recht & service Das Märchen vom Wiener Richtwert Hans Jörg Ulreich Berufsgruppensprecher der österreichischen Bauträger In der heutigen Zeit gibt es in Wien einen Brotmangel. Ein Kommentar von Hans Jörg Ulreich. Weil Essen selbstverständlich ein Grundrecht für alle ist, will der Landesfürst in Wien daher günstiges Brot für alle. Dafür verordnet er, dass Brot nur 1 Euro/kg kosten darf, obwohl der Bäcker 2 Euro/kg braucht, um gutes Brot zu backen. Wien könnte nun mit attraktiven Förderungen und Anreizen das Angebot an Brot erhöhen, denn nur so wird es auch billiger. Die Nachfrage nach Brot ist jedoch groß und, obwohl der Bäcker das Brot über dem angeordneten Preis verkauft, verkaufen muss, regt sich nur 1 % (!) der Kunden darüber auf. Daher sperren die privaten Bäcker nicht zu, sondern produzieren trotzdem, aber nur wenig – aus Angst, der Preis könne nicht länger halten. Zwei Drittel des Wiener Brotes sind ohnehin schon doppelt sub­ ventioniert. Es wird von dem Landesfürsten nahestehenden Bäckern produziert. Diese bekommen nicht nur billigeres Mehl, sondern müssen auch keine Steuern bezahlen. Ihr Brot schmeckt – trotz des niedrigen Preises – nicht allen Kunden und es gibt noch Wiener Bäcker, die teilweise mit subventioniertem billigen Mehl backen. Sie müssen dafür einige Brötchen an den Landes­ fürsten abliefern, damit er sie günstig an sein Volk verteilen kann. Die restlichen Brötchen dürfen die Bäcker dann kosten­ deckend verkaufen, doch liegt das Kilo Brot mit 1,90 Euro immer noch – aber diesmal erlaubterweise - weit über dem für die pri­ vaten Bäcker festgesetzten Preis. Andere Landesfürsten mit mehr kaufmännischem Verstand, wie zum Beispiel in Vorarlberg, gestatten ihren Bäckern, das Brot mit 2 Euro/kg zu verkaufen. Aber damit nicht genug: Damit das Volk nicht tobt, die privi­ legierten Hofbäckereien ihren Status beibehalten und der Lan­ desfürst weiterhin gut dasteht, werden regelmäßig Lobeshymnen auf diese gehalten und die kleinen „überteuerten“ Bäcker aufs Übelste beschimpft sowie für den Brotnotstand verantwortlich gemacht – ein Rezept, das aufgeht, solange es kein Milchmäd­ chen versteht. Mit diesem Vergleich können wir aber einige wachrütteln. Dann kann auch die AK niemandem mehr ein X für ein U vorgaukeln. Schönen Frühlingsbeginn! Rechtsfragen aus der Praxis Mietrecht: Welche Mietzinsbeschränkungen haben für einen 1999 abgeschlossenen Mietvertrag über ein Mietobjekt in einem 1954 errichteten Zinshaus gegolten, wenn für die Errichtung öffentliche Wohnbauförderungsmittel (Wohn­ hauswiederaufbaufonds) in Anspruch genommen, diese aber bereits vor 1999 zurückbezahlt wurden? Berger: Für ab dem 1. 3. 1994 abgeschlossene Mietverträge gilt grundsätzlich der Richtwertmietzins, sofern das Gebäude aufgrund einer vor dem 30. 6. 1953 erteilten Baubewilligung 22 | OIZ Mag. Andreas Berger Geschäftsführer der Fachgruppe Wien der Immobilien- und Vermögenstreuhänder errichtet wurde. (Bei der Vermietung von Wohnungseigentums­ objekten wäre der Stichtag 8. 5. 1945 maßgebend.) Wenn die Baubewilligung danach erteilt wurde, wäre der Mietzins an sich frei vereinbar, es sei denn, es sind Wohnbauförderungs­ mittel für die Errichtung in Anspruch genommen worden. Das gilt auch dann, wenn diese Mittel nachträglich zurückbezahlt wurden (Ausnahme: begünstigte Rückzahlung nach den Rück­ zahlungsbegünstigungsgesetzen). Somit ist für gegenständli­ chen Mietvertrag der Richtwertmietzins maßgebend. Fotos: Ulreich, WKW An die Fachgruppe Wien werden im Rahmen der fachspezi­ fischen Beratungstätigkeit immer wieder Fragestellungen her­ angetragen, die eine über den Einzelfall hinausgehende Rele­ vanz auch für andere Branchenmitglieder haben. Mag. And­ reas Berger, Geschäftsführer Fachgruppe Wien, antwortet: