KISMET: Alfred Drake, der Haji der Uraufführung, erhielt 1954 den Tony Award als bester Hauptdarsteller. ALEXANDER BORODIN: Der russische Komponist erhielt 1954 posthum einen Tony Award für Kismet. Borodin goes Bagdad U nsinn, ein charmantes, aber aufgeplustertes Stück, ein schöner Kleiderständer für die sublime Musik Alexander Borodins.“ – So hat der bekannte Plattenproduzent Thomas Z. Shepard einmal das Buch zum Musical Kismet. A Musical Arabian Night beschrieben. Die Wiener Volksoper tut daher wohl gut daran, den einstigen Broadway-Hit im Jänner „nur“ konzertant, mit gekürzten Dialogen und Zwischentexten zu spielen. Die wunderbare Musik hat es verdient. Außerdem ist es eine passende Spielplanergänzung, bringt das Haus doch zwei Monate später eine Neuproduktion von Alexander Borodins Fürst Igor heraus. Borodin als Musical-Komponist? War das nicht ein russischer Komponist des 19. Jahrhunderts? Ja, war er: Er lebte von 1833 bis 1887 und war Mitglied des so genannten „Mächtigen Häufleins“, einer Gruppe von Tonsetzern, die für eine genuin russische Musik ohne westliche Einflüsse eintrat. Doch Borodin erhielt sogar, posthum natürlich, 1954, einen Tony Award für das Musical Kismet. „Schuld“ daran sind Robert Wright und George Forrest. Das Duo hatte nämlich ein feines Musical-Rezept entdeckt: aus Werken großer Komponisten Unterhaltungsshows zu kreieren. Der Durchbruch gelang ihnen 1944 mit Song of Norway, wofür sie auf Musik von Edvard Grieg zurückgriffen. Nach diesem Erfolg bat der Produzent Edwin Lester die beiden ein Musical mit Musik der Polowetzer Tänze aus Fürst Igor zu kreieren. Als Stoff wählte man ein Bühnenstück von Edward Knobloch, einem in New York geborener Wahl-Engländer, dessen Stück Kismet 1909 in Paris herausgekommen war und ab 1911 am Broadway, kurz darauf auch in London gespielt wurde. Ein Theaterhit, der sogar 1944 mit Marlene Dietrich verfilmt wurde. Die Uraufführung des Musicals fand 1953 an der US-Westküste statt und machte schnell seinen Weg, in opulent ausgestatteter Form, an New Yorks berühmter Theatermeile. Auch in Wien wurde Kismet, 1980, allerdings mit weniger nachhaltigem Erfolg, szenisch im Raimund Theater aufgeführt. Die Handlung von Kismet spielt in Bagdad zu einer märchenhaften Zeit und ist ziemlich turbulent und verwirrend. Im Zentrum steht der Poet Haji, in dessen Tochter Marsinah sich der junge Kalif verliebt, ohne zu wissen, wer sie genau ist, und obwohl er eigentlich die drei Töchter des Scheichs von Ababu heiraten sollte. Deshalb, weil sich der hinterlistige Wesir vom Scheich Geld geborgt und die Hochzeit als Gegenleistung versprochen hat. Der Poet Haji geistert zu- FOTOS: WIKIPEDIA, PALM/RSCH/REDFERNS, DANA PATRICK KISMET. Das Musical auf Melodien von Alexander Borodin sorgt für Broadway-Glanz an der Wiener Volksoper. ¬ BÜHNE 1 2016 bueh1601_VOP 1.indd 42 11.12.15 13:21 VOLKSOPER WIEN nächst als Bettler verkleidet durchs Stück, man hackt ihm beinahe die Hand ab, später wird er für einen Magier gehalten. Am Ende ereilt den bösen Wesir die Strafe, womit dem Happy End nichts mehr im Wege steht – sogar für Haji, der mit der Lieblingsfrau des Wesirs belohnt wird. Wright und Forrest gelang es, aus Borodins Polowetzer Tänzen, wobei sie auch Melodien aus seinem Streichquartett in D-Dur verwendeten, einige Schlager zu kreieren: „Stranger In Paradise“, „Baubles, Bangles And Beads“, „And This Is My Beloved“ und „Not Since Niniveh“. In der Volksoper wird englisch gesungen, die verbindenden Texte sind auf deutsch. Unter der Leitung von Joseph R. Olefirowicz werden Rebecca Nelsen, Ben Connor, Stefan Cerny und Kim Criswell in den Hauptrollen zu hören sein. Für die Partie des Haji hat man sich sogar eines international bekannten Opernsängers versichert, der außerdem viel Musicalerfahrung mitbringt: Rod Gilfry. Der 1959 in Kalifornien geborene Bariton gibt damit sein Debüt an der Volksoper. In Wien war er bisher kaum präsent. So hat er 1993 an der Wiener Staatsoper in der Titelrolle von Rossinis Barbiere di Siviglia debütiert und kehrte noch einmal, 1996, als Graf in Mozarts Le nozze di Figaro zurück. Nach einigen Jahren in Europa wirkt Gilfry seit Längerem wieder vor allem in den USA. Er hat auch Zeitgenössisches gesungen, den Prospero in Adès The Tempest, den Stanley Kowalski in der Uraufführung von André Previns A Streetcar Named Desire oder, ebenfalls in der Uraufführung, den Nathan in Nicholas Maws Sophie’s Choice. Seine Leidenschaft gilt aber ebenso dem klassischen Musical. In Oklahoma!, Carousel, South Pacific, Sweeney Todd sowie an der Seite von Deborah Voigt in Berlins Annie Get Your Gun war er zu erleben. Man darf also gespannt sein, wie sich der AmeriB kaner das märchenhafte Bagdad Borodins erobert! STEFAN MUSIL Wright / Forrest: Kismet; Volksoper, So., 24., Do., 28., So., 31. Jänner, 19.00 Uhr ROD GILFRY: Opernbariton mit großer Leidenschaft fürs klassische Musical. bueh1601_VOP 1.indd 43 11.12.15 13:21