Einleitung für die schriftliche Abiturprüfung im Leistungskurs Deutsch Thema: Hugo von Hofmannsthal: Jedermann Kreative Hinführung: In einer deutschen Redensart heißt es: „Das letzte Hemd hat keine Taschen“. Diese geht auf eine Bibelstelle (Mt 6, 19-21) zurück, in der es heißt: "Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz". Es wird also deutlich verkündet, dass man nach seinem Ableben keine irdischen Güter mitnehmen kann. Materiellen Besitz anzuhäufen scheint also zwecklos, denn vor dem Richtstuhl Gottes zählen nur die guten Taten, das Seelenheil sowie ein reines Gewissen und nicht der angehäufte Reichtum; eine Erfahrung die auch der Jedermann machen muss in Hugo von Hofmannsthals Drama: „Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“, welches 1911 veröffentlicht und uraufgeführt wurde. Anmerkungen zum Autor: Hugo von Hofmannsthals Schreibtalent äußerte sich schon sehr früh und er wurde als Wunderkind bezeichnet. 1874 als Sohn eines Bankiers in Wien geboren, verfasste er schon mit 17 Jahren unter dem Pseudonym Theophil Morren das Drama „Gestern“, welches für Aufsehen in der Öffentlichkeit sorgte. 1892 begann er an der Universität in Wien mit seinem Jurastudium. In dieser Zeit entstand sein lyrisches Drama „Der Tod des Tizian“ sowie ein lyrischer Prolog für Arthur Schnitzlers Drama „Anatol“. In den Jahren 1894/95 legte er seine erste juristische Staatsprüfung ab und begann daraufhin einen einjährigen Freiwilligendienst beim Dragoner-Regiment in Göding. 1898 promovierte er nicht nur zum Doktor der Philosophie, sondern ihn zog es auch von der Lyrik zum Theater und der Oper hin, wodurch er im Jahr 1900 den Komponisten Richard Strauß kennenlernte, zu dem er eine lebenslange Freundschaft pflegte und mit welchem er ab 1906 zusammenarbeitete, wobei sie 1917 an der Gründung der Salzburger Festspiele beteiligt waren. Information zu den Salzburger Festspielen: Initiiert wurde dieses Projekt vom österreichischen Theater- und Filmproduzenten Max Reinhardt. Dieser forderte Hofmannsthal schon 1910 dazu auf, den 1904 begonnen „Jedermann“ zu beenden und am 1. Dezember 1911 in Berlin uraufzuführen. Mit diesem Werk wurden schließlich die Salzburger Festspiele am 22. April 1920 auf dem Domplatz eröffnet. Seitdem wird der Jedermann jährlich aufgeführt, mit Ausnahme der Jahre 1939 – 45, während des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland. Die Salzburger Festspiele sollten stets für Frieden sorgen und die Menschen zusammenführen. Sie wurden gegründet, um qualitativ hochwertige Aufführungen im Bereich Theater, Oper und Musik für erschwingliche Preise darzubieten. Am 13. Juli 1929 nimmt sich Hofmannsthals ältester Sohn das Leben. Diesen Verlust konnte er aber nicht verkraften und er stirbt am 15. Juli in Rodaun beim Aufbruch zur Beerdigung. Epochale Einordnung: Bis heute gilt Hugo von Hofmannsthal als einer der bedeutendsten Vertreter des deutschsprachigen Fin de Siècle und der Wiener Moderne: Zwischen den Jahren 1890 und 1910 stellte das Wien der vergehenden Donaumonarchie das kulturelle Zentrum dar. Österreich-Ungarn als Doppelmonarchie und Vielvölkerstaat vereinte eine Fülle an Nationen und Sprachen. So koexistierten deutsche, ungarische, tschechische, serbische, kroatische und slowenische Einflüsse, welche unter der zunehmenden Militarisierung zu einem fortwährenden Spannungsfeld in Politik und Gesellschaft führten. Darüber hinaus wurde der nahende Jahrhundertwechsel unterschiedlich aufgefasst, sodass einer positiven Aufbruchsstimmung gegenüber der „Jahrhundertwende“ eine melancholische Weltsicht bezüglich des „Fin de Siècle“ gegenüber stand. Sowohl die zunehmende politische Instabilität, als auch die widersprüchlichen Gefühle in Form von Enthusiasmus und Zukunftsangst beeinflussten das künstlerische Schaffen maßgeblich. So sind viele Werke vom sogenannten Dekadenzgedanken geprägt - Tod und Zerfall wurden also zunehmend thematisiert. Aber auch das menschliche Innenleben und die Psychologie wurden bearbeitet und in eine ästhetische Form gebracht. Besondere Sujets wie Identitätskrisen sowie die Hilflosigkeit angesichts der sich zunehmend verschlechternden Umstände standen häufig im Vordergrund. Die Wiener Moderne ist also als Gegenströmung zum Naturalismus (1880 – 1890) zu sehen, welcher den Fortschritt recht positiv gegenüber steht und darauf Wert legt, die Wirklichkeit möglichst exakt abzubilden. Hofmannsthal als Vertreter seiner Zeit: Betrachtet man also Hugo von Hofmannsthal in seiner Epoche, so weisen viele seiner Werke die Charakteristik eines Janusgesichts auf. Dabei steht er häufig zwischen einem fortschrittlichen Zukunftsoptimismus und einer konservativen Rückwärtsgewandtheit. Die industrielle Revolution brachte neben dem technischen Fortschritt auch eine Undurchschaubarkeit und Entfremdung mit sich. Des Weiteren vergrößerte sich auch die Kluft zwischen Arm und Reich. Unter dieser vorherrschenden Umbruchsstimmung litt auch Hofmannsthal, welcher im Laufe seines Lebens eine Wandlung vom reinen Ästheten zum verantwortungsbewussten Menschen machte. Entstehung des Werks: Die Intention seines Gesamtwerkes lässt sich so deuten, dass ein Mensch engagiert sein muss, da er sein nutzloses Leben sonst auf dem Sterbebett bereuen würde – eine mögliche Sichtweise auf den „Jedermann“. Hugo von Hofmannsthal bediente sich bei der Bearbeitung des Jedermann-Stoffs an dem mittelalterlichen Mysterienspiel des „Everyman“. 1903 erhielt er von seinem Freund Franckenstein einen Brief mit dem Text und ausführlichen Erläuterungen. Hofmannsthal übersetzte das 1529 entstandene Mysterienspiel und begann 1904 das Stück zu bearbeiten, was er jedoch zu Gunsten anderer Stücke aufgab, bis er dieses 1911 doch überarbeitete und dabei völlig neue Szenen und Details einbezog (Szene mit dem armen Nachbarn, dem Schuldknecht sowie die Konfrontation mit dem Mammon). Inhaltsangabe/ Einordnung einer Szene in die Gesamthandlung: In Hofmannsthals „Jedermann“ gehen Ort und Zeit der Handlung nicht eindeutig hervor, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass eine gewisse Allgemeingültigkeit angestrebt wurde. Nachdem ein Spielansager das Stück eröffnet, beginnt das „Spiel“ mit einem Prolog im Himmel. Gott beschwert sich über das sündhafte Verhalten der Menschen, die den Glauben nicht mehr praktizieren und einem verwerflichen Materialismus verfallen sind. Folglich beauftragt er den Tod in seinem Sinne zu richten. Er soll als Stellvertreter den Jedermann aufsuchen und zur Verantwortung stellen. Der Jedermann ist ein vierzigjähriger, reicher Geschäftsmann, der sich selbst über seinen Besitz definiert und mit Hilfe des Geldes seine Macht demonstriert. Zu Beginn des Stücks möchte Jedermann eine Feier für seine Freunde vorbereiten und für seine Buhle ein Lustschloss kaufen. Dabei wird er von seinem Gesellen begleitet. Auf dem Weg, jenen Lustgarten zu finanzieren, begegnet er dem armen Nachbarn. Dieser war einmal dem Jedermann ebenbürtig, verfiel aber in Armut. Er bittet den Jedermann um etwas Geld, wird jedoch abgewiesen. Der Jedermann möchte sich weiter auf den Weg begeben. Dabei wird er aber von einem Schuldknecht mit seiner Frau aufgehalten, denen er ebenfalls die Hilfe verweigert. Auf die Sorgen der Mutter, die ihm nach der SchuldknechtSzene entgegenkommt, reagiert Jedermann nur mit halbherzigen Versprechungen. Von den plötzlichen Ereignissen erbost, begibt er sich auf den Weg zurück und wohnt seinem Bankett bei. Hier erscheint nun der Tod, welcher den Jedermann vor das göttliche Gericht stellen möchte, gewährt ihn aber noch eine Stunde zusätzlich, um jemanden zu finden, der ihn auf seine beschwerliche und endgültige Reise begleiten möchte. Sowohl Freunde und Familie als auch sein eigener Besitz, personifiziert durch die allegorische Figur des Mammons, lehnen die Bitte des reichen Jedermanns ab. Lediglich seine guten Werke sind dazu bereit, mit ihm zu gehen. Jedoch erscheint diese allegorische Figur zu schwach, da Jedermann nie solche vollbracht hat. Es steht ihm also nur Werkes Schwester Glaube bei, welche ihn auf auf den rechten Pfad der Tugend und des Glaubens zurückführt. Während der Jedermann geläutert wird, halten Werke und Glaube den Teufel ab, welcher sich seiner Wettschuld beraubt sieht. Jedermann sieht sich nun dazu in der Lage, seine letzte Reise anzutreten und sich vor dem göttlichen Gericht zu behaupten, dabei wird er nur von seinen guten Werken begleitet.