Baroque … Classique 3 Kristian Bezuidenhout Freiburger Barockorchester Anne Katharina Schreiber Sonntag 22. Dezember 2013 20:00 Bitte beachten Sie: Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses Franz Sauer aus. Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys, bei sich haben: Bitte schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens in der Pause einnehmen. Bitte warten Sie den Schlussapplaus ab, bevor Sie den Konzertsaal verlassen. Es ist eine schöne und respektvolle Geste gegenüber den Künstlern und den anderen Gästen. Mit dem Kauf der Eintrittskarte erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihr Bild möglicherweise im Fernsehen oder in anderen Medien ausgestrahlt oder veröffentlicht wird. Baroque … Classique 3 Kristian Bezuidenhout Hammerklavier Freiburger Barockorchester Anne Katharina Schreiber Leitung Sonntag 22. Dezember 2013 20:00 Pause gegen 21:00 Ende gegen 22:35 PROGRAMM Felix Mendelssohn Bartholdy 1809 – 1847 Sinfonia Nr. 8 D-Dur (1822) für Streichorchester (mit Bläsern und Pauken ad lib.) Adagio e Grave – Allegro Adagio Menuetto – Trio. Presto Allegro molto Wolfgang Amadeus Mozart 1756 – 1791 Konzert für Klavier und Orchester F-Dur KV 413 (1782/83) Allegro Larghetto Tempo di Menuetto Pause Felix Mendelssohn Bartholdy Konzert für Klavier und Streichorchester a-Moll (1822) Allegro Adagio Allegro Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie g-Moll KV 550 (1788) (1. Fassung) Molto allegro Andante Menuetto. Allegretto Allegro assai 2 ZU DEN WERKEN »Er ist der Mozart des 19. Jahrhunderts, der hellste Musiker, der die Widersprüche der Zeit am klarsten durchschaut und zuerst versöhnt«. So urteilte Robert Schumann in der Neuen Zeitschrift für Musik über seinen Freund und Kollegen Felix Mendelssohn Bartholdy. Nicht nur die Frühreife des Wunderkinds Mendelssohn ließ Schumann und manchen anderen Zeitgenossen die Parallele zu Mozart ziehen. Anlass dazu gaben auch die Eleganz und kristalline Klarheit von Mendelssohns Stil. Zudem zählte Mozart zu den wichtigsten Vorbildern des jüngeren Komponisten – gerade in den beiden frühen Werken des heutigen Programms ist das deutlich zu hören. Klangexperiment und Fugenfinale – Mendelssohns Streichersinfonie Nr. 8 Allerdings gibt es selbst vom jungen Mozart kaum etwas, das mit den zwölf Streichersinfonien vergleichbar wäre, die Mendelssohn zwischen 1821 und 1823, also im Alter von 12 bis 14 Jahren schrieb. Wohl kein anderer Komponist schuf in so jungen Jahren derart fantasievolle und zugleich ausgereifte Werke wie Mendelssohn. Er hatte aber auch das Glück, dass zu seiner überreichen Begabung die entsprechenden materiellen Möglichkeiten der Familie kamen. Dem wohlhabenden Bankier Abraham Mendelssohn war für die Bildung seiner Kinder das Beste gerade gut genug: hochqualifizierte Hauslehrer, Geigen- und Klavierunter­ richt bei den angesehensten Pädagogen Berlins, und für die Musik­theorie Carl Friedrich Zelter, der Leiter der Berliner Singakademie. Um Felix’ Kompositionen zu erproben, engagierte der Vater Mitglieder der Hofkapelle – bei deren Sonntagskonzerten im Hause Mendelssohn traten der Junge und seine ebenfalls hochbegabte Schwester Fanny oft selbst als Solisten auf. Die Jugendsinfonien wurden wohl durch den eher konservativen Zelter angeregt, und so erstaunt es kaum, dass Mendelssohn sich zunächst mit bestimmten Stilen und Kompositionstechniken der Vergangenheit vertraut machte. Die Sinfonien dienten als Studienwerke, doch sie sind – vor allem ab der Nummer 7 – weit mehr als das. Jede von ihnen steckt voller origineller Ideen. 3 Die Sinfonie Nr. 8 D-Dur, zwischen dem 6. und 27. November 1822 komponiert, beginnt mit einer gemessenen langsamen Einleitung – so wie viele klassische Sinfonien. Der scharf punktierte Rhythmus (lang-kurz) der kraftvollen Einwürfe, die den ruhigen Fluss der Achtel unterbrechen und überlagern, lässt sogar noch weiter zurückdenken: an die Ouvertüren der Barockzeit. An kunstvolle Kompositionsweisen vergangener Zeiten erinnern auch mehrere kanonartige Passagen des folgenden Allegro-Hauptteils – sie geben allerdings nur einen ersten Vorgeschmack auf die kontrapunktischen Komplikationen des Finales. Mit einem besonderen Klangeffekt überrascht der langsame zweite Satz: Mendelssohn spart die Geigen aus, ersetzt sie durch die dunkleren Farben der dreifach geteilten Bratschen. Die aus pochenden Tonrepetitionen allmählich aufgebauten Harmonien des Satzbeginns könnten durch Mozarts »Dissonanzen-Quartett« inspiriert worden sein. Das folgende Menuett beginnt ganz konventionell, hält aber zu Beginn des zweiten Abschnitts einige Überraschungen bereit und nähert sich im schnellen Trioteil dem Charakter eines Scherzos an. Der ambitionierteste Satz der Sinfonie ist zweifellos das Finale, dem der Schlusssatz von Mozarts »Jupiter-Sinfonie« als Modell gedient haben muss. Wie sein Vorgänger kombiniert auch Mendelssohn die bekannte Sonatenform mit Fugenelementen. Vier Themen verflechten sich vor allem im Durchführungsteil zu einem dichten polyphonen Netz. Satisfaction für Kenner und Nichtkenner – Mozarts Klavierkonzert KV 413 Mendelssohn begann unmittelbar nach Fertigstellung der achten Streichersinfonie die Arbeit an einer zweiten Fassung, die auch Bläserstimmen und Pauken enthält (gespielt wird heute jedoch die erste Fassung ohne Bläser). Dagegen schrieb Mozart seine Klavierkonzerte KV 413 – 415 von vornherein mit Bläserstimmen, konzipierte diese allerdings bewusst so wenig selbständig, dass sie auch weggelassen werden konnten (das Freiburger Barockorchester spielt das Konzert KV 413 heute mit Bläsern). In der 4 Wiener Zeitung vom 15. Januar 1783 kündigte er den Dreierzyklus an: »Herr Kapellmeister Mozart macht hiemit dem hochansehnlichen Publikum die Herausgabe drey neuer erst verfertigter Klavierconzerten bekannt. Diese 3 Concerten, welche man sowohl bey großem Orchestre mit blasenden Instrumenten, als auch nur a quattro, nämlich mit 2 Violinen, 1 Viole, und Violoncello aufführen kann, werden erst Anfangs Aprilis d. J. zum Vorschein kommen, und nämlich nur denjenigen (schön copirter, und von ihm selbst übersehen) zu Theile werden, die sich darauf subscribirt haben.« Durch die flexible Besetzung wollte Mozart seinen Werken offenbar eine möglichst weite Verbreitung sichern – schließlich waren sie seine ersten eigens für Wien bestimmten Klavierkonzerte. Nachdem er 1781 seine Entlassung aus dem Salzburger Hofdienst provoziert und sich als selbständiger Künstler in der Hauptstadt niedergelassen hatte, war Mozart zunächst mit älteren Werken aufgetreten. Nun jedoch hoffte er seine Einkünfte als Konzert­ pianist und Klavierlehrer durch die Vermarktung neuer Konzerte aufzustocken. Sein Inserat zeigt, dass er dafür zunächst noch bereit war, den Erwartungen des Publikums entgegenzukommen. Die gleiche Einstellung spricht auch aus einem Brief an den Vater: »Die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer, und zu leicht – sie sind sehr Brillant – angenehm in die ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – daß die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum.« In seinen späteren Jahren nahm Mozart immer weniger Rücksicht auf Geschmack und Auffassungsgabe seiner Zuhörer – die Nachwelt dankte es ihm, doch viele Musikforscher sehen darin einen Hauptgrund für sein letztliches finanzielles Scheitern. Zu Beginn der Wiener Zeit standen die Vorzeichen noch günstiger: Zwar enttäuschte der Absatz handgeschriebener Kopien der Klavierkonzerte KV 413 – 415 Mozarts Erwartungen. Doch dafür erreichte die gedruckte Stimmenausgabe, die um den Jahreswechsel 1784/85 beim Wiener Verlag Artaria erschien, eine hohe Auflage. Nicht nur eine Reihe von Nachdrucken wurde nötig, sondern auch der Neustich zahlreicher Platten. Man konnte zu Mozarts Zeit etwa 400 Abzüge von einer Stichplatte machen, bevor sie unbrauchbar wurde. 5 Dass Mozart in seinen frühen Wiener Konzerten tatsächlich die Balance »zwischen zu schwer und zu leicht« fand, zeigt gerade das F-Dur-Werk KV 413. Seine Themen sind eingängig, die Klaviersoli brillant, und doch finden sich gerade im Streichersatz auch manche Stellen nur für Kenner. Das eröffnende Allegro steht im ¾-Takt – eine Seltenheit bei Konzert-Kopfsätzen, die üblicherweise dem »seriöseren« geraden Metrum zuneigten. Bemerkenswert ist im ersten Satz auch die enge motivische Verwandtschaft der Themen, die beide mit einer vierfachen Tonwiederholung beginnen und doch ganz unterschiedliche Charaktere zeigen: Im ersten wirkt das einleitende Unisono energisch, und die folgenden Lautstärkekontraste sorgen für Dramatik. Dagegen gibt sich das durchgehend leise zweite Thema freundlich und tänzerisch. Im idyllischen Mittelsatz steht eindeutig der Solist im Vordergrund: Er spinnt mit der rechten Hand zarte, fantasievoll verzierte Linien, denen regelmäßige Begleitmuster der linken gegenüber stehen – sogenannte »Alberti-Bässe« (benannt nach dem Sänger und Komponisten Domenico Alberti, ca. 1710 – 1740). Das Orchester ist zwischen den Melodiephrasen des Klaviers mit seufzenden Echomotiven zu hören. Das Finale bezeichnete Mozart als Tempo di Menuetto, doch der Form nach ist es ein Rondo mit wiederkehrendem Refrain und wechselnden Couplets. Allerdings übernahm Mozart vom Menuett nicht nur den Dreierrhythmus; er spielte in seinem Finale auch mit formalen Elementen des Tanzes. Dieser bestand ja üblicherweise aus zwei zu wiederholenden Abschnitten, von denen der zweite neues Material einführte, um dann noch einmal die Melodie des ersten aufzugreifen. Mozart setzte jedoch an die Stelle genauer Wiederholungen fantasievolle Variation und kontrapunktische Verarbeitung – Musik für Kenner, die auch Nichtkenner zufrieden stellte. Einfluss und Eigensinn – Mendelssohns Klavierkonzert a-Moll Anders als Mozart im Fall der frühen Wiener Konzerte versuchte Mendelssohn nie, sein Klavierkonzert a-Moll zu veröffentlichen. Es entstand vermutlich Anfang 1822, also vor seinem 6 13. Geburtstag, und war sein erster Versuch in der Konzertform. Noch 1822 ließ er ein Violinkonzert in d-Moll folgen, im nächsten Jahr ein Konzert für Violine, Klavier und Streichorchester in d-Moll sowie eines für zwei Klaviere und großes Orchester in E-Dur. Ein weiteres für die gleiche Besetzung (in As-Dur) schloss die Reihe 1824 ab. Die Existenz dieser Jugendkonzerte war zwar seit langem bekannt, doch da Mendelssohn sie genau wie die Streichersinfonien als Schülerarbeiten abtat, befassten sich auch Musikwissenschaftler und Interpreten nicht näher mit ihnen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschienen Notenausgaben all dieser Stücke, und nun erst wurde klar, dass sie weit mehr bieten als nur Einblicke in Mendelssohns kompositorische Entwicklung. Natürlich gewähren sie aber auch solche Einblicke: So lässt sich am a-Moll-Konzert der Einfluss von Komponisten wie Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Nepomuk Hummel oder Carl Maria von Weber zeigen. Ebenfalls interessant sind Bleistifteintragungen Carl Friedrich Zelters in die Partitur seines Schülers – und Mendelssohns Reaktionen auf diese Änderungsvorschläge: Er prüfte offenbar alle, übernahm dann manche, indem er sie mit Tinte nachzog, während er andere souverän ignorierte. Es liegt in der Natur der Sache, dass Mendelssohns frühe Konzerte sich enger als die reifen – also die Klavierkonzerte Nr. 1 g-Moll op. 25 (1831) und Nr. 2 d-Moll op. 40 (1837) sowie das Violinkonzert e-Moll op. 64 (1844) – den Konventionen der Gattung anschließen. So folgt zwar im a-Moll-Konzert der dritte Satz attacca (ohne Pause) auf den zweiten, doch die kunstvoll komponierten Übergänge zwischen allen Sätzen, wie sie in Mendelssohns späteren Konzerten zum Standard werden, gibt es noch nicht. Der Pianist setzt auch nicht, wie in den »offiziellen« Konzerten, gleich zu Beginn des ersten Satzes ein, sondern wartet erst die damals übliche Orchesterexposition ab, um dann mit einem dramatischen Arpeggio und dem bereits weiterentwickelten Hauptthema ins Geschehen einzugreifen. Ein Orchestervorspiel eröffnet auch den zweiten Satz. Die Streicher spielen es mit Dämpfer, und das Klavier beginnt mit einer freien Passage, die einem Opernrezitativ nachempfunden scheint. Ganz romantisch wirkt der Mittelabschnitt, in dem Tremolobegleitung der höheren 7 Streicher und gezupfte Einwürfe der Bässe für eine erregte Stimmung sorgen. Noch brillanter als im bereits recht virtuosen Kopfsatz gestaltete Mendelssohn den Klavierpart des Finales. Dass der Zwölfjährige solche Musik sowohl komponieren als auch spielen konnte, scheint fast unglaublich. Doch gerade weil er es konnte, schwärmten ja Zeitgenossen wie Heine oder Goethe von seiner genialen Begabung. Eher Affektdarstellung als Bekenntnis – Mozarts Sinfonie g-Moll KV 550 Bevor Mozart sich in Wien niederließ, hatte ihn sein Salzburger Vorgesetzter Graf Arco noch gewarnt: »Hier dauert der Ruhm eines Menschen sehr kurz – von Anfang an hat man alle Lobsprüche und gewinnt auch sehr viel, das ist wahr – aber wie lange? Nach etwelchen Monaten wollen die Wiener wieder was Neues.« Diese Prophezeiung erfüllte sich zwar nicht »nach etwelchen Monaten«, aber doch in der zweiten Hälfte der 1780er Jahre. Mozart wurde vom Publikum kaum mehr wahrgenommen und litt zunehmend unter finanziellen Problemen. In dieser Lage schrieb er im Sommer 1788 innerhalb von nur acht Wochen seine drei letzten Sinfonien: Unter dem 26. Juni trug er die Es-Dur-Sinfonie KV 543 in sein Werkverzeichnis ein, am 25. Juli folgte die g-MollSinfonie KV 550 und am 10. August die C-Dur-Sinfonie KV 551. Über die Gründe für diese rastlose Aktivität kann man nur spekulieren, da ein äußerer Anlass nicht belegt ist. Mozart hatte offenbar weder einen Auftrag noch konkrete Aussichten auf eine Konzertwiedergabe. Doch auch wenn Uraufführungen der Sinfonien zu seinen Lebzeiten nicht dokumentiert sind, können sie stattgefunden haben. Dafür spricht bei der g-Moll-Sinfonie schon die Existenz zusätzlicher Klarinetten- und veränderter Oboenstimmen (die allerdings in der Wiedergabe der Erstfassung durch das Freiburger Barockorchester nicht zu Gehör kommen). Unglaubhaft scheint jedenfalls die Behauptung, die späten Sinfonien seien nur aus innerem Ausdrucksbedürfnis komponiert worden, als »Vermächtnis für die Nachwelt« oder­ 8 »Appell an die Ewigkeit« (Alfred Einstein). Diese Vorstellung gehört in den Bereich der romantischen Legenden, die sich schon bald nach Mozarts Tod um sein Spätwerk rankten. Im Fall der g-Moll-Sinfonie KV 550 faszinierten schon der durchgehend düstere Charakter und die Tonart die Nachwelt: Unter Mozarts mehr als 40 Sinfonien steht nur noch eine weitere (KV 183) in Moll. Trauer, Verzweiflung und Resignation sind offenbar die Gefühle, die er mit der Tonart g-Moll verband; man kann das an Arientexten wie »Traurigkeit ward mir zum Lose« (Konstanze in der Entführung aus dem Serail) oder »Ach ich fühl’s, es ist verschwunden« (Pamina in der Zauberflöte) ablesen. Als bekenntnishaften Ausdruck von Mozarts eigener verzweifelter Lebens­situation sollte man die Sinfonie dennoch nicht deuten. Denn wie wären dann die fast zur gleichen Zeit entstandene festliche Es-Dur-Sinfonie und die strahlend-sieghafte »Jupiter« zu erklären? So subjektiv das g-Moll-Werk auch anmutet – es steht der barocken Ästhetik der Affekte noch näher als den Herzensergüssen der Romantiker. Erregte Unruhe prägt den Charakter des Kopfsatzes, eine Stimmung, wie man sie von der Opernbühne kennt: Der rhythmische Impuls des berühmten Hauptgedankens entspricht gewiss nicht zufällig der Arie des Cherubino »Non so più cosa son, cosa faccio« in Le nozze di Figaro. Doch mag der dargestellte Affekt auch standardisiert sein, die Art der Darstellung ist es nicht: Höchst ungewöhnlich erscheint zum Beispiel die Eröffnung (mit einer Begleitfigur der Bratschen und dem leise einsetzenden Hauptthema) oder die Tonartenfolge in der Durchführung (etwa die Rückung von g-Moll nach fis-Moll gleich zu Beginn). An szenische Musik erinnert auch das Andante mit seinem Dialog zwischen Bläsern und Streichern. Ganz gegen die Konvention fehlen hier die großen, strömenden Melodien; der dissonanzenreiche Satz ist vielmehr aus kontrastierenden Motiven zusammengesetzt. Überhaupt gibt es in der ganzen Sinfonie nur einen Abschnitt, der friedvolle Idylle ausdrückt: das G-Dur-Trio des Menuetts. Was aber sonst noch in diesem dritten Satz stattfindet, widerspricht der gängigen Vorstellung vom höfischen Tanz. Das Stück wirkt eher ruppig als grazil, vor allem weil zu den harmonischen nun auch metrische Reibungen treten. Wie fast schon zu erwarten, 9 folgt als Finale kein heiterer Kehraus, sondern ein gleichwertiges Gegenstück zum Kopfsatz. Der leidenschaftliche Charakter des Beginns erscheint hier eher noch intensiviert, und die harmonischen und kontrapunktischen Kühnheiten übertreffen womöglich die der vorangegangenen Sätze. Kein Wunder, dass diese Musik das Verständnis der Zeitgenossen überforderte und erst im 19. Jahrhundert zu ihrer – dann freilich ungeheuren – Popularität kam. Jürgen Ostmann 10 Biographien Kristian Bezuidenhout Kristian Bezuidenhout wurde 1979 in Südafrika geboren. Er begann sein Studium in Australien und beendete es an der Eastman School of Music in den USA. Aktuell lebt er in London. Nach anfänglicher Ausbildung zum modernen Pianisten bei Rebecca Penneys wandte er sich den frühen Tasteninstrumenten zu, studierte Cembalo bei Arthur Haas, Hammerklavier bei Malcolm Bilson sowie Continuo-Spiel und Aufführungspraxis bei Paul O’Dette. International bekannt wurde Kristian Bezuidenhout, als er mit 21 den renommierten Ersten Preis und den Publikumspreis beim Fortepiano-Wettbewerb in Brügge gewann. Kristian Bezuidenhout ist regelmäßig zu Gast bei den führenden Ensembles der Welt wie dem Freiburger Barockorchester, dem Orchestre des Champs Elysées, Concerto Köln, dem Chamber Orchestra of Europe, dem Königlichen Concertgebouworchester und dem Collegium Vocale Gent – oftmals dirigiert er auch vom Klavier aus. Er musizierte mit berühmten Künstlern wie Sir John Eliot Gardiner, Philippe Herreweghe, Frans Brüggen, Trevor Pinnock, Ton Koopman, Christopher Hogwood, Pieter Wispelwey, Daniel Hope, Jean-Guihen Queyras, Isabelle Faust, Viktoria Mullova, Carolyn Sampson und Mark Padmore. Kristian Bezuidenhout tritt bei den Festivals Alter Musik in Barcelona, Boston, Brügge, Innsbruck, St. Petersburg, Venedig und Utrecht auf und gastiert bei den Festspielen in Salzburg, Edinburgh, SchleswigHolstein, Tanglewood und Luzern sowie bei Mostly Mozart im Lincoln Center. Zu hören ist er in vielen der großen Konzertsäle wie den Philharmonien in Berlin und Köln, dem Théâtre des Champs Elysées in Paris, der Symphony Hall in Birmingham, dem Konzerthaus Wien, der Londoner Wigmore Hall und der Carnegie Hall in New York. Von seinen CD-Einspielungen wurden etliche mit Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erhielt er 2013 den ECHO in der Kategorie »Konzerteinspielung des Jahres« für seine Aufnahme von Mozart-Klavierkonzerten mit dem Freiburger Barockorchester. Bei uns war Kristian Bezuidenhout zuletzt im Oktober 2012 zu hören, damals ebenfalls mit dem Freiburger Barockorchester. 11 Freiburger Barockorchester Das Freiburger Barockorchester (FBO) blickt seit seiner Jubiläumssaison 2012/13 auf eine beispiellose, fünfundzwanzigjährige Erfolgsgeschichte zurück. Aus studentischen Anfängen entstand innerhalb weniger Jahre ein international gefragter Klangkörper, der regelmäßig in den bedeutendsten Konzert- und Opernhäusern zu Gast ist. Neben der Vielfalt des Repertoires vom Frühbarock bis in die Gegenwart wird häufig der besondere Klang des Freiburger Barockorchesters gerühmt. Dieser trägt das Ensemble von Freiburg in die europäischen Nachbarländer, nach Nord– und Südamerika, nach Asien und sogar bis nach Australien und Neuseeland. Seit Mai 2012 verfügen die »Freiburger« gemeinsam mit ihren Kollegen vom ensemble recherche über ein international einzigartiges Domizil: das Ensemblehaus Freiburg, eine musikalische Werkstatt und Ideenschmiede für zwei Spitzenensembles der Alten und der Neuen Musik unter einem Dach. Unverändert geblieben ist das künstlerische Credo des Freiburger Barockorchesters: die kreative Neugier jedes einzelnen, mit dem Ziel, eine Komposition so lebendig und sprechend wie nur irgend möglich zu spielen. Dazu gehört auch die Besetzung anspruchsvoller Solokonzerte mit Mitgliedern aus den eigenen Reihen. Ein kultiviertes und zugleich mitreißendes Ensemblespiel ist so zum internationalen Markenzeichen geworden. 12 Das Freiburger Barockorchester arbeitet mit bedeutenden Künstlern wie René Jacobs, Andreas Staier, Jean-Guihen Queyras, Isabelle Faust und Christian Gerhaher zusammen und ist in einer engen Kooperation mit dem französischen Label harmonia mundi France verbunden. Der künstlerische Erfolg dieser musikalischen Partnerschaften äußert sich in zahlreichen CDProduktionen und der Verleihung prominenter Auszeichnungen wie zuletzt dem ECHO Klassik Deutscher Musikpreis 2013, ECHO Klassik Deutscher Musikpreis 2012, Gramophone Award 2012, Edison Classical Music Award 2012, Gramophone Award 2011, ECHO Klassik Deutscher Musikpreis 2011 und dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik 2009. Unter der künstlerischen Leitung seiner beiden Konzertmeister Gottfried von der Goltz und Petra Müllejans sowie unter der Stabführung ausgewählter Dirigenten präsentiert sich das Freiburger Barockorchester mit rund einhundert Auftritten pro Jahr in unterschiedlichen Besetzungen vom Kammer- bis zum Opernorchester: ein selbstverwaltetes Ensemble mit eigenen Konzertreihen im Freiburger Konzerthaus, in der Stuttgarter Liederhalle und der Berliner Philharmonie und mit Tourneen in der ganzen Welt. In der Kölner Philharmonie ist das Freiburger Barockorchester regelmäßig zu Gast. Zuletzt war es bei uns erst am 1. Dezember mit der konzertanten Aufführung von Mozarts Le nozze di Figaro zu hören. 13 Die Besetzung des Freiburger Barockorchesters Violine I Anne Katharina Schreiber Leitung Beatrix Hülsemann Kathrin Tröger Peter Barczi Eva Borhi Regine Schröder Flöte Daniela Lieb Oboe Katharina Arfken Thomas Meraner Fagott Javier Zafra Eyal Streett Violine II Gerd-Uwe Klein Martina Graulich Christa Kittel Brigitte Täubl Marie Desgoutte Horn Bart Aerbeydt Gijs Laceulle Viola Christian Goosses Ulrike Kaufmann Werner Saller Annette Schmidt Violoncello Guido Larisch Stefan Mühleisen Andreas Voss Kontrabass Dane Roberts Andrew Ackerman 14 Anne Katharina Schreiber Die Geigerin Anne Katharina Schreiber ist seit 1988 Gesellschafterin des Freiburger Barockorchesters, mit dem sie auch als Solistin in Konzerten und auf CDs zu hören ist. Als Konzertmeisterin arbeitet sie außerdem regelmäßig mit Ensembles mit barockem und modernem Repertoire, wie zum Beispiel mit dem ensemble recherche, der Akademie für Alte Musik, dem kammerorchesterbasel, dem BalthasarNeumann-Ensemble und dem Collegium Vocale Gent. Dabei spielt sie unter Dirigenten wie Ivor Bolton, René Jacobs, Thomas Hengelbrock, Markus Creed und Philippe Herreweghe. Ihr zweites, wichtiges musikalisches Standbein ist die Kammermusik: Seit mittlerweile 25 Jahren ist Anne Katharina Schreiber Mitglied des Trio Vivente, mit dem sie ebenfalls zahlreiche CD-Aufnahmen eingespielt hat. Neben ihrer Triotätigkeit tritt sie als gefragte Kammermusikpartnerin in unterschiedlichen Formationen mit Gottfried von der Goltz, Daniel Sepec, Roel Dieltiens und anderen auf. Anne Katharina Schreiber unterrichtet mit einem Lehrauftrag für Violine an der Hochschule für Musik in Freiburg. Mit dem Freiburger Barockorchester war sie schon häufig bei uns zu Gast. Zuletzt am ersten Dezember dieses Jahres. 15 KölnMusik-Vorschau Dezember SO 29 15:00 Filmforum DI 24 Der Lieblingsfilm von Chilly Gonzales 15:00 Heiligabend Amadeus Milos Forman Regie ČSSR, 1984, 160 Min. Blechbläser der Kölner Dommusik Kölner Domchor Eberhard Metternich Leitung Medienpartner: choices Mädchenchor am Kölner Dom Oliver Sperling Leitung Christoph Biskupek Moderation KölnMusik gemeinsam mit Kino Gesellschaft Köln Wir warten aufs Christkind MO keine Pause | Ende gegen 16:15 30 20:00 DO 26 Lenneke Ruiten Sopran Les Musiciens du Louvre Grenoble Marc Minkowski Dirigent 20:00 2. Weihnachtstag Wiener Klänge von Johann Strauß Gaby Goldberg voc Greetje Kauffeld voc Operette und ... 2 New York Voices Ute Mann Singers DI 31 Die Allstar-Formation »The Best« Ack van Rooyen tp Claus Reichstaller tp Peter Weniger sax Gustl Mayer sax Jiggs Whigham tb 18:00 Silvesterkonzert Anne Schwanewilms Sopran Ingeborg Danz Alt Maximilian Schmitt Tenor Markus Butter Bass Paul Kuhn Big Band Jiggs Whigham ld Hommage an Paul Kuhn Vokalensemble Kölner Dom Gürzenich-Orchester Köln Markus Stenz Dirigent Paul Kuhn ist am 22. September ­verstorben. Wie in den vergangenen 26 Jahren hatte er sein traditionelles Gastspiel zu Weihnachten in der Kölner Philharmonie zugesagt. Wir werden im Konzert am 26. Dezember an den großen Jazz-Pianisten und Entertainer erinnern. Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 KölnMusik gemeinsam mit dem Gürzenich-Orchester Köln SA 28 20:00 Chilly Gonzales p Kaiser Quartet 16 Foto: Marco Borggreve Mittwoch 25. Dezember 2013 18:00 Max Emanuel Cencic Countertenor Concerto Köln mit Werken von Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi und Alessandro Scarlatti Für Concerto Köln ist der erste Weihnachtsabend ein Heimspiel, so oft pendelt das Ensemble zwischen seinem Sitz in Köln-Ehrenfeld und der Kölner Philharmonie. Zusammen mit Max Emanuel Cencic, ehemaliger Wiener Sängerknabe und einer von fünf Countertenören in der weltersten Einspielung der Oper »Artaserse« von Leonardo Vinci, gewann Concerto Köln 2013 den ECHO Klassik als beste Operneinspielung des Jahres für ebendiese Aufnahme. Instrumentalwerke und Arien von Händel, Vivaldi und Scarlatti stehen bei Cencics Debüt in der Kölner Philharmonie auf dem Programm. Ihr nächstes Abonnement-Konzert Januar Mi 05 Februar 20:00 MI 01 Lange Mozartnächte 18:00 Neujahr Cappella Andrea Barca András Schiff Klavier und Leitung Erika Stucky Vocals, Mini-Akkordeon, Trash-Movies David Coulter Klavier, Multiinstrumentalist Terry Edwards Bass, Saxophon, Multiinstrumentalist Michael Blair Schlagzeug, Multiinstrumentalist Mozart 1784 Wolfgang Amadeus Mozart Sonate für Klavier und Violine B-Dur KV 454 (1784) Zehn Variationen G-Dur über die Ariette »Unser dummer Pöbel meint« aus dem Singspiel »Die Pilgrime von Mekka« von Christoph Willibald Gluck KV 455 (1784) für Klavier Black Widow Die amerikanische Wahl-Schweizerin Erika Stucky ist ein Mensch gewordenes Naturereignis. Schließlich bewegt sich die Tochter von kalifornischen Hippies mit ihrer Stimme irgendwo zwischen Pop und Dada, zwischen Jazz, Folklore und Wahnsinn. Pünktlich zum neuen Jahr bringt die geborene Entertainerin, Sängerin und Akkordeonistin ihr neuestes Band-Projekt »Black Widow« mit. Konzert für Klavier und Orchester B-Dur KV 456 (1784) Sonate für Klavier c-Moll KV 457 (1784) Streichquartett B-Dur KV 458 (1784) »3. Haydn-Quartett«, »Jagd-Quartett« Konzert für Klavier und Orchester F-Dur KV 459 (1784) »2. Krönungskonzert« Baroque … Classique 4 DO 16 20:00 Christian Tetzlaff Violine Wiener Philharmoniker Riccardo Chailly Dirigent Jean Sibelius Finlandia op. 26 Tondichtung für Orchester Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47 Anton Bruckner Sinfonie Nr. 6 A-Dur WAB 106 KölnMusik gemeinsam mit der Westdeutschen Konzertdirektion Köln Köln-Zyklus der Wiener Philharmoniker 2 18 Lange Mozartnächte Mozart 1784 Dienstag 4. Februar 2014 20:00 Mittwoch 5. Februar 2014 20:00 Cappella Andrea Barca András Schiff Klavier und Leitung Foto: Priska Ketterer Wolfgang Amadeus Mozart Konzerte für Klavier und Orchester Sonate für Klavier und Violine B-Dur KV 454 Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Es-Dur KV 452 Zehn Variationen G-Dur über die Ariette »Unser dummer Pöbel meint« Sonate für Klavier c-Moll KV 457 Streichquartett B-Dur KV 458 »Im Jahr 1784 ist so unglaublich viel passiert, ich möchte zeigen, wie großartig und virtuos Mozart quer durch alle Gattungen komponiert hat«, so András Schiff über den genialen Komponisten und virtuosen Pianisten Mozart, dem er zwei Abende ausschließlich mit Werken aus dem Jahr 1784 widmet. Philharmonie-Hotline 0221 280 280 ­koelner-­philharmonie.de Informationen & Tickets zu allen Konzerten in der Kölner ­Philharmonie! Kulturpartner der Kölner Philharmonie Herausgeber: KölnMusik GmbH Louwrens Langevoort Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH Postfach 102163, 50461 Köln ­koelner-­philharmonie.de Redaktion: Sebastian Loelgen Corporate Design: hauser lacour kommunikationsgestaltung GmbH Textnachweis: Der Text von Jürgen Ostmann ist ein Original­­­beitrag für dieses Heft. Fotonachweise: Alle Abbildungen sind von Marco Borggreve Gesamtherstellung: adHOC ­Printproduktion GmbH Jean Sibelius Finlandia op. 26 Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47 Anton Bruckner Sinfonie Nr. 6 A-Dur WAB 106 Ricardo Chailly Dirigent Foto: Mat Hennek Christian Tetzlaff Violine Wiener Philharmoniker koelner-philharmonie.de 0221 280 280 Donnerstag 16.01.2014 20:00