Die Weber

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Königs Erläuterungen und Materialien
Band 189
Erläuterungen zu
Gerhart Hauptmann
Die Weber
von Rüdiger Bernhardt
Über den Autor dieser Erläuterung:
Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und
neueste deutsche sowie skandinavische Literatur an Universitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg,
gab die Werke Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und
anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Seit 1994 ist er
Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf
Hiddensee.
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3. Auflage 2008
ISBN 978-3-8044-1785-4
© 2003 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld
Alle Rechte vorbehalten!
Titelabbildung: Gerhart Hauptmann
Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk
2
Inhalt
Vorwort ...............................................................
5
Gerhart Hauptmann: Leben und Werk .............
Biografie ................................................................
Zeitgeschichtlicher Hintergrund .............................
Angaben und Erläuterungen
zu wesentlichen Werken ........................................
7
7
20
2.
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
Textanalyse und -interpretation ........................
Entstehung und Quellen ........................................
Inhaltsangabe ........................................................
Aufbau ..................................................................
Personenkonstellation und Charakteristiken ..........
Sachliche und sprachliche Erläuterungen ...............
Stil und Sprache .....................................................
Interpretationsansätze ............................................
32
32
40
51
59
67
84
88
3.
Themen und Aufgaben .......................................
91
4.
Rezeptionsgeschichte ..........................................
94
5.
Materialien .......................................................... 108
1.
1.1
1.2
1.3
28
Literatur .............................................................. 114
Zitiert wird nach Schwab-Felisch, Hans (Hrsg.): Gerhart Hauptmann: Die Weber. Vollständiger Text
des Schauspiels. Dokumentation. Ullstein Buch Nr. 5001, Frankfurt/M. – Berlin: Ullstein, 1959,
6. Auflage 2002 [im Econ Ullstein List Verlag, München, Ullstein-Buch Nr. 24047]. Da einige Angaben
ergänzungsbedürftig sind, wird in Ausnahmen zitiert CA mit Seitenangabe: Gerhart Hauptmann: De
Waber/Die Weber. Schauspiel aus den vierziger Jahren. Dialektausgabe/Übertragung. In: Gerhart
Hauptmann: Sämtliche Werke [Centenar-Ausgabe = CA]. Hg. von Hans-Egon Hass, Bd. I, Berlin:
Propyläen, 1962–1974 [Nachdruck 1996]
3
4
Vorwort
Vorwort
Mit dem Bühnenskandal seines Stückes Vor Sonnenaufgang
wurde Gerhart Hauptmann 1889 berühmt; mit den Webern
(1892) wurde er weltberühmt und ist es geblieben. Beide
Stücke sind Meisterleistungen des deutschen Naturalismus,
Die Weber wurde Gerhart Hauptmanns bekanntestes und wirkungsvollstes Stück, er erreichte damit – wie Kritiker und
Biografen meinen – „seinen künstlerischen Höhepunkt“1. Für
das Frühwerk ist das unumstritten. Dazu trugen verschiedene
Faktoren bei. Das Stück wandte die naturalistische
Gestaltungsmethode auf einen historischen Stoff an, der
aktuell war: Keiner der naturalistischen Dramatiker vor
Hauptmann, die sich an geschichtlichen Themen versuchten –
etwa die heute selten genannten Dramatiker Richard Voss (Die
Patrizierin, 1881) und Heinrich Hart (Sedan, 1882) – leistete
das.
Während zunehmender sozialer Widersprüche der kapitalistischen Produktion um 1890, die sich nach wie vor auf die
schlesischen Weber auswirkten und in der Presse entsprechend beschrieben wurden, entnahm Hauptmann den Konflikt seines Stücks aus der kapitalistischen Produktion von
1844, informierte sich aber gleichzeitig über die zeitgenössische Entwicklung. Daraus entstand ein erschütterndes und
kritisches Bild ausgebeuteter und unterdrückter Menschen,
deren Situation sich in fünfzig Jahren nicht geändert hatte. So
verband sich die Vorstellung vom überzeugenden naturalistischen Drama mit dem Bild eines sozialdemokratischen Dichters, der Gerhart Hauptmann nach eigenem Bekenntnis nie
war.
1
Hilscher, S. 120
Vorwort
5
Vorwort
Der uralte Beruf des Webers und ihm verwandte Berufe wie
Spinner hatten im 19. Jahrhundert tief greifende Veränderungen erfahren. Ursprünglich waren Weber die Vertreter eines
archaisch-idyllisch anmutenden, göttlich gewürdigten Berufs:
Homer beschrieb in der Odyssee die Frau des Odysseus, Penelope,
am Webstuhl; die Parzen (griech.: Moiren), uralte Schicksalsgöttinnen der Antike, sponnen den Lebensfaden und schnitten
ihn auch ab (vgl. Goethe Faust II, V. 5305 ff.).
1844 beschrieb Alexander Schneer das „Schrecken erregende
Elend“ der Weber, „davon kann sich selbst die regste Fantasie
keinen Begriff machen“2. Gerhart Hauptmann klebte in seinen
Notiz-Kalender 1891 einen Bericht zur Webernot ein, der die
Beschreibungen wiederholte: „... wer beschreibt das Elend
auch der Gesunden? Niedrige Stuben, Löcher, verdorbene
Luft, halbnackte Kinder, am rasselnden Webstuhl sitzen im
schlecht geheizten Raum die bleichen abgehärmten Gestalten.“3 Andererseits hatte eine fünfzehnjährige Weberin, die
den jungen Hauptmann während seiner Italienreise 1883 begeisterte, ihn in die Handhabung eines Webstuhls eingeführt.
Der vorliegende Kommentar führt schnell und genau in die
naturalistisch geprägte Struktur des Stückes ein, stellt seine
literaturhistorische und politische Bedeutung vor und erläutert die ungewöhnliche sprachliche Gestaltung (Dialekt
u. a.).
2
3
6
In: Praschek, S. 43
Notiz-Kalender, S. 326 f.
Vorwort
1.1 Biografie
1.
Gerhart Hauptmann: Leben und Werk
1.1 Biografie4
Alter
Jahr
Ort
Ereignis
1862
OberSalzbrunn/
Schlesien
(heute:
Szczawno
Zdrój)
1868
–1874
1870
OberSalzbrunn
OberSalzbrunn
15. November: Gerhard (sic!)
Hauptmann wird im Hotel „Zur
Krone“ (später: „Zur Preußischen
Krone“) als Sohn des Hotelbesitzers Robert Hauptmann
und seiner Frau Marie, geb.
Straehler, und als jüngerer Bruder des Dichters Carl Hauptmann (1858–1921) geboren. Einige Vorfahren Hauptmanns
waren Weber.
6–12
Besuch der Dorfschule.
1874
Breslau
4
Dem erkrankten Kind spielen 8
die Geschwister mit Pappfiguren in Kulissen aus Pappdeckeln Hamlet vor.
10. April: Eintritt in die Sexta 11–15
der Realschule am Zwinger,
Entlassung am 29. April 1878 als
Quartaner.
Die Angaben folgen Pfeiffer-Voigt, vgl. aber auch: Rüdiger Bernhardt: Chronik von Gerhart Hauptmanns Leben und Schaffen. In: Arbitrium. Hg. von Wolfgang Frühwald und Wolfgang Harms.
Tübingen: Niemeyer, 1995, Heft 1, S. 95–98. – Die Biografie wird bis zu den Webern relativ
ausführlich mitgeteilt, dann als Überblick.
1. Gerhart Hauptmann: Leben und Werk
7
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1877
Sorgau
1878
Breslau
Verarmung der Eltern, die die
Bahnhofswirtschaft in Sorgau
übernehmen.
Konfirmation in der Kirche zu
St.-Maria-Magdalena.
Nach vorzeitigem Abgang von
der Schule Landwirtschaftseleve (Schüler) auf den Gütern
seines Onkels. Aus gesundheitlichen Gründen Abbruch der
Lehre. Lektüre in seinem Neuen
Testament, das ihn schließlich
bis ins Grab begleitet.
Oktober: bereitet sich privat auf
das Examen für den einjährigfreiwilligen Militärdienst vor,
scheitert im Mai 1880.
Blutsbrüderschaft in einer Gruppe mit pangermanischen Idealen,
ihr gehören Bruder Carl, Alfred
Ploetz, Ferdinand Simon an.
Mai: Besuch bei den Verwandten, Leidenschaft für Anna
Grundmann, seine Nachfolgerin
als Eleve.
Ab 6. Oktober: Besuch der
Königl. Kunst- und Gewerbeschule, Bildhauerklasse. Freunde: Hugo Ernst Schmidt, Josef
Block.
1878/79 Lohnig,
Lederose
1879
Breslau
1880
Lederose
Breslau
8
Alter
15
16
16
16
17
17
1. Gerhart Hauptmann: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1881
Breslau
1881
Hohenhaus
1882
Breslau
Januar: Ausschluss von der Schule wegen schlechten Betragens.
Privatschüler bei Professor Haertel, durch ihn wieder Aufnahme
in die Schule. Plastische Arbeiten.
Die Brüder Georg, Carl und
Gerhart lernen die Töchter des
Großkaufmanns Thienemann
kennen, die drei Brüder Georg,
Carl und Gerhart heiraten später die drei Schwestern Adele,
Martha und Marie (1860–1914).
24. September: Hochzeit Georgs
und dabei Aufführung von
Gerharts Liebesfrühling. 29. September: Heimliche Verlobung
Gerharts mit Marie auf Hohenhaus.
Marie Thienemann besucht ihn,
wirtschaftliche Sicherheit durch
sie.
Abgang von der Kunstschule;
durch Prof. Haertel zum Studium als stud. hist.: Geschichte,
Literatur, hört auch bei Ernst
Haeckel.
15./16. Februar: Wanderung zur
Totenfeier für Richard Wagner.
Jena
1883
Weimar
1. Gerhart Hauptmann: Leben und Werk
Alter
18
18
19
20
20
9
1.1 Biografie
Ort
Ereignis
1883
Berlin
Februar: Abbruch des Studiums, 20
großer Eindruck von Berlin.
April: Reise nach Spanien, Monaco und Italien (Capri, Vesuv).
1. Juli: Rückkehr über Florenz,
Zürich zu Marie. Bildhauerpläne.
Oktober: Freier Bildhauer. Statue eines Kriegers bricht zusammen.
Februar: Marie Thienemann be- 21
sucht ihn, Typhuserkrankung.
Sechs Wochen in der Zeichenklasse der Akademie der Künste.
Plan des Vereins „Pacific“ einer
Ikarier-Siedlung wird aufgegeben.
8. Oktober: offizielle Verlobung
mit Marie Thienemann.
Immatrikulation gemeinsam mit
Ferdinand Simon. Zwei Semester bei Ernst Curtius und Du
Bois Reymond. Wunsch: Schauspieler.
5. Mai: Eheschließung mit Ma- 22/23
rie in der Johanniskirche.
29. Juli: erster Hiddenseebesuch;
Rügenreise. Militäruntauglich.
Wohnung zuerst in Berlin-Moabit, dann seit 30. 9. in Erkner.
Hohenhaus
Rom
1884
Rom
Dresden
Berlin
1885
10
Alter
Jahr
Dresden
1. Gerhart Hauptmann: Leben und Werk
1.1 Biografie
Jahr
Ort
Ereignis
1886
Putbus
Beziehungen zum Fürstlichen
Theater. Blutsturz.
Bekanntschaft mit Max Kretzer,
Wilhelm Bölsche und Bruno
Wille.
Kontakt zum am 6. Mai 1886 gegründeten Verein Durch!
Der Verein besucht Hauptmann
in Erkner, Vortrag im Durch!
über Georg Büchner (17. Juni).5
Erste Vernehmung am 17. Juni
wegen des Vereins Pacific im
Zusammenhang mit dem Breslauer Sozialistenprozess; Gefühl
der Verfolgung. Inzwischen
schreibt er sich „Gerhart“ statt
„Gerhard“.
Juli: begegnet Richard Dehmel,
Ola Hansson, Käthe Kollwitz,
Arne Garborg, Bölsche und Wille, Ende 1887 begegnet er Arno
Holz.
August: Wanderung mit Hugo
Ernst Schmidt durch das Riesengebirge, die Heimat auch für seine Dichtung neu entdeckt.
Erkner
1887
Erkner
Altlandsberg
Erkner
Schlesien
5
Alter
24
24
Wenn in Literaturgeschichten häufig zu lesen ist, Hauptmann habe Georg Büchner wieder entdeckt, ist das falsch: Seit 1878 war Georg Büchner durch die erste Veröffentlichung des Woyzeck
und 1879 durch eine Werkausgabe (Hg. von Karl Emil Franzos) vor allem bei den Naturalisten
bekannt geworden. 1887 lagen schon zahlreiche Rezensionen, Notate und Zitierungen vor.
1. Gerhart Hauptmann: Leben und Werk
11
1.1 Biografie
Jahr
1888
Ereignis
Breslau
7.–14. November: Hauptverhandlung im Breslauer Sozialistenprozess. Hauptmann wird
am 14. November vernommen.
29. Januar: Abreise nach Zürich,
um sich weiterer Verfolgung zu
entziehen. Carl Hauptmann und
Martha haben ihn eingeladen.
Großer Freundeskreis mit Carl
Henckell, Ploetz, Simon, John
Henry Mackay, Wille, Bölsche,
Frank Wedekind u. a.
Psychiatrische Studien bei Auguste
Forel, Besuch der Irrenanstalt.
Rückkehr Ende Oktober.
Engere Beziehung zu Arno Holz
und Johannes Schlaf. Gründung
der Freien Bühne (5. April),
Hauptmann tritt am 24. September in den Vorstand ein. Eröffnungsvorstellung mit Ibsens
Gespenstern am 29. September,
enge Beziehungen zu Otto
Brahm und Samuel Fischer.
Notizbuchmethode nach Zola.
Vor Sonnenaufgang (ursprünglich:
Der Sämann) erscheint im August,
Uraufführung am 20. Oktober
auf der Freien Bühne.
Zürich
Burghölzli
1889
Erkner
Berlin
Erkner
12
Alter
Ort
25
26
1. Gerhart Hauptmann: Leben und Werk
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