5 KAPITEL A Einleitung 1. Was ist Plasma? a) Erste Näherung Wenn man einen Körper erhitzt, durchläuft er nacheinander die Phasen fest, flüssig, gasförmig. Bei weiterer Erhitzung fängt das Gas zu leuchten an, die Moleküle werden dissoziiert, angeregt, schließlich ionisiert. Ein solches ionisierte Gas nennt man auch ein Plasma. Vielleicht haben die alten Griechen bei ihren „Elementen“ Erde, Wasser, Luft an die drei Aggregatzustände fest, flüssig, gasförmig gedacht. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, Plasma als den vierten Aggregatzustand zu bezeichnen (Feuer). Man muß allerdings bedenken, daß der Begriff „Phasenübergang“, also der Übergang von einem in den anderen Aggregatzustand in der Physik relativ fest umrissen ist: Es ändern sich bestimmte, einen Stoff charakterisierende Parameter sprunghaft. Dies ist beim Übergang vom Gas in den Plasmazustand nicht der Fall. Trotzdem hat ein genügend ionisiertes Gas ein qualitativ anderes Verhalten als ein kaltes Gas. Dieses Verhalten hängt mit der Leitfähigkeit des Plasmas zusammen: Es können Ströme fließen, die ein Magnetfeld erzeugen, das wiederum die Teilchenbewegung beeinflußt. In erster Näherung bezeichnen wir als Plasma also ein Gas, das geladene Teilchen enthält, die sich merklich beeinflussen. Um die charakteristischen Eigenschaften eines Plasmas genauer zu umreißen, muß man sie gegen die von einzelnen geladenen Teilchen abgrenzen. Der Unterschied wird deutlich bei der Konstruktion eines Beschleunigers. Bei einem Teilchenbeschleuniger wird das Vakuumfeld so ausgelegt, daß ein einzelnes Teilchen die gewünschte Bahn durchläuft. Bei einem Plasmabeschleuniger ist dies nicht möglich. Im Plasma, das beschleunigt werden soll, fließen Ströme, die das Vakuumfeld merklich verzerren. Stellt man sich z.B. als Modell eine Flüssigkeit mit unendlicher Leitfähigkeit vor, • so würde wegen U = −Φ und U = 0 der Fluß erhalten bleiben, d.h. das Magnetfeld kann nicht in das Plasma eindringen. Das Magnetfeld „verbiegt“ so, daß es außerhalb vom Plasma vorbeirutscht. Diese Verbiegung beruht auf Zusatzfeldern, die durch die Ströme im Plasma erzeugt werden. Der Unterschied zwischen beiden Fällen ist der, daß in einem Fall das Vakuumfeld maßgebend ist, im anderen das selbstkonsistente Feld, d.h. das Feld, das von den 6 äußeren Strömen und der Bewegung der Teilchen erzeugt wird, die wiederum vom Feld abhängt. b) Quasineutralität α) Kraft bei Ladungstrennung In einem Gas aus gleich vielen positiven und negativen Teilchen sorgen die elektrostatischen Kräfte zwischen den Teilchen für einen Ausgleich der Ladungen. Um ein Bild von der Größe dieser Kräfte zu bekommen, betrachten wir ein Plasma, in dem irgendwelche Größen sich nur entlang einer Richtung ändern, dies sei die x-Richtung, im übrigen gilt ∂ = ∂ =0 . ∂y ∂z Das Plasma hat eine geschichtete Struktur: innerhalb jeder Schicht sind alle physikalischen Abb. A.1: Eindimensionales Plasmamodell. Vor einem festen, homogenen Ionenhintergrund bewegen sich die Elektronen in x - Richtung, wobei sie in Schichten angeordnet Größen konstant, während sie von Schicht zu Schicht variieren dürfen. Die Ionen bilden einen Hintergrund mit konstanter Teilchenzahldichte n. Im ungestörten Fall sei diese identisch mit der Elektronendichte ne. Die Elektronen sind aber beweglich, so daß ne im allgemeinen eine Funktion von x ist: ne(x). Die Elektronen mögen an einer Stelle des unendlich ausgedehnten Plasmas um eine Strecke x komprimiert werden, während die Ionen fest bleiben mögen. Wenn der die Kompression verursachende Kolben im Gleichgewichtsfall bei x = 0 liegt, befindet sich nach der Verschiebung um ∆x in dem vergrößerten Volumenteil eine Ladung ne 0 ∆V = ne 0 A∆x Wie sich die verschobenen Elektronen in x-Richtung verteilen, ist dabei völlig belanglos, wenn nur darauf geachtet wird, daß sich verschobene Schichten nicht überholen. Die 7 Feldstärke ist nach dem Gaußschen Satz, da aus den Seitenflächen wegen der Symmetrie kein Fluß austritt und im unendlichen das Feld E = 0 sein soll ρ e n AE(∆x) = ε = ε0 ∆x 0 0 e n E(∆x) = ε0 ∆x 0 Beispiel: A.1 n = 1014cm-3, ∆x = 1mm, 1/4πε0 = 9 109Vm/As, e0 = 1,6 10-19As E = 4π9 ⋅ 10 9 ⋅ 1, 6 ⋅ 10 −19 ⋅ 10 20 ⋅ 10 −3 = 1, 6 ⋅ 10 9 V/m Es wäre eine praktisch nicht realisierbare Feldstärke notwendig. Entsprechend gigantisch sind die notwendigen Kräfte und Energien. β) Debye-Abschirmung Bringt man in ein Plasma eine zusätzliche Ladung, so verschieben sich die Ladungen des Plasmas in der Umgebung so, daß in einer gewissen Entfernung das Störfeld abgeschirmt ist. Die Strecke, auf der das Störfeld auf 0 abfällt, nennt man Debyelänge. Sie hängt von der Temperatur der abschirmenden Teilchen ab. Die Lage ist ähnlich wie in der Erdatmosphäre. Bei T = 0 würde die gesamte Atmosphäre am Erdboden liegen. Bei endlichem T ergibt sich eine endliche Dicke der Atmosphäre aus den zwei entgegengesetzten Tendenzen: Erdanziehung und Diffusion. Die Diffusion, die von der Temperatur abhängt, wirkt der Erdanziehung entgegen. Um die Schichtdicke im Plasma zu ermitteln, greifen wir auf unser obiges eindimensionales Problem zurück. Als Störung wird an der Stelle x = 0 ein bestimmtes Potential ϕ0 angelegt. Es wird nach dem selbstkonsistenten Potentialverlauf ϕ(x) gefragt, der sich ergibt, wenn sich die Elekronen frei in dem Potential, das sie selbst beeinflussen, bewegen. Ausgehend von den Maxwellschen Gleichungen hat man e divE = dE = (n i − n e ) ε 00 dx dϕ gradϕ = = −E dx d2 ϕ e nach Elimination von E ergibt sich die Poissongleichung: 2 = −(n i − n e ) ε 0 0 dx 8 Die Teilchendichte in dem selbstkonsistenten Feld ist durch die Boltzmannformel gegeben n e = ne −q e ϕ/kT (qe = - e0 ist die Ladung des Elektrons ) d2ϕ e n e = − ε 0 (n − ne e 0 ϕ/kT ) = − ε0 (1 − e e 0 ϕ/kT ) 2 0 0 dx d2ϕ e n = − ε0 (1 − e e 0 ϕ/kT ) 2 0 dx Falls (A.2) e0ϕ d 2 ϕ e 2 nϕ << 1, wird hieraus 2 = 0 kT ε 0 kT dx ϕ = ϕ 0 e ±x/λ D mit der Lösung Abb. A.2: Der Potentialverlauf im Plasma in der Umgebung einer Störung bei x = 0. mit λ 2D = ε 0 kT e 20 n (A.3) Bei x = ±∞ muß das Potential verschwinden. Dies schließt in jeder Halbebene eine der Lösungen aus. Als Potentialverlauf ergibt sich ϕ = ϕ 0 e − x /λ D λD ist die Debye-Länge. Eine Faustformel für die Debye-Länge ist λD T/K cm = 6, 9 n/cm −3 9 In Bereichen L>>λD herrscht Neutralität. Damit man von einem Plasma sprechen kann, muß L>>λD gelten, wobei L eine charakteristische Länge ist. Wenn keine kleinere Länge wichtig ist, setzt man für L die Ausdehnung des Plasmas ein. Man sagt, das Plasma ist quasineutral und meint damit, es können ne und ni in Randbezirken von der Ausdehnung der Debyelänge verschieden sein oder in Bereichen L<<λD bei thermischen Fluktuationen des Plasmas. Da sehr viele Teilchen vorliegen, kann bei einer prozentual geringen Abweichung von ne und ni ein elektrisches Feld erzeugt werden. E-Felder und die damit verknüpften Ströme und B-Felder spielen für die Plasmadynamik eine entscheidende Rolle, während die Abweichungen von ne und ni keine Rolle spielen. In den meisten Fällen kann man die Plasmadynamik ohne Betrachtung der Ladungsdichte behandeln. Die Ladungsdichte ergibt ρ sich als letzter Schritt aus der Poisson-Gleichung divE = ε . Die Schwierigkeit bei dem 0 Begriff Quasineutralität besteht darin, daß man in manchen Problemen ne = ni setzen darf, in anderen nicht. γ) Plasmafrequenz Nach A.1 erfahren aus der Gleichgewichtslage bewegte Elektronen eine elastische Kraft. Die Bewegungsgleichung für ein solches Elektron ist e2n •• − ε0 ∆x = m e ∆ x 0 Es ergibt sich also eine harmonische Schwingung der Frequenz ne 2 ω2p = m ε0 e 0 (A4) Man nennt diese Schwingung die Plasmaschwingung und ihre Frequenz die Plasmafrequenz. δ) Ladungstrennung durch thermische Energie Um die Entfernung abzuschätzen, über die aufgrund der thermischen Bewegung eine Ladungstrennung erfolgen kann, setzen wir die Energie, die man für eine Trennung der Ladungen um x benötigt, gleich der thermischen Energie 10 W q ≈ 1 F∆x = 1 eE∆x, E = ne ε 0 ∆x 2 2 2 → Wq = ne ∆x 2 2ε 0 ε kT Setzt man W q = 1 kT wird ∆x 2 = 0 2 2 ne Die thermische Bewegung kann also eine kurzzeitige Ladungstrennung über Distanzen der Größe der Debyelänge erzeugen. eϕ << 1 nicht erfüllt ist. Bei der kT Berechnung des Schichtpotentials oben muß also streng genommen die Poissongleichung Man erkennt an dieser Abschätzung, daß die Näherung (A2) exakt gelöst werden. Dies ist numerisch leicht möglich. Man normiert ϕ auf ϕ0 = kT/e: ϕ´=ϕ/ϕ0 und x auf eine Größe x0 so, daß der Vorfaktor in der Poissongleichung 1 wird. Es stellt sich heraus, daß für x0 die Debyelänge gewählt werden muß: x 0 = ε 0 kT e 20 n Die Poissongleichung für dimensionslose Größen ϕ´ und x´= x/x0 heißt dann d2ϕ/ / = − 1 − e ϕ /2 dx (A5) Als Anfang für den ersten Rechenschritt nimmt man am besten die asymptotische Lösung (eϕ << kT), die weit außerhalb des Maximums gilt. Die Rechnung zeigt, daß die Abweichung Abb. A.3: In dimensionslosen Koordinaten wird die Halbwertsbreite der Verteilung bei 1 liegen. von dieser Lösung von der asymptotischen im Maximum die Kurve etwa 20 % beträgt. Man kann auch, ohne die numerische Rechnung im einzelnen durchzuführen, sehen, daß die Halbwertsbreite von der Größenordnung der Debyelänge ist. Dazu stellen wir uns vor, wir stellen die Lösung unserer Gleichung (A.5) graphisch dar und lesen die Halbwertsbreite x´1/2 ab. Die wahre Halbwertbreite ergibt sich dann wegen der Normierung x´ = x/x0 , x0 = λD , zu 11 x1/2 = x´1/2λD, unterscheidet sich also von der Debyelänge nur um einen konstanten Faktor. Dieser wird, da unsere Ausgangsgleichung A3 keine anderen charakterischen Längen aufweist von der Größenordnung 1 sein. Die Zeitdauer der Ladungstrennung durch thermische Bewegung schätzt man ab über t= ε 0 kT kT / m = e ne 2 ε0 m e = ω1 . p ne 2 Die Bedingung, daß sich viele Teilchen in der Debye-Kugel befinden müssen, ist identisch mit der Aussage, daß die Wechselwirkungsenergie zwischen den Teilchen klein ist, d.h. das die Näherung eines idealen Gases gemacht werden kann. Abstand zweier Teilchen: r 0 ≈ 1n 1/3 e 2 = e 2 n 1/3 4πε 0 r 0 4πε 0 << kT Wechselwirkungsenergie: E pot = 2 1/3 aus E pot << 1 folgt dann e n 4πε 0 Durch Potenzieren rechts und links um 3/2 erhält man nλ 3D >> 1 Zusammenfassend kann man also sagen: Ein Plasma ist ein Gas, das geladene Teilchen enthält, das quasineutral ist (L >> λD), kollektives Verhalten zeigt (νp >> νc) und viele Teilchen in der Debyekugel enthält (nλD3 >> 1). νp >> νc stellt sicher, daß Schwingungen mit der Plasmafrequenz (νp) nicht durch Stöße (Stoßfrequenz νc) gedämpft werden. 2. Geschichtliches Gilbert (1544 - 1603) erkannte die Leitfähigkeit von Flammen. Er zeigte experimentell, daß ein geladener Körper über eine Flamme entladen, ein ungeladener über eine Flamme geladen werden kann. Franklin (1706 - 1790) experimentierte mit atmosphärischer Ladung und zeigte, 12 daß ein Blitz physikalisch ein Funke ist. Faraday (1791 - 1867) entdeckte die Abb. A.4: Plasmaerzeugung durch Elektronenstoß in einer Entladungsröhre Glimmentladung. Er machte sich Gedanken über die Beeinflussung von Meeresströmungen durch das Erdmagnetfeld. Alfvén (1942) gründete die kosmische Elekrodynamik. Der Name „Plasma“ wurde von Tonks und Langmuir 1928 eingeführt. Von Tonks und Langmuir stammt auch der Begriff der Schicht am Plasmarand sowie die Methode der Diagnostik von Plasmadaten mit Hilfe von Sonden. Die Plasmaphysik hat einen starken Aufschwung, der im Jahre 1955 begann, erfahren, als die Forschung zur kontrollierten Kernfusion aus der Zensur entlassen wurde. Sie wird bis heute im weltweiten Verband fortgeführt. 3. Entstehung von Plasmen Plasmen entstehen aus neutralen Gasen durch Stoßionisation: Beim Stoß eines Elektrons oder Photons mit einem neutralen Atom entsteht ein geladener Kern und ein freies Elektron. a) Plasmaerzeugung durch Teilchenstrahlen Die ionisierenden Teilchen können als Strahlen in das Gas eintreten, z.B. als Elektronenstrahlen, die aus einer Glühkathode austreten. Hierbei kommt es nicht so sehr auf die hohe Energie der Elektronen als auf ihre große Stromdichte an. Man benutzt speziell behandelte Elektroden, z.B. in der sogenannten Buckett-Source eine Lanthan-Kathode. Verbreitete Plasmen dieser Art sind Leuchtstofflampen. Man spricht dann auch von unselbständigen Entladungen im Gegensatz zu den selbständigen, bei denen der Elektronenstrom durch Bombardement der Elektroden durch die Entladung selbst erzeugt wird. Beispiele sind der Lichtbogen, etwa der Kohlebogen, der für Projektionszwecke benutzt wird, oder der Schweißbogen. Im Weltraum ist das Nordlicht ein Plasma, daß durch Teilchenbeschuß der oberen Atmosphäre erzeugt wird. Die Quelle der Teilchen ist hier die Sonne. HII Regionen sind Gebiete, die ionisierten Wasserstoff enthalten und in der Umgebung von jungen Sternen liegen, die mit ihrer Strahlung das Plasma erzeugen. Da Licht mit der Wellenlänge 1µm eine Photonenenergie von etwa 1 eV besitzt, Wasserstoff eine 13 Ionisierungsenergie von 13,5 eV, liegt die Wellenlänge der erforderlichen Strahlung im fernen Ultraviolett. b) Ionisationsgleichgewicht Außer durch Strahlen kann ein Plasma durch Wärmezufuhr, etwa wie in einer Flamme, erzeugt werden. Man hat dann Zusammenstöße durch die thermische Bewegung von Teilchen. Die häufigsten ionisierenden Stöße im Plasma erfolgen durch Elektronen ← e − + A → A + + 2e − Die Umkehrreaktion, bei der zwei Elektronen mit einem geladenen Teilchen Abb. A.5: Zunahme des Ionisationsgrades mit der Temperatur nach der Sahagleichung zusammenstoßen und ein neutrales Atom und ein freies Elektron ergeben, kommt im thermischen Gleichgewicht genau so häufig vor wie die Stoßionisation. (Die Zweierstoß-Rekombination, an der nur ein Elektron beteiligt ist, findet dagegen deutlich seltener statt, da es unwahrscheinlich ist, daß ein Elektron genau den korrekten Impuls und die korrekte Energie mitbringt, die - wegen der diskreten Energieniveaus von A - erforderlich ist). dn 0 = C(T)n 0 n e, dt dn die Rekominationsrate: i = C(T)n i n 2e dt dn dn Im thermischen Gleichgewicht muß gelten 0 = i daraus folgt: C(T)n 0 n e = C(T)n i n 2e dt dt also: Die Ionisationsrate ist: nine n 0 = S(T) Diese Gleichung heißt die Saha-Formel. Die genaue Form von S(T) wird später (Kap. E) abgeleitet. Für Abschätzungen kann - mit Vorsicht! - die Faustformel 14 neni 15 3/2 −E i /kT n 0 = 2, 4 ⋅ 10 T e (A6) benutzt werden. Ei ist die Ionisierungsenergie des betrachteten Stoffes. In Gl. (A6) müssen die Dichten in cm-3, die Elektronentemperatur in K gemessen werden. Qualitativ hängt der Ionisationsgrad von T wie in Abb. A.5 dargestellt ab. Man beachte, daß schon für kT < Ei das Gas praktisch vollständig ionisiert sein kann. 4. Verschiedene Plasmen a) Astrophysikalische Plasmen Die Welt besteht zum überwiegenden Teil aus Plasma. Sowohl die Sterne als auch der zwischen den Sternen liegende Raum ist mit Plasma ausgefüllt, wobei die charakteristischen Parameter, wie Plasmadichte und -temperatur sich um viele Größenordnungen unterscheiden können. Es ist klar, daß für die einzelnen Bereiche sehr unterschiedliche Plasmamodelle Abb. A.6: Stromrichtung im z- und ϑ−Pinch erforderlich sind. Das gleiche gilt für die verschiedenen Bereiche in einem Stern und in seiner Umgebung, z.B. für die Sonne hat man das Sonneninnere, die Konvektionszone, die Photosphäre, Korona, den interplanetaren Raum. Von der Sonne geht ein kontinuierlicher Teilchenstrom aus, überlagert von Eruptionsprodukten. Bei der Erdbahn hat der ruhige solare Wind ungefähr eine Teilchendichte von ne = 10cm-3, eine Temperatur Ti = 105 K, eine Debyelänge λD = 10m, eine freie Weglänge λ= 109 m. Durch Wechselwirkung dieses solaren Windes mit dem Erdmagnetfeld entsteht eine Reihe interessanter Effekte: eine Stoßfront („stoßfreie Stoßwelle“) von der Erde aus in Richtung auf die Sonne zu; ein Schwanz in Richtung von der Sonne fort, Gürtel mit hoher Teilchendichte in der Nähe der Erde (van Allen-Gürtel) und Nordlichter. Kometenschwänze entstehen durch Wechselwirkung des 15 Sonnenwindes mit den Kometenkernen. Spezielle Probleme der Plasmaphysik gibt es im Zusammenhang mit Pulsaren, Neutronensternen und bei der Erzeugung von Magnetfeldern. b) Laborplasmen Die häufigste Anwendung im Labor finden Flammen- und Gasentladungsplasmen. Flammen erfüllen die Voraussetzungen für ein Plasma nur marginal. Sie werden vor allem in der Chemie angewandt. Gasentladungen sind vor allem Glimmentladungen und Bogenentladungen. Ihr Verhalten ist meist durch einen Hintergrund von neutralem Gas bestimmt. Man nutzt entweder ihr Leuchtvermögen aus wie in Lampen und Lasern, oder ihre hohe Temperatur und damit die hohe Energie der Teilchen. Dies kann für chemische Prozesse vorteilhaft sein oder für Oberflächenbehandlung, um z.B. ein besseres Eindringen der Teilchen in die Oberfläche zu ermöglichen, wodurch die Haftung von Beschichtungen verbessert wird, oder Ätzung der Oberfläche möglich wird. Hochtemperaturplasmen erzeugt man mit elektrodenlosen Entladungen, z.B., indem durch Induktion ein Strom erzeugt wird, der durch joulesche Wärme das Plasma aufheizt. Eine weitere Erhöhung der Temperatur kann durch den Pinch-Effekt erfolgen (Benett, 1938), z.B. den Theta-Pinch, in dem durch einen Wechselstrom in einer äußeren Spule ein Sekundärstrom im Plasma erzeugt wird, der umgekehrte Richtung hat und deswegen vom Strom in der Spule abgestoßen wird. Es ergibt sich eine rasche Kompression des Plasmas und damit verbunden eine Aufheizung. Weil der primäre Strom in der azimuthalen Richtung fließt, die im Amerikanischen mit ϑ bezeichnet wird, nennt man diese Anordnung Theta Pinch, im Gegensatz zum z-Pinch, bei dem die Kompression durch sich anziehende Stromfäden erfolgt, wobei der Strom in Achsenrichtung (z-Richtung) fließt. Sehr dichte Plasmen erzeugt man durch Beschießen von Oberflächen mit intensiven Laserstrahlen. Extrem dichte Plasmen bildet das Elektronengas in Festkörpern. Hier befindet man sich an der Grenze zu dem Gebiet, in dem nicht mehr viele Teilchen in der Debyekugel vorhanden sind (nλD3 ~ 1). Außerdem fangen Quanteneffekte an, wichtig zu werden (h/ ωp ∼ kT). Bei Fusionsplasmen kommt man an die Grenze, bei der relativistische Effekte anfangen, eine Rolle zu spielen (kT 16 ~ mec2). In vielen kosmischen Situationen, wie z.B. der Umgebung von Neutronensternen dominieren relativistische Effekte.