4 Zahlenbereiche

Werbung
4 Zahlenbereiche
Die natürlichen Zahlen (zusammen mit der Addition und der Multiplikation)
wurden in Kapitel 3 axiomatisch eingeführt. Aus den natürlichen Zahlen kann
man nun die ganzen Zahlen Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . . } die rationalen
Zahlen, die reellen Zahlen und auch die komplexen Zahlen (zusammen mit
den jeweiligen Additionen und Multiplikationen) konstruieren. Die mit Abstand
aufwendigste Konstruktion ist die der reellen Zahlen. Das wird aber erst Teil
der Vorlesung Analysis sein. Wir führen hier nur exemplarisch vor wie man aus
den natürlichen Zahlen die ganzen Zahlen konstruiert.
Ganze Zahlen
Gegeben seien also die natürlichen Zahlen (zusammen mit der Addition und der
Multiplikation). Wir betrachten nun wieder die Äquivalenzrelation aus Beispiel
2.12. Es sei also
M =N×N
und
R
die Relation
R := {((a, b), (c, d)) | a + d = c + b} .
Die Element des Quotienten
M/R
sind die Klassen
. . . , Kl(1, 3), Kl(1, 2), Kl(1, 1), Kl(2, 1), Kl(3, 1), . . . .
Wir denieren nun eine Addition auf
M/R
via
Kl(a, b) ⊕ Kl(c, d) = Kl(a + c, b + d).
⊕ nur aus der bekannten Operation +
dass das Ergebnis der Addition Kl(a, b) ⊕
der Repräsentanten (a, b) ∈ Kl(a, b) bzw.
Man beachte, dass die neue Abbildung
N hervorgeht. Problematisch ist,
Kl(c, d) anscheinend von der Wahl
(c, d) ∈ Kl(a, b) abhängt1 . Man muss also noch die wohldeniertheit der Abbildung ⊕ testen. Sei also (ã, b̃) ein Elemente aus der gleichen Äquivalenzklasse
˜ ein Elemente aus der gleichen Äquivalenzklasse wie (c, d),
wie (a, b) und (c̃, d)
in
dann ist
Wegen
˜ = Kl(ã + c̃, b̃ + d).
˜
Kl(ã, b̃) ⊕ Kl(c̃, d)
a + b̃ = b + ã und c + d˜ = d + c̃ gilt aber
˜ = Kl(a + c, b + d).
Kl(ã + c̃, b̃ + d)
1 Klar
was gemeint ist? Sowohl
lenzklasse
Kl(1, 2).
(1, 2)
wie auch
(2, 3) sind ja Elemente
⊕ eindeutig sein.
Trotzdem muss die Summe
27
der gleichen Äquiva-
4 Zahlenbereiche
Ähnlich wird nun auch eine Multiplikation
⊙
auf
M/R
deniert. Nämlich
Kl(a, b) ⊙ Kl(c, d) = (ac + bd, ad + bc).
Kl(c, d) ∈ M/R sowohl Kl(1, 1)⊕Kl(c, d) =
Kl(1+c, 1+d) = Kl(c, d) wie auch Kl(1, 1)⊙Kl(c, d) = Kl(c+d, c+d) = Kl(1, 1)
gilt. Das Element Kl(1, 1) nennen wir ab jetzt 0. Die Elemente Kl(1, 2), Kl(1, 3), . . .
nennen wir −1, −2, . . . und die Elemente Kl(2, 1), Kl(3, 1), . . . nennen wir 1, 2 . . . .
Auÿerdem schreiben wir in Zukunft Z statt M/R, a + b statt a ⊕ b und ab statt
a ⊙ b.
Wir haben also auf einer neuen Menge Z eine neue Addition und eine neue
Man beachte, dass für jedes Element
Multiplikation deniert. Man kann nun nachrechnen, dass sämtliche aus der
Z
Schule bekannten Rechenregeln auch auf unserer Menge
dere gelten alle Rechenregeln von
stellt man sich auch weiterhin
N
N
auf
Z
stimmen. Insbeson-
1, 2, 3 · · · . Deshalb
(obwohl N in unserer
eingeschränkt auf
als Teilmenge von
Z
vor
Konstruktion formal etwas anderes ist).
Rationale Zahlen und reelle Zahlen
Im Gegensatz zum Zahlenbereich
N
läÿt sich jede additive Gleichung
a+x = b
a, b ∈ Z lösen. Andererseits läst sich nicht jede multiplikative Gleichung
ax = b mit a, b ∈ Z in Z lösen. Daher betrachtet man die Rationalen Zahlen,
also die Brüche
nn
o
Q :=
| n ∈ Z, m ∈ N .
m
Auch hier müÿte man nun die Menge Q zusammen mit einer Addition und
einer Multiplikation formal aus N und Z konstruieren. Auch hier werden wieder
mit
passende Äquivalenzklassen gebildet. Diese Konstruktion wird im Prpädeutikum
zum Thema Äquivalenzrelationen nachgeholt.
In der linaren Algebra werden Sie lernen was ein Körper ist. Hier sei schon
einmal gesagt, dass
Q
(genau wie
R
C)
und
ein Beispiel für einen Körper ist,
N
Z aber nicht. Für jetzt reicht uns die Erkenntnis, dass Q bezüglich Addition
und Multiplikation abgeschlossen ist, d.h. für alle p, q ∈ Q ist q + p ∈ Q und
pq ∈ Q. Ich hoe Sie erinnern sich noch daran wie man eine solche Addition
und
bzw. Multiplikation durchführt. Nämlich nach den Formeln
ad + bc
a c
+ =
b d
bd
bzw
a c
ab
· = .
b d
cd
Um vernünftig Mathematik betreiben zu können reicht die Menge der ratio2
nalen Zahlen noch nicht aus. Z.B. ist die Gleichung x = 2 in Q nicht lösbar.
Trotzdem kann man sich Probleme vorstellen, deren Lösung eben genau die Be2
2
dingung x = 2 erfüllt . Daher erweitert man die rationalen Zahlen noch auf die
2 Z.B.
die Frage, wie lange ist die Diagonale eines rechtwinkligen Dreiecks dessen Katheten
beide die Länge 1 haben. Wenn wir eine Mathematik nur in
wäre die Antwort: So ein Dreieck gibt es nicht.
28
Q
aufziehen wollten dann
4 Zahlenbereiche
reellen Zahlen. Wie das genau geht werden Sie in der Vorlesung Analysis erfahren. Veranschaulichen kann man sich die reellen Zahlen aber als die Punkte auf
einer Geraden.
> bzw. ≤. Auch
hier verzichten wir auf eine formale Konstruktion. Für Q und R führen wir noch
ein paar Bezeichnungen ein: Sei F = Q oder F = R und a, b ∈ F mit a < b. Das
abgeschlossene Intervall [a, b] sei deniert durch [a, b] := {x ∈ F | a ≤ x ≤ b}.
Analog denieren wir oene Intervalle ]a, b[:= {x ∈ F | a < x < b}. Desweiteren
Sowohl auf
Q
wie auch auf
R
gibt es eine Ordnungsrelation
sei
[a, b[
]a, b]
]a, ∞[
[a, ∞[
]∞, a[
[∞, a[
Die Gleichung
X2 + 1 = 0
:=
:=
:=
:=
:=
:=
{x ∈ F | a ≤ x < b},
{x ∈ F | a < x ≤ b},
{x ∈ F | a < x},
{x ∈ F | a ≤ x},
{x ∈ F | x < a},
{x ∈ F | x ≤ a}
besitzt keine Lösung in reellen Zahlen. Um diese
Gleichung aber trotzdem lösen zu können, führen wir eine neue Zahl
2
als Lösung dieser Gleichung ein: i + 1 = 0; diese Zahl heiÿt auch
i=
√
−1
imaginäre
Einheit.
Wir haben noch nicht richtig erklärt, was denn nun eigentlich
i=
√
−1 für eine
Zahl sein soll. Wir führen dazu die komplexen Zahlen geometrisch als Punkte
in der Gauÿschen Ebene ein.
Satz und Denition 4.1 Die Menge C := R2 aller Paare reeller Zahlen versehen mit der Addition
(x1 , y1 ) + (x2 , y2 ) := (x1 + x2 , y1 + y2 )
und der Multiplikation
(x1 , y1 ) · (x2 , y2 ) := (x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 )
ist ein Körper, der sogenannte Körper der komplexen Zahlen. Hierbei ist
(0, 0) das Nullelement (0, 0) und (1, 0) das Einselement (1, 0). Die komplexe Zahl
i := (0, 1)
heiÿt imaginäre Einheit.
Oenbar gilt
Also ist
i2
i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0).
das additiv Inverse des Einselements.
29
4 Zahlenbereiche
(x, y) läÿt sich eindeutig zerlegen, als Summe aus dem 1Anteil (den sogenannten Realanteil) und dem i-Anteil (den sogenannten ImaJede komplexe Zahl
ginäranteil), d.h.
(x, y) = x(1, 0) + y(0, 1) = x + iy.
Für das praktische Rechnen in komplexen Zahlen ist diese Schreibweise auch
geeigneter. Man veriziert leicht:
(a + ib)+ (c + id) = (a + c)+ i(b + d),
(a + ib) · (c + id) = (ac − bd)+ i(ad + bc);
hierbei haben wir in der zweiten Gleichung die Gleichung
Das multiplikativ Inverse von
a + ib ∈ C \ {0}
i2 = −1
ausgenutzt.
berechnet sich wie folgt:
1
1 a − ib
a − ib
a
−b
=
= 2
= 2
+i 2
.
2
2
a + ib
a + ib a − ib
a +b
a +b
a + b2
Zu einer komplexen Zahl z = a + ib heiÿt a der Realteil von z und wird mit
Re z bezeichnet und b heiÿt der Imaginärteil von z und wird mit Im z notiert.
Zu z = a + ib bezeichnet z = a − ib die zu z konjugierte komplexe Zahl (bei der
Berechnung des Inversen von z 6= 0 haben wir also mit dem Konjugierten von z
erweitert). Es gilt
1
Re z = (z + z),
2
z = Re z + i Im z,
Komplexe Zahlen lassen sich gut in der
Im z =
1
(z − z).
2i
Gauÿschen Zahlenebene darstellen:
i Im z 6
+ib
ra + ib
a
c
-
Re z
−ib
ra − ib
z = a + ib ∈ C ist z · z = (a + ib)(a − ib) = a2 + b2
Zahl, und für z 6= 0 ist diese Zahl positiv. Wir setzen
√
|z| = zz
Für
und nennen dises Zahl den
misst
|z|
den Abstand von
(Pythagoras). Es gilt die
Absolutbetrag
z
der komplexen Zahl
zum Ursprung
Dreiecksungleichung
0
z.
Geometrisch
in der Gauÿschen Zahlenebene
|z + w| ≤ |z| + |w|.
30
eine nicht-negative reelle
4 Zahlenbereiche
Die komplexen Zahlen haben sehr schöne analytische und algebraische Eigen-
C algebraisch abgeschlossen, d.h. jede algebraische Gleichung
C besitzt eine Lösung (Fundamentalsatzes der Algebra). Ferner gibt es eine
schaften: Z.B. ist
über
Verbindung zu den trigonometrischen Funktionen. (Dazu später mehr!)
31
Herunterladen