/07 – War es Ernst? Oder August? = AfP 2008, S. 596 ff. Siehe Bilderverzeichnis Motive 8a) und 8b). 28 LG Hamburg AfP 2006, S. 585 (585 ff.) – Joschka Fischer (noch nicht rechtskräftig). Siehe Bilderverzeichnis Motiv 18. 29 Näher zu diesem Begriff: Erster Teil, C. III. 16 http://www.nomos-shop.de/13942 des Werbenden zu finden. Es kann dazu an die Fallgruppen angeknüpft werden, die Schertz in diesem Zusammenhang herausgearbeitet hat.30 Es stellt sich im Fünften Teil abschließend die entscheidende Frage, ob dem betroffenen Persönlichkeitsträger Zahlungsansprüche gegen den Werbenden wegen der ungenehmigten Verwendung seines Bildnisses oder Namens zustehen. Haben Politiker genau wie Schauspieler oder Sportler ein Recht sich selbst zu vermarkten und können ihnen daher ebenfalls Zahlungsansprüche wegen unerlaubter Vermarktung gegen ein Wirtschafts- oder Presseunternehmen zustehen? Diskutiert werden insbesondere Ansprüche des Abgebildeten bzw. Namensträgers aus angemaßter Geschäftsführung ohne Auftrag (Fünfter Teil, A.) und Bereicherungsrecht (B.), wobei der verschuldensunabhängige Bereicherungsanspruch hier im Mittelpunkt der Erörterung steht. Ansprüche aus Delikt, Marken- und Wettbewerbsrecht sollen dabei weitestgehend außer Betracht bleiben. Die Ausführungen zu den kollidierenden Grundrechten im Bereicherungsrecht können auf das Deliktsrecht übertragen werden. Bei der Frage nach möglichen Zahlungsansprüchen des Betroffenen muss nicht nur zwischen den einzelnen Formen der Werbung differenziert werden (Erster Teil, C.), sondern auch nach der Person des Werbenden. Handelt es sich um ein reines Wirtschaftsunternehmen, welches seine Werbung mit einer meinungsbildenden Aussage verbindet, kann sich das Unternehmen auf die Meinungsäußerungsfreiheit berufen. Eine ausführliche Analyse und kritische Auseinandersetzung mit den drei bereits erwähnten BGH-Urteilen erfolgt im Fünften Teil im Rahmen der Prüfung eines möglichen Bereicherungsanspruchs der Betroffenen (B.). Handelt es sich bei dem Werbenden dagegen um ein Medienunternehmen, wie im Fall des Springer-Verlages und seiner ungenehmigten Werbung mit dem verjüngten Bild von Joschka Fischer für die neue Tageszeitung „Welt Kompakt“ (sog. publizistische Zwangskommerzialisierung)31 ist dies im Hinblick auf die Pressefreiheit nach Art. 5 I 2 GG von besonderer Bedeutung und könnte eine abweichende Beurteilung der BGH-Urteile in Sachen Lafontaine und Lucky Strike rechtfertigen.32 Auf die besondere Bedeutung der Pressefreiheit für die Frage nach Ansprüchen der betroffenen Werbeträger wegen unerlaubter Bildniswerbung wird insbesondere im Vierten Teil (F.) ausführlich eingegangen. 30 Schertz, Merchandising; derselbe, AfP 2000, S. 495-505; derselbe, FS Hertin, S. 709-741. 31 Seitz, AfP 2010, S. 127 (127). 32 Siehe dazu: Erster Teil, C. III. 17