VOLKSOPER WIEN Paul Lincke Frau Luna Sa., 8. Juni, 19.00 Uhr Dirigent: Gerrit Prießnitz Regie: Peter Lund Bühnenbild: Sam Madwar Besetzung: Julia Koci (Frau Luna), Thomas Paul (Prinz Sternschnuppe), Regula Rosin (Stella), Boris Eder (Theophil), Isabel Weicken (Frau Pusebach), Johanna Arrouas (Marie), Daniel Prohaska (Fritz Steppke) Do., 6., Di., 11., So., 23., Sa., 29., So., 30. Juni, 19.00 Uhr, So., 16. Juni, 16.30, Mi., 19. Juni, 18.30 Uhr Von Berliner und Wiener Luft GERRIT PRIESSNITZ dirigiert an der Volksoper „Frau Luna“, Paul Linckes humorvoll zwischen üppiger Mond-Phantasie- und nüchterner Erd-Real-Welt pendelnde Operette. A uch ich bin ein Pendler!“, stellt der in Wien seit vielen Jahren heimische Rheinländer stolz fest und verweist darauf, „zur Zeit einer der wenigen an Volks- wie Staatsoper beschäftigten Künstler“ zu sein. Mehr noch: „Am 28. April habe ich die Premiere von Henzes Pollicino am Ring dirigiert und jetzt kommt Frau Luna am Gürtel – ich weiß nicht, ob je ein Dirigent zwei aufeinander folgende Premieren an den beiden Häusern dirigiert hat ...“ Dass es sich um zwei sehr unterschiedliche Ensemblewerke handelt, ist kein Zufall. „Ich habe stets großen Wert darauf gelegt, Paradestücke für das Ensemble zu machen.“ In diese Kategorie fallen Volksopern-Erfolge wie Kreneks Kehraus um St. Stephan oder Brittens in der Saison 2013/14 angesetzter Albert Herring, die beide maßgeblich von Prießnitz mitinitiiert worden sind. Ein weiteres Beispiel ist das im Juni wieder auf dem Spielplan stehende, beim Publikum immensen Anklang findende Wundertheater von Henze: „Darin gibt es 13 Rollen, großteils doppelt besetzt, sprich etwa 25 Aufgaben für das Ensemble!“ Die Begeisterung für künstlerische Anstrengung im Kollektiv wurde in dem jungen Kapellmeister früh geweckt: „Meine Familie besaß ein geerbtes Klavier. So äußerte ich den Wunsch, dieses Instrument zu erlernen. Aber mir war bald klar, dass ich kein Pianist werden würde. Orchester und Gesang faszinierten mich besonders. Am Salzburger Mozarteum erhielt ich vom Professor für Chorleitung, dem ehemaligen Chordirektor der Deutschen Oper Berlin, Karl Kamper, starke Impulse in Richtung Oper.“ Dass sich Prießnitz’ Talent in diese Richtung entwickelte, ist maßgeblich seinem Klavierlehrer in der Oberstufenzeit des Gymnasiums zu verdanken. „Dieser hat mich praktisch im Einzelunterricht mit Harmonielehre, Musiktheorie und Gehörbildung auf die Hochschule vorbereitet!“ Das Rüstzeug war so perfekt, dass es von der ¬ BÜHNE 6 2013 bueh1306_VOP Frau Luna.indd 22 17.05.2013 11:10:32 Uhr 23 FOTOS: BARBARA PÁLFFY/VOLKSOPER WIEN, OLGA KRETSCH VOLKSOPER WIEN Mittelschule nahtlos an das Mozarteum und von dort in die erste Festanstellung ging – „nach Erfurt, wo ich Studienleiter, Korrepetitor und Kapellmeister war und gleich Dirigieraufgaben übertragen bekam. Und noch dazu an der Eröffnung des neuen Opernhauses mitwirken durfte! Eine besondere Gelegenheit, die man wohl nur einmal im Leben hat.“ Von Thüringen ging es dann an die Volksoper, wo er als Studienleiter begann und zu einem der meistbeschäftigten Dirigenten wurde. „Mehr als ein Dutzend Repertoirestücke der Volksoper könnte ich aus dem Stand übernehmen. In sieben Jahren Wien kam da schon einiges zusammen. Kürzlich habe ich um 13 Uhr für die Abendvorstellung von Puccinis Mantel und Gianni Schicchi zugesagt.“ Bereits in Erfurt traf Prießnitz mit Peter Lund, dem Regisseur von Frau Luna, zusammen: „Wir haben dort Leo Falls Dollarprinzessin herausgebracht. Ich hätte Frau Luna mit keinem anderen gemacht! Er begeistert sich für eine Operette wie diese und will die Anforderungen, die diese stellt, erfüllen. Ein derartiger Abend muss unserer Meinung nach einer durchgehenden Tempodramaturgie folgen. Dialoge und Musik müssen miteinander verbunden sein. Flotte Übergänge und ein den Abend tragendes tänzerisches Element sind gefragt.“ Aufforderungen dazu finden sich in Paul Linckes seit der Berliner Uraufführung immer auf den Bühnen gebliebenem Evergreen in Hülle und Fülle, wie zum Beispiel „Laßt den Kopf nicht hängen ... dreht nach lustigen Klängen euch im Kreis herum“. Bevor es zum Berliner Selbstherrlichkeits-Marsch-Refrain von „Das ist die Berliner Luft“ kommt, werden die im märk’schen Sand tanzenden Puppen besungen. Und auch eine Berliner Operette kommt nicht ohne ein einschmeichelndes Walzerlied aus: „Schlösser, die im Monde liegen“. Seit 1899 wirkt die in diesen Melodien steckende Lebenskraft. Viele sind „Schlager“ ganz im physiologischen Sinn. Ihre Entstehungszeit verblüfft. Ein Jahr zuvor erblickten Heubergers mit dem Walzer-Parfüm der 1870er- und 80er-Jahre verzaubernder Opernball und im selben Jahr Ziehrers ebenfalls ganz der Gründerzeit verpflichteten Landstreicher in Wien das Licht. „In der Tat würden die meisten die Tonsprache von Frau Luna fast zwanzig Jahre später datieren und spüren eine musikalische Nähe beispielsweise zu Paul Abraham. Alle Nummern sind als Schlager konzipiert, selbst Duette wie ‚Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe‘. Dennoch ist das Stück klassisch orchestriert, in derselben Besetzung wie Die lustige Witwe.“ Zu den genannte Frau Luna-Hits – das so köstliche „O Teophil“ muss einfach noch erwähnt werden! – haben sich Regisseur und Dirigent weitere schöne Zutaten aus ande- ren Lincke-Operetten einfallen lassen: Das populäre „Glühwürmchen-Idyll“ aus Lysistrata und das große Tenorlied „Es war einmal“ aus Im Reiche des Indra werden die turbulente Handlung ebenfalls illustrieren. An deren Beginn steht der Traum des einfachen Berliner Mechanikers Fritz Steppke – an der Volksoper von Publikumsliebling Daniel Prohaska (Vogelhändler, Hello, Dolly! u.a.) verkörpert. Er bastelt an einem Ballon, um auf den Mond zu reisen. Als dieser abhebt, bleibt seine Freundin Marie (Johanna Arrouas) zurück. Deren Tante Frau Pusebach (Isabel Weicken) kommt unfreiwillig mit. Sie hat sich an den Ballon gehängt, um ihn zurückzuhalten – und wurde dabei mit hinaufgezogen. Die lunare Welt stellt sich den Berliner Gästen ambivalent dar – mondphantastisch wie absturzgefährdend. Teophil (Boris Eder), der auf Erden zarte Bande zur Pusebach knüpfte, kann diese am Mond in Gegenwart seiner dortigen Freundin Stella (Regula Rosin) nicht gebrauchen und lässt die Pusebach verhaften. Frau Luna (Julia Koci) versucht unter Einsatz all ihrer erotischen Künste Steppke zu umgarnen. Ihr darüber eifersüchtiger Prinz Sternschnuppe (Thomas Paul) rächt sich mit gelungener Ent- und versuchter Verführung von Marie! Doch letztlich kommt alles zum glücklichen Operettenende. Dieses wurde auch in der realen Besetzungswelt der Volksoper gefunden. Dort sah man sich vor die Aufgabe gestellt, ein Berliner Stück aus dem Wiener Ensemble zu besetzen. Aber wer sagt eigentlich, dass auf dem Mond alle berlinern? „Ich will nicht zu viel verraten“, schmunzelt Gerrit Prießnitz, „aber das Mondleben könnte man sich doch durchaus wienerisch angehaucht vorstellen.“ Ein witziger Schlagabtausch der zwei großen Metropolen deutscher Zunge in phantastischen Hemisphären zu Linckes unsterblichen Melodien? Ja, dafür wurde Operette B ersonnen! MARTIN KIENZL GERRIT PRIESSNITZ: Flotte Übergänge und ein den Abend tragendes tänzerisches Element sind bei Frau Luna gefragt. ¬ 2013 6 BÜHNE bueh1306_VOP Frau Luna.indd 23 17.05.2013 11:10:34 Uhr