PDF - Kölner Philharmonie

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Baroque … Classique 3
Kristian Bezuidenhout
Freiburger Barockorchester
Anne Katharina Schreiber
Sonntag
22. Dezember 2013
20:00
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Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses
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Baroque … Classique 3
Kristian Bezuidenhout Hammerklavier
Freiburger Barockorchester
Anne Katharina Schreiber Leitung
Sonntag
22. Dezember 2013
20:00
Pause gegen 21:00
Ende gegen 22:35
PROGRAMM
Felix Mendelssohn Bartholdy 1809 – 1847
Sinfonia Nr. 8 D-Dur (1822)
für Streichorchester (mit Bläsern und Pauken ad lib.)
Adagio e Grave – Allegro
Adagio
Menuetto – Trio. Presto
Allegro molto
Wolfgang Amadeus Mozart 1756 – 1791
Konzert für Klavier und Orchester F-Dur KV 413 (1782/83)
Allegro
Larghetto
Tempo di Menuetto
Pause
Felix Mendelssohn Bartholdy
Konzert für Klavier und Streichorchester a-Moll (1822)
Allegro
Adagio
Allegro
Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonie g-Moll KV 550 (1788)
(1. Fassung)
Molto allegro
Andante
Menuetto. Allegretto
Allegro assai
2
ZU DEN WERKEN
»Er ist der Mozart des 19. Jahrhunderts, der hellste Musiker, der
die Widersprüche der Zeit am klarsten durchschaut und zuerst
versöhnt«. So urteilte Robert Schumann in der Neuen Zeitschrift
für Musik über seinen Freund und Kollegen Felix Mendelssohn
Bartholdy. Nicht nur die Frühreife des Wunderkinds Mendelssohn ließ Schumann und manchen anderen Zeitgenossen die
Parallele zu Mozart ziehen. Anlass dazu gaben auch die Eleganz
und kristalline Klarheit von Mendelssohns Stil. Zudem zählte
Mozart zu den wichtigsten Vorbildern des jüngeren Komponisten
– gerade in den beiden frühen Werken des heutigen Programms
ist das deutlich zu hören.
Klangexperiment und Fugenfinale –
Mendelssohns Streichersinfonie Nr. 8
Allerdings gibt es selbst vom jungen Mozart kaum etwas, das mit
den zwölf Streichersinfonien vergleichbar wäre, die Mendelssohn zwischen 1821 und 1823, also im Alter von 12 bis 14 Jahren
schrieb. Wohl kein anderer Komponist schuf in so jungen Jahren
derart fantasievolle und zugleich ausgereifte Werke wie Mendelssohn. Er hatte aber auch das Glück, dass zu seiner überreichen Begabung die entsprechenden materiellen Möglichkeiten
der Familie kamen. Dem wohlhabenden Bankier Abraham Mendelssohn war für die Bildung seiner Kinder das Beste gerade gut
genug: hochqualifizierte Hauslehrer, Geigen- und Klavierunter­
richt bei den angesehensten Pädagogen Berlins, und für die
Musik­theorie Carl Friedrich Zelter, der Leiter der Berliner Singakademie. Um Felix’ Kompositionen zu erproben, engagierte der
Vater Mitglieder der Hofkapelle – bei deren Sonntagskonzerten
im Hause Mendelssohn traten der Junge und seine ebenfalls
hochbegabte Schwester Fanny oft selbst als Solisten auf. Die
Jugendsinfonien wurden wohl durch den eher konservativen
Zelter angeregt, und so erstaunt es kaum, dass Mendelssohn
sich zunächst mit bestimmten Stilen und Kompositionstechniken der Vergangenheit vertraut machte. Die Sinfonien dienten als
Studienwerke, doch sie sind – vor allem ab der Nummer 7 – weit
mehr als das. Jede von ihnen steckt voller origineller Ideen.
3
Die Sinfonie Nr. 8 D-Dur, zwischen dem 6. und 27. November 1822
komponiert, beginnt mit einer gemessenen langsamen Einleitung
– so wie viele klassische Sinfonien. Der scharf punktierte Rhythmus (lang-kurz) der kraftvollen Einwürfe, die den ruhigen Fluss
der Achtel unterbrechen und überlagern, lässt sogar noch weiter
zurückdenken: an die Ouvertüren der Barockzeit. An kunstvolle
Kompositionsweisen vergangener Zeiten erinnern auch mehrere
kanonartige Passagen des folgenden Allegro-Hauptteils – sie
geben allerdings nur einen ersten Vorgeschmack auf die kontrapunktischen Komplikationen des Finales. Mit einem besonderen
Klangeffekt überrascht der langsame zweite Satz: Mendelssohn
spart die Geigen aus, ersetzt sie durch die dunkleren Farben der
dreifach geteilten Bratschen. Die aus pochenden Tonrepetitionen
allmählich aufgebauten Harmonien des Satzbeginns könnten
durch Mozarts »Dissonanzen-Quartett« inspiriert worden sein.
Das folgende Menuett beginnt ganz konventionell, hält aber zu
Beginn des zweiten Abschnitts einige Überraschungen bereit
und nähert sich im schnellen Trioteil dem Charakter eines Scherzos an. Der ambitionierteste Satz der Sinfonie ist zweifellos das
Finale, dem der Schlusssatz von Mozarts »Jupiter-Sinfonie« als
Modell gedient haben muss. Wie sein Vorgänger kombiniert
auch Mendelssohn die bekannte Sonatenform mit Fugenelementen. Vier Themen verflechten sich vor allem im Durchführungsteil
zu einem dichten polyphonen Netz.
Satisfaction für Kenner und
Nichtkenner – Mozarts Klavierkonzert
KV 413
Mendelssohn begann unmittelbar nach Fertigstellung der achten
Streichersinfonie die Arbeit an einer zweiten Fassung, die auch
Bläserstimmen und Pauken enthält (gespielt wird heute jedoch
die erste Fassung ohne Bläser). Dagegen schrieb Mozart seine
Klavierkonzerte KV 413 – 415 von vornherein mit Bläserstimmen,
konzipierte diese allerdings bewusst so wenig selbständig, dass
sie auch weggelassen werden konnten (das Freiburger Barockorchester spielt das Konzert KV 413 heute mit Bläsern). In der
4
Wiener Zeitung vom 15. Januar 1783 kündigte er den Dreierzyklus
an: »Herr Kapellmeister Mozart macht hiemit dem hochansehnlichen Publikum die Herausgabe drey neuer erst verfertigter Klavierconzerten bekannt. Diese 3 Concerten, welche man sowohl
bey großem Orchestre mit blasenden Instrumenten, als auch nur
a quattro, nämlich mit 2 Violinen, 1 Viole, und Violoncello aufführen kann, werden erst Anfangs Aprilis d. J. zum Vorschein kommen, und nämlich nur denjenigen (schön copirter, und von ihm
selbst übersehen) zu Theile werden, die sich darauf subscribirt
haben.«
Durch die flexible Besetzung wollte Mozart seinen Werken offenbar eine möglichst weite Verbreitung sichern – schließlich waren
sie seine ersten eigens für Wien bestimmten Klavierkonzerte.
Nachdem er 1781 seine Entlassung aus dem Salzburger Hofdienst
provoziert und sich als selbständiger Künstler in der Hauptstadt
niedergelassen hatte, war Mozart zunächst mit älteren Werken
aufgetreten. Nun jedoch hoffte er seine Einkünfte als Konzert­
pianist und Klavierlehrer durch die Vermarktung neuer Konzerte
aufzustocken. Sein Inserat zeigt, dass er dafür zunächst noch
bereit war, den Erwartungen des Publikums entgegenzukommen. Die gleiche Einstellung spricht auch aus einem Brief an
den Vater: »Die Concerten sind eben das Mittelding zwischen
zu schwer, und zu leicht – sie sind sehr Brillant – angenehm in
die ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da –
können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – daß
die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen
warum.« In seinen späteren Jahren nahm Mozart immer weniger
Rücksicht auf Geschmack und Auffassungsgabe seiner Zuhörer
– die Nachwelt dankte es ihm, doch viele Musikforscher sehen
darin einen Hauptgrund für sein letztliches finanzielles Scheitern.
Zu Beginn der Wiener Zeit standen die Vorzeichen noch günstiger: Zwar enttäuschte der Absatz handgeschriebener Kopien der
Klavierkonzerte KV 413 – 415 Mozarts Erwartungen. Doch dafür
erreichte die gedruckte Stimmenausgabe, die um den Jahreswechsel 1784/85 beim Wiener Verlag Artaria erschien, eine hohe
Auflage. Nicht nur eine Reihe von Nachdrucken wurde nötig,
sondern auch der Neustich zahlreicher Platten. Man konnte zu
Mozarts Zeit etwa 400 Abzüge von einer Stichplatte machen,
bevor sie unbrauchbar wurde.
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Dass Mozart in seinen frühen Wiener Konzerten tatsächlich die
Balance »zwischen zu schwer und zu leicht« fand, zeigt gerade
das F-Dur-Werk KV 413. Seine Themen sind eingängig, die Klaviersoli brillant, und doch finden sich gerade im Streichersatz
auch manche Stellen nur für Kenner. Das eröffnende Allegro steht
im ¾-Takt – eine Seltenheit bei Konzert-Kopfsätzen, die üblicherweise dem »seriöseren« geraden Metrum zuneigten. Bemerkenswert ist im ersten Satz auch die enge motivische Verwandtschaft
der Themen, die beide mit einer vierfachen Tonwiederholung
beginnen und doch ganz unterschiedliche Charaktere zeigen: Im
ersten wirkt das einleitende Unisono energisch, und die folgenden Lautstärkekontraste sorgen für Dramatik. Dagegen gibt sich
das durchgehend leise zweite Thema freundlich und tänzerisch.
Im idyllischen Mittelsatz steht eindeutig der Solist im Vordergrund: Er spinnt mit der rechten Hand zarte, fantasievoll verzierte
Linien, denen regelmäßige Begleitmuster der linken gegenüber
stehen – sogenannte »Alberti-Bässe« (benannt nach dem Sänger
und Komponisten Domenico Alberti, ca. 1710 – 1740). Das Orchester ist zwischen den Melodiephrasen des Klaviers mit seufzenden
Echomotiven zu hören. Das Finale bezeichnete Mozart als Tempo
di Menuetto, doch der Form nach ist es ein Rondo mit wiederkehrendem Refrain und wechselnden Couplets. Allerdings übernahm
Mozart vom Menuett nicht nur den Dreierrhythmus; er spielte in
seinem Finale auch mit formalen Elementen des Tanzes. Dieser
bestand ja üblicherweise aus zwei zu wiederholenden Abschnitten, von denen der zweite neues Material einführte, um dann
noch einmal die Melodie des ersten aufzugreifen. Mozart setzte
jedoch an die Stelle genauer Wiederholungen fantasievolle Variation und kontrapunktische Verarbeitung – Musik für Kenner, die
auch Nichtkenner zufrieden stellte.
Einfluss und Eigensinn –
Mendelssohns Klavierkonzert a-Moll
Anders als Mozart im Fall der frühen Wiener Konzerte versuchte Mendelssohn nie, sein Klavierkonzert a-Moll zu veröffentlichen. Es entstand vermutlich Anfang 1822, also vor seinem
6
13. Geburtstag, und war sein erster Versuch in der Konzertform.
Noch 1822 ließ er ein Violinkonzert in d-Moll folgen, im nächsten Jahr ein Konzert für Violine, Klavier und Streichorchester in
d-Moll sowie eines für zwei Klaviere und großes Orchester in
E-Dur. Ein weiteres für die gleiche Besetzung (in As-Dur) schloss
die Reihe 1824 ab. Die Existenz dieser Jugendkonzerte war zwar
seit langem bekannt, doch da Mendelssohn sie genau wie die
Streichersinfonien als Schülerarbeiten abtat, befassten sich auch
Musikwissenschaftler und Interpreten nicht näher mit ihnen. Erst
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschienen Notenausgaben all dieser Stücke, und nun erst wurde klar, dass sie weit
mehr bieten als nur Einblicke in Mendelssohns kompositorische
Entwicklung.
Natürlich gewähren sie aber auch solche Einblicke: So lässt sich
am a-Moll-Konzert der Einfluss von Komponisten wie Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Nepomuk Hummel oder Carl Maria
von Weber zeigen. Ebenfalls interessant sind Bleistifteintragungen Carl Friedrich Zelters in die Partitur seines Schülers – und
Mendelssohns Reaktionen auf diese Änderungsvorschläge: Er
prüfte offenbar alle, übernahm dann manche, indem er sie mit
Tinte nachzog, während er andere souverän ignorierte.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Mendelssohns frühe Konzerte sich enger als die reifen – also die Klavierkonzerte Nr. 1
g-Moll op. 25 (1831) und Nr. 2 d-Moll op. 40 (1837) sowie das Violinkonzert e-Moll op. 64 (1844) – den Konventionen der Gattung
anschließen. So folgt zwar im a-Moll-Konzert der dritte Satz
attacca (ohne Pause) auf den zweiten, doch die kunstvoll komponierten Übergänge zwischen allen Sätzen, wie sie in Mendelssohns späteren Konzerten zum Standard werden, gibt es noch
nicht. Der Pianist setzt auch nicht, wie in den »offiziellen« Konzerten, gleich zu Beginn des ersten Satzes ein, sondern wartet
erst die damals übliche Orchesterexposition ab, um dann mit
einem dramatischen Arpeggio und dem bereits weiterentwickelten Hauptthema ins Geschehen einzugreifen. Ein Orchestervorspiel eröffnet auch den zweiten Satz. Die Streicher spielen es mit
Dämpfer, und das Klavier beginnt mit einer freien Passage, die
einem Opernrezitativ nachempfunden scheint. Ganz romantisch
wirkt der Mittelabschnitt, in dem Tremolobegleitung der höheren
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Streicher und gezupfte Einwürfe der Bässe für eine erregte Stimmung sorgen. Noch brillanter als im bereits recht virtuosen Kopfsatz gestaltete Mendelssohn den Klavierpart des Finales. Dass
der Zwölfjährige solche Musik sowohl komponieren als auch
spielen konnte, scheint fast unglaublich. Doch gerade weil er es
konnte, schwärmten ja Zeitgenossen wie Heine oder Goethe von
seiner genialen Begabung.
Eher Affektdarstellung als Bekenntnis –
Mozarts Sinfonie g-Moll KV 550
Bevor Mozart sich in Wien niederließ, hatte ihn sein Salzburger
Vorgesetzter Graf Arco noch gewarnt: »Hier dauert der Ruhm
eines Menschen sehr kurz – von Anfang an hat man alle Lobsprüche und gewinnt auch sehr viel, das ist wahr – aber wie
lange? Nach etwelchen Monaten wollen die Wiener wieder was
Neues.« Diese Prophezeiung erfüllte sich zwar nicht »nach etwelchen Monaten«, aber doch in der zweiten Hälfte der 1780er Jahre.
Mozart wurde vom Publikum kaum mehr wahrgenommen und litt
zunehmend unter finanziellen Problemen. In dieser Lage schrieb
er im Sommer 1788 innerhalb von nur acht Wochen seine drei
letzten Sinfonien: Unter dem 26. Juni trug er die Es-Dur-Sinfonie
KV 543 in sein Werkverzeichnis ein, am 25. Juli folgte die g-MollSinfonie KV 550 und am 10. August die C-Dur-Sinfonie KV 551.
Über die Gründe für diese rastlose Aktivität kann man nur spekulieren, da ein äußerer Anlass nicht belegt ist. Mozart hatte
offenbar weder einen Auftrag noch konkrete Aussichten auf
eine Konzertwiedergabe. Doch auch wenn Uraufführungen der
Sinfonien zu seinen Lebzeiten nicht dokumentiert sind, können
sie stattgefunden haben. Dafür spricht bei der g-Moll-Sinfonie schon die Existenz zusätzlicher Klarinetten- und veränderter Oboenstimmen (die allerdings in der Wiedergabe der Erstfassung durch das Freiburger Barockorchester nicht zu Gehör
kommen). Unglaubhaft scheint jedenfalls die Behauptung, die
späten Sinfonien seien nur aus innerem Ausdrucksbedürfnis
komponiert worden, als »Vermächtnis für die Nachwelt« oder­
8
»Appell an die Ewigkeit« (Alfred Einstein). Diese Vorstellung
gehört in den Bereich der romantischen Legenden, die sich
schon bald nach Mozarts Tod um sein Spätwerk rankten.
Im Fall der g-Moll-Sinfonie KV 550 faszinierten schon der
durchgehend düstere Charakter und die Tonart die Nachwelt:
Unter Mozarts mehr als 40 Sinfonien steht nur noch eine weitere (KV 183) in Moll. Trauer, Verzweiflung und Resignation sind
offenbar die Gefühle, die er mit der Tonart g-Moll verband; man
kann das an Arientexten wie »Traurigkeit ward mir zum Lose«
(Konstanze in der Entführung aus dem Serail) oder »Ach ich fühl’s,
es ist verschwunden« (Pamina in der Zauberflöte) ablesen. Als
bekenntnishaften Ausdruck von Mozarts eigener verzweifelter
Lebens­situation sollte man die Sinfonie dennoch nicht deuten.
Denn wie wären dann die fast zur gleichen Zeit entstandene festliche Es-Dur-Sinfonie und die strahlend-sieghafte »Jupiter« zu
erklären? So subjektiv das g-Moll-Werk auch anmutet – es steht
der barocken Ästhetik der Affekte noch näher als den Herzensergüssen der Romantiker.
Erregte Unruhe prägt den Charakter des Kopfsatzes, eine Stimmung, wie man sie von der Opernbühne kennt: Der rhythmische
Impuls des berühmten Hauptgedankens entspricht gewiss nicht
zufällig der Arie des Cherubino »Non so più cosa son, cosa faccio«
in Le nozze di Figaro. Doch mag der dargestellte Affekt auch standardisiert sein, die Art der Darstellung ist es nicht: Höchst ungewöhnlich erscheint zum Beispiel die Eröffnung (mit einer Begleitfigur der Bratschen und dem leise einsetzenden Hauptthema)
oder die Tonartenfolge in der Durchführung (etwa die Rückung
von g-Moll nach fis-Moll gleich zu Beginn). An szenische Musik
erinnert auch das Andante mit seinem Dialog zwischen Bläsern
und Streichern. Ganz gegen die Konvention fehlen hier die großen, strömenden Melodien; der dissonanzenreiche Satz ist vielmehr aus kontrastierenden Motiven zusammengesetzt. Überhaupt gibt es in der ganzen Sinfonie nur einen Abschnitt, der
friedvolle Idylle ausdrückt: das G-Dur-Trio des Menuetts. Was
aber sonst noch in diesem dritten Satz stattfindet, widerspricht
der gängigen Vorstellung vom höfischen Tanz. Das Stück wirkt
eher ruppig als grazil, vor allem weil zu den harmonischen nun
auch metrische Reibungen treten. Wie fast schon zu erwarten,
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folgt als Finale kein heiterer Kehraus, sondern ein gleichwertiges
Gegenstück zum Kopfsatz. Der leidenschaftliche Charakter des
Beginns erscheint hier eher noch intensiviert, und die harmonischen und kontrapunktischen Kühnheiten übertreffen womöglich die der vorangegangenen Sätze. Kein Wunder, dass diese
Musik das Verständnis der Zeitgenossen überforderte und erst
im 19. Jahrhundert zu ihrer – dann freilich ungeheuren – Popularität kam.
Jürgen Ostmann
10
Biographien
Kristian Bezuidenhout
Kristian Bezuidenhout wurde 1979 in
Südafrika geboren. Er begann sein Studium in Australien und beendete es an
der Eastman School of Music in den
USA. Aktuell lebt er in London. Nach
anfänglicher Ausbildung zum modernen Pianisten bei Rebecca Penneys
wandte er sich den frühen Tasteninstrumenten zu, studierte Cembalo bei
Arthur Haas, Hammerklavier bei Malcolm Bilson sowie Continuo-Spiel und
Aufführungspraxis bei Paul O’Dette. International bekannt wurde
Kristian Bezuidenhout, als er mit 21 den renommierten Ersten
Preis und den Publikumspreis beim Fortepiano-Wettbewerb in
Brügge gewann. Kristian Bezuidenhout ist regelmäßig zu Gast bei
den führenden Ensembles der Welt wie dem Freiburger Barockorchester, dem Orchestre des Champs Elysées, Concerto Köln, dem
Chamber Orchestra of Europe, dem Königlichen Concertgebouworchester und dem Collegium Vocale Gent – oftmals dirigiert er
auch vom Klavier aus. Er musizierte mit berühmten Künstlern wie
Sir John Eliot Gardiner, Philippe Herreweghe, Frans Brüggen, Trevor Pinnock, Ton Koopman, Christopher Hogwood, Pieter Wispelwey, Daniel Hope, Jean-Guihen Queyras, Isabelle Faust, Viktoria
Mullova, Carolyn Sampson und Mark Padmore. Kristian Bezuidenhout tritt bei den Festivals Alter Musik in Barcelona, Boston,
Brügge, Innsbruck, St. Petersburg, Venedig und Utrecht auf und
gastiert bei den Festspielen in Salzburg, Edinburgh, SchleswigHolstein, Tanglewood und Luzern sowie bei Mostly Mozart im Lincoln Center. Zu hören ist er in vielen der großen Konzertsäle wie
den Philharmonien in Berlin und Köln, dem Théâtre des Champs
Elysées in Paris, der Symphony Hall in Birmingham, dem Konzerthaus Wien, der Londoner Wigmore Hall und der Carnegie
Hall in New York. Von seinen CD-Einspielungen wurden etliche
mit Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erhielt er 2013 den ECHO in der
Kategorie »Konzerteinspielung des Jahres« für seine Aufnahme
von Mozart-Klavierkonzerten mit dem Freiburger Barockorchester. Bei uns war Kristian Bezuidenhout zuletzt im Oktober 2012 zu
hören, damals ebenfalls mit dem Freiburger Barockorchester.
11
Freiburger Barockorchester
Das Freiburger Barockorchester (FBO) blickt seit seiner Jubiläumssaison 2012/13 auf eine beispiellose, fünfundzwanzigjährige
Erfolgsgeschichte zurück. Aus studentischen Anfängen entstand
innerhalb weniger Jahre ein international gefragter Klangkörper,
der regelmäßig in den bedeutendsten Konzert- und Opernhäusern zu Gast ist. Neben der Vielfalt des Repertoires vom Frühbarock bis in die Gegenwart wird häufig der besondere Klang des
Freiburger Barockorchesters gerühmt. Dieser trägt das Ensemble
von Freiburg in die europäischen Nachbarländer, nach Nord–
und Südamerika, nach Asien und sogar bis nach Australien und
Neuseeland. Seit Mai 2012 verfügen die »Freiburger« gemeinsam
mit ihren Kollegen vom ensemble recherche über ein international einzigartiges Domizil: das Ensemblehaus Freiburg, eine
musikalische Werkstatt und Ideenschmiede für zwei Spitzenensembles der Alten und der Neuen Musik unter einem Dach.
Unverändert geblieben ist das künstlerische Credo des Freiburger Barockorchesters: die kreative Neugier jedes einzelnen, mit
dem Ziel, eine Komposition so lebendig und sprechend wie nur
irgend möglich zu spielen. Dazu gehört auch die Besetzung
anspruchsvoller Solokonzerte mit Mitgliedern aus den eigenen
Reihen. Ein kultiviertes und zugleich mitreißendes Ensemblespiel ist so zum internationalen Markenzeichen geworden.
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Das Freiburger Barockorchester arbeitet mit bedeutenden Künstlern wie René Jacobs, Andreas Staier, Jean-Guihen Queyras,
Isabelle Faust und Christian Gerhaher zusammen und ist in
einer engen Kooperation mit dem französischen Label harmonia mundi France verbunden. Der künstlerische Erfolg dieser
musikalischen Partnerschaften äußert sich in zahlreichen CDProduktionen und der Verleihung prominenter Auszeichnungen
wie zuletzt dem ECHO Klassik Deutscher Musikpreis 2013, ECHO
Klassik Deutscher Musikpreis 2012, Gramophone Award 2012,
Edison Classical Music Award 2012, Gramophone Award 2011,
ECHO Klassik Deutscher Musikpreis 2011 und dem Jahrespreis
der Deutschen Schallplattenkritik 2009.
Unter der künstlerischen Leitung seiner beiden Konzertmeister
Gottfried von der Goltz und Petra Müllejans sowie unter der Stabführung ausgewählter Dirigenten präsentiert sich das Freiburger
Barockorchester mit rund einhundert Auftritten pro Jahr in unterschiedlichen Besetzungen vom Kammer- bis zum Opernorchester: ein selbstverwaltetes Ensemble mit eigenen Konzertreihen
im Freiburger Konzerthaus, in der Stuttgarter Liederhalle und
der Berliner Philharmonie und mit Tourneen in der ganzen Welt.
In der Kölner Philharmonie ist das Freiburger Barockorchester
regelmäßig zu Gast. Zuletzt war es bei uns erst am 1. Dezember
mit der konzertanten Aufführung von Mozarts Le nozze di Figaro
zu hören.
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Die Besetzung des
Freiburger Barockorchesters
Violine I
Anne Katharina Schreiber Leitung
Beatrix Hülsemann
Kathrin Tröger
Peter Barczi
Eva Borhi
Regine Schröder
Flöte
Daniela Lieb
Oboe
Katharina Arfken
Thomas Meraner
Fagott
Javier Zafra
Eyal Streett
Violine II
Gerd-Uwe Klein
Martina Graulich
Christa Kittel
Brigitte Täubl
Marie Desgoutte
Horn
Bart Aerbeydt
Gijs Laceulle
Viola
Christian Goosses
Ulrike Kaufmann
Werner Saller
Annette Schmidt
Violoncello
Guido Larisch
Stefan Mühleisen
Andreas Voss
Kontrabass
Dane Roberts
Andrew Ackerman
14
Anne Katharina
Schreiber
Die Geigerin Anne Katharina Schreiber
ist seit 1988 Gesellschafterin des Freiburger Barockorchesters, mit dem sie
auch als Solistin in Konzerten und auf
CDs zu hören ist. Als Konzertmeisterin
arbeitet sie außerdem regelmäßig mit
Ensembles mit barockem und modernem Repertoire, wie zum Beispiel mit
dem ensemble recherche, der Akademie für Alte Musik, dem kammerorchesterbasel, dem BalthasarNeumann-Ensemble und dem Collegium Vocale Gent. Dabei
spielt sie unter Dirigenten wie Ivor Bolton, René Jacobs, Thomas
Hengelbrock, Markus Creed und Philippe Herreweghe. Ihr zweites, wichtiges musikalisches Standbein ist die Kammermusik:
Seit mittlerweile 25 Jahren ist Anne Katharina Schreiber Mitglied
des Trio Vivente, mit dem sie ebenfalls zahlreiche CD-Aufnahmen eingespielt hat. Neben ihrer Triotätigkeit tritt sie als gefragte
Kammermusikpartnerin in unterschiedlichen Formationen mit
Gottfried von der Goltz, Daniel Sepec, Roel Dieltiens und anderen auf. Anne Katharina Schreiber unterrichtet mit einem Lehrauftrag für Violine an der Hochschule für Musik in Freiburg. Mit
dem Freiburger Barockorchester war sie schon häufig bei uns zu
Gast. Zuletzt am ersten Dezember dieses Jahres.
15
KölnMusik-Vorschau
Dezember
SO
29
15:00
Filmforum DI
24
Der Lieblingsfilm von
Chilly Gonzales
15:00
Heiligabend
Amadeus
Milos Forman Regie
ČSSR, 1984, 160 Min.
Blechbläser der Kölner Dommusik
Kölner Domchor
Eberhard Metternich Leitung
Medienpartner: choices
Mädchenchor am Kölner Dom
Oliver Sperling Leitung
Christoph Biskupek Moderation
KölnMusik gemeinsam mit
Kino Gesellschaft Köln
Wir warten aufs Christkind
MO
keine Pause | Ende gegen 16:15
30
20:00
DO
26
Lenneke Ruiten Sopran
Les Musiciens du Louvre Grenoble
Marc Minkowski Dirigent
20:00
2. Weihnachtstag
Wiener Klänge von Johann Strauß
Gaby Goldberg voc
Greetje Kauffeld voc
Operette und ... 2
New York Voices
Ute Mann Singers
DI
31
Die Allstar-Formation »The Best«
Ack van Rooyen tp
Claus Reichstaller tp
Peter Weniger sax
Gustl Mayer sax
Jiggs Whigham tb
18:00
Silvesterkonzert
Anne Schwanewilms Sopran
Ingeborg Danz Alt
Maximilian Schmitt Tenor
Markus Butter Bass
Paul Kuhn Big Band
Jiggs Whigham ld
Hommage an Paul Kuhn
Vokalensemble Kölner Dom
Gürzenich-Orchester Köln
Markus Stenz Dirigent
Paul Kuhn ist am 22. September
­verstorben. Wie in den vergangenen
26 Jahren hatte er sein traditionelles
Gastspiel zu Weihnachten in der Kölner
Philharmonie zugesagt. Wir werden
im Konzert am 26. Dezember an den
großen Jazz-Pianisten und Entertainer
erinnern.
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125
KölnMusik gemeinsam mit dem
Gürzenich-Orchester Köln
SA
28
20:00
Chilly Gonzales p
Kaiser Quartet
16
Foto: Marco Borggreve
Mittwoch
25. Dezember 2013
18:00
Max Emanuel
Cencic Countertenor
Concerto Köln
mit Werken von Georg Friedrich Händel,
Antonio Vivaldi und Alessandro Scarlatti
Für Concerto Köln ist der erste Weihnachtsabend ein Heimspiel, so oft
pendelt das Ensemble zwischen seinem Sitz in Köln-Ehrenfeld und der
Kölner Philharmonie. Zusammen mit Max Emanuel Cencic, ehemaliger
Wiener Sängerknabe und einer von fünf Countertenören in der weltersten Einspielung der Oper »Artaserse« von Leonardo Vinci, gewann
Concerto Köln 2013 den ECHO Klassik als beste Operneinspielung des
Jahres für ebendiese Aufnahme. Instrumentalwerke und Arien von
Händel, Vivaldi und Scarlatti stehen bei Cencics Debüt in der Kölner
Philharmonie auf dem Programm.
Ihr nächstes
Abonnement-Konzert
Januar
Mi
05
Februar
20:00
MI
01
Lange Mozartnächte
18:00
Neujahr
Cappella Andrea Barca
András Schiff Klavier und Leitung
Erika Stucky Vocals,
Mini-Akkordeon, Trash-Movies
David Coulter Klavier,
Multiinstrumentalist
Terry Edwards Bass, Saxophon,
Multiinstrumentalist
Michael Blair Schlagzeug,
Multiinstrumentalist
Mozart 1784
Wolfgang Amadeus Mozart
Sonate für Klavier und Violine
B-Dur KV 454 (1784)
Zehn Variationen G-Dur über die Ariette
»Unser dummer Pöbel meint« aus dem
Singspiel »Die Pilgrime von Mekka« von
Christoph Willibald Gluck KV 455 (1784)
für Klavier
Black Widow
Die amerikanische Wahl-Schweizerin
Erika Stucky ist ein Mensch gewordenes
Naturereignis. Schließlich bewegt sich
die Tochter von kalifornischen Hippies
mit ihrer Stimme irgendwo zwischen
Pop und Dada, zwischen Jazz, Folklore
und Wahnsinn. Pünktlich zum neuen
Jahr bringt die geborene Entertainerin,
Sängerin und Akkordeonistin ihr neuestes Band-Projekt »Black Widow« mit.
Konzert für Klavier und Orchester
B-Dur KV 456 (1784)
Sonate für Klavier c-Moll KV 457 (1784)
Streichquartett B-Dur KV 458 (1784)
»3. Haydn-Quartett«, »Jagd-Quartett«
Konzert für Klavier und Orchester
F-Dur KV 459 (1784)
»2. Krönungskonzert«
Baroque … Classique 4
DO
16
20:00
Christian Tetzlaff Violine
Wiener Philharmoniker
Riccardo Chailly Dirigent
Jean Sibelius
Finlandia op. 26
Tondichtung für Orchester
Konzert für Violine und
Orchester d-Moll op. 47
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 6 A-Dur WAB 106
KölnMusik gemeinsam mit der
Westdeutschen Konzertdirektion
Köln
Köln-Zyklus der
Wiener Philharmoniker 2
18
Lange Mozartnächte
Mozart 1784
Dienstag
4. Februar 2014
20:00
Mittwoch
5. Februar 2014
20:00
Cappella
Andrea Barca
András Schiff
Klavier und Leitung
Foto: Priska Ketterer
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzerte für Klavier und Orchester
Sonate für Klavier und Violine B-Dur KV 454
Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Es-Dur KV 452
Zehn Variationen G-Dur über die Ariette »Unser dummer Pöbel meint«
Sonate für Klavier c-Moll KV 457
Streichquartett B-Dur KV 458
»Im Jahr 1784 ist so unglaublich viel passiert, ich möchte zeigen, wie großartig und virtuos Mozart quer durch alle Gattungen komponiert hat«, so
András Schiff über den genialen Komponisten und virtuosen Pianisten
Mozart, dem er zwei Abende ausschließlich mit Werken aus dem Jahr 1784
widmet.
Philharmonie-Hotline 0221 280 280
­koelner-­philharmonie.de
Informationen & Tickets zu allen Konzerten
in der Kölner ­Philharmonie!
Kulturpartner der Kölner Philharmonie
Herausgeber: KölnMusik GmbH
Louwrens Langevoort
Intendant der Kölner Philharmonie
und Geschäftsführer der
KölnMusik GmbH
Postfach 102163, 50461 Köln
­koelner-­philharmonie.de
Redaktion: Sebastian Loelgen
Corporate Design: hauser lacour
kommunikationsgestaltung GmbH
Textnachweis: Der Text von
Jürgen Ostmann ist ein Original­­­beitrag für dieses Heft.
Fotonachweise: Alle Abbildungen sind
von Marco Borggreve
Gesamtherstellung:
adHOC ­Printproduktion GmbH
Jean Sibelius
Finlandia op. 26
Konzert für Violine und
Orchester d-Moll op. 47
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 6 A-Dur WAB 106
Ricardo
Chailly
Dirigent
Foto: Mat Hennek
Christian Tetzlaff Violine
Wiener Philharmoniker
koelner-philharmonie.de
0221 280 280
Donnerstag
16.01.2014
20:00
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