Mathematik und Naturwissenschaften

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1.
Grundlagen
1.1
Naturwissenschaft und Mathematik
1.1-1 Mathematik: Die Sprache der Naturwissenschaft. Jede unserer Sprachen hat ihre
Stärken und Schwächen. Romanische Sprachen etwa lassen Opern viel leichter melodiös
erklingen als das Deutsche. Dafür hat letztere einen enorm großen Wortschatz mit vielen feinen Unterscheidungen. Manche Sprachen lassen Gefühlsschattierungen leichter ausdrücken
als andere, dafür sind sie für technische Beschreibungen oft weniger geeignet. In Kulturen,
die mit mehreren Sprachen vertraut waren, wie im Europa der letzte Jahrhunderte, wurden
für die verschiedenen Aufgaben gerne jeweils jene Sprachen benützt, die im Umgang mit deren Problematiken als am besten geeignet betrachtet wurden: Französisch für die Diplomatie, Latein als universelle Sprache in Religion und Wissenschaft, und so fort.Auf der Suche
nach einer geeigneten Sprache für eine möglichst genaue Wiedergabe von unseren naturwissenschaftlichen Beobachtungen waren wir in Ermangelung von brauchbaren Alternativen
bald auf die Kunstsprache „Mathematik“ gestoßen. Ja, es ist wahr, die Mathematik ist für die
Chemie und Physik eine Sprache wie jede andere auch, sie wurde von uns Menschen zur
Darstellung und Lösung von ganz konkreten Alltagsproblemen geschaffen: Häuser mit senkrechten Winkel zu bauen, die Felder der Bauern genau zu vermessen, die richtige Menge
Mehl für den Kuchen anzugeben. Wie groß sind der Flächeninhalt und die Wassermenge eines Teiches? Welche Kräfte haben die Hausmauern auszuhalten? Wie hoch sind die Rückzahlungsraten für einen Kredit bei verschieden hohen Zinsfüßen?
Am einfachsten zitiere ich gleich aus meinem Buch „Die Werkstatt der Natur - Eine
moderne Einführung in die Quantentheorie“ (J. Tomiska; Edition Volkshochschule, Wien
2005; ISBN 3-900 799-628): „Und so wie andere Sprachen auch, entwickelt sich die Mathematik im Laufe der Jahrhunderte, wird sie in den unterschiedlichsten Stilen gebraucht. Sie
unterliegt ebenfalls Modeströmungen und ihre Begriffe können ebenso ihre Bedeutung modifizieren wie die Wörter unserer gesprochenen Sprachen. Die zehn Ziffern sind ihre Buchstaben, die Zahlen stellen ihre wichtigsten Wörter dar, und die Rechenregeln bilden die Grammatik.
Ein Teil der mathematischen Symbole fungiert als Satzzeichen, die anderen als Kürzeln für
Wörter aus den gesprochenen Sprachen. Wo immer die mathematische Schrift unser Verständnis der darin getroffenen Aussagen behindert, können wir dem elegant begegnen: Wir
ersetzen alle Abkürzungen und Symbole einfach durch die entsprechenden Wörter unserer
normalen Sprache und erhalten damit uns geläufige Sätze. Formeln oder Gleichungen entpuppen sich damit als ganz normale Sätze, nur, dass sie in der knappen Form der mathematischen Schrift verfasst sind. Sie sind aber sehr stereotyp verfasst, denn sie sagen immer
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dasselbe: Die Ausdrücke auf beiden Seiten des „=“-Zeichen sind völlig gleich - daher heißt
dieses „=“-Symbol auch das „Gleichheitszeichen“ („Gleichheitssymbol“). Die Wörter „Formel“, „Form“ und „Gleichung“ sind Synonyme. Desgleichen ist jede Funktion (Zuordnung) eine Formel, denn auch hier werden zwei Ausdrücke gleichgesetzt.“
1.1-2 Allgemeine Zahlen (Variable) und Konstanten. Unsere Muttersprachen machen es
uns leicht, Aussagen zu treffen, die nicht bloß auf einen konkreten Fall zutreffen, sondern
allgemeinen Charakter haben, wie ein Beispiel illustrieren möge: Sollen alle Rehpinscher und
nicht nur einer namens „Lili“ in der Eisenbahn einen Beißkorb tragen, dann schreiben wir das
Gesetz: „Rehpinscher müssen in der Eisenbahn einen Beißkorb tragen“. Haben auch Schäferhunde, Dackel, Bernhardiner, und alle anderen Arten dieser Tiergattung „Hunde“ einen
solchen zu tragen, dann müssen wir mitnichten für jede Hunderasse eine eigene Tafel
schreiben. Wir ersetzen nämlich in unserem Gesetz einfach „Rehpinscher“ durch „Hunde“.
Da „Hund“ der Gattungsbegriff aller Hundearten und daher jeder einzelne Hund darin subsumiert ist, gilt unser Gesetz damit ausnahmslos für alle Hunde.
Diese einfache Technik zum Formulieren allgemein gültiger Tatbestände wollen wir in
der Mathematik und Physik nicht vermissen. Wir führten uns daher den Begriff der „allgemeinen Zahlen“ („Variablen“) als die mathematischen Pendants zu den Gattungsbegriffen unserer gesprochenen Sprachen ein. Diese allgemeinen Zahlen dürfen wir aber nicht mit Hilfe
von Ziffern anschreiben, denn jede ziffernmäßig dargestellte Zahl besitzt einen ganz konkreten Zahlenwert (7, 3.444, ...). Wir verwenden für sie daher die Buchstaben irgendeines Alphabets - meistens greifen wir auf die lateinische oder griechische Schrift zurück.
Die allgemeinen Zahlen stehen hingegen quasi als Platzhalter für eine Reihe konkreter Zahlen, sie können also unterschiedliche Zahlenwerte annehmen, ihr Zahlenwert kann
sich somit verändern. Alles, was sich verändern kann, wird im normalen Sprachgebrauch
„variabel“ genannt - daher verwenden wir überall dort lieber den Namen „Variable“ anstelle
„allgemeiner Zahl“, wo wir auf eben diesen Umstand besonders hinweisen wollen.
Die Menge aller Zahlenwerte, die eine allgemeine Zahl annehmen kann, heißt „Wertebereich“, „Wertemenge“, „Definitionsbereich“ oder auch „Definitionsmenge“. Variable, deren Wert nicht von einer anderen Variablen abhängig ist, nennen wir „unabhängig“, andernfalls sprechen wir von „abhängigen“ Variablen. Variable, denen wir einen fixen Zahlenwert
zugeordnet haben, heißen „Konstante“.
1.1-3 Das Werkzeug „Naturgröße“. In der Naturwissenschaft bezeichnen wir alles, was
aus der Natur über unsere Sinnesorgane in unser Bewusstsein dringt als „Phänomene“
(phainomai (gr.): leuchten, erscheinen), Geschehnisse oder Ereignisse. Ziel unserer Wissen-
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schaft ist es nun, möglichst viele dieser Beobachtungen aus der materiellen Umwelt zu verstehen. Die dazu relevanten Begriffe heißen „Naturgrößen“ oder „physikalische“ Größen. Ihr
Verhalten müssen wir daher bei unseren Naturbeobachtungen möglichst genau erfassen entweder durch direkte Messungen oder aber indirekt über ihre Zusammenhänge mit solchen Naturgrößen, die sich unmittelbar beobachten lassen.
Die naturwissenschaftliche Forschung basiert bekanntlich auf der Wiederholbarkeit
ihrer Beobachtungen, insbesondere der von ihr ausgedachten Experimente. Infolgedessen
haben unsere Beobachtungen von Naturphänomenen unter eindeutigen Bedingungen abzulaufen: Wir müssen uns vor allem einmal am Ort des Geschehens eindeutig orientieren können. Wenn wir nicht wissen, wo wir was gemessen haben, dann besitzen unsere Messdaten
wenig Aussagekraft. Dazu benötigen wir Techniken, mit deren Hilfe wir das Gesehene so
festhalten können, dass wir es später eindeutig reproduzieren können. Verbal beschriebene
oder mittels Bildern dokumentierte Abläufe sind allerdings nicht geeignet, um aus ihnen
quantitative Vorhersagen zu berechnen. Wir müssen daher unsere Beobachtungen in mathematische Formen übersetzen.
Die Übersetzung unsere Naturbeobachtungen geschieht nun folgendermaßen: Jede
Naturgröße (Energie, Zeit, Impuls, usf.) wird durch eine passende Variable symbolisiert. Das
Zusammenspiel der verschiedenen Naturgrößen während eines Ereignisses beschreiben wir
hingegen mit Hilfe von Funktionen. Jedes Naturgesetz lässt sich ja als Gleichung schreiben,
und jede Gleichung ist eine Funktion, da sie den links stehenden Ausdruck mit dem rechts
stehenden durch Gleichsetzung verknüpft. Je passender die ausgewählte Funktion, desto
besser stimmen unsere Berechnungen mit den Messergebnissen überein. Wie die Übersetzung eines Gesetzes oder eines Romans aus einer Sprache in eine andere fehlerhaft sein
kann, so können uns auch bei der Übertragung unserer Beobachtungen in die mathematische Sprache Fehler unterlaufen. Dann passt unsere Naturbeschreibung ebenfalls nicht wie beim mechanistischen Weltbild.
Wir müssen den physikalischen Größen also solche Variable zuordnen, deren Eigenschaften geeignet sind, die Charakteristika unserer Naturgrößen richtig wiederzugeben. Die
Natur zeigt sich uns Menschen so vielgestaltig, dass wir zu ihrer quantitativen Beschreibung
mehrere grundlegend verschiedene Arten von mathematischen Größen benötigen. Umgekehrt bietet uns die Mathematik solch eine Fülle verschiedenster Typen an, dass sich die
richtige Auswahl oft schwierig gestaltet. Manchmal greifen wir daneben, wie beim Drehimpuls, von dem wir ursprünglich überzeugt waren, dass ihm derselbe Zahlentyp zukommen
würde wie der Energie oder dem Impuls. Erst Planck erkannte den digitalen Charakter der
Impulsmomentbeträge (Wirkung(sgröße)) und revidierte diesen Fehlgriff. Die Folge davon ist
die Entdeckung der uns fremdartigen Erscheinungen in der Quantenwelt.
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Für die Charakterisierung unserer Naturgrößen benötigen wir damit also nicht nur ihre
Dimension, also das Wissen, welche spezifische Naturqualität durch sie symbolisieren, sondern auch noch den richtigen Typ. Bei vielen Geschehnissen genügt zu ihrer vollständigen
Charakterisierung die Angabe konkreter Zahlenwerte, wie bei der Energie, der Zeit, der elektrischen Ladung, der Schnelligkeit und der Wirkung. Andere Naturgrößen, wie die Kraft,
der Impuls, die Geschwindigkeit oder der Impulsmoment müssen jedoch durch zwei Angaben charakterisiert werden, (i) Durch die Angabe der Richtung, in der sie wirken und (ii)
durch ihren „Betrag“. Wir wissen, bei der Geschwindigkeit ist dies die Schnelligkeit, welche
etwa im Auto am Tachometer abgelesen wird. Und der Betrag des Impulsmomentes heißt
„Wirkung“.
Die Geschehnisse in der Quantenwelt entziehen sich unserem realen Zugriff, wir
können ebenso wenig „wirklich“ beobachten wie unseren elektrischen Wechselstrom oder
die Ausbreitung des Lichts oder anderer elektromagnetischer Wellen. All diese Geschehnisse sind selbstverständlich ebenso real wie das Zusammenstoßen zweier Billardkugeln, aber
doch von einer völlig anderen Qualität. Diesen Sachverhalt berücksichtigen wir in unserer
Naturbeschreibung dadurch, dass wir alle Naturphänomene, die sich einer realen Ortung
entziehen, mit Hilfe der so genannten „komplexen“ (zusammengesetzten) Zahlen symbolisieren (complexio (lat.): Umfassung).
Naturgrößen wie die Geschwindigkeit, Energie und Zeit zeigen sich in den verschiedenen Geschehnissen unserer Welt vielgestaltig: Einmal treten sie offen auf, dann wieder
maskiert als gebündelte Ensembles anderer Größen. Um ja jeglicher Verwirrung zu entgehen, haben wir uns eben ein eindeutiges und sicheres Identifizierungssystem für die Naturgrößen geschaffen: Wir dokumentieren ihre unverwechselbare, spezifische Qualität mit Hilfe
der „physikalischen Dimension“ (lat.: Ausmaß, Ausdehnung, Bereich). Sie ist es also, die wir
bei den Naturgrößen mit dem passenden Variablentyp zu versehen haben.
Da die Naturgrößen von uns mit Hilfe mathematischer Variabler beschrieben werden,
gelten für diese daher auch sämtliche mathematischen Regeln dieser Zahlentypen. Daher
begegnen wir etwa der Energie überall, wo wir bei einem Geschehnis das Zusammenspiel
unterschiedlicher Naturgrößen die spezifische Naturqualität (Dimension) „Energie“ aufscheinen lässt. Ein Beispiel möge uns dies verdeutlichen: Das Produkt von [3*12] liefert ebenso
die Zahl 36 wie der Quotient von [72/ 2] oder die zusammengesetzte Rechnung [42*6/ 7].
Die Zahl 36 zeigt sich daher nicht nur in ihrer direkten Zahlengröße, sondern auch als
das Ergebnis von passenden Verknüpfungen der unterschiedlichsten Zahlen. Ganz genau so
verhält es sich auch mit den physikalischen Qualitäten oder Dimensionen der Energie, Kraft,
Wirkung, usf. Wir können auch die physikalischen Dimensionen miteinander multiplizieren
oder durch andere dividieren. So gilt beispielsweise: (Arbeits-)Kraft = [Impuls/ Zeit] und E-
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nergie = Arbeit = [(Arbeits-)Kraft * Weg] = [Impuls * Weg/Zeit] = [Impuls * Geschwindigkeit].
In Tabelle 1 sind einige Darstellungen wichtiger Naturgrößen angegeben. Beachten Sie bitte,
dass das Produkt [Masse * Beschleunigung] die Kraft nur bei „langsamen“ Transporten wiedergibt.
Tabelle 1. Einige wichtige physikalische Größen (Naturgrößen).
Energie E
= Kraft K . Länge l
= Impuls p . Geschwindigkeit v;
Impuls p
= Masse m . Geschwindigkeit v;
Drehimpuls W
= Impuls p x Länge l;
(Impulsmoment)
Wirkung W
= Impuls p . Länge l
= Energie E . Zeit t;
(Betrag des Drehimpulses)
Geschwindigkeit v
= Länge l / (Zeit t)
= Energie E / (Impuls p) ;
Winkelgeschw. ω
= rad / ( Zeit t)
= Energie E / (Drehimpuls W) ;
Kraft K
= Impuls p / (Zeit t) ;
Kraft K(für v<<c)
≅ Masse m . Beschleunigung b(für v<<c) ;
Beschleunigung b(v<<c) = Länge l / ( Zeit t)².
Lichtschnelligkeit c;
Fettgedruckte Symbole charakterisieren Vektorgrößen (siehe Teil 6).
Fundamentale Größen der Natur dürfen kein allzu gutes Gedächtnis haben, denn ansonsten
wäre die Funktion des Universums unmöglich gemacht. So darf beispielsweise das Verhalten eines H-Atoms nicht davon abhängen, wie oft es in Form von Wasser die Donau hinab
geflossen ist, ob es einmal am Schneeberg war oder direkt von der Sonne eingestrahlt worden ist! Der augenblickliche Zustand darf also nicht vom exakten Weg abhängen, wie es in
die momentane Situation gelangt ist, sondern nur von der Differenz zwischen der beobachteten Startposition und der erwünschten Ziellage. Das mathematische Werkzeug dazu lernen
wir später „Potentialfunktion“ kennen. Alle wichtigen Naturgrößen müssen somit als Potentialfunktionen beschrieben werden können - sie sind also nur bis auf eine Eichkostante genau
bestimmbar.
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1.1-4 Physikalische Größen und Einheiten
Die Naturwissenschaft kann bis dato nur unterschiedliche Ausmaße konstatieren, mit dem
sich physikalische Größen sich in den Geschehnissen unserer Beobachtung bemerkbar machen. Infolgedessen können wir das unterschiedliche Auftreten der Naturgrößen bei den
einzelnen Geschehnissen auch nur relativ zueinander vergleichen. Um ein einfaches und
schlagkräftiges Vergleichen zu ermöglichen, haben wir uns passende „Referenzgeschehnisse“ ausgedacht: Sie definieren uns die Vergleichseinheiten und die Vorschriften, wie wir zu
vergleichen haben, also die „Messvorschriften“.
Bei der Masse ist die Einheit bekanntlich das „Urkilogramm“ und der Vergleich erfolgt
mittels „Waagen“. Bei der Zeit ist die Einheit eine Sekunde, die seit 1967 als das
9.192.631.770-fache der Schwingungsperiode jener Strahlung definiert ist, die beim Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes des Cäsiumisotops
133
Cs entsteht. Verglichen werden die Zeitdauern mittels Uhren. Und seit 1984 messen
wir die Längen auch nicht mehr mit Maßstäben, sondern mit Hilfe der Lichtschnelligkeit und
der Zeit! Ja, die Relativitäts- und Quantentheorien haben seit Jahren auch Eingang in das
moderne Messsystem gefunden! Das Meter wird heute daher als jene Wegstrecke definiert,
die das Licht im „Vakuum“ während des Zeitintervalls von 1/c (= 1/(299 792 458)) Sekunden
durchläuft. In unseren Chemielabors verwenden wir selbstverständlich weiterhin mit genügend großer Genauigkeit unsere gewohnten Maßstäbe.
Die vollständige Charakterisierung des Auftretens einer Naturgröße in einem Ereignis
erfordert somit neben deren „Dimension“ auch die Angabe, um wie viel sich ihr Auftreten von
dem (willkürlich) festgelegten „Einheitsauftritt“ unterscheidet. Dieses Verhältnis nennen wir
„Maßzahl“, und der entsprechende Zahlenwert hängt davon ab, welche „Einheit“ wir als Vergleichsreferenz gewählt haben.
So bezeichnen die Größenangaben 0.1 mm, 0.0001 m und 1.88973×106 bohr stets
die gleiche Größe der Dimension „Länge“. Die Dimension einer physikalischen Größe ist unabhängig von der gewählten Einheit; umgekehrt muss jede Einheit, die zur Beschreibung einer physikalischen Größe verwendet wird, mit der Dimension dieser Größe in Einklang stehen. Ein konsistentes, in der Wissenschaft empfohlenes und in der EU gesetzlich verankertes Einheitensystem ist das SI-System (Systéme International).
1.1-5 Das SI-System. Alle physikalischen Größen werden hier nicht aus bloß 3 passenden
(Länge, Masse, Zeit; oder: Energie, Impuls, Drehimpuls (Impulsmoment)), sondern aus praktischen und gewohnheitsbedingten Gründen aus sieben konsistent gewählten Grundgrößen
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abgeleitet. Die folgende Tabelle zeigt diese mit ihren zugehörigen Symbolen und SIEinheiten.
Physikalische Größe
Symbol
Länge
l
Masse
SI-Einheit
Symbol
Meter
m
m
Kilogramm
kg
Zeit
t
Sekunde
s
Stromstärke
I
Ampere
A
Temperatur
T
Kelvin
K
Stoffmenge
n
Mol
mol
Lichtstärke
I
Candela
cd
1.1-6 Rechnen mit Einheiten und physikalischen Größen. Zum konsistenten mathematischen Umgang mit physikalischen Größen betrachtet man diese als Produkt von Zahl[enwert] und Einheit und wendet darauf die gewöhnlichen Rechenregeln an (Größenkalkül).
•
Physikalische Größen können nur dann addiert oder subtrahiert werden, wenn sie die
gleiche Dimension haben. Die Zahlenwerte können nur dann direkt addiert und subtrahiert werden, wenn zusätzlich die Einheiten übereinstimmen. Dimension bzw. Einheit
bleiben dann bei Addition und Subtraktion unverändert (entspricht dem Herausheben der
Einheit!).
•
Bei der Multiplikation und Division physikalischer Größen folgen die Dimensionen und
Einheiten den Rechenregeln der reellen Zahlen.
•
Es kann beliebig gekürzt, erweitert, zusammengefasst und substituiert werden.
•
In einer Gleichung mit physikalischen Größen müssen Zahlenwert, Dimension und Einheiten der beiden Seiten übereinstimmen.
•
Wenn die reinen Zahlenwerte dargestellt werden sollen, z.B. in Grafiken oder Tabellen,
müssen Zahlenwert und Einheit getrennt werden. Dies geschieht formal durch die Division durch eine Einheit. Ist Q = z E eine physikalische Größe mit Zahlenwert z in der Einheit E, so erhält man den reinen Zahlenwert von Q aus z = z E 1 E = Q 1 E . Mit der
strikt angewendeten Rechenregel 1×E
E findet man daher bei Einhaltung des Größen-
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kalküls in Tabellen oder als Achsenbeschriftung in Grafiken die Bezeichnung Q / E für
den dargestellten Zahlenwert z.
BEISPIEL: Bestimmung der SI- Einheiten für abgeleitete physikalische Größen
(a) Impuls (Masse×Geschwindigkeit): p = m v = m l t
−1
; SI-Einheit kg m s1
(b) Trägheitsmoment (Masse×Distanz2): J = m l ; SI-Einheit kg m2
2
−1 −1
(c) Spezifische Wärmekapazität (Wärme / Masse / Temperatur): c = Q m T
SI-Einheit J kg1K1
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1.2
Mengen
G. Cantor, der Begründer der Mengenlehre, definiert eine „Menge“ als Zusammenfassung
von bestimmten, wohl unterschiedenen Objekten der Anschauung oder des Denkens (den
„Elementen“ der Menge) zu einem Ganzen. Dabei wird angenommen, dass jede Menge
selbst wieder Element von weiteren Mengen sein kann.
o
Die Symbole für Mengen werden in unserem Kurs mit fett geschriebenen Groß-
buchstaben geschrieben: Menge M. Die Menge der Natürlichen Zahlen werden mit N symbolisiert, die der Ganzen Zahlen mit Z, die Menge der rationalen Zahlen mit Q und die der reellen Zahlen mit R. Diese Nomenklatur ist aber nicht einheitlich: Wenngleich der Buchstabentypus weitestgehend gleich ist, werden in Lehrbüchern/Formelsammlungen oft bloß kursiv
geschriebene Symbole verwendet oder solche, wo der Hauptstrich doppelt gezogen wird
(kursiv oder gerade): N = N = IN = IN, R = R = IR = IR, usf.
o
Eine Menge kann endlich oder unendlich (∞) viele Elemente enthalten. Die Menge
{◊,•,Δ}, z.B., enthält die Elemente ◊, • und Δ..
o
Zur Vereinfachung der Rechengesetze für Mengen wurde die Nullmenge (auch lee-
re Menge) eingeführt, die kein einziges Element enthält.
o
Teilmenge: Greift man aus einer Menge eine Anzahl von Elementen heraus und fügt
diese selbst zu einer Menge zusammen, so hat man eine Teilmenge der ursprünglichen
Menge gebildet, z.B.: {◊,•}⊆{◊,•,Δ}.
o
Zahlenmengen: Mengen, deren Elemente Zahlen sind: Menge der reellen Zahlen
und ihre Teilmengen; Menge der komplexen Zahlen; ...
o
Geordnete Menge: Eine Menge, in der Ordnungsrelationen (kleiner <; größer >;
gleich =) definiert sind, mittels derer die Elemente dieser Menge verglichen werden können.
o
Nachfolger: Ein Element b einer geordneten Menge M heißt Nachfolger von a ∈ M,
wenn a > b gilt und es kein Element c ∈ M mit a < c < b gibt.
o
Zusammenfassung der wichtigsten Bezeichnungen und Symbole:
∈
ist Element von
∉
ist kein Element von
∩
Durchschnittsmenge,
∪
Vereinigungsmenge
⊆
ist Teilmenge von
⊇
ist Obermenge von
∃
es existiert ein
∀
für alle, für jedes
⇒ daraus folgt
∧
und
∨
oder
¬
| für die gilt
\
Komplement, Differenz
nicht
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9
o
Beschreibung von Mengen: Liste der Elemente (in beliebiger Reihenfolge), z.B.:
A = {1,2,3,4,5} oder A = {3,2,1,5,4} etc. (eigentlich A:={..} da Neudefinition);
Angabe der Eigenschaft, eventuell mit Angabe der Grundmenge,
z.B.: B = {x ∈ N | 3 ≤ x ≤ 8}
Durchschnittsmenge:
A ∩ B = {x | x ∈ A ∧ x ∈ B} = {3,4,5}
Vereinigungsmenge: A ∪ B = {x | x ∈ A ∨ x ∈ B} = {1,2,3,4,5,6,7,8}
Komplementärmenge:
A \ B = {x | x ∈ A ∧ x ∉ B} = {1, 2} bzw. {x ∈ A | x ∉ B} ; (A \ B ≠ B \ A)
A ist eine Teilmenge*) von N, andererseits ist N eine Obermenge von A:
A ⊆ N, d.h: x ∈ A ⇒ x ∈ N
*)
(A in in N enthalten, aus „x ∈ A” folgt „x ∈ N“)
A ist sogar eine echte Teilmenge von N, da A ≠ N, A ⊂ N (Schreibweise nicht einheitlich).
Beispiel:
„Es existiert ein“ und „für alle“. _______________________________
C = {x ∈ A | x ist eine gerade Zahl} = {2,4}
∃ x ∈ A, welches eine gerade Zahl ist.
∀ x ∈C gilt: x ist eine gerade Zahl
(mindesten ein Element von A)
(alle Elemente von C).
________________________________________________________________________
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10
1.3
Die natürlichen Zahlen und ihre Erweiterungen
1.3-1 Die Menge der „natürlichen Zahlen“. Was ist die Addition? Das Zusammenzählen
von Zahlen. Was ist das Zusammenzählen von Zahlen? Das nennt man addieren. Warum ist
3 +2 = 5? Weil es so ist. Warum ist 3 > 2? Weil es so ist. Giuseppe Peano schuf hier mit seinem zur Wende des 20. Jh. geschaffenen Axiomensystem für Natürliche Zahlen Abhilfe:
1.
1 ist eine natürliche Zahl.
2.
Jede natürliche Zahl n hat einen bestimmten Nachfolger n’.
3.
Es gibt keine Zahl mit dem Nachfolger 1.
(In den letzten 3 Jahrzehnten streiten sich die Mathematiker, ob man die Null (0) nicht
doch als natürliche Zahl ansehen soll. In Wien ist man strikt dagegen und befindet
sich damit in illustrer internationaler Gesellschaft).
4.
2 verschiedene Zahlen n und m haben stets verschiedene Nachfolger n’ und m’.
5.
Vollständige Induktion: Wenn eine Aussage für 1 und mit jeder natürlichen Zahl auch
für deren Nachfolger gilt, dann gilt sie für alle natürlichen Zahlen.
Es gibt zwar eine erste Natürliche Zahl (1), aber keine letzte. Wir haben es also einer
Zahlenmenge zu tun, die nie aufhört. solch eine Zahlenmenge nennen wir „unendlich“. Die
Menge der unendlich vielen Natürlichen Zahlen bezeichnen wir in unserem Kurs mit N (andere Symbolik siehe 1.3.1 Mengen). Wir schreiben jetzt die natürlichen Zahlen von links nach
rechts an und setzen links von 1 noch die Null, und dekretieren, (i) dass der Nachfolger einer
Zahl n jene Zahl n’ ist, die unmittelbar rechts von n steht und (ii) dass der Nachfolger n’ > n
ist: 0, 1, 2, 3, 4, 5, ..., n, n’, ... .
Wir sehen, 3 steht unmittelbar rechts von 2, daher ist 4 der Nachfolger von 2 und damit ist 3 > 2. Die Addition ist die Frage nach dem Nachfolger n’ einer Zahl n. Wir schreiben
dazu: n +1 = n’; 3 +1 = 4; 4 +1= 5;... Die Umkehrfrage, von wem ist n’ Nachfolger, schreiben
wir n’ - 1 = n (5 -1 = 4; 4 -1 = 3).
Jetzt beginnt ein sukzessiver Abstraktionsprozess, der uns bis zum Potenzieren und
seinen Umkehroperationen sowie zur Einführung immer formalerer Zahlen führt: Fragen wir
nach dem Nachfolger des Nachfolgers von 3, dann gilt: 3 +1 +1 = 4 +1 = 5. Das ist umständlich zu schreiben, daher notieren wir hinter dem (+)-Zeichen die Anzahl der Nachfolgerfragen: 3 +2 = 5. Analoges gilt für die Umkehrfragen: 5 -2 = 3.
Der weitere Weg ist bekannt: Zahlen, die mit + oder - verbunden werden heißen
„Summanden“, das Ergebnis Summe“. Die Addition gleicher Summanden natürlicher Zahlen
schreiben wir als „Multiplikation“ (n+n+n = 3. n) und deren Umkehrung als „Division“ (3n/n
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11
= 3; 3n/3 =n). Zur schnelleren Multiplikation gleicher Faktoren n führten wir uns das Potenzieren ein: n.n.n = n³, mit dem wir uns später beschäftigen werden. Beim Potenzieren gibt es
aber erstmals 2 unterschiedliche Umkehrfragen: (i) Welche Basiszahl wurde potenziert? Die
Antwort ergibt das „Wurzel ziehen“. Und (ii) Wie hoch musste die Basiszahl potenziert werden? Hier erhalten wir die Antwort durch das „Logarithmieren“.
Wir können natürliche Zahlen beliebig addieren, multiplizieren und potenzieren, aber
nicht immer subtrahieren, dividieren und die Wurzel ziehen. Um dies dennoch bewerkstelligen zu können, haben wir die natürlichen Zahlen sukzessive formal erweitert zu:
1.3-2 Menge der Ganzen Zahlen (auch: ganzrationale Zahlen) Z. Die natürlichen Zahlen
heißen hier „positive ganze Zahlen n“. Setzen wir ihnen ein Minuszeichen vor, dann erhalten
wir die „negativen ganzen Zahlen (-n)“. Nehmen wir auch die Null dazu, dann können wir in
dieser Zahlenmenge uneingeschränkt subtrahieren.
1.3-3 Die Menge der rationalen Zahlen Q. Diese definieren wir uns als Ergebnis der Division, meist geschrieben als Quotient („Bruch“) zweier ganzer Zahlen n/m (m muss aber ungleich Null sein!).
1.3-4 Irrationale Zahlen. Diese können nicht als Brüche geschrieben werden. Sie haben
nicht-periodische unendliche Dezimaldarstellungen (s.u.). Dazu gehören die verschiedenen
Wurzeln sowie die transzendenten Zahlen (wichtigste Vertreter: π und e).
1.3-5 Die Menge der Reellen Zahlen R. Die rationalen und irrationalen Zahlen zusammen
bilden die Menge der reellen Zahlen R. Alle oben angeführten Zahlenmengen sind Teilmengen von R. Im Gegensatz zu Q ist R „dicht“; die reellen Zahlen füllen die Zahlengerade (siehe unten) „dicht“ aus. „Dicht“ bedeutet, dass in einer noch so winzigen Umgebung ε einer
Zahl a noch immer unendlich viele Zahlen zu finden sind. Solch ein „dichtes“ unendlich ist
nicht mehr abzählbar. Daher unterscheiden wir in Mathematik und Naturwissenschaft dramatisch zwischen der „abzählbaren“ Unendlichkeit der Menge der Natürlichen Zahlen N und der
ungleich mächtigeren, da nicht mehr abzählbaren Menge der Reellen Zahlen R.
Ja, in der Mathematik geht man sogar so weit, dass wir alle abzählbaren Mengen für
viele Aussagen als „vernachlässigbar“ bezeichnen, und daher rigid unterscheiden zwischen
Eigenschaften solcher „abzählbaren“ Mengen und der Wucht von „Nicht-abzählbaren“ Mengen: Also der dramatische Unterschied zwischen den Mengen der Natürlichen Zahlen N und
jener der Reellen Zahlen R.
1.4
Algebra der reellen Zahlen
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1.4-1 Die Grundregeln der Algebra reeller Zahlen
(1)
Addition (Verknüpfung 1. Art):
a+b=c
Kommutativgesetz:
a+b=b+a
Assoziativgesetz:
(a + b) + c = a + (b + c)
Nullelement 0:
0+a=a
Inverses Element (1. Art) zu a:
-a
Subtraktion:
Umkehroperation der Addition: c - b = a
(Identisch mit der Addition des inversen Elementes 1. Art): c + (-b) = a
(3)
Multiplikation (Verknüpfung 2. Art): a.b = c
Kommutativgesetz:
a.b = b.a
Assoziativgesetz:
(a.b).c = a.(b.c)
Distributivgesetz:
(a+ b).c = a.c + b.c
Einheitselement 1:
1.a = a
Inverses Element (2. Art) zu a:
1/a
Division:
Umkehroperation der Multiplikation: c/b = a
(Identisch mit der Multiplikation mit dem inversen Element 2. Art): c.(1/b) = a
Verboten:
Division durch das Nullelement.
Bei längeren Rechnungsketten können mehrdeutige Situationen entstehen, wie z.B.
in 4-3.2, das als 4-(3.2) = -2 oder als (4-3)).2 = 2 interpretiert werden könnte. Durch Klammersetzung können derartige Ausdrücke stets eindeutig gemacht werden. Bei fehlenden
Klammern gilt als Konvention „Multiplikation und Division vor Addition und Subtraktion“ und
„Ketten von Multiplikationen und Divisionen von links nach rechts abarbeiten“.
Im Laufe dieses Kurses werden wir sehen, dass sich alles Rechnen auf die Algebra der reellen Zahlen zurückführen lässt.
Beispiel:
(a)
(c)
Hierarchie der Rechenoperationen, Teil I .
4- 3×2 = 4- (3×2) = -2
(b)
________________________
36/4 /3 = (36/4)/3 = 3
4+2.5 - 1 + 2.9/3 = 4 + 10 - 1 + 6 = 19
_______________________________________________________________________
1.4-2 Potenzen und Wurzeln. Das p-fache Produkt einer reellen Zahl a mit sich selbst
heißt p-te Potenz von a. Die Zahl a ist die Basis, p der Exponent (die Hochzahl) der Po-
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13
tenz. Es gelten, unter Berücksichtigung des Verbots der Division durch null, die Rechenregeln
ap aq = ap+q;
ap / aq = ap-q;
abp = apbp;
(ap)q = apq.
Diese Regeln können auch auf negative, rationale und sogar auf beliebige reelle Exponenten angewendet werden. Dies führt zu den weiteren Regeln:
a−p = 1 a p .
a0 = 1
Die Bestimmung der p-ten Wurzel einer reellen Zahl x entspricht der Umkehrung des
Potenzierens. Sofern es möglich ist, eine reelle Zahl a zu finden, so dass a
p
eine p-te Wurzel von x, und man schreibt
p
x = a (mit p = 2 aber:
(− a ) p = x , so zeichnet man die positive Lösung aus, z.B.
= x ist, heißt a
x ). Gilt auch:
9 = 3 . Die Wurzeln können als
gebrochene Potenzen gedeutet werden und fügen sich in die Regeln (1.1):
a1 p = a
p
aq
p
p
= aq
Beispiel: Rechnen mit Exponenten: _________________________________________
(a)
2 − 3 × 21 3 ÷ 2 − 2 = 2 − 3 × 21 3 × 2 2 = 2 − 3 +1 3 + 2 = 2 − 2 3 = 1
(b)
43 2 = 4
3× 12
( )
= 43
12
3
22 = 1
3
4 = 0.630 K
= 641 2 = 64 = 8
_______________________________________________________________________
In der Hierarchie der Rechenoperationen gilt bei fehlender Klammersetzung die Regel „Exponentiation vor Multiplikation und Division vor Addition und Subtraktion“. Bei fortgesetzter Exponentiation ohne Klammersetzung führt man die Operationen der Reihe nach von
links nach rechts aus; (man beginnt also auf der tiefsten Stufe).
Beispiel: Hierarchie der Rechenoperationen, Teil II __________________________
( )
( )
(a)
3 × 4 2 − 2 ÷ 4 − 33 = 3 × 4 2 − ( 2 ÷ 4) − 33 = 20.5
(b)
23 = 23
2
( )
2
= 64 ≠ 2 (3 ) , denn: 2 (3 ) = 2 9 = 512 .
2
2
____________________________________________________________________
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
14
1.4-3 Das Summenzeichen Σ und das Produktzeichen Π.
Beispiel:
________________________________________________________
________________________________________________________
o
Doppelsumme
Die Summanden können selbst wieder Summen sein:
Einige Rechenregeln:
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15
Beispiele _________________________________________________________
o
Produktzeichen Π
1.4-4 Zahlensysteme. Die Verwendung der ganzzahligen Potenzen einer natürlichen Zahl
m macht die Darstellung aller Zahlen mit Hilfe einer beschränkten Anzahl von Ziffern (den
genau m Ziffern von 0 bis m1) möglich. In einem Zahlensystem der Basis m stellt das vierstellige Symbol abcd aus den Ziffern a b c d die aus a × m + b × m + c × m + d × m
3
2
1
0
be-
rechnete Zahl dar. Der Wert jeder Ziffer wird also durch ihre Stelle im Zahlensymbol bestimmt.
Unser gebräuchliches Zahlensystem ist natürlich das Dezimalsystem, mit m = 10 und
den Ziffern 0 bis 9. Von großer Bedeutung in Wissenschaft und Technik ist ferner das Binärsystem mit m = 2 und den beiden Ziffern 0 und 1. Oktal- und Hexadezimalsystem spielen in
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
16
der Informatik eine gewisse Rolle; letzteres wird meist mit den 16 „Ziffern“ 0 bis 9 und A bis F
formuliert.
BEISPIEL: Zahlensysteme _______________________________________________
(a) Das vierstellige Zahlensymbol 1011 entspricht
als Binärzahl der Dezimalzahl: 1 × 2 + 0 × 2 + 1 × 2 + 1 × 2 = 11
3
2
1
0
als Oktalzahl der Dezimalzahl: 1 × 8 + 0 × 8 + 1 × 8 + 1 × 8 = 521
3
2
1
0
als Dezimalzahl natürlich 1011
als Hexadezimalzahl der Dezimalzahl: 1 × 16 + 0 × 16 + 1 × 16 + 1 × 16 = 4113 .
3
2
1
0
(b) Die Hexadezimalzahl 2FA hat den dezimalen Wert 762
( 2 × 16 + 15 × 16 + 10 × 16 )
2
1
0
__________________________________________________________________
1.4-5 Dezimaldarstellung reeller Zahlen. Obwohl für rationale Zahlen eine exakte Darstellung als Bruch stets existiert, ist die bekannte Darstellung als Dezimalbruch mit Dezimalpunkt (oder dezimalem Komma) für Rechenzwecke meist bequemer. Ähnliches gilt für irrationale Zahlen, für die eine exakte Zahlendarstellung gar nicht möglich ist.
In der Praxis muss man mit einer endlichen Zahl dezimaler Stellen das Auslangen
finden, so dass die Zahlen meist nicht exakt dargestellt werden. Daher treten beim Rechnen
unausweichlich Fehler auf. Um unnötig große Fehler gar nicht erst entstehen zu lassen, sind
entsprechende Strategien erforderlich, z.B. runden statt „abschneiden“ oder das Vermeiden
der Subtraktion ungefähr gleich großer Zahlen.
BEISPIEL: „Richtiges Rechnen“
(
1 − 1 − x2
x2
)
ist genau 1 für jeden Wert von x. Tippt man jedoch mit x = 0.000001 die Formel
wie angeschrieben in einen Standard-Taschenrechner, so erhält man als Ergebnis 0. Der
Fehler resultiert aus der internen Aufrundung des Zwischenwerts (1-10-12) zu 1. Das Beispiel
zeigt, dass es sinnvoll ist, sich zu überlegen, was eine Formel aussagt, bevor man numerische Werte unexakt verarbeitet: 1-(1-x²) = 1-1 +x² = x². Der Bruch ist also x²/x² und das ist in
jedem Fall immer exakt 1 - ganz ohne Taschenrechner, für alle x auf einmal berechnet! Wir
sehen, unreflektiert benützt, können uns elektronische Hilfsmittel brutal in die Irre führen!
Wird eine Zahl in Dezimaldarstellung mit genau k Stellen hinter dem Dezimalpunkt
angegeben, so sagt man, sie sei auf k [Dezimal-] Stellen genau. Man spricht auch von Fix© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
17
kommadarstellung (womit an das übliche dezimale Komma erinnert sei). Alle derart angegebenen Zahlen haben die gleiche absolute Genauigkeit, unabhängig von ihrer Größe. Sie haben aber verschiedene relative Genauigkeit: man vergleiche die beiden Zahlen 1001.006
und 0.006 auf nach Aufrundung auf 2 Dezimalstellen zu 1001.01 bzw. 0.01. Letztere ist fast
doppelt so groß wie das Original.
Die relative Genauigkeit einer Zahl wird durch ihre signifikanten Stellen beschrieben. Die Zahl der signifikanten Stellen ist die Zahl der angeschriebenen Ziffern ohne allfällige
führenden Nullen, unabhängig von der Stellung des Dezimalpunkts. 101, 1.00 und 0.00101
haben jeweils drei signifikante Stellen. In der wissenschaftlichen Exponentialnotation der
Form 0.kk K × 10
p
(Gleitkommadarstellung) ist die Zahl der signifikanten Stellen gleich der
Zahl der hinter dem Dezimalpunkt angegebenen Stellen. Die drei Zahlenbeispiele schreibt
man 0.101×103, 0.100×101 und 0.101×102.
Zusammengefasst:
Die Zahl der Stellen hinter dem Dezimalpunkt gibt in
Fixkom-
madarstellung: Dezimalstellen ↔ absolute Genauigkeit, in Gleitkommadarstellung: Signifikante Stellen ↔ relative Genauigkeit.
BEISPIEL: Dezimalstellen und signifikante Stellen ________________________________
Die Zahlen 27158, 2.001, 0.2757 und 0.0000123 sollen, ggf. nach Rundung, jeweils auf 4
dezimale und 4 signifikante Stellen genau angeschrieben werden
4 dezimale Stellen:
4 signifikante Stellen:
27158.0000,
5
0.2716×10 ,
2.0010,
0.2757,
1
0.2001×10 ,
0.0000
0
0.2757 [×10 ],
0.1230×104
1.4-6 Größenordnungen.
Die höchste in der Dezimaldarstellung einer Zahl (eventuell nach Rundung) vorkommende
Potenz wird als deren Größenordnung bezeichnet. Ferner sagt man von zwei Zahlen a und
b, für die a / b ≈ 10 gilt, a sei k Größenordnungen größer als b. Die Abschätzung der Grök
ßenordnung ist eine wichtige Probe für Rechnungen, die Produkte und / oder Quotienten von
Zahlen sehr verschiedener Größenordnungen enthalten. Dazu ersetzt man alle Zahlen einfach durch ihre Größenordnungen, wie im folgenden Beispiel.
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
18
BEISPIEL: Abschätzung der Größenordnung
Für den Ausdruck x =
1002014.7 × 0.024 × 0.00017
erhalte jemand nach raschem Ein144.2 × 0.90
tippen in den Taschenrechner x
3.15. Kann dieses Ergebnis stimmen?
106 × 10 −2 × 10 −4
= 106 − 2 − 4 − 2 − 0 = 10 − 2 .
Antwort: Nein, denn x ≈
2
0
10 × 10
Offenbar hat sich unsere Testperson mit dem Dezimalpunkt vertippt.
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19
1.5
Das Werkzeug „Zahlengerade“
1.5-1 Die Zahlengerade. Die Zahlengerade ist eine Veranschaulichung der reellen Zahlen,
d.h. der abstrakten Menge R: jeder Punkt entspricht genau einer reellen Zahl, und umgekehrt. R wird so als Punktmenge interpretiert, und man bezeichnet eine reelle Zahl x daher
auch als den „Punkt xŒR“. Die Zahlengerade hat alle Ordnungs- und arithmetischen Eigenschaften der reellen Zahlen. Der Ordnung auf R (der Größe nach) entspricht die Anordnung
der Punkte auf der Zahlengeraden von links nach rechts, den Operationen Addition und Multiplikation entspricht das aneinander Fügen und Vervielfachen von Strecken.
Der Übergang vom abstrakten Begriff zur konkreten Repräsentation umfasst eine Reihe
(überraschend viele?) zusätzlicher Annahmen:
• Man legt eine horizontal ausgerichtete Gerade fest
• Zwei verschiedene Punkte der Geraden werden willkürlich als die beiden ausgezeichneten Elemente 0 und 1 festgelegt, wobei 1 rechts von 0 liegen muss.
Der Nullpunkt heißt Ursprung der Zahlengeraden (und wird meist mit O oder 0 bezeichnet), die Strecke 01 ist die Einheitsstrecke.
• Jede positive (negative) reelle Zahl x entspricht einem Punkt rechts (links) von 0, und die
Strecke 0 x hat die x-fache Länge der Einheitsstrecke.
x3-fache -
x1-fache Einheitsstrecke
x1-fache Einheitsstrecke
x3 (−0.96)
0
x2-fache -
1
x2 (3.12)
x1 (1.56)
= x1 +x1;
x
= 2 x1
Einige wichtige Konzepte der reellen Zahlen lassen sich an Hand der Zahlengeraden anschaulich einführen:
1.5-2 Intervalle. Intervalle sind zusammenhängende Abschnitte der Zahlengeraden und
entsprechen Teilmengen von R. Arithmetisch werden sie durch Ungleichungen (bzw. Ungleichungsketten) definiert:
o
Das abgeschlossene Intervall [a, b] enthält alle Punkte zwischen a und b, inklusive
a und b selbst. Es wird durch die Ungleichungen a £ x £ b definiert
o
Das offene Intervall (a, b) oder ]a, b[ enthält alle Punkte zwischen a und b exklusive
a und b. Es wird durch die strikten Ungleichungen a ≤ x ≤ y definiert.
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
20
o
Man unterscheidet auch die halboffenen Intervalle (a, b] und [a, b) (→ Beispiel
1.10b).
Die Punkte a und b heißen Randpunkte des Intervalls. Offene Intervalle werden
durch ihre Randpunkte definiert, aber diese sind in den Intervallen selbst gar nicht
enthalten (daher haben offene Intervalle auch kein Minimum und kein Maximum!).
Es ist zulässig, ∞ und/oder -∞ als Randpunkte zu verwenden (uneigentliche Rand-
punkte), obwohl ∞ und -∞ nicht zur Menge R gehören. Das Intervall ist auf der entsprechenden Seite als offen anzusehen. So enthält [a, ∞) alle reellen Zahlen ≥ a, und (-∞, b) alle
reellen Zahlen ±b.
[0, ∞ ) enthält alle nicht-negativen Zahlen und wird mit dem Symbol R+ bezeichnet.
( 0, ∞ ) ist die Menge aller positiven Zahlen, bezeichnet R+*. (∞,∞) ist nur eine andere Bezeichnung für R.
BEISPIEL 9: Intervalle
(a) Das abgeschlossene Intervall [0, 1] entspricht genau der Einheitsstrecke.
(b) (-5,-4] ist ein halboffenes Intervall. Es enthält alle Punkte ( − 5 < x ≤ −4 ).
(c) [5, ∞ ) ist nach oben unbeschränkt und enthält alle reellen Zahlen x ≥ 5
(d) Das nach unten unbeschränkte Intervall (-∞, 0 ) enthält alle negativen Zahlen.
1.5-3 Der Betrag einer reellen Zahl. Je zwei Punkte a und b der Zahlengeraden haben einen Abstand mit folgenden Eigenschaften: Er ist nicht-negativ, null dann und nur dann, wenn
a = b, und richtungsunabhängig (der Abstand von a nach b ist derselbe wie der von b nach
a). Weil die Zahlengerade ein getreues Abbild der reellen Zahlen ist, existiert auch auf R ein
Abstand: der Betrag oder Absolutwert von x, geschrieben |x|. Der Betrag einer Zahl ist „die
Zahl ohne Vorzeichen“. Das kann folgendermaßen definiert werden:
⎧ x,
| x |:= ⎨
⎩− x,
x≥0
x<0
,
d.h. auch
Eine alternative Definition ist | x |:=
⎧ x − a,
| x − a |= ⎨
⎩ a − x,
x−a ≥0 ⇒ x ≥ a
x−a <0 ⇒ x < a
.
x2 .
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
21
Auf der Zahlengeraden ist |-xa| der Abstand der Punkte (-xa) bzw. (-ax) vom Ursprung.
|x−a|
|a|
|a|
R
x−a
0
x+a
x
BEISPIEL 10: Der Betrag reeller Zahlen
Bestimmung von |-3| mit Hilfe der Definitionen (2.1):
(a) –3 < 0, daher Teildefinition 2: |-3|
(b) | −3 | =
(-3)
3
( −3) 2 = 9 = 3
1.5-4 Die Zeichenebene R². Wie die Zahlengerade kann auch die Zeichenebene als eine
Punktmenge aufgefasst werden; sie ist jedoch eine zweidimensionale Punktmenge. Um
den Wert eines Punkts festzulegen, müssen zwei unabhängige Koordinaten spezifiziert werden.
o
Das kartesische Koordinatensystem. Ein (spezielles) kartesisches Koordinatensys-
tem der Ebene wird erzeugt durch die Festlegung zweier unabhängiger, aufeinander senkrecht stehender Zahlengeraden samt Ursprung und Einheitsstrecke, die sich genau im jeweiligen Ursprung schneiden. Die beiden Zahlengeraden nennt man die [Koordinaten-] Achsen,
häufig x- und y- oder x1- und x2- Achse, und deren Schnittpunkt den Ursprung (meist O oder
0) des kartesischen Koordinatensystems.
Die kartesischen Koordinaten eines Punkts der Zeichenebene in diesem so festgelegten speziellen Koordinatensystem sind die Normalabstände von den beiden Achsen. Ein
Punkt mit Abstand x0 von der y-Achse und y0 von der x-Achse hat die kartesischen Koordinaten (x0, y0), genau in dieser Reihenfolge anzugeben. Man spricht auch vom Punkt (x, y).
y
II
I
(x0,y0)
y0
1
O
III
x0
1
x
ABBILDUNG 2.4 Ein kartesisches Koordinatensystem in der Zeichenebene und dessen
vier Quadranten, sowie der Punkt mit den kartesischen Koordinaten (x0, y0).
IV
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
22
Punkte, Kurven und Gebiete sind Teilmengen der zweidimensionalen Punktmenge
„Zeichenebene“. Die Teilbereiche I, II, III, IV aus Abbildung 2.4 sind spezielle Teilmengen
und heißen in dieser Reihenfolge 1., 2., 3. und 4. Quadrant.
o
Die Menge R2. Die Zeichenebene ist eine konkrete Repräsentation der abstrakten
Menge R2, der Menge aller geordneten Paare reeller Zahlen. Durch seine Darstellung in
kartesischen Koordinaten entspricht jeder Punkt der Ebene mit den beiden (geordneten) Koordinaten genau einem Element von R2. Die Vektoren der Ebene und komplexe Zahlen sind
andere Repräsentanten von R2.
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
23
1.6
Gleichungen und Ungleichungen
Mathematische Aussagen über Variablen nehmen häufig die Form einer Gleichung an. Für
zwei Variablen (hier x, y), lautet eine Gleichung in allgemeiner Form
F1 ( x, y ) = F2 ( x, y ) ,
wobei F1(x, y) und F2(x, y) „Formeln“ sind, d.h. Rechenvorschriften, die x und y, sowie ggf. eine Anzahl von Konstanten enthalten. Die Schreibweise ist eine Vorwegnahme des Funktionsbegriffs. Die Aussage F1 ( x , y ) = F2 ( x, y ) ist je nach den Werten der beiden Variablen
wahr oder falsch. Die Aufgabe, eine Gleichung zu lösen, besteht darin, Paare (x, y) zu finden, die diese Aussage zu einer wahren Aussage machen. Jedes derartige Paar „erfüllt“ die
Gleichung bzw. ist eine Lösung der Gleichung; alle derartigen Paare zusammen bilden ihre
Lösungsmenge. Es kann durchaus sein, dass gar keine Lösung existiert, oder zumindest
keine auf dem Definitionsbereich der Variablen. Dann ist die Lösungsmenge leer.
Um Lösungen zu finden, kann man die Gleichung gemäß den Rechenregeln auf die
bekannte Weise umformen, erweitern, kürzen u. dgl. Dabei ist auf das Verbot der Division
durch null zu achten. Multiplikation mit Null verwandelt zwar jede Gleichung in die Identität 0
≡ 0 (eine wahre Aussage), ein Rückschluss auf die Lösung der ursprünglichen Gleichung (die
nicht mehr rückgewonnen werden kann) ist dann aber nicht mehr möglich.
Eine Gleichung ist explizit lösbar, wenn sie auf eine der Formen y = f(x) oder x =f(y)
gebracht werden kann, in der die Variablen separiert sind. Andernfalls kann man sie auf die
implizite Form F(x,y) = 0 bringen. Für keine dieser Formen ist es allerdings gesichert, dass
allfällige Lösungen tatsächlich exakt bestimmt werden können. Die explizit lösbaren Formen
weisen auf die unterschiedliche Rolle der beiden Variablen als abhängige oder unabhängige
Variable hin. In der Form y = f(x) ist y die abhängige Variable, und, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, eine Funktion der unabhängigen Variablen x.
BEISPIEL: Manipulation und explizite Auflösung von Gleichungen
Bestimmung der Lösungsmenge von 4 x + 4 y = x − y
2
2
(i) Beide Seiten faktorisieren:
4( x + y ) = ( x + y )( x − y )
(ii) Die Gleichung ist offensichtlich für
y = − x erfüllt.
(iii) Für alle anderen Fälle, x ≠ y , durch x + y kürzen
(iv) Auf explizite Form bringen
4=x− y
y = x − 4 oder x = y + 4
(ii) und (iv) charakterisieren die Lösungsmenge
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
24
Die Lösungsmenge kann nun auch in der Zeichenebene dargestellt werden. In Beispiel 12 besteht sie aus allen Punkten (x, -x) und ( x, x − 4) , die sich ergeben, wenn die als
unabhängig angenommene Variable x alle Werte ihres Definitionsbereichs (R) annimmt. Diese Punkte fügen sich jeweils zu einer Geraden zusammen. Diese Geraden sind auch die
Graphen der Funktionen g ( x) = − x und f ( x) = x − 4 . Darauf kommen wir im Abschnitt
Funktionen zurück.
Ungleichungen haben wir bereits bei der Besprechung von Intervallen kennengelernt;
bei der Umformung von Ungleichungen ist neben dem Verbot der Division durch null auch zu
beachten, dass die Multiplikation mit bzw. Division durch eine negative Zahl die Ordnungsrelation ändert!
Beispiel: Ungleichungen
(a)
2 < 5 ⇒ − 2 > −5
(b)
a − 1 ≤ b ⇒ 1 − a ≥ −b
(c)
Welche reellen Werte von x erfüllen die Ungleichung xx−1 ≤ 2 ?
Fallunterscheidung beim Erweitern mit
(i)
x>0:
x: Lösen für zwei Teilmengen von
x
Relation bleibt unverändert: x − 1 ≤ 2 x ⇒ − 1 ≤ x ∧ x > 0
Teil-Lösungsmenge L1={x∈R | x>0}
(ii)
x<0: Relationsumkehr: x − 1 ≥ 2 x ⇒ − 1 ≥ x ∧ x < 0
Teil-Lösungsmenge L2={x∈R | x≤ -1}
Gesamtlösungsmenge L
L1 ∪ L2 ={x∈R | x≤ -1∨ x>0}
Spezielle Ungleichungen
0£x£y fi x≤
x+ y
xy ≤ 2 ≤ y
Für alle x, yŒR gilt: |xy| £ |x|.|y|
(geometrisches und arithmetisches Mittel)
(Dreiecksungleichung)
Eine Fallunterscheidung ist auch bei Gleichungen (und Ungleichungen) mit Beträgen notwendig; da Beispiel demonstriert gleichzeitig eine grafische Lösung:
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
25
Beispiel:
x + |x-2| = 1 + |x| _____________________________________________
2 Beträge, daher 2 Umklapp-Grenzen: (i) |x| = 0 => x=0; (ii) |x-2| = 0 => x=2.
=> 3 Gleichungen.
... -4
-3
-2
(3)
-1
0
1
2
(2)
x-x+2 =1-x
x -x+2=1+x
2 =1-x
2=1+x
xL = -1
xL = 1
3
4
...
(1)
x+x-2=1+x
xL = 3
=> Lösungsmenge = {-1, 1, 3 }
Probe:
(3)
-1 + |-1-2| = 1 + |-1|
2=2
(2)
(1)
1 + |1-2| = 1 + |1|
3 + |3-2| = 1 + |3|
2=2
4=4
________________________________________________________________________
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26
1.7.
Komplexe Zahlen
1.7-1 Die imaginäre Zahlen. Die komplexen Zahlen beruhen auf der „imaginären“ Zahl i.
Früher wurde diese als Quadratwurzel aus (-1) definiert, heute bevorzugen jedoch viele Mathematiker die Formulierung, dass sie auf jene Zahl ist, deren Quadrat (-1) ergibt. Wie auch
immer, diese Zahl entzieht sich unserer Vorstellbarkeit völlig, sie ist nach unserem Gefühl
nicht „reell“, sondern nur „bildhaft“ vorhanden. Daher wird sie „imaginäre“ Zahl genannt (imaginarius (lat.): bildhaft). Durch Multiplikation dieser imaginären Zahl i mit den üblichen (reellen) Zahlen erhalten wir dann Vielfache oder Bruchstücke des Wertes von i, die wir allesamt
auch „imaginäre“ Zahlen nennen.
o
Die Einheit der „imaginären“ Zahlen ist i mit i² = (-1).
o
Jede imaginäre Zahl wird als Produkt geschrieben von dieser Einheit i und der Angabe,
wie oft sie zu nehmen ist: 3i, 0.2i, usf. Allgemein: bi.
1.7-2 Die Menge der komplexen Zahlen.
Addieren oder Subtrahieren wir zu einer imaginären Zahl noch eine (reelle) Zahl dazu, dann
haben wir die „zusammengesetzten“ oder „komplexen“ Zahlen, die wir brauchen, um all die
Facetten unseres Kosmos zu beschreiben, die sich unserer Vorstellbarkeit a priori entziehen.
o
Zahlen, die aus zwei Teilen bestehen, einer normalen „reellen“ Zahl a und einer sol-
chen „imaginären“ Zahl, heißen „komplexe“ Zahlen z = a + bi = (a; b) = z1 + z2i = (z1, z2)
o
Zu jeder komplexen Zahl z = (a + bi) gibt es eine so genannte konjugiert-komplexe
Zahl z* (auch: z mit Querstrich), die so definiert ist, dass ihr Produkt mit z die reelle Zahl (a²
+b²) ergibt: z* := (a - bi).
Die zueinander konjugiert-komplexen Zahlen unterscheiden sich also nur durch das
Vorzeichen ihrer Imaginärteile: Re z* = Re z = a; Im z* = -Im z = -b.
Beispiele __________________________________________________________
Konjugiert-komplexen Zahlen:
z = 2 - 3i => z* = 2 + 3i; z = -3 + i => z* = -3 - i;
z = 44.1 => z* = 44.1; z = i/7
=> z* = -i/7
__________________________________________________________________
1.7-3 Die Grundregeln der Algebra komplexer Zahlen
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27
(a = a1+a2i = (a1, a2); b = b1+b2i = (b1, b2); c = c1+c2i = (c1, c2))
(1)
Identität zweier komplexer Zahlen:
a = b, falls a1 = b1 ∪ a2 = b2
(2)
Addition (und Subtraktion):
a ± b = c = (a1±b1) + (a2±b2)i = c1±c2i
Kommutativgesetz:
a+b=b+a
Assoziativgesetz:
(a + b) + c = a + (b + c)
Nullelement 0 = 0 + 0.i = (0, 0):
a+0=a
Inverses Element (1. Art) zu a:
-a = -a1 - a2i
Multiplikation:
a.b = (a1.b1 - a2.b2) + (a1.b2 + a2.b1).i
Kommutativgesetz:
a.b = b.a;
Assoziativgesetz:
(a.b).c = a.(b.c)
Distributivgesetz:
(a+ b).c = a.c + b.c
Einheitselement 1 = 1 +0.i:
1.a = a
Inverses Element (2. Art) zu a:
1/a
Division:
Umkehroperation der Multiplikation: c/b = a
(3)
(4)
Multiplikation mit einem Skalar λ:
Kommutativgesetz:
λ.a = a.λ = λa1 + λa2i = (λa1, λa2)
Assoziativgesetz:
λ.(μ.a) = (λ.μ).a
Distributivgesetz I:
(λ+ μ).a = λ.a + μ.a
Distributivgesetz II:
λ.(a + b) = λ.a + λ.b
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28
1.7-4 Die komplexe Zahlenebene, Betrag und Argument von z.
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29
Umwandlung:
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30
o
Das Argument der konjugiert-komplexen Zahl:
1.7-5 Exponentialdarstellung (nach Euler).
1.7-6 Komplexe Gleichungen.
So wie zwei Zahlenpaare dann und nur dann gleich sind, wenn ihre beiden Teile unabhängig
voneinander gleich sind, so sind auch zwei komplexe Zahlen z1 und z2 nur dann gleich, wenn
ihre Real- und Imaginärteile unabhängig voneinander gleich sind. Daher entspricht jede Gleichung zwischen komplexen Zahlen z1 = z2 zwei gekoppelten Gleichungen zwischen reellen
Zahlen: Re z1 = Re z2 und Im z1 = Im z2.
Haben wir eine Gleichung zwischen komplexen Zahlen zu lösen, so sammeln wir zuerst alle Real- und Imaginärteile in separaten, reellen Gleichungen und lösen dann das so
entstandene Gleichungssystem. Diese Regel haben wir schon bisher befolgt, wenn wir mit
komplexen Zahlen gerechnet haben. Die Addition zweier komplexer Zahlen entspricht ja der
komplexen Gleichung z = z1 + z2 und gemäß den Rechenregeln weiters den beiden reellen
Gleichungen Re z = Re z1 + Re z2 und Im z = Im z1 + Im z2.
Die Relationen <, >, ≤ und ≥ sind für komplexe Zahlen nicht definiert und somit gibt es für
diese auch keine Ungleichungen. Es gelten aber natürlich Ungleichungen für die Beträge.
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
31
1.7-7 Multiplikation und Division in der Polarkoordinatenform.
1.7-8 Potenzieren und Wurzelziehen in der Polarkoordinatenform.
o
Satz von Moivre: (cos φ + i.sin φ)n = (cos nφ + i.sin nφ)
o
n-te Potenz von z:
o
zn = (a + b.i)n
= rn. (cos φ + i.sin φ)n
(in Polarform)
= rn. (cos nφ + i.sin nφ)
(wegen Satz von Moivre)
= rn . ei.nφ
(Euler’sche Form)
Komplexe n-te Wurzeln von komplexen Zahlen: Die Lösungen der reinen Gleichung n-ten Grades zn = c heißen komplexe n-te Wurzeln von z.
Bestimmung der n Wurzeln zk (k = 0,1, ..., n-1).
zn = c = (ac + bc.i) = rn. (cos nφc + i.sin nφc)
mit:
r = |z|1/n = |ac² + bc²|1/n
und
tan φc = bc/ac; oder: cos φc = ac/r;
oder: sin φc = bc/r;
Die n Wurzeln zk (k = 0,1, ..., n-1) ergeben sich daraus zu:
zk = r.(cos φk + i.sin φk)
mit φk = (φc + k.2π)/n.
Die Wurzel z0 heißt auch „Hauptwert“.
Ist c reell, dann sind die Wurzeln zk reell bzw. konjungiert komplex.
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32
Beispiel:
z² = -3
____________________________________
n=2
=>
2Lösungen z0 und z1
c = -3
=>
r = |z|1/2 = 31/2.
tan φc = bc/ac = 0/-3 = 0
=> φc = π.
daher:
φ0 = (φc + 0.2π)/2 = (π + 0.2π)/2 = π/2
φ1 = (π + 1.2π)/2 = 3π/2.
=>
z0 = r.(cos φ0 + i.sin φ0) = 31/2.(cos π/2 + i.sin π/2)
= 31/2.(0 + i) = 31/2i,
z0 = r.(cos φ1 + i.sin φ1) = 31/2.(cos 3π/2 + i.sin 3π/2) = 31/2.(-0 + -i) = -31/2i.
______________________________________________________________
© J.Tomiska 2011: Mathematikskizzen Teil 1
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