Charakterisierung von kontaktlosen Chipkarten gemäß ISO S

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MESSTECHNIK
Charakterisierung von
kontaktlosen Chipkarten
gemäß ISO
Rupert Klement Kontaktlose Chipkarten werden in Zukunft die heute noch
gängigen kontaktbehafteten Karten vollständig ersetzen. Herausragendes
Unterscheidungsmerkmal zu Chipkarten mit Kontakten ist deren Hf-Interface
zur Kommunikation und Energieübertragung via Luftschnittstelle. Eben dieses Interface ist im Standard ISO/IEC-14443 spezifiziert. Der Artikel beschreibt
Theorie und Praxis des Messverfahrens, welches eine ISO 14443-konforme
Chipkarte erfüllen muss.
Ssierung
eit September 1994 ist die Standardivon Proximity IC Cards (PICCs) im
Gange und umfasst mittlerweile vier Dokumente. In ISO/IEC 14443-2 Radio frequency power and signal interface werden die Systemparameter zur Charakterisierung einer ISO-konformen Chipkarte (PICC) und eines entsprechenden ISO
Lesegerätes (PCD; Proximity Coupling
Device) definiert [1]. Die zugehörige
Messmethode wird in Dokument 103
73-6 „Testing ISO/IEC 144
43-2“ beschrieben,und befindet sich augenblicklich
in Phase FCD (Final Committee Draft) [2]. An der
Definition dieser Messmethode waren Infineon–Experten intensiv beteiligt [3].
Intention von ISO
Um den Funktionsbereich einer Karte
festzulegen, war es üblich, eine Funktionsreichweite anzugeben. Man erreicht
bei diesen sogenannten Proximity-Systemen Werte um etwa 10 cm. Dieser
Wert ist jedoch abhängig von dem verwendeten Lesegerät, und hat dadurch
keine allzu große Aussagekraft. Im Standard 14443 wird die Bestimmung des
Funktionsprinzip
Das Hf-Interface von kontaktlosen Chipkarten arbeitet nach dem Prinzip
der induktiven Kopplung.
Dabei erzeugt das Lesegerät ein magnetisches
Wechselfeld mit 13,56 MHz, Bild 1: Messaufbau gemäß ISO-14443-2
welches ASK-moduliert
(Amplitude Shift Keying) wird, um Daten Funktionsbereiches einer Karte deshalb
vom Lesegerät zur Karte zu übertragen. von einer proprietären (Referenz)-LeseMan bezeichnet dies auch als Downlink. geräteeinheit entkoppelt, und durch sysSoll Information von der Karte zur Lesee- temunabhängige Messparameter ersetzt.
inheit übertragen werden (Uplink), so
sendet der Leser weiter das 13,56 MHz
Trägersignal, wohingegen die Karte mit- Standardisierte ISO
tels eines Modulationstransistors und Messparameter
der Kartenspule das Trägerfeld lastmoduliert. Dies geschieht durch Verwen- Als charakterisierende Parameter werdung eines modulierten Hilfsträgers mit den die magnetische Feldstärke und die
847 kHz (13,56 MHz/16), welcher wieder- Amplitude der durch die Lastmodulation erzeugten ersten beiden Seitenbänum den Träger lastmoduliert.
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der (13,56 MHz, ±847 kHz) definiert. Von
einer ISO-konformen PICC wird gefordert, dass sie innerhalb eines Feldstärkebereiches mit Effektivwerten (RMS) von
Hmin = 1,5 A/m bis Hmax = 7,5 A/m voll
funktionsfähig ist und außerdem eine
Seitenbandamplitude von mindestens
30 mV/H1/2 erzeugen kann. Mit H ist hierbei die Feldstärke des PCD-Feldes am
Ort der Karte in A/m (Effektivwert) bezeichnet.
Messprinzip
Der Testaufbau ermöglicht dementsprechend den Nachweis des kontinuierlichen Betriebs der Karte sowie die Messung der Amplitude der ModulationsSeitenbänder innerhalb der von ISO
14443-2 spezifizierten Feldstärkegrenzen. Der ISO-Messaufbau nach [2] besteht aus einer Feldspule
(Test PCD Antenna) mit
150 mm Durchmesser, zwei
parallel dazu angeordneten Messspulen (Sense Coil
a/b) und einer Kalibrierspule (Calibration Coil). Die Anordnung erfolgt gemäß
Bild 1.
Zusätzlich wird ein Hf-Signalgenerator (Test PCD)
und ein Digitalspeicheroszilloskop mit einer Abtastrate von mindestens 100
MSample/s benötigt.
Die „Test PCD Anntenna“
besitzt eine 50-Ω-Anpassung, und wird an die „Test
PCD“ angeschlossen, welche ein Request-Signal (REQA oder REQB) mit einer variablen Feldstärke von bis zu 12 A/m (effektiv) zu erzeugen vermag. Bei dem Request-Signal
handelt es sich um eine Bitfolge mit der
von der Karte eine Antwort, d.h. eine
Rückmodulation, angefordert wird.
Zur Messung der Feldstärke kommt eine
einwindige genormte Spule von der
größe einer Chipkarte zum Einsatz, die
Calibration Coil genannt wird. Aufgrund
der Symmetrie des Feldes, wird diese Calibration Coil vorteilhafterweise auf der
anderen Seite der Antenne positioniert.
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Der Messaufbau
in der Praxis
Bild 2: Test PCD Schaltkreis
Damit kann indirekt das von der Test
PCD Antenna an der DUT-Position (Device under Test, gerade getestete Bauteil)
erzeugte Feld gemessen werden. Der
über die induzierte Spannung abgeleitete Wert der Feldstärke, entspricht damit dem die Karte durchdringenden
magnetischen Fluss.
Die Karte, sprich das DUT, wird erst nach
Bestimmung der Feldstärke in eine definierte Position gegenüber einer genormten felderzeugenden Spule (Test
PCD Antenna) gebracht. Der Abstand
beträgt hierbei 37,5 mm konzentrisch
zur Antenne.
Ziel ist neben der Feldstärkemessung
die Bestimmung der Lastmodulationsamplitude. Um diese zu ermitteln, reicht
jedoch eine einzige „Sense Coil“ zum
Monitoring via Oszilloskop nicht aus. Die
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Amplitude des Uplink ist im Vergleich
zur Trägeramplitude sehr gering und
kann aufgrund der begrenzten A/DWandler-Auflösung des Digitaloszilloskops nicht hinreichend genau gemessen werden.
Deshalb werden symmetrisch zur Antenne zwei Sense Coils in gleichem Abstand wie DUT und Calibration Coil angeordnet. Diese Sense Coils sind über
ein Potentiometer so miteinander verschaltet, dass die beiden Signale voneinander abgezogen werden (180°-Phasendrehung). Der durch mechanische
Unsymmetrien des Aufbaus notwendige Feinabgleich erfolgt hierbei über das
Potentiometer (Bild 2).
Ist keine Chipkarte des Typs PICC im
Feld, so wird der Träger praktisch vollständig kompensiert. Bringt man nun ei-
Um vorgenannten ISO-Messaufbau zu
realisieren, ist eine Signalquelle mit einstellbarer Ausgangsamplitude und einem nachgeschalteten Hf-Verstärker
mit 50-Ω-Ausgang zur Erzeugung eines
Requests nötig. Um entsprechende Feldstärken zu generieren, empfehlen sich
ca. 40 W an Leistung.
Die Signalquelle kann im einfachsten
Fall aus einem gängigen PCD und einem variablen Dämpfungsglied bestehen. Ein entsprechendes PC-Programm
steuert dabei das PCD. Gleichzeitig kann
der PC zur Generierung eines Triggersignals (z. B. über den Parallelport) genutzt
werden, um das Detektieren und Aufnehmen der Lastmodulation mit dem
Oszilloskop zu vereinfachen.
Eine weitere, sehr kompakte Realisierungsmöglichkeit für die Signalquelle ist
ein leistungsfähiger AFG (Arbitrary Function Generator), der sowohl die TriggerGenerierung, als auch die variable Ausgangsamplitude bietet. Dies ermöglicht
zusätzlich die komfortable Automatisierung des Messaufbaus mittels GPIB- E
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MESSTECHNIK
ne PICC in ihre definierte Position, so
liegt nur die von ihrem Feld verursachte
Spannung am Ausgang der zusammengeschalteten Sense Coils an. An ihnen
kann dann mit einem Tastkopf zum Beispiel die Kurvenform der Lastmodulation des DUT mittels eines geeigneten Digitalspeicherozilloskops aufgenommen
werden.
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ausreichende Warmlaufphase (ca. 20 Minuten) der Messgeräte ist selbstverständlich.
Bestimmung der Amplitude
der Modulationsseitenbänder
Bei der Messung wurde folgendermaßen vorgegangen:
e Zuerst
Bild 3: Test PCD und Verstärker
Schnittstelle. Als Software bietet sich
hierzu z.B. die grafische Programmiersprache LabVIEW an.
Generell gilt es bei allen Hf-Messungen,
einen Sicherheitsabstand von ca. 40 cm
von jeglichen Eisenteilen (z. B. Metallrahmen von Labortischen o. ä.) zu halten,
um eine Verzerrung des Magnetfeldes
durch induzierte Wirbelströme zu vermeiden.
Es empfiehlt sich außerdem, Tastköpfe
zu benutzen, welche die Verwendung
eines BNC-to-probetip-Adapter ermöglichen (z.B. Tektronix P6109B). Damit vermeidet man Induktionsschleifen, die
über Masseleiter der Tastköpfe aufgespannt werden (Bild 3).
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Um sowohl die Calibration Coil, als auch
die Sense Coils möglichst wenig zu belasten, sollten Tastköpfe mit hoher Impedanz, bzw. mit einer Kapazität <14 pF
verwendet werden. Eine zu niedrige Impedanz würde zu einem Strom durch
die Spulen führen, welcher dann wiederum ein unerwünschtes Feld erzeugt.
Außerdem ist darauf zu achten, dass die
Tastköpfe optimal frequenzkompensiert
sind, um eine gute Genauigkeit der Messungen zu gewährleisten. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass die Kompensation sowohl im Nf- (1 kHz) als auch
im Hf-Bereich durchgeführt wird. Ebenso sollten die Signalpfade des Digitaloszilloskops abgeglichen werden. Eine
wird ohne DUT im Feld die
Feldstärke über die Ausgangsamplitude der Test PCD eingestellt und mit
der Calibration Coil gemessen. Es hat
sich eine Skalierung des Feldstärkebereiches in Effektivwert-Schritten von
0,5 A/m innerhalb seiner Grenzwerte
Hmin = 1,5 A/m (RMS) bzw. Hmax =
7,5 A/m (RMS) als adäquat erwiesen.
e Die Ausgangsspannung der verschalteten Sense Coils wird mit dem Oszilloskop betrachtet, während mit Hilfe
eines Potentiometer der Abgleich des
unmodulierten Trägers auf minimale
Amplitude erfolgt.
e Danach wird die PICC in die DUT-Position gebracht. Dabei wird das Feld
durch die Karte belastet, so dass die
Feldstärke auf den gewünschten Wert
nachgeführt werden muss. Nun wird
ein Request-Signal (REQA oder REQB)
von der „Test PCD“ gesendet und die
Karte dadurch zu einer Antwort aufgefordert.
e Bei gleichzeitiger Generierung eines
Triggersignals muss die gültige Antwort der Karte, das ATQ-Signal (Answer to Request), mit einem Digitalspeicheroszilloskop dargestellt wer-
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PCD
Proximity Coupling Device; Lesegerät
PICC
Proximity IC Card; kontaklose Chipkarte bis ca. 10 cm
DUT
Device Under Test; Prüfling
RF
Radio Frequency; Hochfrequenz
ASK
Amplitude Shift Keying; Amplitudenmodulation
ASK100
Amplitudenmodulation mit 100% Modulationsindex
ASK10
Amplitudenmodulation mit 10% Modulationsindex
SU
Sideband Upper; oberes Seitenband bei fU = 14,41 MHz
SL
Sideband Lower; unteres Seitenband bei fL = 12,71 MHz
RMS
Route Mean Square; Effektivwert
REQ
Request-Befehl von der PCD zur PICC
REQA
Request-Befehl mit ASK100 und modifizierter Miller-Codierung
REQB
Request-Befehl mit ASK10 und NRZ-Codierung
ATQ
Answer to Request; Antwort der PICC auf den REQ
FFT
Fast Fourier Transfomation
DSO
Digital Samping Oscilloscope; Digitalspeicheroszilloskop
AFG
Arbitrary Function Generator; Funktionsgenerator mit frei definierbarem Kurvenverlauf
GPIB
General Purpose Interface Bus; auch IEEE-488; Bus-System zum
Informationsaustausch zwischen (Mess-) Geräten
den können. Damit ist für die entsprechende Feldstärke die Funktion der
Karte nachgewiesen. Für den Beweis
eines kontinuierlichen Betriebes muss
der gesamte Wertebereich der Feldstärke untersucht werden.
e Aus dem gesampleten Kurvenverlauf
der Lastmodulation lässt sich schließlich der Wert für die Amplitude der
Modulationsseitenbänder mittels FFT
(Fast Fourier Transformation) bestimmen.
e Eine direkte Bestimmung des Modulationsindex aus der Kurvenform hat
den Nachteil, dass durch das nichtlineare Verhalten der PICC erzeugte
Oberwellen das Ergebnis verfälschen
würden. Außerdem sind hierbei Phasenmodulationsanteile schwer bestimmbar.
Im Gegensatz dazu liefert die FourierTransformation z. B. zweier HilfsträgerPerioden exakt die Amplitude der beiden Seitenbänder bei fL = 12,71 MHz
und bei fU = 14,41 MHz. Da jede Art von
Lesegerät egal ob mit Amplituden-, Ein-
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kontaktlosen Systemen dar. Infineon
Technologies entwickelt deshalb ständig
neue Messverfahren im Bereich der kontaktlosen Chipkarten. Dazu gehören z. B.
das thermische Verhalten der Karten in
Abhängigkeit von der magnetischen
Feldstärke, die Bestimmung der Resonanzfrequenz der Karte oder Untersuchungen zu Worst-Case-Hüllkurven des
Downlink und dem Timing des Uplink.(av)
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INFINEON
Rupert Klement betreut die Systemtechnik für kontaktlose Chipkarten im Geschäftsbereich Sicherheits- und Chipkarten-ICs bei der Infineon Technologies AG
Literatur
[1] Final Committee Draft ISO/IEC 14443-2
Identification cards – Contactless integrated circuit(s) cards – Proximity cards
– Part2: Radio frequency and signal interface,1999-03-26;
[2] Final Committee Draft 10373 – 6
Testing ISO/IEC 14443-2 Identification
cards –Contactless integrated circuit(s)
cards –Proximity cards,2000-03-03;
[3] Technical
Contribution,
ISO/IEC
JTC1/SC17/WG8/N290: „Determination
of PICC load modulation“, Dr.L.Gaul,Infineon Technologies AG
seitenband- oder IQ-Demodulator letztendlich eines oder beide Seitenbänder
auswertet, wurde als Kriterium für die
ISO-Konformität einer PICC ein Mindestpegel für die Amplitude der Seitenbänder festgelegt.
Die Auswertung mittels schneller Fourier-Transformation (FFT) kann dabei z. B.
mit einer Software wie Matlab erfolgen.
Komfortabler ist die Übertragung der
Wellenform direkt über GPIB in den PC
und die sofortige Auswertung beispielsweise mit Hilfe der Analysefunktionen
von LabVIEW.
Ausblick
ISO/IEC beschreibt in 10373 zusätzlich
noch Messmethoden zur Charakterisierung einer ISO-konformen PCD, welche
insbesondere für Lesegeräte oder Systemhersteller von Bedeutung sind. Diese ISO-Messverfahren stellen jedoch nur
eine absolut notwendige, aber bei weitem noch nicht hinreichende Anzahl
von Methoden zur Beschreibung von
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Glossar
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