G U N AT U R F Ü H R E R HEILPFLANZEN Die wichtigsten Arten entdecken und bestimmen 10 • HEILPFLANZEN Heilpflanzen in der modernen Medizin Unsere so genannte moderne Medizin arbeitet mit einer Vielzahl von Medikamenten pflanzlicher Herkunft. Zahlreiche Pflanzeninhaltsstoffe, darunter auch etliche, die hochgiftig sind, werden als wirkungsvolle Therapeutika eingesetzt. Da ihre Dosierung oft äußerst diffizil ist, werden mittlerweile viele dieser ursprünglich pflanzlichen Wirkstoffe chemisch hergestellt. Dies hat den Vorteil, dass der Anteil wirksamer Stoffe keinen Schwankungen unterliegt, wie es beim Pflanzenmaterial der Fall ist. Viele Menschen leiden inzwischen jedoch an Überempfindlichkeiten gegenüber bestimmten chemischen Wirkstoffen, deshalb besinnt sich die Medizin verstärkt auf die Heilkräuter zurück, deren Wirkstoffe oft besser vertragen werden als ihr chemisches Pendant. Pflanzenzubereitungen werden außerdem gern in der Säuglings- und Kinderpflege sowie in der Altenpflege eingesetzt. Auch in verschiedenen Bereichen der so genannten Alternativmedizin, die mit diversen, nicht schulmedizinisch anerkannten Behandlungsmethoden arbeitet, wie etwa in Phytotherapie, Homöopathie, Aromatherapie, Bachblüten-Therapie, spielen Heilpflanzen eine wichtige Rolle. Die benötigten Pflanzen werden meist unter optimalen Bedingungen gezogen, wodurch eine gleichbleibende Qualität gewährleistet ist. HEILPFLANZEN SELBST VERWENDEN Angesichts standardisierter Fertigpräparate und Medikamente, die die Medizin heutzutage für alle Arten von Krankheiten bereithält, stellt sich die Frage, weshalb man in unserer Zeit Heilpflanzen überhaupt noch verwenden sollte. Dafür gibt es einige gute Gründe: ■ ■ Die Wirkung vieler Heilpflanzen ist sanft und schonend und dennoch effizient, meist stärken sie auf natürliche Weise die Selbstheilungskräfte. Wenn Sie Heilpflanzen selber sammeln oder im Garten anbauen sowie eigene Teemischungen, Tinkturen, Sirup oder Ölauszüge herstellen, werden Sie dadurch aktiv und sind in der Lage, einen Teil Ihrer medizinischen Versorgung selbst in der Hand zu nehmen. Insbesondere zahlreiche kleine Alltagsbeschwerden wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit, winterliches Frösteln, Magenverstimmungen oder ungefährliche Schnitt- und Schürfwunden sprechen größtenteils gut auf eine Behandlung mit Heilpflanzenzubereitungen an. HEILPFLANZEN SELBST VERWENDEN Eine Heilpflanze kann am besten wirken, wenn man sie zum richtigen Zeitpunkt erntet. ■ Aus frischen Johanniskraut-Blüten lässt sich ein »Gute-Laune-Tee« zubereiten. Heilpflanzenzubereitungen lassen sich mit wenig Aufwand selbst herstellen. Wichtig ist dabei neben einer genauen, rezeptkonformen Verarbeitung eine gute Qualität der verwendeten Pflanzen oder Pflanzenteile. Grundsätzlich kann genutzt werden, was in der Natur gesammelt wurde, sofern es sich um keine geschützten Pflanzen bzw. um kein unter Schutz stehendes Gebiet handelt, daneben kann man natürlich Kräuter & Co. aus dem Garten verwenden. Sollte die Ernte einmal dürftig ausfallen oder die benötigten Pflanzen nicht in der Natur zu finden sein, greifen Sie getrost auf qualitativ hochwertige Trockenware aus dem Fachhandel zurück. Beim Selbst-Sammeln gilt als oberstes Gebot: Nur mitnehmen, was man sicher erkennt. Denn da es bei der immensen Vielfalt der Pflanzenwelt auch zahlreiche ungesunde und giftige »Doppelgänger« vieler Heilpflanzen gibt, ist eine genaue Kenntnis und Bestimmung aller selbst gesammelten Pflanzen ausgesprochen wichtig. Dabei möchte Ihnen dieser Ratgeber hilfreich zur Seite stehen. • 11 34 • HEILPFLANZEN VERSCHIEDENE ZUBEREITUNGSFORMEN Tee Die uns wohl geläufigste Heilpflanzenzubereitung ist ein Tee. Für viele Beschwerden werden bestimmte Teemischungen aus etwa 3 bis 5 Heilpflanzen empfohlen, da sich die einzelnen Teebestandteile oft hinsichtlich ihrer Wirkung ergänzen. Stellen Sie ruhig mit Hilfe der Anwendungsbeispiele im Portraitteil auch Ihre eigenen Mischungen her. Da Tee je nach Pflanzenbestandteil unterschiedlich zubereitet wird (siehe unten), empfiehlt es sich, in den eigenen Teekreationen Blätter mit anderen Blättern oder mit Blüten oder aber Samen, Rinden und Wurzeln miteinander zu kombinieren. Je nach Erkrankung oder Beschwerde wird ein Tee einige Tage oder max. 5–6 Wochen lang eingenommen. Eine Teezubereitung, die über einen längeren Zeitraum eingenommen wird, um eine Wirkung zu erzielen, ist z. B. Tee aus Birken- und Brennnesselblättern. Er bietet sich zur sogenannten Durchspülungstherapie bei Erkrankungen der ableitenden Harnwege an, fördert die Harnausscheidung und eine Verdünnung des Harns, zusätzlich werden Krankheitserreger ausgespült und das Wachstum von Steinen gehemmt. Heißaufguss (Infus) Tees aus Blättern, Blüten oder dem ganzen Kraut werden der Regel heiß aufgebrüht. Dazu übergießt man etwa 1 bis 2 TL der getrockneten Pflanzenteile mit 200 ml kochendem Wasser, lässt den Tee 5 bis 10 Minuten ziehen und gießt ihn ab. Ein Tee kann auch aus frischen Pflanzen zubereitet werden; dann benötigt man etwa 15 g bzw. eine Handvoll frische Kräuter auf 1 l Wasser und lässt diese 1–2 Minuten ziehen. Achten Sie insbesondere bei Pflanzen mit ätherischen Ölen darauf, den Tee bedeckt ziehen zu lassen, damit sich die duftenden Inhaltsstoffe nicht verflüchtigen. Kaltauszug (Mazerat) Damit empfindliche Wirkstoffe nicht durch heißes Wasser zerstört werden, wird Tee aus stark schleimstoffhaltigen Pflanzen wie Malve oder Eibisch am besten kalt aufgegossen. Das gilt auch für ausgesprochen gerbstoffreiche Pflanzen wie Baldrian. Übergießen Sie dazu 1 bis 2 TL der getrockneten Pflanzenteile mit 200 ml kaltem Wasser, lassen den Auszug 8 bis 10 Stunden stehen, gießen ab und erwärmen den Tee leicht zum Trinken. Menschen mit empfindlichem Magen können die Auszugszeit auf etwa 4 bis 5 Stunden verkürzen. VERSCHIEDENE ZUBEREITUNGSFORMEN • 35 Vor der Verarbeitung sollten Sie den Holunder ausschütteln. Viele Insekten verbergen sich darin. Abkochung (Dekokt) Harte und holzige Pflanzenteile wie Samen, Rinden oder Wurzeln, aber auch kräftige, ledrige Blätter werden mit kaltem Wasser angesetzt (1 bis 2 TL auf 200 ml Wasser), langsam zum Kochen gebracht, 5 bis 15 Minuten siedend gekocht, anschließend noch 5 Minuten ziehen gelassen und abgegossen. Tinktur (alkoholischer Auszug) Die Wirkstoffe in konzentrierter und haltbarerer Form liefert die Tinktur bzw. der alkoholische Auszug. Dazu 1 Handvoll der zerkleinerten, frischen oder getrockneten Pflanzenteile in ein Schraubglas geben, mit mindestens 45 %-igem Alkohol übergießen, bis alles gut bedeckt ist, verschlossen 2 bis 5 Wochen ziehen lassen, regelmäßig schütteln, abgießen, dunkel und kühl aufbewahren. Tinkturen mit Wasser verdünnen oder tropfenweise einnehmen. Ölauszug Einen Ölauszug, der zur äußerlichen Anwendung als Massageöl oder Einreibung verwendet werden soll, bereitet man folgendermaßen: 1 bis 2 Handvoll der zerkleinerten, frischen Pflanzenteile in ein Schraubglas geben, mit kalt gepresstem Pflanzenöl übergießen, bis alles gut bedeckt ist, verschlossen ca. 2 bis 6 Wochen warm und hell ziehen lassen, abgießen, dunkel und kühl aufbewahren. 50 • Echter Steinklee Melilotus officinalis Der wegen seines süßen Duftes auch Honigklee genannte gelb oder weiß blühende Steinklee hat sich in der Volksheilkunde bei venösen Erkrankungen und Durchblutungsstörungen wie Wadenkrämpfen, Hämorrhoiden und Ödemen bewährt. Äußerlich setzt man ihn vor allem bei Prellungen, Verstauchungen, oberflächliche Blutergüssen und Entzündungen ein. VORKOMMEN auf nährstoffarmen, trockenen und warmen Standorten wie Acker- und Wegrändern, Brach- und Schotterflächen, Magerrasen FAMILIE Schmetterlingsblütler GRÖSSE 30–100 (150) cm; zwei- bis mehrjährig Wenn ab Juni der Stein- oder Honigklee zu blühen anfängt, liegt sein unverkennbarer Duft über Wegrändern und Trockenrasen, wo er häufig wächst. SCHMETTERLINGSBLÜTLER • 51 Für den süßen Duft des Steinklees ist der Inhaltsstoff Cumarin verantwortlich. Gern hängte man die Pflanze zur Mottenabwehr in die Kleiderschränke. Typisch Die Fiederblätter klappen mithilfe von Blattgelenken nachts zusammen. An den Wurzeln sitzen Knöllchenbakterien, die Stickstoff aus der Luft sammeln. MERKMALE Intensiv duftende, traubige Schmetterlingsblüten von Juni bis September am Triebende. Gestielte Blätter mit dreiteiligen gezähnten Blatträndern, mittleres Blatt an deutlich längerem Stiel als seitliche. Ausgedehntes, tief in den Boden reichendes Wurzelwerk SAMMELGUT Blätter mit Blüten ANWENDUNG 1 Handvoll der zerkleinerten, blühenden Pflanze in ein Schraubglas geben, mit kalt gepresstem Pflanzenöl übergießen, bis alles bedeckt ist, verschlossen 6–8 Wochen an der Sonne ziehen lassen, absieben, Öl dunkel und kühl aufbewahren. Prellungen, Verstauchungen, Blutergüsse, Krampfadern damit einreiben ACHTUNG! Enthält Cumarin, das Kopfschmerzen und Leberfunktionsstörungen auslösen kann sowie blutverdünnend wirkt. Nur äußerlich anwenden, nicht länger als 5 Wochen, keinesfalls während Schwangerschaft und Stillzeit SAMMELZEIT J F M A M J J A S O N D 108 • Lavendel Lavandula angustifolia Griechen und Römer streuten die duftenden Blüten in ihr Bad und würzten ihren Wein damit. Im 16. Und 17. Jahrhundert schrieb man dem ätherischen Öl keim- und bakterientötende Wirkung zu, Lavendel wurde zur Desinfizierung von Wunden verwendet. Heute schätzen wir den duftenden »Seelen-Streichler« vor allem als wohltuenden Badezusatz in hektischen Zeiten. Riechkissen helfen bei Einschlafstörungen, ein Tee wirkt als sanftes Antidepressivum. Aus den duftenden Blüten des in Südfrankreich großflächig angebauten Lavendels wird ätherisches Lavendelöl gewonnen. LIPPENBLÜTLER • 109 Die blauen Lavendelblüten liefern einen äußerst zuckerhaltigen Nektar, was sie bei Bienen und Imkern gleichermaßen beliebt macht. VORKOMMEN ursprünglich im Mittelmeerraum auf sonnigen, trockenen, warmen, nährstoffarmen Standorten; heute häufig als Gartenpflanze als Rosenbegleiter GRÖSSE 60–120 cm; immergrüner Halbstrauch FAMILIE Lippenblütler MERKMALE Dunkel-violettblaue Lippenblüten in vielblütigen Scheinquirlen in einem ährigen Blütenstand am Ende langer Blütenstiele. Gegenständige, linealisch-längliche Blätter, graugrün, an aufrechten, im unteren Teil oft verholzenden und verkahlenden Trieben SAMMELGUT Blüten ANWENDUNG Blüten kurz vor dem Aufblühen frisch oder getrocknet als Beigabe zu beruhigenden Teemischungen. Weitere Infos zur fachgerechten Zubereitung siehe Seite 34. Äußerlich 20–100 g getrocknete Blüten auf ca. 20 l Wasser als ausgleichenden Badezusatz bei funktionellen Kreislaufstörungen. Auszugsöl äußerlich zum Einreiben als sommerlicher Mückenschutz SAMMELZEIT J F M A M J J A S O N D Typisch Der aromatisch duftende Lavendel lässt sich problemlos in Topf und Beet kultivieren. Um möglichst viel ätherisches Öl zu produzieren, sollte der Halbstrauch an einem sonnigen, nährstoffarmen Platz, ähnlich seinem Naturstandort, wachsen. 126 • Gänseblümchen Bellis perennis Die zarten Blümchen, die beinahe das ganze Jahr über blühen und mit so poetischen Namen wie »Maßliebchen« oder »Tausendschön« bedacht wurden, haben pflanzenheilkundlich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Als leicht zu findendes Hausmittel wurden sie zur Blutreinigung, Appetitanregung sowie bei Verletzungen, Verstauchungen und Hauterkrankungen verwendet. Insbesondere in der Kinderheilkunde wird ihre Wirkung als sanft pflegendes Wundheilmittel und bei Hautausschlägen geschätzt. VORKOMMEN auf Wiesen und Rasenflächen, an Wegrändern, auf viel begangenen, häufig gemähten Flächen GRÖSSE 5–10 cm; mehrjährige Staude FAMILIE Korbblütler Auf einer regelmäßig gemähten Wiese oder ähnlich gepflegten Flächen wachsen und blühen die Gänseblümchen fast das ganze Jahr über. KORBBLÜTLER • 127 Tausendschön werden die Gänseblümchen auch genannt, was beim Anblick der zart »erröteten« Blütenblattspitzen durchaus treffend erscheint. MERKMALE Korbblüten mit gelben Röhrenblüten und weißen oder zart rosafarbenen Zungenblüten erscheinen zwischen März und November an der Spitze eines aufrechten, etwas behaarten Stängels. Dunkelgrüne, spatelförmige, behaarte, gestielte Blättchen bilden eine am Boden anliegende Rosette SAMMELGUT Blätter ANWENDUNG 1 TL getrocknete, junge Blätter mit 200 ml heißem Wasser aufgießen, 10 Min. ziehen lassen (frische Blätter: 1 EL nur ca. 30 Sek. ziehen lassen), absieben, 1–3-mal täglich etwa 3–5 Wochen lang trinken als stoffwechselanregende, blutreinigende Frühjahrskur. Weitere Infos zur fachgerechten Zubereitung siehe Seite 34. Abgekühlter Tee auch äußerlich zur Waschung von gereizter Haut ACHTUNG! Ein regelmäßiger Schnitt ist erforderlich, damit die Gänseblümchen nicht von anderen Blumen und Gräsern überwuchert werden. SAMMELZEIT J F M A M J J A S O N D Typisch Die Blüten des Gänseblümchens schließen sich nachts und bei bevorstehendem schlechtem Wetter. Die wichtigsten Arten entdecken und bestimmen ▶ Eine Expertenauswahl der wichtigsten Heilpflanzen zeigt all die Arten, die Sie in der Natur tatsächlich entdecken und erleben können ▶ Atemberaubende Fotografie und spannende Infotexte ermöglichen einzigartige Einblicke in die Welt der Heilkräuter ▶ Das handliche Format und der robuste Umschlag eignen sich ideal zur Mitnahme nach draußen WG 422 Naturführer ISBN 978-3-8338-2905-5 PEFC/04-31-1404 € 12,99 [D] € 13,40 [A] www.gu.de