Clemens Sedmak DAS PROBLEM VOM ENDE AUF DER BÜHNE UND IM LEBEN 24. August 2005 Festspiel-Dialoge 2005 © Copyright Clemens Sedmak 2 Clemens Sedmak Das Problem vom Ende auf der Bühne und im Leben Eine Kurzfassung des Referats bei den Salzburger Festspieldialogen (24. August 2005) 0. Vorbemerkungen Letzte Worte, letzte Dinge, „das letzte Mal“ – hier erreichen wir eine Dimension, die uns still und bescheiden werden lässt. Wenn jemand etwas zum letzten Mal tut, so bekommt dieser Akt ein besonderes Gewicht. Ein uns nahe stehender Mensch hat einen Schlaganfall und wird zum Menschen, der der Pflege bedarf. In einer solchen Situation stellen sich Fragen ein: Wann ist er das letzte Mal Auto gefahren? Wann hat er das letzte Mal ein Buch gelesen? Wann hat er das letzte Mal mit seinen Enkelkindern gespielt? „Das letzte Mal“ hat ein besonderes Gewicht. Leonardo Boff hat den Stummel der letzten Zigarette, die sein Vater vor seinem Tod geraucht hat, als Sakrament bezeichnet, als ein heiliges Zeichen. Wenn wir an das definitive Ende stoßen, werden wir mit etwas erfüllt, das man „Pietät“ nennt, eine Form von Scheu angesichts von Heiligem. Heilig ist das, was unzerstörbar und unberührbar ist, was sich dem manipulativen Zugriff entzieht. Vor einem definitiven Ende sehen wir uns mit wenigstens vier Dimensionen konfrontiert: der Unwiederbringlichkeit des Geschehenen; der Gleichheit, die damit verbunden ist, da wir als Menschen alle samt und sonders einem definitiven Ende entgegengehen; der Offenheit, da wir alle nicht wissen, ob es jenseits der Schwelle, die der Tod uns setzt, ein „Weitergehen“ gibt; der Erhabenheit, die bedeutet, dass wir vor etwas stehen, das größer ist, als wir es sind. Es fällt nicht leicht, über das Ende zu sprechen. I. Philosophisches (1) Wenn wir damit konfrontiert sind, dass etwas zu Ende geht, helfen wir uns gerne mit Ritualen. Rituale geben Regeln an die Hand, wie man Übergänge bewältigen kann. Am bekanntesten in diesem Zusammenhang sind wohl Rituale des Abschieds. 3 Sie können wie andere Rituale auch gelingen und misslingen. Hierzu bestehen Regeln. In der Regel besteht ein Abschiedsritual aus einem Blick zurück (Dankbarkeit) und einem Blick in die Zukunft (Hoffnung). Nach einer Einladung bedanken wir uns für die erfahrene Gastfreundschaft und kündigen eine Gegeneinladung an, werfen damit einen Blick in die Zukunft – das tun wir auch immer, wenn wir „Auf Wiedersehen“ sagen. Mit Scheu werden wir dann erfüllt, wenn wir vor einer Grenze stehen, die den Blick nach vor nicht erlaubt. Wenn wir vor einem Ende stehen, das nicht von einem Neubeginn begleitet ist. Es dürfte in diesem Zusammenhang sinnvoll sein, zwischen zwei Typen von „Ende“ zu unterscheiden – ein Ende, das einen Neubeginn ermöglicht (etwa: ein Buch wird zu Ende gelesen, dann ein neues Buch begonnen) und Ende, das sich als definitiv darstellt. (2) In der Philosophie hat es viele verschiedene Versuche gegeben, sich mit Grenzen auseinanderzusetzen. Eine Grenze ist etwas, wo etwas zu einem Ende kommt. Eine Grenze ist dann erreicht, wenn der Satz „und so weiter“ nicht mehr gilt, wenn also das etablierte Regelwerk zum Gehen und Weitergehen nicht mehr befolgt werden kann. In diesem Sinne ist eine Grenze auch ein „Problem“, wie es im Titel heißt, ein Handlungshindernis nämlich, etwas, das es mir nicht ermöglicht, so weiterzuhandeln, wie ich es gewöhnt bin. Grenzen sind in der Philosophie eigenartige Entitäten (ähnlich aufregend wie Löcher, Ränder, Kanten, Ecken). Es gab immer wieder Versuche, im Denken Grenzen auszuloten und zu überwinden. Ich nenne drei Beispiele: (i) Aristoteles hat darauf hingewiesen, dass eine Begründung zu einem Ende kommt. Wir können einen Satz mit einem anderen Satz begründen, aber das geht nicht ins Unendliche weiter. Wir müssen dann auf ein anderes Vermögen rekurrieren, das Vermögen der unmittelbaren Erfassung. Es gibt Sätze, die nicht mehr durch andere Sätze begründet werden können, sondern unmittelbar einsichtig, evident sind. Hier endet also eine Begründung, indem sie sich auf etwas beruft, was von einer anderen Art ist. (ii) Kant hat versucht, dem Denken eine Grenze zu ziehen und zwischen dem Erkennbaren und dem Unerkennbaren zu scheiden. Erkenntnis ist die Synthesis von Denken und Anschauung nach Kant. Wenn wir an die Grenze des menschlichen Lebens rühren, können wir nicht mehr Erkenntnis beanspruchen, sondern nur mehr Postulate formulieren, die sich vor allem im Modus der Hoffnung zeigen. (iii) Wittgenstein war bestrebt, eine Grenze zwischen dem Sagbaren und dem Unsagbaren zu setzen. Manche Sätze sind sinnvoll und „sagen“ 4 etwas, andere Sätze sind nicht sinnvoll und „zeigen“ etwas. Das, was gezeigt wird, entzieht sich der sprachlichen Aufbereitung und tangiert das Mystische, wo wir in den Bereich der Lebensprobleme und der Sicht auf das menschliche Leben als ganzes eintreten. Was können wir aus diesen drei Beispielen lernen? Im Umgang mit Grenzen lehrt die Philososophiegeschichte, dass wir uns auf etwas berufen müssen, was von anderer Art ist und also mit einem anderen Vermögen arbeiten müssen, wenn wir fortfahren wollen; dass wir angesichts von Grenzen auf Postulate und den Modus der Hoffnung verwiesen sind und keine sicheren Aussagen mehr machen können; dass wir einen Bereich betreten, der die Grenzen der Sprache aufweist und Menschen damit auch individualisiert – Wittgenstein hat ja etwa einmal gesagt: Wenn ein Mensch den Sinn im Leben gefunden hätte, könnte er nicht sagen, worin dieser Sinn besteht. (3) Die Philosophie kann uns neben diesen erkenntnistheoretischen Lektionen auch ethische Hinweise geben: Grenzen schaffen Knappheit eines Gutes und eine Conditio der Offenheit. Eine Grenze erzeugt Endlichkeit, ein Gut, das zu einem Ende kommen kann, wird knapp. Unter einer Knappheitsbedingung entstehen Voraussetzungen für die Entstehung von Wert und Preis. Wenn man an Huxleys Szenario in seiner Schönen Neuen Welt denkt, so haben wir es hier mit einer Conditio zu tun, in der Menschen nicht an Grenzen stoßen. II. Literarisches (1) Es ist bemerkenswert, wie Geschichten anfangen. Amos Oz hat in seinem Band So fangen die Geschichten an die Anfänge von literarischen Werken betrachtet und darauf hingewiesen, dass der Anfang einer Geschichte einen Vertrag zwischen Autorin und Leserin konstituiert, der im weiteren Verlauf der Geschichte einzulösen ist. Nun, ähnlich bemerkenswert ist es, wie Geschichten, wie Erzählungen, wie Romane enden. Hier wird ein Vertrag gelöst, so scheint es – und doch: Die Leserin trägt das Buch in ihr Leben hinein, die Autorin wirkt weiter in das Leben der Leserin hinein, auch wenn das vertragliche Band durch andere Formen der Bindung ersetzt worden ist, subtilere, implizitere Formen. Es dürfte eine gute Übung zum Verständnis 5 unseres Themas sein, wenn man sich systematisch die Enden von Geschichten vor Augen führt. (2) Die Bühne ist ein besonderer Ort, was das Ende angeht. Erstens kann eine Bühne das Problem vom Ende darstellen. Der Jedermann, dargestellt auf dieser besonderen Freiluftbühne vor der mahnenden Präsenz des Salzburger Doms, spielt mit der Thematik vom Ende, spielt das Drama vom Ende. Zweitens ist die Bühne eine Metapher für das Leben. In unnachahmlicher Weise hat daran Erving Goffman erinnert – wir stehen auf der Bühne des Lebens und sind ständig damit beschäftigt, unser Image aufzubauen, zu sichern, zu schützen und zu rehabilitieren. Die Bühne ist aber drittens auch ein Ort, an dem Geschehnisse zu einem Ende kommen. Ein Bühnenstück endet. Und dieses Ende wird markiert durch eine Grenze, die Grenze einer Pause oder die Grenze eines Vorhangs. Dieses Ende ist eine Form des Endes, das begleitet ist von einem Neuanfang. Es ist also kein absolutes Ende, mit dem wir es hier zu tun haben. Brisant wird es dann, wenn das definitive Ende auf der Bühne dargestellt wird und eine solche Darstellung zu einem Ende kommt. Auch darüber lohnte es sich, länger nachzudenken. (3) Der „Jedermann“ kann uns viel über das Ende des menschlichen Lebens lehren. Ich möchte fünf Lektionen herausgreifen. Erstens, der Jedermann handelt, wie es der Spielansager anfangs deutlich macht, von der Vergänglichkeit und Hinfälligkeit unserer Tage und Werke. Das gibt zu denken. Vergänglichkeit, das heißt, dass man etwas nicht halten kann, dass Tage und Werke vorüberziehen, einmal sind, und zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr sind. Vergänglichkeit eines Tages bedeutet, dass sich ein Tag, wenn er zu Ende geht, einreiht in die Kette der Tage, die hinter uns liegen, auf die wir nur mehr über Spuren und Erinnerungen Zugriff haben. Das Vergangene ist in diesem Sinne nie vollständig vergangen, es bleibt im Gedächtnis. Aber: Es kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Selbst Gott, so sagt Thomas von Aquin, kann Geschehenes nicht ungeschehen machen. Das würde die Ordnung der Dinge zerstören. Der Begriff der Hinfälligkeit ist schärfer. Etwas ist hinfällig, wenn es an Gültigkeit verloren hat, wenn es nichts mehr zu sagen hat, wenn es nicht mehr beachtet werden muss, wenn es keinen Unterschied mehr macht, ob es ignoriert wird oder nicht. Der Begriff der Hinfälligkeit steht der Kategorie des Bleibenden entgegen. Die Hinfälligkeit der irdischen Tage mahnt, dass nichts 6 Bleibendes in diesem Leben steckt, der Hinweis auf die Hinfälligkeit unserer Werke deutet an, dass wir aus eigener Kraft nichts Bleibendes schaffen können. Das sind bittere Lektionen. Zweitens, der Jedermann erinnert uns daran, dass niemand mitgehen kann durch die Pforte, die das Leben vom Tode trennt. Es scheint ein Gesetz des Lebens zu sein, dass jeder und jede alleine durch diese Pforte geht. Selbst wenn wir jemanden in den Tod reißen, wir gehen diesen Weg alleine. Und doch: Der Jedermann erinnert uns auch daran, dass wir nicht alleine und nicht für uns sterben, dass das Sterben, ähnlich wie das Geborenwerden ein soziales Ereignis ist, von Gewicht und Bedeutung für die Gemeinschaft. Es darf auch nicht vergessen werden, dass wir alles, was zu uns gehört, auf diesen letzten Weg mitnehmen, alles das, was unser Selbst, unser Inneres ausmacht, alles das, was wir an Einstellungen und Werten, Handlungen und Taten mit uns tragen. Drittens, der Jedermann führt uns das Bild vom Leben als einer Reise vor Augen. Es ist eine seltsame Reise, so heißt es, und „recht weit“. Das Leben als eine Reise anzusehen, die einen Anfang und ein Ende hat, eine Reise, die uns alles abverlangt, die erst endet, wenn unsere Kraft am Ende ist. Das Bild von der Reise lässt uns auch fragen, wer uns auf dieser Reise des Lebens begleitet und geleitet, führt oder verführt. Das Bild von der Reise, die seltsam ist, weist darauf hin, dass jede und jeder das je eigene Leben lebt, das nicht auf bestehende Kategorien und Begriffen reduziert werden kann. „Seltsam“ zu sein bedeutet, nicht glatt eingeordnet werden zu können. Und dann ist die Reise weit. Sie dauert. Sie fordert. Sie führt hinaus aus allem Bekannten, zwingt uns, das Vertraute hinter uns zu lassen. Viertens, der Jedermann lädt dazu ein, über das Leben als Ganzes nachzudenken. Das Bild von der Reise des Lebens war ein solcher Versuch. Im Jedermann ist die Rede von der Rechenschaft am Ende des Lebens, es geht um Bilanz und einen Blick auf das Leben als Ganzes und solches. Dieser Blick scheint wichtig zu sein, um Dinge recht zu gewichten, um Dinge ins rechte Licht zu rücken, um das Maß zu finden, mit dem wir uns und das Leben messen sollen. In diesem Sinne ist der Jedermann eine subtile Einladung an jene Denkkünste, die sich um das Leben als solches mühen, die Philosophie und die Theologie. Fünftens, der Jedermann zeigt uns, dass das Ende, das ein menschliches Leben nimmt, bestimmte Eigenschaften haben und unterschiedliche Eigenschaften bekommen kann. Im Jedermann heißt es an einer Stelle, dass das Ende „milde“ sein möge. Hier drängt sich die Frage auf: Welche 7 Eigenschaften kann das Ende haben? Und wie können wir diese Eigenschaften prägen? Oder prägen diese Eigenschaften uns? III. Theologisches (1) In der Theologie gibt es eine eigene Disziplin, die sich mit „den letzten Dingen“ beschäftigt, die Eschatologie. Die letzten Dinge, das sind jene Dinge, die das Leben als ganzes in den Blick nehmen lassen, das sind jene Dinge, die dem Leben einen Wert geben können, den das Leben ohne diese Dinge nicht hat. Die Eschatologie bohrt den Stachel der Ernsthaftigkeit in uns hinein – es könnte wahr sein! Es könnte wahr sein, dass es eine Rechenschaft vor dem Richterstuhl Gottes gibt; es könnte wahr sein, dass es einen Unterschied macht, wie wir unser Leben leben. Es könnte wahr sein, dass es „letzte Dinge“ gibt, von denen wir uns keinen Begriff und kein Bild machen können und die uns alle überraschen werden. Die bitteren Lektionen aus dem Jedermann – sie könnten relevant sein. Wir könnten uns fragen, wie viel das Ende eines Lebens über dieses Leben aussagt, ob gleichsam ein Leben im Ende, das dieses Leben findet, kulminiert. Hier halten wir inne und denken nach über den Sprachgebrauch: Was bedeutet es, dass etwas ein „Ende finden“ kann? Wie steht es dann um die Suche nach diesem Ende? Eben das sind Fragen, die in der Eschatologie verhandelt werden. Die Eschatologie konfrontiert uns auch mit dem Stachel der Kriteriologie – wie sollen wir leben? Nach welchen Kriterien, mit welchem Maß sollen wir unser Leben messen, wiegen und bewerten? Die Frage mag überraschen, aber sehen wir uns die Figur des Jedermann an. Der Jedermann tritt als durchaus sozial gesinnter, barmherzigkeitsfähiger und gleichzeitig vernünftiger Mensch auf. Er gibt dem Bettler eine kleine Spende. Das ist ein Werk der Übergebühr und sollte honoriert werden. Er überlässt dem Bettler nicht gleich einen Anteil an seinem Reichtum, denn das wäre unklug und unfair und würde die Idee von Kriterien für den Erwerb von Eigentum torpedieren. Der Jedermann sorgt sich auch um die Familie des Schuldners, der in den Schuldturm geworfen wird. Das ist nobel und ein Werk der Übergebühr. Wer würde es wagen, zu verlangen, dass der Jedermann dem Schuldner die Schulden vollständig zu erlassen habe? Damit würde, wenn man diese Haltung verallgemeinert, die Idee von Vertrag und Abmachung unterminiert und damit die Eckpfeiler eines Rechtsstaates in Zweifel gezogen. Der Jedermann ist also auf vernünftige Weise wohltätig. Er gibt aus seinem Überfluss, ohne sich selbst zu 8 gefährden und ohne auch die erworbenen Möglichkeiten von Luxus unmöglich zu machen; er trägt Sorge für andere in einer Weise, die sein Geschäftsleben nicht nachhaltig aufs Spiel setzen. Das ist vernünftig und eine Form, die wir wohl auch wählen würden. Die theologische Spitze des Werkes besteht nun in der Botschaft, dass das nicht ausreicht, dass diese Form kontrollierter Mildtätigkeit zu wenig ist. Das irritiert. Wer würde die Konsequenzen ziehen wollen? (2) Theologisch entscheidend scheinen die Hinweise auf den Wert der Endlichkeit und den Fluch der Unendlichkeit zu sein. Es liegt ein Segen darin, dass Dinge zu einem Ende kommen. Damit entsteht Platz für Neues, für Wachstum Es verwundert daher nicht, dass in so manchem Kontext Unendlichkeit, Unsterblichkeit als Fluch dargestellt wird. Camus’ Mythos von Sisyphos steht ebenso für diesen Fluch dessen, das kein Ende nimmt, wie Jean-Paul Sartres Huis Clos. Eine geschlossene Gesellschaft, wie sie Sartre darstellen will, ist nicht nur eine Gesellschaft, aus der es keinen Ausweg gibt, es ist auch eine Gesellschaft, die nicht zu einem Ende kommt. Am deutlichsten dürfte dieser Wert der Endlichkeit in Simone de Beauvoirs Roman Tous les Hommes Sont Mortels sein: Beauvoir beschreibt bekanntlich ein Szenario, in dem Fosca, ein italienischer Adeliger im Mittelalter, ein Unsterblichkeitselixier zu sich nimmt und als einziger Unsterblicher unter allen Sterblichen zu leben gezwungen ist. Das Resultat ist ein bestürzender Verfall von Handlungsmotivation. Anfangs setzt sich Fosca noch ein für eine bessere Welt, doch im Laufe der Jahrhunderte kommt ihm die Handlungsmotivation abhanden und er versinkt in Gleichgültigkeit. Diese Gleichgültigkeit führt zu Langeweile und innerer Leere, zu einem Lebensgefühl der ennui. Der Wert der Endlichkeit, so könnten wir uns überlegen, liegt gerade darin, dem Leben Wert zu geben und Unterschiede möglich zu machen. Durch die Verknappung eines Gutes wird dieses Gut besonders wertvoll. Hier kann man auch den Wert von Grenzen erkennen – der Wert einer Grenze liegt u.a. darin, dass das dadurch begrenzte Gut an Wert gewinnt. (3) Schließlich, gewissermaßen schließend und abschließend, soll darauf hingewiesen werden, dass es menschliche Größe ausmacht, mit Grenzen umgehen zu können. Das Vermögen, mit Grenzen umzugehen, könnten wir „Weisheit“ nennen. Weisheit ist die Fähigkeit, mit den eigenen Grenzen und den Grenzen anderer zurecht zu kommen. Die Fähigkeit, die eigenen Grenzen anzuerkennen, hat auch mit 9 Mäßigung in Ansprüchen und Anforderungen an sich selbst zu tun. Auch in diesem Sinne gibt es einen besonderen Wert der Endlichkeit – sie fordert uns dazu heraus, Mensch zu sein, Menschlichkeit zu zeigen und menschliche Größe zu entwickeln.