Willy-Brandt

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Gefangen im Netz?
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Gefangen im Netz? Politiker und Internetnutzer diskutieren über die
Studie „Internet im polnischen Parlamentswahlkampf 2011“
Warschau - Im Oktober 2011 wählte Polen ein neues Parlament. Doch obwohl mittlerweile 65 Prozent der Jungwähler das Internet als ihre wichtigste Informationsquelle bezeichnen, investierten die politischen Parteien und die einzelnen Kandidaten wenig Zeit und
Mühe in ihre Internetauftritte. Wie eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Polen und
des Warschauer Instituts für Öffentliche Angelegenheiten belegt, besaß mehr als die Hälfte aller Kandidaten für Sejm und Senat nicht einmal eine eigene Internetseite. Doch
selbst die wenigen existierenden Homepages hielten für interessierte Bürger in der Regel
nur oberflächliche Informationen über den Lebenslauf der betreffenden Politiker bereit.
Stellung zu inhaltlichen Themen bezog demgegenüber kaum ein Kandidat. Ebenso sahen
die Internetauftritte der verschiedenen Parteien keine Möglichkeit zur Interaktion mit den
Usern vor.
Unter dem Titel „Gefangen im Netz. Politiker und Wähler in der Welt des Internets“ luden
die Herausgeber des Berichts im Februar 2012 zur öffentlichen Diskussion der Untersuchungsergebnisse ein. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion tauschten sich polnische und
deutsche Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und Betreiber von Internetplattformen
über Defizite und Verbesserungsmöglichkeiten des politischen Diskurses im Netz aus.
Teresa Bücker, die im neu eingerichteten News Desk des
Willy-Brandt-Hauses die Internetpräsenz der SPD mitgestaltet, wies darauf hin, dass sich die Parteien für eine effektive Onlinekommunikation zunächst einmal an ein neues
Kommunikationsverhalten
gewöhnen
müssten:
„Zurzeit
reagieren die etablierten Parteien noch weitgehend auf die
netzpolitische Themensetzung Anderer, anstatt selbst die
Agenda zu bestimmen.“ Das liege auch an der höheren
Diskursgeschwindigkeit des Mediums Internet, das nicht
immer die Zeit für mehrfach gegengelesene Sprachregelungen lasse und manchmal einen gewissen Mut zur
Unkonventionalität erfordere.
Róza Rzeplińska, die sich mit ihrer Nichtregierungsorganisation Stowarzyszenie 61 für die
Bekanntgabe öffentlich relevanter Informationen im Netz einsetzt, unterstrich zudem die
Bedeutung, die Bürger der virtuellen Erreichbarkeit von Politikern beimessen. Im Vorfeld
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der polnischen Parlamentswahl hatten sich über 300.000 Nutzer auf dem Internetportal
von Stowarzyszenie 61 angemeldet, um dort Informationen über die verschiedenen Parteien und Kandidaten abzufragen. Allerdings konnten Rzeplińska und ihre Kollegen den
Interessenten oftmals nicht weiterhelfen: Trotz mehrfacher Aufforderung hatte über ein
Drittel der Kandidaten den Fragebogen von Stowarzyszenie 61 zu politischen Positionen
nie beantwortet.
Der anwesende Abgeordnete der polnischen Bauernpartei, Janusz Piechociński, machte
den Zuhörern hingegen wenig Hoffnung auf eine baldige Besserung dieses Zustandes.
„Für einen durchschnittlich bekannten Politiker übertrifft der Aufwand eines eigenen Internetauftrittes dessen konkreten Nutzen. Gerade in den ländlichen Regionen zählt weiterhin vor allem die persönliche Ansprache der Wähler“ so Piechociński.
Dem stimmte auch Lisa Peyer vom Institut für Kommunikation in sozialen Medien teilweise zu. Zwar besäßen mittlerweile zwei Drittel aller Europäer einen Internetanschluss.
Doch lediglich ein Drittel nutze dieses Medium, um sich politisch zu informieren. Noch viel
niedriger seien die Zahlen in Bezug auf eine
wahrnehmbare Aktivierung. Bislang deuten
alle Studien darauf hin, dass Parteien selbst
mit guten Onlineauftritten maximal die eigenen
Anhänger
mobilisieren
können.
Der
durchschnittliche User hingegen wolle lediglich informiert, nicht aber aktiviert werden.
Insofern nehme die Bedeutung des Internets
als Informationsquelle sicherlich zu. Ob es
aber für die traditionellen Parteien ein zeitgemäßes Instrument zur Mobilisierung neuer
Anhängergruppen darstellen kann, bleibe zumindest für den Moment offen.
„Ein guter Onlineauftritt ersetzt sicherlich nicht die politische Arbeit vor Ort und die direkte Kommunikation mit den Bürgern und Wählern“, resümierte Dominik Batorski vom Institut für Öffentliche Angelegenheiten abschließend. „Fest steht aber, dass das Internet
als Informationsquelle zunehmend an Bedeutung gewinnt. Insofern wäre es sicherlich
wünschenswert, wenn die Internetauftritte von Abgeordneten und Parteien zukünftig
mehr inhaltliche Informationen bereithalten. Unsere gemeinsame Publikation mit der
Friedrich-Ebert-Stiftung gibt erste Hinweise darauf, an welchen Stellen Verbesserungsmöglichkeiten in der politischen Onlinekommunikation bestehen.“
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