Titelgeschichte - Medizinische Hochschule Hannover

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Psychosomatik: Balanceakt
zwischen Körper und Seele
MHHInfo April/Mai 2007
Titel Psychosomatik
»Herz an Kopf: bitte kommen«
So reagieren Körper und Seele aufeinander – ein Ausflug in die Psychosomatik
Psychosoziale, das heißt »seelische« Belastungen aber auch
bereichernde Lebensumstände, sind innerhalb der Medizin lange
Zeit nicht als wichtige Faktoren erkannt worden, die auch
Krankheiten und ihre Verläufe beeinflussen können. Die kulturell gewachsene, künstliche Trennung zwischen »Körper« und
»Seele« hat lange Zeit den Blick für eine solche integrative
Sichtweise in der Medizin verstellt.
In diesem Zusammenhang hat auch die Öffentlichkeit zu wenig
zur Kenntnis genommen, dass gerade tief greifende Störungen
oder Abbrüche zwischenmenschlicher Beziehungen häufig mit
dem Auftreten körperlicher Erkrankungen einhergehen. Nur
eine eher kleine Gruppe von psychosomatisch interessierten
Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten hat solche Phänomene am Beispiel unter anderem von chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen und der chronischen Schmerzerkrankung
früh beschrieben. Tatsächlich sind gerade massive Trennungsbefürchtungen oder -erlebnisse nicht selten im Umfeld sich
verschlechternder chronischer Körperbeschwerden zu finden.
Andererseits können nahe und haltgebende Beziehungen einem
kranken Menschen oft erstaunliche Energie und Durchhaltevermögen vermitteln.Aber wie kann dieser »geheimnisvolle Sprung
vom Seelischen zum Körperlichen« wie Sigmund Freud, der
Begründer der Psychoanalyse, es ausdrückte, geschehen?
Positive wie negative zwischenmenschliche Beziehungen bewirken Veränderungen in verschiedenen netzwerkartig aufgebauten Hirnstrukturen, beispielsweise innerhalb des so genannten
limbischen Systems. Dadurch werden weit reichende andere
biologische Reaktionen im Hypothalamus und im Hirnstamm
angestoßen, beispielsweise die Ausschüttung von Stresshormonen. Diese Reaktion kann wiederum zu einer Kaskade weiterlaufender biologischer Prozesse führen. Wir Menschen spüren
dies dann als erlebbares Gefühl, wobei der gesamte menschliche Körper als »Resonanzboden« unserer Gefühle immer an
deren Entstehung und Wahrnehmung beteiligt ist, Gefühle
immer auch »körperlich« sind: Sie bestehen im Idealfall immer
aus unmittelbaren Körperreaktionen und einer damit einhergehenden, bewussten Gefühlsempfindung, beispielsweise: »Mein
Herz fängt an zu klopfen – ich habe Angst.« Menschen, die
Schwierigkeiten mit der bewussten Wahrnehmung von Gefühlen haben, empfinden negative Gefühle vor allem körperlich,
beispielsweise als Magenbeschwerden, Muskelverspannungen
oder wiederkehrende Schmerzen. Daraus können sich auf
Dauer auch chronische körperliche Störungen entwickeln. Hier
eignen sich individuell ausgewählte psycho- und körpertherapeutische Verfahren, um diese zunächst rein »körperlich gebundenen« Emotionen wie Trauer, Enttäuschung oder Wut
bewusst spürbar werden zu lassen. Das Bewusstwerden eines
negativen Gefühls und eines dahinter stehenden Konfliktes
kann dann zu einer Verminderung der vegetativen Anspannung
und damit einhergehender chronischer körperlicher Symptome
beitragen.
Alle Säugetiere reagieren mit Angst, beziehungsweise entsprechenden körperlichen Reaktionen, wenn sich eine wichtige
Bezugsperson, beispielsweise die Mutter von ihrem Kind, entfernt. Die Entwicklung eines solchen beziehungsregulierenden
Netzwerkes ist entwicklungsgeschichtlich gesehen sinnvoll, denn
funktionierende Beziehungen und Leben in der Gruppe sind
wichtige Überlebensvorteile. Zur Beziehungsfähigkeit gehört es,
die eigenen, aber auch die Gefühle des Gegenübers zu spüren
und darauf adäquat reagieren zu können.
Das komplexe Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen
und neurochemischer Netzwerke ist störanfällig und kann bei
frühkindlichen belastenden Lebensereignissen – beispielsweise
bei zu wenig Zuwendung der Bezugspersonen – eine langwirksame Beeinträchtigung von Emotionalität, Beziehungserleben,
aber auch stressverarbeitende Systeme mitbedingen.
Gefühle mit ihren sowohl mehr »körperlich« und als auch
mehr »seelisch« spürbaren Anteilen sind wahrscheinlich eines
der grundlegenden, lange Zeit verkannten Steuerungssysteme
unserer Organismus. In Zukunft wird es in der psychosomatischen Präventionsarbeit darum gehen, negative Einflüsse zu
vermindern und positive Ressourcen zu nutzen.
Harald Gündel, Direktor der MHH Abteilung Psychosomatik
und Psychotherapie
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Titel Psychosomatik
MHHInfo April/Mai 2007
»Wenn Gefühle und Gedanken krank machen,
muss man sein Leben verändern«
Nachgefragt bei Professor Dr. Harald Gündel, Leiter der MHH-Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie
Das Fachgebiet Psychosomatik berücksichtigt die Bedeutung seelischer Vorgänge bei der Entstehung und beim
Verlauf körperlicher Krankheiten. Was passiert mit dem
Körper, wenn die Seele »streikt«?
Zunächst sind mit dem Begriff der Seele im umgangssprachlichen und nicht-religiösen Sinn unsere Gefühle und Gedanken
gemeint. Sie haben natürlich ebenso wie alle anderen körperlichen Funktionen eine organische Grundlage und können
erheblichen Einfluss auf den gesamten menschlichen Organismus haben: Teile des Großhirns und das so genannte limbische
System, in der Mitte des Gehirns gelegen, sind wesentlich an der
Entstehung und Verarbeitung von Gefühlen beteiligt. Dauerhaft
negative und belastende Gefühle, beispielsweise ausgelöst durch
chronische seelische Konfliktsituationen, können das Ausbrechen oder das Verschlimmern körperlicher Erkrankungen
fördern. Aber auch umgekehrt gibt es diese Wechselwirkung:
Etwa, wenn ein Mensch an einem Tumorleiden erkrankt und als
Folge darauf depressiv wird. Insofern muss man die Seele und den
Körper immer als eine natürliche und untrennbare Einheit sehen.
Gibt es typische psychosomatische Krankheiten?
Typisch sind in diesem Sinne – neben den eher primär psychischen Erkrankungen in unserem Fachgebiet wie posttraumatische
Belastungsstörung, Angsterkrankungen und manche Formen
der Depression – häufig die chronischen körperlichen Störungen,
für die es keine ausreichend fassbaren organischen Ursachen
gibt, wie beispielsweise chronische Rücken- oder Ganzkörperschmerzen, unklare Brustschmerzen, Tinnitus und wiederholte
Hörstürze, chronische Magen-Darm-Beschwerden, Essstörungen
und auch Angsterkrankungen, die sich vornehmlich körperlich
äußern, beispielsweise mit chronischem diffusen Schwindel oder
wiederholten unklaren Durchfällen in Stresssituationen.
Gibt es typische Merkmale für Patienten mit psychosomatischen Krankheiten?
Menschen mit chronischen seelischen Konflikten – ob mehr mit
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sich selbst, Beziehungsstress oder Spannungen und Unzufriedenheit am Arbeitsplatz – haben ein höheres Risiko. Auch
Personen, die traumatische seelische Erlebnisse hatten, sind oft
empfänglicher für bestimmte psychosomatische Erkrankungen.
Hinzu kommen Persönlichkeitsmerkmale, die sich belastend
auswirken: Beispielsweise haben Menschen mit Hang zu überhohem Einsatz und gleichzeitigem Perfektionismus im Beruf ein
zwei- bis dreifach höheres Herzinfarkt-Risiko.
Inwiefern grenzt sich die Psychosomatik von den
»Nachbarabteilungen« Klinische Psychiatrie und Sozialpsychiatrie ab?
Im Fachgebiet der Psychosomatik und Psychotherapie haben wir
es besonderes häufig mit Menschen zu tun, die gleichzeitig an
körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen leiden, zum Teil
auch mit Patienten mit chronischen körperlichen Erkrankungen,
die sich auch in einer enormen psychosozialen Belastungssituation befinden, oder als Reaktion auf eine schwere körperliche
Erkrankung seelische Probleme entwickeln. Bei anderen, primär
psychischen Beschwerden wie Angststörungen oder bei Depressionen klären wir dagegen oft im Einzelfall mit den Kollegen
aus der Psychiatrie und Psychotherapie ab, welches Konzept für
diesen speziellen Patienten besser passt.
Wie reagieren die Patienten, wenn sie zum Beispiel mit
einem Herzleiden bei Ihnen landen?
Natürlich besteht grundsätzlich die Gefahr, dass sich Patienten,
die mit einer rein körperlichen Behandlungserwartung in die
MHH kommen und dann in der Psychosomatik vorgestellt werden, stigmatisiert und abgeschoben fühlen. Dies passiert aber
tendenziell immer seltener. Außerdem können die Kollegen
aus den somatischen Fächern dagegen auch sehr wirksam
vorbeugen: Indem sie die psychosomatische Untersuchung bei
entsprechenden Risikopatienten bereits zu Beginn der interdisziplinären ambulanten oder stationären Diagnostik automatisch
mit einbeziehen. Dann können die betroffenen Patienten auch
Titel Psychosomatik
Im Gespräch:
Professor Dr. Harald Gündel
viel eher die eingangs beschriebenen und völlig natürlichen
Zusammenhänge zwischen Körper und Seele akzeptieren und
eine psychotherapeutische Behandlung beginnen.
Akzeptieren die Kollegen aus den somatischen Abteilungen ihr Fach?
Das Fach Psychosomatik und Psychotherapie ist ein wichtiger und
sicher noch ausbaufähiger Baustein im Kanon der medizinischen
Fächer, ähnlich anderen Querschnittsfächern, die Berührungspunkte mit vielen anderen somatischen Fächern haben. An
der MHH ist meine bisherige Erfahrung ausgesprochen positiv:
Es gibt erfreulicherweise viele offene Türen, und der Bedarf an
interdisziplinärer Zusammenarbeit scheint erheblich zu sein.
Wie wichtig ist für Ihr Fachgebiet ein Patient, der
Einsicht zeigt?
Da wir weniger mit Medikamenten und mehr mit psychotherapeutischen Behandlungsmethoden arbeiten, ist die eigene Motivation unserer Patienten besonders wichtig. Doch die ist in der
Regel erst vorhanden, wenn die Behandlungseinsicht da ist.
Ohne sie ist eine Therapie nicht sinnvoll. Natürlich ist es gerade
bei vielen Patienten mit vor allem körperlichen Störungen und
einer zunächst körperlichen Behandlungserwartung notwendig,
eine entsprechende Behandlungseinsicht überhaupt erst zu
erreichen: Dies geschieht bei uns im Rahmen eines aktuellen,
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Forschungsprojektes.Wir bieten den betroffenen Patienten in zwölf
Sitzungen eine Art maßgeschneiderte »Probe-Psychotherapie«
(Piso-Studie, siehe Seite 19)* an und vermitteln ihnen den Zusammenhang zwischen körperlichen Beschwerden und psychischen Belastungen. Um psychotherapeutisch weiterzumachen
müssen die Patienten anschließend aber selbst eine Behandlung
wünschen. Ein solcher Schritt ist für viele aber nicht leicht:
Einige Patienten wehren sich sogar heftig gegen die Suche
nach auslösenden psychischen Ursachen für ihre Krankheit, oft,
weil bis heute psychische Störungen nicht selten als schamhaft
und stigmatisierend erlebt werden. Doch wenn es dem Patienten gelingt, zusammen mit dem Therapeuten diese Hürde zu
überwinden, können krank machende Verhaltensmuster erkannt
und bearbeitet, oft auch verändert werden.
Wie helfen Sie Ihren Patienten?
Eine psychoanalytische Weisheit lautet in diesem Zusammenhang: Nach und nach dorthin schauen, wo es seelisch schwierig
ist, wo auf Dauer belastende und krankmachende seelische
Konflikte bestehen. Ist ein Problem oder Konflikt bewusst und
offensichtlich, der dazugehörige seelische Schmerz nicht mehr
verdrängt, sondern offen fühlbar, ist es für den Betreffenden
selbst zum Glück oft viel schwerer, einfach wider besseres Wissen so weiterzumachen wie bisher. Dann stellen viele Patienten
nach und nach ihr Leben an den entsprechenden Stellen um. Das
geht natürlich nicht von heute auf morgen – es kann mehrere
Jahre dauern. Die in unserer Abteilung eingesetzten Therapieformen sind überwiegend psychodynamische und verhaltenstherapeutische Verfahren sowie weitere Körper- und Kreativtherapien.
Welche Zukunft hat das Fach Psychosomatik und Psychotherapie?
Es hat im Licht der hochaktuellen Forschungsergebnisse zur
großen Bedeutung von psychosozialen Lebensumständen für
Gesundheit und Lebenserwartung mehr als gute Chancen,
weiterhin zu wachsen und innerhalb der Medizin einen zunehmend wichtigen Beitrag zu leisten. Im Blick speziell auf die MHH
als einem Klinikum der Supra-Maximal-Versorgung stehen
Lebensqualität, aber auch die medizinische Komplikationsrate
bei vielen chronischen körperlichen Erkrankungen in direktem
Zusammenhang mit dem seelischen Befinden. An dieser Stelle
interdisziplinär mitzuarbeiten sehe ich als eine wichtige Aufgabe unserer Abteilung an.
Das Gespräch führte Kristina Weidelhofer.
* Anmerkung der Redaktion
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Titel Psychosomatik
MHHInfo April/Mai 2007
Psychsomatische Krankheiten und Begriffe
Psychoonkologie
Schlafstörungen: Sie können Folge eines Traumas sein.
Posttraumatische Belastungsstörung
Schwere Verkehrsunfälle, Verbrechen oder Unglücksfälle sind
Geschehnisse mit potentiell lebensbedrohlichem Charakter. Dabei
überschwemmen Affekte, Sinneseindrücke und Gedanken den
Betroffenen. Seine normalen Stressverarbeitungsmechanismen
funktionieren dann nicht mehr – es läuft eine Art biologische
Notfallreaktion ab. Bleiben können tiefe Gefühle von Ohnmacht,
Angst und Erschrecken. Fast jeder Mensch erlebt dies in seinem
Leben. Bei den meisten verschwinden die negativen Gefühle
weitgehend von alleine – nach drei bis sechs Monaten. Leider
klappt das nicht immer. Im Mittel bleibt etwa bei fünf bis 15 Prozent der Betroffenen eine posttraumatische Belastungsstörung
zurück – bei Opfern eines schweren Verbrechens können es bis
zu 50 Prozent sein. Sie leiden dann beispielsweise an Alpträumen oder an immer wieder zurückkehrenden Bildern des
Traumas, innerer Unruhe und Schlafstörungen.
Die indizierte Behandlung ist dann eine traumazentrierte Psychotherapie, mit der sich in der Regel recht gute Ergebnisse
erzielen lassen. Leider werden besonders Kinder nicht oder
unzureichend therapiert. So kann es – speziell wenn sie mehrfach traumatisiert werden – zu einer besonders schwerwiegenden Störung kommen. Das hat eine entsprechend schwierige
und langwierige Behandlung zur Folge. Dennoch lohnt sich
eine traumazentrierte Psychotherapie immer, da sie das Leiden
reduzieren kann.
Wolfgang Lempa
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Die Diagnose »Krebs« ist bei Patientinnen und Patienten sowie
ihren Angehörigen mit intensiven Belastungen verbunden: Gedanken drängen sich auf – beispielsweise an Schmerz und Leid,
Verlust körperlicher Integrität, Sterben und Tod. Bei etwa 40 bis
50 Prozent aller Krebspatienten entwickeln sich daraus psychische Störungen – meist sind es Angststörungen oder Depressionen. Ziel der Psychoonkologie ist es, die psychosozialen
Aspekte im Verlauf einer Krebserkrankung und -behandlung
wissenschaftlich zu untersuchen, um besonders Frauen, die an
Krebs leiden, besser versorgen und betreuen zu können.
Die Patientinnen brauchen eine psychosoziale Betreuung –
insbesondere, wenn sie auf die Diagnose »Krebs« mit übergroßer
Angst reagieren oder wenn sie Anzeichen einer Depression
zeigen – etwa Schlaf-, Antriebs- oder Konzentrationsstörungen,
Verlust des Interesses oder der Freude an Tätigkeiten, starke
Ermüdbarkeit, Empfinden von Schuld oder Wertlosigkeit. Die Betreuungssituation ist in Deutschland noch nicht ausreichend.
Zum psychoonkologischen Behandlungsangebot gehören:
Entspannungsverfahren, kreative Behandlungen wie Musikund Maltherapie, körperorientierte Verfahren und Gesprächskreise. Hinzu kommt eine Psychotherapie. Der Patientin soll
geholfen werden, ihre Krankheit zu bewältigen und sich neu zu
orientieren. Dazu gehört auch die Verbesserung von Kontakten
zur Familie, zu Freunden oder Selbsthilfegruppen. Ziel ist es,
Angst und Depression abzubauen und Denkprozesse anzustoßen – etwa zum Sinn des Lebens, Umgang mit Sterben und
Tod sowie zur Verantwortung und Selbstverwirklichung. Im
MHH-Brustzentrum sind psychoonkologische Aspekte in das
Versorgungsangebot integriert: Es gibt kunsttherapeutische
Angebote, psychosoziale Beratung und ein bedarfsorientiertes
psychotherapeutisches Angebot.
Mechthild Neises
Wenn die Brust nicht so gesund ist wie diese: Patientinnen mit
Brustkrebs können von einer psychosozialen Betreuung profitieren.
Titel Psychosomatik
Essstörungen:
Man sieht sie einem Körper
nicht unbedingt an.
Somatisierungsstörungen
Essstörungen
Die Anorexie (Anorexia nervosa, Magersucht) ist durch ein
extremes, oftmals lebensgefährliches Untergewicht gekennzeichnet. Dieser ausgezehrte Zustand wird durch Fasten und
eventuell durch exzessiven Sport oder Tabletteneinnahme
erreicht. Anorektische Patientinnen und Patienten empfinden
ihren Körper als schön oder wenigstens als bessere Alternative
zu einer normalen Körpergestalt. Die Magersucht sollte zumindest anfänglich stationär behandelt werden.
Die Bulimie (Bulimia nervosa, Ess-Brech-Sucht) ist durch
häufige Essanfälle und weitgehend eingeschränkte Nahrungsaufnahme außerhalb der Essanfälle gekennzeichnet. Um der
Gewichtszunahme entgegenzuwirken, praktizieren die Betroffenen absichtliches Erbrechen nach den Essanfällen. Zum Teil
experimentieren Betroffene auch mit Abführtabletten und
exzessivem Sport. Die Bulimie kann eher als die Anorexie auch
ambulant psychotherapeutisch behandelt werden.
Wenn das Essverhalten durch Essanfälle mit Kontrollverlust
gekennzeichnet ist, aber kein Versuch der Regulation gegen
die Gewichtszunahme – zum Beispiel durch absichtliches Erbrechen – gemacht wird, kann es sich um eine Binge Eating
Störung handeln. Diese Erkrankung, die erst vor wenigen
Jahren benannt wurde und für die es noch keinen deutschen
Begriff gibt, geht meistens mit einer Gewichtszunahme einher.
Verhaltenstherapeutische Verfahren haben sich als recht wirksam gegen die Störung erwiesen.
Bei der Adipositas (krankhaftes Übergewicht) handelt es
sich nicht unbedingt um eine Essstörung, da genetische und in
früher Kindheit erworbene Faktoren einen großen Anteil an der
Krankheitsentstehung und dem Verlauf haben können. Es gibt
aber eine Untergruppe von Patienten, die Essen zur seelischen
Stabilisierung benutzt. Bei diesen Patienten ist mehr als bei
anderen Adipösen eine psychotherapeutische Begleitung in der
Behandlung notwendig.
Burkhard Jäger
Bis zu 20 Prozent aller Menschen leiden zeitweilig oder auch
chronisch an Somatisierungsstörungen. Sie gehören zu den häufigsten Störungsbildern in der allgemein-medizinischen Praxis.
Somatisierungsstörungen – auch somatoforme Störungen genannt – sind durch körperliche Symptome gekennzeichnet, für
die keine oder keine ausreichenden organischen Befunde als
Erklärung erhoben werden können. Neben allgemeinen Beschwerden wie Müdigkeit und Erschöpfung stehen Symptome
wie ausgeprägtes Schmerzerleben (zum Beispiel Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen), Magen-DarmBeschwerden (etwa Blähungen, Übelkeit, Reizmagen, Reizdarm)
sowie Herz- und Kreislaufprobleme (beispielsweise Herzstolpern, Herzrasen, Herzschmerzen) an erster Stelle. Auslösende
Faktoren sind in der Regel akute konflikthafte Belastungssituationen (etwa in Beruf und Familie), die im Wechselspiel mit
längerfristigen psychosozialen Schwierigkeiten aber auch genetischen Dispositionen des einzelnen Patienten stehen. Die Diagnose einer somatoformen Störung wird nach Ausschluss einer
die Beschwerden ausreichend erklärenden organischen Ursache
und nach Erhebung der psychischen Symptome sowie der psychosozialen Anamnese gestellt. Häufig werden die somatoformen Symptome von Depression und Angst begleitet. Wichtig
ist eine frühzeitige Diagnosestellung, um den Prozess der Chronifizierung zu verhindern. Entscheidend für einen Behandlungserfolg ist neben der Beschwerdelinderung das Erarbeiten
von Verständnis und
Handlungskompetenzen
beim Patienten für den
Umgang mit symptomauslösenden und -unterhaltenden Bedingungen im psychosozialen Alltag. Dazu ist
in vielen Fällen eine Psychotherapie der Schlüssel zu einer
Heilung.
Christiane Waller
Rückenschmerzen:
Konflikte können sie auslösen.
Titel Psychosomatik
»Ich darf weiterleben«
MHH-Psychologe Professor Künsebeck therapiert
Transplantationspatienten
(bb) Sie zerriss ihren Organspendeausweis. Trauer, Entsetzen
und Wut brachten die MHH-Patientin Brigitte Gravermann dazu,
als sich ihre Mutter im Alter von 64 Jahren nach einer Organtransplantation sieben Wochen lang tapfer quälte und dann
starb. Das war im Jahr 1989, Brigitte Gravermann war 38 Jahre
alt. Nie wollte die Sozialpädagogin in die gleiche Situation
kommen, niemals würde sie zustimmen, ein fremdes Organ zu
erhalten – obwohl sie schon damals wusste, dass sie, wie ihre
Mutter, eine Zystenleber und Zystennieren hat und wahrscheinlich darunter sehr leiden und daran sterben wird.
24 Jahre war Brigitte Gravermann alt, als sie im Jahr 1975 auf
Wunsch ihrer Mutter zur genetischen Beratung in die MHH ging,
und dort von ihrer Krankheit erfuhr. »Ich bin aus allen Wolken
gefallen, da ich mich damals pudelwohl fühlte«, erinnert sie
sich. Mit Anfang 40 bekam sie jedoch hohen Blutdruck, die
Nierenfunktion ließ nach und Wasser lagerte sich in ihrem
Gewebe ein. Ihre Gliedmaßen wurden dünner, ihr Bauch nahm
an Umfang zu. Infektionen kamen hinzu, Zysten platzten, Einblutungen und Fieber schwächten sie. MHH-Ärzte schlugen eine
Transplantation vor. »Das kam mir wie ein Todesurteil vor«,
sagte Brigitte Gravermann. Sie ignorierte alles und leitete
weiterhin eine Kindertagesstätte. Als ihre Kräfte deutlich nachließen, suchte sie bei anthroposophischen Ärzten die Bestätigung, dass sie keine Transplantation benötigt. Doch auch die
rieten ihr zu dem Schritt. »Da wachte ich auf«, erzählt die
Patientin. Das war im Jahr 2004.
»Dann ließ ich mich auf die Warteliste schreiben, mit dem
Gefühl, das Richtige zu tun«, sagt sie. Sie schrieb Vollmachten,
Abschiedsbriefe, eine Patientenverfügung und ihr Testament. Sie
heiratete ihren Lebensgefährten und reiste mit ihm nach Neuseeland. Doch da sie immer noch die Erinnerungen an den Tod
ihrer Mutter sehr quälten, hatte sie Angst vor der Transplantation.
Deswegen suchte sie Professor Dr. Hans-Werner Künsebeck auf,
Diplom-Psychologe der MHH-Abteilung Psychosomatik und
Psychotherapie. Dort sprach sie ihre Ängste aus und fühlte sich
verstanden. Er unterstützte sie dabei, ihre Sorgen und Ängste
loszulassen und sich ohne Wenn und Aber für die Transplantation zu entscheiden. »Ich konnte seinem Urteilsvermögen vertrauen, da er gute und schlechte Verläufe von Organtransplantationen kennt. Er wusste wovon er sprach«, sagt sie. »Zudem
kennt er Mitarbeiter, Gepflogenheiten und Strukturen der MHH.
Er war es auch, der mich ermutigte, überhaupt an einen positi18
Nach der Transplantation: Brigitte Gravermann malte das Gefühl, das
Glück, das sie verspürte, kaum noch tragen zu können.
ven Ausgang der Operation zu denken – etwa daran, dass mein
Bauch wieder schrumpft und dass ich wieder zu Kräften kommen
könnte.« Damals waren ihre Gliedmaßen mager, sie konnte
kaum noch essen, war schlapp, müde und musste fast an die
Dialyse.Aufgrund der stark gewachsenen Leber und Nieren hatte
sie einen Bauch, als wäre sie im siebten Monat schwanger.
Im Juli 2006 kam der erwartete Anruf, eine Niere und eine
Leber waren für sie da, sie wurde in der MHH operiert. »Frau
Gravermann, ihre Leber macht ja schon fast normale Werte«,
hörte sie, als sie nach der OP aufwachte. »Das gibt’s doch nicht,
ich darf weiterleben«, dachte sie damals. Kaum noch schlafen
konnte sie – vor Glück und Dankbarkeit. »Diese Zeit war sehr
aufwühlend, ich hätte alle Ärzte und Schwestern küssen können«, sagt sie. Bereits nach drei Wochen konnte sie entlassen
werden. Sie schloss ihre 2002 begonnene berufliche Weiterbildung zur Soziotherapeutin-Kunst ab und wünscht sich nun,
selbst mit Patienten vor und nach einer Transplantation kunsttherapeutisch arbeiten zu können.
»Mit meinen neuen Organen habe ich keine Probleme«, sagt
sie heute, acht Monate nach der OP. Zur Nachsorge kommt sie
in die MHH, sie lässt ihr Blut untersuchen und spricht mit Professor Künsebeck – über Gefühle ihres neuen Lebens, wozu auch
Dankbarkeit gehört. Deswegen hat sie auch wieder einen
Organspendeausweis.
Therapie für Transplantationspatienten
Die psychosomatische Medizin nutzt eine Vielzahl von Therapieverfahren, die für Transplantationspatienten hilfreich sein können. Grundlage für den Abbau von Ängsten ist eine ausführliche Information und
Beratung, oft ergänzt mit Verhaltenstherapie, die auch Entspannungsverfahren einschließt. Ein weiteres, oft angewandtes Verfahren ist die
supportive Psychotherapie. Sie greift ressourcenorientiert die Verarbeitungsmöglichkeiten des Patienten auf, stärkt und erweitert seine
Fähigkeiten zur Problem- und Krisenbewältigung.
Hans-Werner Künsebeck, Mitarbeiter der Abteilung Psychosomatik
und Psychotherapie
MHHInfo April/Mai 2007
Titel Psychosomatik
Wenn der Körper unbeachtete Gefühle zeigt
Piso-Studie: Helfen psychosomatische Therapien, die Lebensqualität chronisch Kranker zu verbessern?
(bb) »Ich schlucke immer alles«, sagt Peter Siebert*. Angela
Angelovski, Psychologin der MHH-Abteilung Psychosomatik
und Psychotherapie, hört ihm genau zu. Seit Jahren quälen ihn
Bauchschmerzen, keiner der Ärzte, die er aufsuchte, konnte
dies bisher mit einer körperlichen Ursache ausreichend erklären.
Sie rieten ihm, an einer Studie teilzunehmen, die sich »Psychosomatische Behandlung bei somatoformen Beschwerden«
nennt – kurz: Piso. Wissenschaftler sechs deutscher Universitäten erforschen, ob Patientinnen und Patienten mit jahrelangen
chronischen Symptomen, die bereits zahlreiche Arztbesuche und
erfolglose Diagnostiken hinter sich haben, eine psychosomatische Therapie nützt. Die Betroffenen nehmen je einmal pro
Woche eine Therapiestunde in Anspruch – zwölf Wochen lang.
Die Studie wird in Kooperation mit der Schmerzambulanz der
MHH-Abteilung Anästhesiologie durchgeführt. Ein großer Teil
der Studienteilnehmer kommt aus der Schmerzambulanz,
aber auch aus anderen MHH-Abteilungen. Die Untersuchung
erstreckt sich vom Frühjahr des Jahres 2006 bis zum Herbst 2007
und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vom
Ministerium für Bildung und Forschung unterstützt.
Er beachtete seine Gefühle nicht genug
Zunächst konnte Peter Siebert seine Bauchschmerzen nur
diffus beschreiben, später genauer – und so fand er zusammen
mit der Psychologin heraus, dass sie etwas mit den Gefühlen
Ärger, Aufregung und Angst zu tun hatten. »Dies war ein
Wendepunkt für ihn, bis dahin hatte er ausschließlich an körperliche Ursachen gedacht. Dann hat er gemerkt, dass der
Körper ihm zeigte, dass er seine Gefühle nicht ausreichend
beachtet«, sagte Angela Angelovski. Zusammen mit ihr erarbeitete der Patient Wege, seine Gefühle angemessen zu äußern
und zu regulieren – und die Schmerzen blieben fern.
Pro Universität machen bei der Studie 40 Patienten mit. 20 von
ihnen sind in einer Vergleichsgruppe. Sie nehmen an Gesprächen
zur Behandlung ihrer Symptome teil, aber nicht an einer Therapie. Die Therapie besteht aus drei Phasen: Zunächst erhalten die
Teilnehmer viele Informationen über somatische, aber auch
psychische Hintergründe von Schmerzen und vor allem deren
Wechselwirkung. In der zweiten Phase lernen sie, besser mit den
Beschwerden umzugehen – zum Beispiel, diese nicht in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen, aber auch, akute psychische
Belastungen mit sich daraufhin verstärkenden Schmerzen überhaupt erst in Verbindung zu bringen. Um zu merken, wann die
Beschwerden erträglicher werden – etwa bei einem Spazier-
Ziel: Eine verbesserte Lebensqualität
gang – führen die Patienten außerdem ein Tagebuch. In der
letzten Phase werden die neuen Erfahrungen mehr und mehr in
den Alltag übertragen. Vor Beginn, nach dem Ende der Therapiesitzungen sowie ein Jahr darauf erhalten die Teilnehmer
Fragebögen. Zudem werden dann auch die Schwankungen des
Herzrhythmus gemessen, um die Fähigkeit der Stressbewältigung zu erfassen. »Das autonome Nervensystem ist bei Patienten mit somatoformen Störungen nicht gut reguliert. Das kann
anhand der Schwankungen gemessen werden«, erklärt Angela
Angelovski. Nur sehr selten bleiben – wie bei Peter Siebert – die
Schmerzen schon nach den zwölf Therapiesitzungen aus. Doch
schon, wenn die Teilnehmer erkennen, dass ihre körperlichen
Beschwerden mit ihrer psychischen Situation zusammenhängen, ist ein Ziel der Studie erreicht. Manche sind dann motiviert,
sich auch nach dem Ende der Studie weiter therapieren zu lassen. »Das Ziel kann leider nicht immer sein, dass die Schmerzen
vollständig verschwinden. Aber die Lebensqualität, die kann
sich in jedem Fall verbessern«, sagt Angela Angelovski.«
*Name von der Redaktion geändert
Balanceakt: Der Körper zeigt
oft ein Ungleichgewicht
zwischen Körper und Seele an.
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Titel Psychosomatik
MHHInfo April/Mai 2007
Von der Neurose bis zum Unbewussten
Fachbegriffe aus unserem Titelthema
(ina) Unter Neurosen wird eine Gruppe von psychischen
Störungen verstanden. Es wird angenommen, dass eine Neurose durch einen inneren, unbewussten Konflikt entsteht. Psychische Störungen sind erhebliche Abweichungen vom Erleben
oder Verhalten gesunder Menschen im Denken und Fühlen.
Die Psychoanalyse ist ein psychotherapeutisches Behandlungsverfahren. Sie zählt zu den aufdeckenden Therapien, die
versuchen, dem Patienten ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge seines Leidens zu vermitteln. Die vor allem rationale
Einsicht in die Verursachungszusammenhänge ist jedoch nicht
das wesentliche Ziel einer psychoanalytischen Therapie. Vielmehr wird eine weitergehende Umstrukturierung der Persönlichkeit und insbesondere des Gefühlslebens in denjenigen
Bereichen angestrebt, die zur Aufrechterhaltung beispielsweise
krankhafter Persönlichkeitseigenschaften beitragen.
Unter Psychotherapie versteht man die Behandlung psychischer, emotionaler und psychosomatischer Krankheiten, Leidenszustände oder Verhaltensstörungen mit Hilfe wissenschaftlich
fundierter Methoden. Je nach Form der Psychotherapie findet
hierbei gegebenenfalls auch eine Auseinandersetzung mit dem
Unbewussten statt, um die Ursachen der Erkrankung zu klären,
oder es wird der Bereich des bewussten Denkens und Empfindens ergründet und durchleuchtet. Dies geschieht beispiels-
weise bei einer Gesprächs- oder Verhaltenstherapie. Alle Psychotherapien beruhen wesentlich auf dem Prinzip, neue Verhaltensweisen zu erproben und diese zu festigen.
Psychodynamische Verfahren sind Psychotherapiemethoden,
die sich wie die Psychoanalyse mit den bewussten und unbewussten Kräften der Psyche beschäftigen. Dabei geht es darum,
wie die verschiedenen psychischen Anteile das eigene Verhalten
und Erleben beeinflussen. Häufig wird hierfür auch der Begriff
Tiefenpsychologische Verfahren verwendet.
Das Unbewusste ist im psychologischen Sprachgebrauch der
Bereich der menschlichen Psyche, der dem Bewusstsein nicht
direkt zugänglich ist. Die Tiefenpsychologie geht davon aus, dass
unbewusste psychische Prozesse die Menschen in ihrem Handeln, Denken und Fühlen entscheidend beeinflussen, und dass
die Bewusstmachung unbewusster Inhalte eine wesentliche
Voraussetzung für die Therapie von Neurosen ist. Umgangssprachlich wird für das Unbewusste auch der Begriff Unterbewusstsein verwendet.
Tiefenpsychologie ist die zusammenfassende Bezeichnung für
psychologische und psychotherapeutische Ansätze, die unbewussten psychischen Prozessen einen zentralen Stellenwert für
die Erklärung menschlichen Verhaltens und Erlebens einräumen.
Alumni-Fotoalbum
(ina) Die Lebenssituation des Patienten berücksichtigen – diesem wichtigen Teil der Psychosomatik hat sich Professor Dr. Gerhard SchmidOtt verschrieben. Nach dreizehneinhalb Jahren
als Leitender Oberarzt der MHH-Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie zog es den Mediziner nun zu neuen Aufgaben nach Löhne bei Bad
Oeynhausen: Dort leitet er seit dem 1. April 2007
die Abteilung Psychosomatik der Berolina Klinik,
einer Rehabilitationsklinik mit den Schwerpunkten integrierte Psychosomatik und Verhaltensmedizin. Doch Professor Schmid-Ott nimmt nicht
endgültig Abschied von der MHH: »Ich werde weiterhin in der Lehre tätig
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sein und Doktorarbeiten betreuen«, sagt der 51-Jährige. In der MHH war
es einer seiner Forschungsschwerpunkte, den psychosomatischen Zusammenhang von chronischen Erkrankungen der Haut wie beispielsweise
Schuppenflechte oder Neurodermitis näher zu beleuchten, ein Teilgebiet
der Psychoneuroimmunologie. Wichtig war ihm dabei immer die intensive
Zusammenarbeit mit Selbsthilfeorganisationen. Als Chefarzt freut er sich
darauf, neue Konzepte mitzugestalten. Dabei betrachtet er seine Patienten
auf Augenhöhe: »Diese gegenseitige Achtung ist wie ein Lächeln – sie
kostet nichts – und jeder freut sich darüber«, sagt er. Vermissen wird er die
gute Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus seiner, aber auch
aus anderen Abteilungen.
MHHInfo April/Mai 2007
Titel Psychosomatik
Sie gehören zum Team der Station 60:
Irmgard Kiegeland, Dr. Wolfgang Lempa,
Sebastian Becker, Martina Schrader, Simone
Nowak, Waltraud Engelskirchen und
Maren Wilhelm (von links).
Wir stellen uns vor
Die psychosomatisch-psychotherapeutische Station 60
(ina) Essstörungen, Ängste und Depressionen, seelische Belastungen infolge einer schweren körperlichen Erkrankung, körperliche Beschwerden ohne entsprechenden pathologischen
Befund: Solche Patientinnen und Patienten werden auf der psychosomatisch-psychotherapeutischen Station 60 behandelt. Es
sind Menschen mit schweren und chronifizierten psychosomatischen und psychischen Störungen, bei denen eine Kombination
verschiedener psychotherapeutischer Methoden in einer Intensivbehandlung angezeigt ist.
Das Stationsteam besteht aus zwei Ärztinnen sowie sieben
therapeutischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese qualifizieren sich durch eine Krankenpflegeausbildung und eine
psychotherapeutische Weiterbildung. Ein Psychologe, der in
mehreren Psychotherapieverfahren ausgebildet ist, leitet die
Station.
Bis zu 15 erwachsene Personen finden auf Station 60 Platz,
die in der MHH-Kinderklinik untergebracht ist. Sieben Zweibettzimmer und ein Einzelzimmer stehen für die Patienten bereit. Sie
bleiben hier durchschnittlich neun Wochen – eine lange Zeit,
in der sie sich einer konflikt- und lösungsorientierten tiefenpsychologischen Behandlung unterziehen. Ziel ist es, dass die
Patienten die Ursachen ihrer Beschwerden, also den Zusammenhang zwischen Konflikten und Stress, Gefühlen und körperlichen Symptomen verstehen und dann mit Hilfe verhaltenstherapeutischer und psychodynamischer Verfahren eine Besserung
der Symptomatik erreichen. Einzelpsychotherapie und die nach
Bedarf stattfindenden Kontaktgespräche mit den Stationsmitarbeitern sowie die ärztliche Visite und Sprechstunde gehören zum
integrativen Konzept. Vorgehalten werden zwei unterschiedliche Behandlungsangebote, eines mit einem Schwerpunkt auf
Einzelpsychotherapie und eines auf Gruppenpsychotherapie.
Alle Patienten nehmen an einer Reihe von Gruppentherapieangeboten teil. Beispielsweise lernen sie in einer Gruppe anhand
von Rollenspielen, ihre sozialen Kompetenzen und ihre eigenen
Interessen wie Durchsetzungsfähigkeit, Selbstsicherheit und
Abgrenzungsvermögen zu verbessern oder nehmen an einem
Entspannungstraining teil.
Voraussichtlich im Herbst 2007 wird die Station 60 ins
Haus F auf dem MHH-Gelände umziehen. Damit erweitert die
Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie ihre Behandlungsmöglichkeiten auf 20 stationäre Plätze.Weiterhin ist angedacht, dort ein Angebot von zehn tagesklinischen Plätzen zu
schaffen. Ab April 2007 ist es für Menschen mit chronifizierten
psychosomatischen und psychischen Störungen möglich, sich in
der neuen Institutsambulanz der Abteilung Psychosomatik und
Psychotherapie behandeln zu lassen.
Vor einer stationären Aufnahme ist grundsätzlich ein ambulantes Vorgespräch in der psychosomatischen Poliklinik erforderlich.
Kontakt:
Station 60
Telefon: (0511) 532-9416
E-Mail: [email protected]
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