FACHHOCHSCHULE BRAUNSCHWEIG/WOLFENBÜTTEL Karl-Scharfenberg-Fakultät Salzgitter Verkehr - Sport - Tourismus - Medien Fernstudium Vertriebsmanagement Masterarbeit Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik - Dargestellt am Beispiel der Energiewirtschaft - vorgelegt von: eingereicht bei: Dipl. Geol. Roland Rebers Prof. Dr. Hans Jürgen Bender Matr.-Nr. 40734129 Prof. Dr. Ulrich Wicher Gerdingstr. 12B 30539 Hannover Hannover, 10. Juni 2009 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Danksagung und Widmung Meiner Frau Nicola Rebers danke ich für ihr Verständnis und Ihre Unterstützung, ohne die es mir nicht möglich gewesen wäre, das Studium und diese abschließende Masterarbeit zu verwirklichen. Meinen Töchtern Laetitia und Lenja Rebers danke ich dafür, dass sie im Rahmen des Studiums viele Male auf meine Anwesendheit verzichtet haben. Diese Masterarbeit ist infolgedessen meiner Frau Nicola Rebers und meinen Töchtern Laetitia und Lenja Rebers gewidmet. Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite II Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Inhaltsverzeichnis 1 1.1 2 3 4 Einleitung .............................................................................................1 Zielsetzung und Vorgehensweise der Untersuchung ...........................2 Definitionen und Besonderheiten .........................................................4 Historie und Entwicklung der Energiewirtschaft .................................10 Aktuelle Marktmechanismen und Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft................................................................................22 4.2.1 Rahmenbedingungen Marktgebiete Erdgas .......................................23 4.2.2 Preisbildung Erdgas ...........................................................................25 4.2.3 Gasverkaufspreis (reine Energie).......................................................27 4.2.4 Aktuelle Produkt-(Tarif-) Preisdarstellung Erdgas ..............................30 4.2.5 Zusammenfassung Marktmechanismen des Erdgasmarkts...............33 4.3.1 Rahmenbedingungen Übertragungsnetze Strom ...............................34 4.3.2 Energiepreisbildung Strom .................................................................35 4.3.3 Stromverkaufspreis ............................................................................37 4.3.4 Aktuelle Produkt-(Tarif-) Preisdarstellung Strom ................................38 4.3.5 Zusammenfassung Marktmechanismen des Strommarkts.................40 5 Die Produktpolitik das Herz des Marketing.........................................42 5.1 Historie und Entwicklung des Marketing.............................................42 5.2 Der Marketing-Prozess.......................................................................43 5.2.1 Marketing-Mix (operatives Marketing) ................................................47 5.3 Produktpolitik und Planungsprozess ..................................................50 5.3.1 Produktpolitik im engeren Sinne.........................................................51 5.3.2 Programm- und Sortimentspolitik (Verkaufsportfolio) .........................54 5.3.3 Kundendienstpolitik (Dienstleistungen, Service) ................................55 5.3.4 Garantieleistungspolitik (Sicherheit) ...................................................56 5.4 Zusammenfassung Produktpolitik ......................................................56 6 Produktpolitik und Produkte in der Energiewirtschaft .........................58 6.1 Produktpolitiken in der Energiewirtschaft ...........................................59 6.2 Leistungskriterien und Produktnutzen ................................................61 6.3 Aktuelle Produkte der Energiewirtschaft.............................................63 6.3.1 Kaufmotive im privaten HuK-Segment ...............................................64 6.3.2 Kaufmotive im Gewerbekundensegment............................................70 6.3.3 Kaufmotive im Industrie- und Großkundensegment ...........................71 6.4 Ergebnis der Produktpolitik und Produkten in der Energiewirtschaft..75 7 Gesamtzusammenfassung und Ergebnis...........................................76 8 Ausblick..............................................................................................78 Literaturverzeichnis.........................................................................................81 Eidesstattliche Erklärung ................................................................................86 Anhang ...........................................................................................................87 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite III Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Erdgasbezugsquellen 2008 Abbildung 2: Entwicklung des rechtlichen Rahmens für das Unbundling Abbildung 3: Struktur der Stromversorgungsunternehmen in Deutschland Abbildung 4: Verbundunternehmen in Deutschland Abbildung 5: Rahmenbedingungen/Marktumfeld für Energieversorgungsunternehmen Abbildung 6: 12 Marktgebiete Erdgas im Gaswirtschaftsjahr 2008/2009 Abbildung 7: Entwicklung der Rohölpreise 1960 2008 Abbildung 8. Entwicklung und Korrelation der Öl- und Gaspreise 2007-2008 Abbildung 9: deutsche Regelzonen Strom seit 2004 Abbildung 10: Struktur des Strommarktes Abbildung 11: Kontrakte im Energie- und Rohstoffhandel Abbildung 12: Bestandteile und Abhängigkeiten für Verkaufspreise Strom 8 14 19 20 23 24 26 27 34 35 36 37 Abbildung 13: Entwicklung Strom-Forwards Abbildung 14: Strompreisentwicklung EEX Phelix-Futures 2010 Abbildung 15: Ganzheitlicher Marketing-Prozess Abbildung 16: Marketing-Mix Abbildung 17: Wirkung des Marketing-Mix Abbildung 18: Bereiche der Produktpolitik Abbildung 19: Planungsprozess der Produktpolitik Abbildung 20: Produktnutzen Abbildung 21: Wirkung des Produkts Abbildung 22: Auswirkungen der Produktpolitik Abbildung 23: Produktlebenszyklus in fünf Phasen Abbildung 24: gemeinsame Wirkung von sachlichen und emotionalen Leistungskriterien Abbildung 25: verschiedene Dimensionen der Produktleistung Abbildung 26: Produktbestandteile und Kaufmotive Abbildung 27: Wertemotiv Image Abbildung 28: Wertemotiv Marke Abbildung 29: Imagemotiv Qualität Abbildung 30: Wertemotiv Nachhaltigkeit Abbildung 31: Produktinformation TelDaFax Abbildung 32: Wertemotiv Sicherheit 39 40 44 47 49 50 51 52 52 53 54 Abbildung 33: Wertemotiv Verfügbarkeit Abbildung 34: Produktvariation enercity strom & option Abbildung 35: Tranchenbeschaffung Strom mit Preisgrenzen Abbildung 36: Preisfixierung mit Swap „fix gegen variabel“ 68 69 72 73 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 62 62 63 65 65 66 66 68 68 Seite IV Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Abbildung 37: Risikoprofil bei Kauf einer Call-Option Abbildung 38: Produktinformation CLEVERGY Abbildung 39: Produktinformation Greenpeace Energy Abbildung 40: Information Kundensegmentierung Abbildung 41: Produkt E.ON Power stretch Abbildung 42: Beispiel EEX Phelix Baseload Year Future 2010 Abbildung 43: Terminkurven HS Rheinschiene Abbildung 44: Beispiel einer Erdgas-Preisabsicherung mit HEL-Swap Abbildung 45: Swap zur Preis- oder Mengenabsicherung (Temperaturkorrelation) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Juni 2009 73 88 88 89 89 90 91 91 92 Seite V Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Abkürzungsverzeichnis ABC ABC-Analyse BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. BNA Bundesnetzagentur CO2 Kohlendioxid CRM Customer Relationship Management DEHOGA Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V. DVGW Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. EAP Ersatzenergiepreis EEX European Energy Exchange AG EG Europäische Gemeinschaft EVU Energieversorgungsunternehmen (allgemein) GABi Grundmodell der Ausgleichsleistungen und Bilanzierungsregeln Gas Erdgas GeLi Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel GVU Gasversorgungsunternehmen (speziell) HEL (HL) leichtes Heizöl HSL (HS) schweres Heizöl HuK Haushalt und Kleingewerbe ICE/IPE IntercontinentalExchange®(NYSE: ICE) Öl Erdöl OTC Over-the-Counter (bilateraler Handel) SVU Stromversorgungsunternehmen (speziell) ToP Take-or-Pay (Abnahmeverpflichtung) TPA third patry access (Zugang an Dritte) TTF Title Transfer Facility (Gashandelspunkt, Niederlande) USD US-Dollar Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite VI Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 1 Einleitung Energie und Anwendungen von Strom und Gas haben in der heutigen Gesellschaft eine herausragende Stellung. Als wesentliche Bestandteile der modernen, technikorientierten und vernetzten Gesellschaft, sind sie von zentraler Bedeutung und Notwendigkeit. Der Relevanz für Unternehmen und für das tägliche Leben in Haushalten, steht dabei das Interesse an den Produkten Strom und Gas entgegen. Wie viele der Konsumenten kennen ihren jährlichen Verbrauch, den gesamten Umfang der Leistungen oder auch ihren monatlichen Rechnungs-/Abschlagsbetrag? Oftmals ist noch nicht einmal der Lieferant bekannt. Wichtig ist häufig nur das Bewusstsein über Strom oder Erdgas verfügen zu können. Die Besonderheit des immateriellen masse- und volumenlosen, dennoch omnipräsenten Produkts Strom, ist die technische Homogenität. Als Endprodukt genormt, bestehen Unterscheide nur in seiner Herstellungsart, entweder aus konventioneller fossiler Erzeugung der Primärenergien Kohle, Erdöl und Erdgas oder aus nuklearer Erzeugung oder auch aus regenerativen Energien. Förderung und Import von Gas und die Leitungsgebundenheit von Gas und Strom mit der fehlenden Möglichkeit wirtschaftlicher Lagerung von Strom, der gleichzeitig erzeugt, übertragen, verteilt und verbraucht werden muss (Unoacto-Prinzip) 1 , sind bedingende Rahmenbedingungen. Die vollständige, unverzügliche Liberalisierung und Deregulierung des deutschen Energiemarktes, welche die größten Energiemärkte für Strom und Gas in Europa sind, stellt ein Jahrhundertereignis für die Branche dar. 2 Dabei wurde der Prozess in Deutschland schneller und umfangreicher umgesetzt, als in den europäischen Nachbarländern. Aus ehemaligen Monopolisten Wettbewerber und aus Abnehmern wurden Kunden. 3 Für die Kunden in Deutschland bedeutet dies, dass sie ihre Lieferanten unter den Energieversorgungsunternehmen (EVU) frei wählen können. Damit rückt 1 2 vgl. Schikarski, A. (2005), S. 9 vgl. Schikarski, A. (2005), S. 1 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 1 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 für die Strom- und Gasversorgungsunternehmen (SVU und GVU) mit dem Marketing eine Disziplin in den Mittelpunkt, die zu Monopolzeiten nur wenig Aufmerksamkeit genoss und aus unternehmensintern, wie aus ökonomischen Gesichtspunkten auch nicht zu rechtfertigen war. 4 Die Liberalisierung der Energiemärkte führte aufgrund des Auftretens von neuen Playern und geänderten Marktmechanismen (gesetzlich und wirtschaftlich) zu neuen produktpolitischen Maßnahmen mit neuen Marken sowie Produkten. Doch weder millionenschwere Werbeetats mit Versuchen den Strom zu emotionalisieren, noch erhebliche Preissenkungen konnten das Wechselverhalten der Konsumenten signifikant erhöhen. Die durchschnittliche Wechselquote von rund 4 % im Strommarkt, ist mit den Wechselqouten in anderen Märkten von immaterieller standardisierter Ware (Commodity) nicht vergleichbar, da z.T. Kunden-Wechselquoten von über 50 % erreicht werden. 5 Aus diesen Gründen sind die Entwicklung einer erfolgreichen und strategischen Produktpolitik Maßnahmen im und Produktportfolio die anschließende von zentraler Umsetzung Bedeutung für der die Zukunftssicherung der EVU. Für die Ausgestaltung der Produktpolitik sind dabei die für den Kunden relevanten Bedürfnisse die bestimmenden Einflussgrößen. 6 1.1 Zielsetzung und Vorgehensweise der Untersuchung Ziel dieser Arbeit ist es, die Einflussgrößen und deren Bedeutung auf die Produktpolitik der Energiemärkte zu definieren. Nach erfolgter Begriffserklärungen und der Darstellung der Entwicklung des deutschen Energiemarktes mit den dazu gehörigen „Produkten“, werden die derzeitigen Marktmechanismen und bedingenden Faktoren einer erfolgreichen Produktpolitik erläutert. Dazu werden aus historischen und aktuellen Rahmenbedingungen und Marktmechanismen die Bedeutung der Produktpolitik und deren Umsetzungen in aktuellen Produkten der 3 vgl. Dijk van, M. (2000), S. 32 vgl. Laker, M. (2001), S.101 5 vgl. Dijk van, M. (2000), S. 32; Meffert, H., Burmann, C. (2002), S. 172 6 vgl. Latkovic, K. (2000), S. 237 4 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 2 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Energiewirtschaft abgeleitet. Anhand von aktuellen Produkten sind die entscheidenden Kaufmotive eines Produkts für die jeweilige Kundengruppe verdeutlicht. Abschließend werden die bedingenden Einflussgrößen für eine erfolgreiche Produktpolitik und die resultierenden Produktergebnisse zusammengefasst und bewertet. Im Ausblick sind die Möglichkeiten für neue Produkte und Anwendungen bei einer Fortentwicklung der Energiemärkte unter ordnungspolitischen Rahmenbedingungen Veränderungen beschrieben. Aus den aktuellen Produkten werden die Determinanten für zukünftige Produktpolitiken wie auch Produktentwicklungen vorgestellt. Als Energiemärkte werden hier die Märkte für Elektrizität (Strom) und Gas (Erdgas) verstanden und in ihren Abhängigkeiten dargestellt. Die Märkte für Wasser (Trink- und Abwasser) und Wärme (Nah- und Fernwärme) werden nicht beschrieben. Der Autor ist langjähriger Mitarbeiter eines integrierten Energie- und Wasserversorgungsunternehmens (Strom, Erdgas, Wärme, Wasser) und stellt neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Literatur und Studien, auch seine Erfahrungen in Vertrieb und Marketing sowie der Energiebeschaffung dar. Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 3 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 2 Definitionen und Besonderheiten Das folgende Kapitel dient der grundlegenden Darstellung der verwendeten Begriffe und der Erklärung der weiteren Verwendung sowie der Erläuterung von spezifischen Besonderheiten energiewirtschaftlicher Begriffe. Marketing „Gesellschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Prozess zur Befriedigung der Bedürfnisse von Individuen und Gruppen, indem Produkte oder Ware geschaffen und untereinander ausgetauscht werden. Ausgangspunkt ist die Entwicklung von Marketing-Strategien, welche dann mit den Instrumenten des Marketing-Mix umgesetzt werden.“ 7 Markting-Mix Der Marketing-Mix beschreibt die Gesamtheit der steuerbaren, taktischen Werkzeuge aus den Bereichen Produkt, Preis, Distribution (Platzierung) und Kommunikation (Promotion), die ein Unternehmen einsetzt, um bei den Zielkunden eine bestimmte und erwünschte Reaktion hervorzurufen. 8 oder „Unter Marketing-Mix versteht man die von einem Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt eingesetzte Kombination von marketingpolitischen Instrumenten.“ 9 Produktpolitik „Unter Produktpolitik versteht man alle mit dem Produkt zusammenhängenden Maßnahmen, um für das Produkt bei den Käufern eine bessere Beurteilung zu erreichen. Im Einzelnen zählen dazu die Produktgestaltung, Produktqualität, Markenpolitik, Produktlinienpolitik, Verpackung, Namenspolitik, Kundendienst und Garantieleistungspolitik.“ 10 oder 7 Kotler, P.; et al. (2007), S. 1088 vgl. Kotler, P., et al. (2007), S. 1089 9 Weis, H. C. (2007), S. 83 10 Weis, H. C. (2007), S. 82 8 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 4 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Die Produktpolitik umfasst alle Aktivitäten eines Unternehmens, die auf die art- und mengenmäßige Gestaltung einzelner Produkte oder des gesamten Absatzprogramms inklusive der mit den Produkten angebotenen Zusatzleistungen ausgerichtet sind. 11 Absatz-/Produktportfolio Das Absatz- oder Produktportfolio umfasst die Gesamtheit der Leistungen und Produkte eines Unternehmens in den jeweiligen Märkten. Produkt allgemein „Das Produkt beinhaltet die Gesamtheit aus Gütern und Dienstleistungen, die ein Unternehmen auf dem Zielmarkt anbietet.“ 12 auch „Als Produkt wird alles bezeichnet, was auf einem Markt angeboten werden kann, um ein Bedürfnis oder Wünsche zu befriedigen. Alles, was geeignet ist, ein Bedürfnis zu befriedigen, kann als Produkt bezeichnet werden.“ 13 oder „Ein Produkt kann als eine Leistung eines Anbieters gesehen werden, die er erbringt, um die Bedürfnisse und Wünsche der Abnehmer zu befriedigen. Diese Leistungen bestehen aus der Summe aller physikalischen, chemischen und technischen Elemente eines Produktes und ihrem subjektiven Wert, den Abnehmer ihnen bemessen.“ 14 Produkt Energiewirtschaft (speziell) Als Produkt in der Energiewirtschaft wird in dieser Arbeit eine vertraglich vereinbarte Energielieferung zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Energie (Commodity Strom oder Erdgas) und weiteren Produktbestandteilen verstanden. Die Bestandteile eines Produkts spiegeln dabei die verschiedenen Motive wider, die zur Befriedigung der individuellen Käuferbedürfnisse Produktbestandteilen führen. um Es handelt Kaufmotive, mit sich denen somit bei Kunden den gezielt angesprochen werden. Die Kunden und Vertragspartner sind dabei sowohl 11 Maranghino-Singer, B. (2004), S. 15 Kotler, P.; et al. (2007), S. 121 13 Kotler, P.; et al. (2007), S. 32 12 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 5 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Energieversorgungsunternehmen und deren Juni 2009 Endkunden, als auch Produzenten, Importeure und Großhändler mit Kunden aus Stadtwerken, Industrie und Gewerbe. Energieversorgungsunternehmen Bei Energieversorgungsunternehmen (EVU) handelt es sich im Allgemeinen, um Unternehmen oder kommunale Eigenbetriebe und Händler, die Endkunden mit Energie (Strom, Gas) beliefern. Im Falle der ausschließlichen Elektrizitäts-(Strom-) oder Gaslieferung wird im Speziellen zwischen Stromversorgungsunternehmen (SVU) und Gasversorgungsunternehmen (GVU) unterschieden. Marktsegmente (-bereiche) HuK-Segment Das Haushalts- und Kleingewerbesegment (HuK) umfasst den gesamten privaten Verbraucherbereich sowie kleinere gewerbliche Verbraucher für die eine Leistungsmessung nicht vorgeschrieben ist 15 (Strom < 100.000 kWh/a; Gas < 1,5 Mio kWh/a). Gewerbesegment Unter Gewerbekunden werden leistungsgemessene Kunden mit einem Jahresverbrauch über 100.000 kWh Strom oder über 1,5 Mio kWh Gas bis zu einigen Mio kWh verstanden. Zu diesen Verbrauchern gehören Unternehmen des produzierenden Gewerbes, des Handels, der Wohnungswirtschaft und des Dienstleistungsbereichs. Industrie- und Großkundensegment Das Segment der Industrie- und Großkunden bilden neben industriellen Verbrauchen und kommunalen Unternehmen sowie Eigenbetrieben (Stadtwerke) auch öffentliche Auftraggeber (Bundesbahn, Bundeswehr u.a.). Der Jahresenergieverbrauch beträgt einige Mio kWh bis zu einigen Mrd. kWh. 14 Weis, H. C. (2007), S. 230 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 6 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Commodity Unter dem Begriff „Commodities“ werden handelsseitig Rohstoffe und Waren zusammengefasst (hier Strom, Öl, Gas). Besonderheiten des Produkts Strom 16 Das Produkt Strom weist gegen über anderen Produkten ungewöhnliche wettbewerbsrelevante Charakteristika auf, durch die es sich unterscheidet: • Homogenität: Strom wird häufig als homogenes Gut bezeichnet, das genormt stets von gleich bleibender Qualität sich weder durch Form, Farbe, Geruch noch Geschmack unterscheiden lässt. Die Versorgungsqualität in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern auch nahezu stetig. • Leitungsgebundenheit der Distribution: Der physische Distributionsweg ist mit der Voraussetzung einer Verbindung zwischen Erzeugung und Kunde durch ein Leitungsnetz vorgegeben. • Nicht-Lagerbarkeit: Produktion und Verbrauch erfolgen simultan, so dass die benötigte Menge im Moment der Nachfrage erzeugt und zur Verfügung gestellt wird (Uno-acto-Prinzip). • Mittelbare Nutzenstiftung: Der Konsument/Verbraucher ist nicht am Energieträger Strom als solches interessiert, sondern an dem Nutzen, der durch den Einsatz des Stroms entsteht (z.B. Bewegung, Licht, Wärme) • Kundenintegration: Der Konsument ist immer unmittelbar in die Leistungserstellung integriert, da über den Zeitpunkt und den Einsatz des Energieträgers befindet. • Dienstleistung: Die Stromversorgung mit der Abwicklung der Beschaffung, über das Bilanzkreis- und Netznutzungsmanagement, bis zur Abrechnung ist eine Dienstleistung. Die Energie selbst ist eine Ware (ein Gut). • Vertrauensgut: Die Herkunft des Stroms, d.h. seine Erzeugung sowie die Sicherheit mit den technischen Leistungselementen sind durch 15 16 vgl. StromGVV und GasGVV vgl. Peuser, M.-M. (2008), S. 20, 21 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 7 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 den Kunden nicht zu bewerten, so dass der Kunde auf die Stromleistung vertraut. • High- und Low-interest Produkt: Für Industrie- und Großkunden stellt das Produkt Strom aufgrund der hohen Kostenrelevanz ein highinterest Produkt dar. Im Bereich der privaten HuK-Kunden ist das Vorhandensein und die stetige Verfügbarkeit oft selbstverständlich, so dass es sich um ein low-interest Produkt handelt. Besonderheiten des Produkts Gas Die Beschaffenheit von Erdgas als Naturprodukt ist von höchst unterschiedlicher Qualität, da die geologischen Verhältnisse mit der Herkunft der Gase differieren. Zum Beispiel ist Erdgas aus Russland unter anderen Druck- und Temperatur Bedingungen migriert und früher entstanden, als deutsches oder niederländisches Erdgas. Um diese Qualitätsunterschiede einzugrenzen ist nach dem DVGW-Regelwerk G 260 Erdgas in zwei Klassen eingeteilt H- und L-Gas). L-Gase haben einen vergleichweise geringeren Anteil an höheren Kohlenwasserstoffen, was zu niedrigeren Brennwerten (Energiegehalten) und Wobbe-Indizes 17 führt. Der Brennwert von L-Gasen beträgt ca. 10,0 kWh/Kubikmeter, der von H-Gasen schwankt je nach Herkunft zwischen 11,0 und ca. 12,3 kWh/Kubikmeter. L-Gase werden in Deutschland und in den Niederlanden mit Nordsee gefördert; H-Gase kommen aus Russland, Algerien sowie von den britischen, dänischen und norwegischen Feldern der Nordsee. Der Erdgasbedarf Deutschlands wurde 1990 zu etwa 25% aus heimischen Quellen (L-Gas) gedeckt und nimmt seither stetig auf derzeit etwa 14% ab (siehe Abb. 1). Abbildung 1: Erdgasbezugsquellen 2008 18 17 Wobbe-Index: Maß für Energielieferung, die ein Brenner bei Verbrennung von Erdgas freisetzt. Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 8 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Aufgrund der chemischen Unterschiede und verschiedenen Anteilen an Kohlenwasserstoffen (höherer Methangehalt bei H-Gas), ist Erdgas innerhalb der zwei Beschaffenheitsklassen ein homogenes Produkt. Der Erdgasbedarf Deutschlands wurde 1990 zu etwa 25% aus heimischen Quellen (L-Gas) gedeckt und nimmt seither stetig auf derzeit etwa 18% ab. Für das Produkt Gas gelten die gleichen Besonderheiten wie für Strom mit folgenden Unterschieden: • Homogenität: Es existieren in Deutschland zwei verschiedene Gasqualitäten (H- und L-Gas) • Verfügbarkeit: L-Gas wird in den Marktgebieten (RWE-L, EGT-L, Aequamus) im Norden und Nordwesten Deutschlands vertrieben. HGas wird in den übrigen Marktgebieten im Süden, Westen, Osten und hohen Norden Deutschlands vertrieben (siehe Kapitel 4.2.1, Abb. 6). • Speicherbarkeit: Im Unterschied zum Strom wird Erdgas in ober- oder unterirdischen Speichern gelagert, um die tages- und jahreszeitlichen Bedarfsschwankungen (Temperatur) auszugleichen. 18 BDEW, 21.05.2009 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 9 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 3 Historie und Entwicklung der Energiewirtschaft Die Liberalisierung der Energiemärkte mit den gravierenden Veränderungen, stellt in der Entwicklung das einschneidende Ereignis dar. Jedoch beruhen einige Rahmenbedingungen und Funktionsweisen der Märkte noch auf den etablierten Mechanismen. Neben der historischen Entwicklung der Rahmenbedingungen sind in diesem Kapitel die Wirkungsweisen und Ansatzpunkte der Deregulierung der Energiemärkte beschrieben. 3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen In Deutschland besteht der Grundsatz der freien wirtschaftlichen Betätigung, der unter dem Schutz des durch Art 12 GG garantierten Grundrechts der Berufs- und Gewerbefreiheit steht. Diese Grundrechtlich geschützte Freiheit der gewerblichen Betätigung bedeutet, dass sich jedes Unternehmen an der Gas- und Elektrizitätsversorgung beteiligen und hierfür notwendige Anlagen errichten und betreiben kann. Nach Art. 12 GG gilt die Grundrechtsgewährleistung für alle deutschen und für alle inländischen juristischen Personen. Gemäß § 1 GewO gilt die Gewerbefreiheit grundsätzlich auch für Ausländer. Für die Unternehmen der Elektrizitäts-- und Gaswirtschaft ist zusätzlich das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zu beachten. Nach § 5 EnWG bedürfen Energieversorgungsunternehmen, ein Verorgungsnetz betreiben und die Versorgung mit Strom und/oder Gas aufnehmen wollen einer Genehmigung der Energieaufsichtsbehörde (seit 13.07.2005 ist für die Belieferung lediglich die Anzeige notwendig). 19 Die Deregulierung des Strom- und Gasmarktes zur nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie stellte 1998 einen neuartigen wirtschaftlichen Vorgang dar, bei dem eine durch Monopole geprägte Marktstruktur in eine durch Wettbewerb gekennzeichnete überführt werden sollte. Bis 1998 existierten in Deutschland etwa 900 regionale Gebietsmonopole mit abgegrenzten Versorgungsgebieten, Energieversorgungsunternehmen 19 (EVU) in Strom denen und Erdgas die an ihre vgl. Bauer J. F. et al. (1990), S 51 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 10 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Abnehmer verteilten. Der Gebietsschutz wurde durch zwei verschiedene Arten von Verträgen erreicht. Zum ersten handelte es sich um Demarkationsverträge, die unter Kartellaufsicht zwischen einzelnen EVU geschlossen wurden und den gegenseitigen Wettbewerb im eigenen Versorgungsgebiet untersagten. Da Demarkationsverträge (ehem. § 103 Abs. 1 Nr. GWB) nur inter partes gelten, hindern diese einen Dritten nicht daran eine Leitung zur Versorgung zu bauen (z.B. Wingas zur BASF). Die Möglichkeit des Abschlusses von Demarkationsverträgen ist durch die 5. GWB-Novelle 1999 stark eingeschränkt worden. 20 Zum zweiten wurden und werden Konzessionsverträge zwischen Versorgungsunternehmen und Gebietskörperschaften geschlossen. Die Gebietskörperschaft verpflichtet sich dabei ausschließlich einem Unternehmen die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Versorgung der Letztverbraucher zu gestatten. Für das Recht der Errichtung und des Betriebes der Leitungen erhalten die Gebietkörperschaften von den Versorgungsunternehmen ein Nutzungsentgelt welches in der Konzessionsabgabenverordnung (KAV) festgeschrieben ist und sich nach der Einwohnerzahl und der Vertragsart richtet 21 . Der Gebietsschutz erlischt mit dem Auslaufen des jeweiligen Konzessionsoder Demarkationsvertrages. Die Kernaufgaben der EVU lagen sowohl in der Energieerzeugung, deren Fortleitung und Betrieb des Versorgungsnetzes, als auch in der physischen Bereitstellung von Elektrizität, Erdgas, Wärme, Wasser und deren Abrechnung an die Abnehmer. Energieerzeugung, Übertragung und die Verteilung lagen somit in der Hand des jeweiligen Monopolisten. In Abhängigkeit von der Ausdehnung der Versorgungsgebiete und Art der betriebenen Netze wurden die EVU in Verbundunternehmen und Ferngasgesellschaften (z.B. RWE und Wingas), regionale Strom- und Gasversorger (z.B. E.ON-Avacon) und kommunale EVU (Stadtwerke Hannover oder Stadtwerke Wolfenbüttel) unterschieden. 22 Weitere ökonomische Koordinierungszwänge und Abhängigkeiten kleinerer EVU 20 vgl. Bauer J. F. (1990), S. 58, 59 vgl. Konzessionsabgabenverordnung (KAV) 22 vgl. Schikarski, A. (2005), S. 5-9 21 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 11 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 entstanden, neben der vertraglichen Gebundenheit an die Vorversorger, über Beteiligungen und Betreibergesellschaften von Gemeinschaftskraftwerkem (z.B. Kraftwerk Mehrum E.ON, Stadtwerke Hannover, Braunschweiger Versorgungs-AG). 23 Der Staat sicherte im regulierten Markt die flächendeckende und dikriminierungsfreie Bereitstellung von knappen Gütern und Infrastruktur (wie z.B. Wasser, Gas, Strom und Straßenverkehr). Die hoheitliche Aufgabe im regulierten Strommarkt bestand in der Anschlusspflicht privater Verbraucher an die Stromnetzinfrastruktur zu solidarisierten Konditionen. Die EVU waren zur Stromversorgung Bundestarifordnung 24 der privaten Verbraucher durch die in der formulierte Versorgungspflicht aller Abnehmer nach verbindlichen Standards verpflichtet (Anschluss- und Versorgungspflicht). Die Sicherung des Qualitätsstandards mit stetigen technischen Optimierungen führte zu einer hohen Lieferstabilität, so dass im internationalen Vergleich Stromausfälle und Störungen in Deutschland seltener festzustellen sind. 25 Andererseits bestand für den Abnehmer eine gesetzliche Abnahmepflicht für Strom und Gas beim assoziierten Versorger, der die ausschließliche Konzession zur Belieferung erhalten hat. Durch diesen gesetzlich gesicherten Abnahmezwang bei einem Anbieter waren die Entwicklung von differenzierten Produkten und weitere Marketingaktivitäten von geringer Bedeutung. Der gesicherte Absatz führte zu einer geringen Kenntnis über die jeweilige Zielklientel von privaten Haushalten bis zu industriellen Abnehmern. Die Situation, dass sich der Abnehmer nur einem Versorger gegenüber sah war vom Gesetzgeber gewollt, da man durch den Wettbewerb der Stromversorger untereinander volkswirtschaftliche Nachteile vermutete. Vielmehr sollten die monopolistischen Strukturen den Versorgern Planungssicherheit bei Investitionen geben und parallelen Leitungsbau verhindern. Im Gegenzug mussten sich die Versorger der staatlichen Prüfaufsicht unterziehen und ihre Allgemeinen Tarife zur Stromversorgung auf kostenbasierter Angemessenheit genehmigen lassen. In 23 vgl. Zenke, I. et al. (2005), S. 10 vgl. BTOEltV 25 vgl. Schikarski, A. (2005), S. 7 24 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 12 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Tarifpreisvergleichen mit den benachbarten Versorgern wurde regelmäßig der „Als-Ob-Wettbewerb“ simuliert. 26 3.2 Basiselemente der Liberalisierung Die Liberalisierung der Strom- und Erdgasmärkte basiert auf den folgenden drei sich bedingenden Elementen/Prinzipien: 27 Diskriminierungsfreiheit Mit dem Abschaffen der exklusiven Rechte der Monopolisten durch Demarkationsverträge und durch die Erlaubnis zum Aufbau neuer Produktionsstätten, Leitungen, Verbindungen wird jedem dasselbe Recht eingeräumt. Unbundling (Entflechtung) Beim Unbundling werden die verflochtenen Energieversorgungsunternehmen in Funktionsbereiche der Produktion/Erzeugung/Beschaffung, der Netze/Infrastruktur und des Vertriebes aufgeteilt. Durch das Unbundling oder die Trennung der ehemals integrierten Unternehmensfunktionen wird die Diskriminierungsfreiheit und Gleichbehandlung Aller unterstützt. Der Monopolbereich Netz wird von den Wettbewerbsbereichen getrennt. Durch diese Trennung werden interne (Quer-)Subventionen und diskriminierende Kommunikation vermieden. Seit 01.07.2007 sind somit alle ehemals integrierten Energieversorgungsunternehmen mit mehr als 100.000 Kunden verpflichtet, die Betriebsführung der Netze in einer selbstständigen Netzgesellschaft zu überlassen (siehe Abb. 2). Damit werden alle Entscheidungen über Betrieb, Wartung und Ausbau des Netzes vom Netzbetreiber getroffen und alle Nutzer gleichbehandelt. Diese Funktionen sind von Gleichbehandlungsbeauftragten zu überwachen und regelmäßig einem Regulator zu berichten. Die Versorgungspflicht, somit die Sicherstellung der Strom- und Gasversorgung durch den Grundversorger und die Störungsbeseitigung durch den Netzbetreiber bleiben erhalten, auch wenn ein Kunde seinen Strom oder auch sein Gas von einem anderen Lieferanten bezieht. 26 vgl. Zenke, I. et al. (2005), S. 11 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 13 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 TPA Prinzip Das Konzept des TPA (third party access) beschreibt die kommerzielle Transaktion bei der die Eigentümer der Transportsysteme (Pipelines, Kabel) zustimmen oder verpflichtet sind, für einen Dritten dessen Gas oder Strom für ein Entgelt zu transportieren und weitere Servicedienstleistungen vor zuhalten. 28 Abbildung 2: Entwicklung des rechtlichen Rahmens für das Unbundling 29 3.3 Historische Entwicklung der Gaswirtschaft In der Einheitlichen Akte vom 28.02.1986 haben sich die EG-Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis zum 31.12.1992 den gemeinsamen Markt durch die Aufhebung nationaler Schranken zu verwirklichen. 30 Die Produktion von Erdgas jedoch wird im Gegensatz zum Strom von wenigen Unternehmen durchgeführt da folgende gesetzliche Regelungen gelten: „Die Aufsuchung von Erdgas bedarf einer Erlaubnis und die Gewinnung einer Bewilligung. 31 Zuständig sind die Länder. 32 Die Erlaubnis gibt dem Inhaber das ausschließliche Recht, in einem bestimmten Feld Erdgas aufzusuchen und 27 vgl. Stern J. P. (1992), S. 57 vgl. Stern J. P. (1992), S. 21 29 PA Knowledge 30 vgl. Bauer J. F. et al. (1990), S. 9 31 § 6 BBergG 32 § 142 BBergG 28 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 14 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 die dazu erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. 33 Die Bewilligung gewährt ein ausschließliches Recht zur Gewinnung von Erdgas. 34 “ 35 Das bestehende Versorgungssystem mit einer integrierten Großhandels- und Ferntransportstufe bildet seit jeher die Grundvoraussetzung der Gasversorgung in Westeuropa. Dabei verhandeln in der internationalen Gasbeschaffung z.T. mehrere Ferngasgesellschaften als Einkaufskonsortien mit den Produzenten die wiederum auch selbst Betreiber von Fernleitungen sein können. In Deutschland bestehen sowohl für den Kauf von inländischem Erdgas, als auch dem Import von Erdgas keine Beschränkungen. Jedoch sind die Importe, besonders bei längerfristigen Verträgen, anzuzeigen. Grundsätzlich kann in der Bundesrepublik Deutschland jedermann Gastransportleitungen und Erdgasspeicher errichten und betreiben. 36 Die großen westeuropäischen Ferngashändler als Gashändler und Netzbetreiber haben so ein Kräftegleichgewicht zu den Produzenten auf dem Markt geschaffen. Jede der Ferngasgesellschaften erfüllte die Funktionen des Transports, des Belastungsausgleichs, Fristentransformation Gasbeschaffenheit. ermöglichten der Mengenbündelung, und der Sicherung Größe und Heterogenität den Produzenten der langfristige gleich des der bleibenden Kundenstammes Verträge mit festen Abnahmeverpflichtungen (Take-or-Pay) über große Mengen anzubieten, um Marktrisiken abzugeben. Ein hoher Grad der Versorgungssicherheit wurde durch Diversifikation Ferngasgesellschaften der Bezugsquellen, und durch die Zusammenarbeit unter Vernetzung des Gasversorgungssystems erreicht. 37 Die Gasversorgung begann Ende des 19. Jahrhunderts mit der Versorgung mit Stadtgas, welches heute noch an stillgelegten Gasometern in einzelnen Städten sichtbar ist. Mit der Entdeckung des Gasfeldes in Groningen, Niederlande 1959 begann die Phase des stärksten Wachstums in Deutschland und Zentraleuropa. Diese Entwicklung und der zunehmende Import Deutschlands wurde mit den britischen Erdgasfunden in der Nordsee ab etwa 1965 und der sowjetischen Funde wenige Jahre später verstärkt. Die 33 § 7 Abs. 1 BBergG, § 8 Abs. 1 BBergG 35 Bauer J. F. et al. (1990), S. 20 36 vgl. Bauer J. F. (1990), S. 33-46 37 vgl. Bolle, F. (1990), S. 5-6 34 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 15 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik starke Position der Produzenten in Juni 2009 der starken Wachtumsphase bezeichneten die langfristigen Verträge mit starren Bedingungen oder anders 100% Take-or-Pay (ToP). Der wesentliche Inhalt von ToP-Verträgen ist neben einer maximalen Lieferverpflichtung des Anbieters und eine Verpflichtung des Nachfragers zu einer Bezahlung für eine bestimmte Menge, gleichgültig ob er diese Menge in Anspruch nimmt oder nicht. Hinzu kommen Preisänderungs- und Wiederverhandlungsklauseln wegen der Langfristigkeit der Verträge. Langfristige ToP-Verträge werden in der Gaswirtschaft benutzt, um zukünftige Transaktionskosten zu reduzieren (Verhandlung, Kündigung, Absicherung) 38 In dieser frühen westeuropäischen Entwicklungsphase Gaswirtschaft handelte bzw. es sich Marktsituation somit um der einen Verkäufermarkt. 39 Mit dem starken Wachstum des Erdgasmarktes, auch im Haushalts- und Kleinverbrauchersektor (HuK) durch die Erschließung weiterer Vorkommen schwächte sich die Verhandlungsmacht der Produzenten ab und die Angebote wurden kurzfristiger und flexibler mit Preisformeln auf Basis der jeweiligen Konkurrenzenergie in den nationalen Absatzmärkten. 40 Somit stellt diese Phase den Beginn der bis heute andauernden Bindung des Gaspreises an die Konkurrenzenergie Öl (Heizöl) und des wachsenden Marktanteils des Energieverbrauchs im HuK-Bereich (rund drei Viertel) dar. In der Endverteilung (HuK-Märkte) war die Preisbildung selten wettbewerbsorientiert, sondern teilweise von Eingriffen der Preisbehörden unterworfen. Erhebliche abnehmer(gruppen)spezifische Preisunterschiede und der Wandel in Richtung eines Käufermarktes waren nicht festzustellen. 3.4 Veränderungen der Marktbedingungen durch die Liberalisierung des Gasmarktes Mit der am 11.08.1998 in Kraft getretenen Gasbinnenmarkt-Richtlinie 41 wurde ein Prozess begonnen, an dessen Ende ein funktionierender einheitlicher europäischer Gasbinnenmarkt stehen soll. Bis zur vollständigen Liberalisierung des deutschen Erdgasmarktes 2003 erfolgte die Preisbildung 38 vgl. Rügge, P. (1995), S. 41, 142 vgl.Stern J. P. (1992), S. 2-3, 6 40 vgl. Bolle, F. (1990), S. 41 39 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 16 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 ausschließlich nach dem Prinzip der Anlegbarkeit und orientierte sich wertbasiert an der Zahlungsbereitschaft der jeweiligen Verbrauchergruppe. Dieses Anlegbarkeitsprinzip verkörpert in der Konsequenz ein Preisbildungssystem, bei dem der Gewinn der Anbieter dadurch gesteigert wird, dass entsprechend der Nachfrageelastizität der Preis differenziert wird. Dies führt zu einer Abschöpfung der Konsumentenrente und zur Wohlfahrtsumverteilung von den Nachfragern bin zu den Anbietern. 42 Die von den jeweiligen Versorgungsunternehmen kalkulierten Preise wurden im HuK-Bereich bis zum in Kraft treten der Grundversorgungsverordnung (GVV) 2005 in gruppenspezifischen Tarifen veröffentlicht, die von der Aufsichtsbehörde genehmigt wurden. Im Sonderkunden-Bereich (mittlere und größere Industriekunden) wurden und werden an Substitutionsenergieträger angelegte und individuell ausgehandelte Preise vereinbart, die nicht veröffentlicht werden. In den Erdgasbezugsverträgen der Energieversorgungsunternehmen, die historisch Laufzeiten von bis zu 20 Jahren vorsahen, entwickelten sich in Deutschland wertorientierte (angelegte) additive und multiplikative Preisgleitklauseln. Damit wurde und wird die festgelegte Relation des für das Erdgas vereinbarten Warenwerts zu seinen Substitutionsgütern (meist Öl) auf der Zeitachse fortgeschrieben. Der zu einem Zeitpunkt vereinbarte angelegte Preis mit der zugehörigen Relation und der Funktion für die Preisentwicklung ist damit für die gesamte Vertragslaufzeit bestimmbar. Kosten- und zeitintensive Nachverhandlungen sind bei dieser automatischen garantierten, an die Wertentwicklung des Substituts angelegte Preisanpassungsformel nicht nötig. Die Preisbildung auf den Großhandelsund Beschaffungsmärkten erfolgte neben dem wertorientierten Ansatz auch kostenbasiert, als sogenannte net back Rechnung bis zum Endkunden. 43 Auch damals schon mahnte die EG-Kommission, dass eine Preisbindung des Erdgases an das Erdöl nicht mehr gerechtfertigt sei und der Preis sich im Wettbewerb anhand von Angebot und Nachfrage bilden solle. 44 41 Richtlinie 98/30/EG vom 22.06.1998, S. 1 ff. vgl. Däuper, O. (2003), S. 273 43 vgl. Däuper, O. (2003), S. 4-6 44 vgl. Däuper, O. (2003), S. 3; EG-Kommission, Grünbuch (2000), S. 54 42 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 17 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Bis zur Liberalisierung des Erdgasmarktes 1998 bestanden im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern auf der Großhandels- und Transportstufe keine gesetzlichen Monopole. Das GWB jedoch gibt in seinem Ausnahmebereich die Möglichkeit, dass die Versorgungsunternehmen untereinander vertraglich ihre Versorgungsgebiete gegeneinander abgrenzen. Diese Demarkation ließ jedoch auch Konkurrenz durch fremde, neue Unternehmen durch die Möglichkeit des freien Leitungsbaus (z.B. durch Wingas) zu. 45 3.5 Veränderungen der Marktbedingungen durch die Liberalisierung des Strommarktes Die sofortige und vollständige Aufhebung des Monopols mit der Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland 1998 führte zu einer neuen Marktsituation für Versorger und Konsumenten. Auch die EG-Kommission stellt 2000 in ihrem Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit“ fest, dass die Errichtung eines integrierten Erdgasbinnenmarktes mit der Liberalisierung der nationalen Märkte zu verwirklichen ist. Als Folge dieser Veränderungen und Umwandlungen der monopolistischen Marktstrukturen in Wettbewerbsstrukturen des Strom- und Gasmarktes erhöhte sich der Druck, Strategien zur Ausschöpfung und Erschließung neuer Absatzpotentiale zu entwickeln, um so die langfristige Existenz zu sichern. 46 Daraus resultierte mit der Marktöffnung der Auftritt von Händlern ohne eigene Kraftwerkskapazität, die günstige Stromangebote aus dem Ausland nutzten, um Endkunden und Verteilerunternehmen (Stadtwerke) preislich attraktive Angebote zu unterbreiten. Trotz zunächst geringer Mengen, die physikalisch aus dem Ausland geliefert werden konnten, waren die Auswirkungen auf das bestehende Preisniveau enorm. Ein Preisrutsch war die Folge, da die deutschen Stromproduzenten entschieden auf die durch die Händler angebotenen Preise einzusteigen, um ihre Marktanteile zu halten. Im Großhandel stellte sich ein Preisniveau der durchschnittlichen variablen Kosten der Kraftwerke ein. Dieses Preisniveau auf Höhe der Grenzkosten ist 45 46 vgl. Bolle, F. (1990), S. 58-61, 64 vgl. Fasse, F.-W. (2002), S. 474 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 18 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik typisch für Märkte mit sehr hoher Juni 2009 Wettbewerbsintensität und Kapazitätsüberhängen. 47 Zusammenfassend bewirkte die Liberalisierung des deutschen Strommarkts zunächst das Auftreten von Händlern, die Einführung neuer Marken, ein geändertes Kommunikationsverhalten mir neuen Tarifangeboten und Produkten, auch und im Besonderen außerhalb der angestammten Versorgungsgebiete bei gleichzeitig sinkenden Preisen. Neue Vertriebsbüros wurden im gesamten Bundesgebiet eröffnet, um den Kunden- und Margenverlusten im Heimatmarkt entgegenzuwirken und um Präsenz z zeigen. 48 Die bekanntesten neuen Marken waren und sind z.B. Yello (EnBW AG), Best Energy (Bewag AG), HEW (HEW AG), Avanza (RWE AG), Elektra direkt (VEBA AG Preussen Elektra), Evivo (VEW AG) und Aquapower (VIAG AG Bayernwerk) oder Die Stroms (Braunschweiger Versorgungs-AG). Viele dieser Marken und Produkte sind nicht mehr existent, da die Marktteilnehmer entweder in anderen Unternehmen aufgegangen sind oder sich auf ihre Heimatmärkte konzentrieren. Abbildung 3: Struktur der Stromversorgungsunternehmen in Deutschland 49 In Abbildung 3 ist die dreistufige Struktur (Verbundunternehmen, Regionale und Kommunale Stromversorger) der Stromversorgungs-unternehmen in Deutschland und deren jeweilige Anteile an der Stromerzeugung und 47 vgl. Zenke. I. (2005), S. 17-19 vgl. Schikarski, A. (2002), S. 8 49 Schikarski, A. (2002), S. 6 48 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 19 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Lieferung (ohne neue Anbieter) an die Endkunden ersichtlich. Die Versorgungsunternehmen waren zu Monopolzeiten Unternehmen der öffentlichen Hand mit unterschiedlich ausgeprägter privater Minderheitsbeteiligung. 50 Die Abbildung 4 zeigt die Entwicklung und Halbierung der Anzahl an Verbundunternehmen. Diese Unternehmen (E.ON, RWE, EnBW, Vattenfall) sind gleichzeitig auch die Betreiber der Übertragungsnetze, die Haupterzeuger des deutschen Stroms und haben einen direkten Marktanteil von etwa 31% bei der Versorgung von Endkunden. 51 Abbildung 4: Verbundunternehmen in Deutschland 52 Die Abnehmer der Monopolisten der EVU waren private Haushalte, mit behördlich genehmigten, so genannten „Allgemeinen Tarifen“ oder Gewerbeund Sondertarifkunden mit gesonderten, zum Teil individueller Preisstellungen. Einem im Verhältnis geringen Absatzvolumens stand einen große Umsatzbedeutung für die EVU gegenüber. „Es ist richtig, dass Marketing unter Berücksichtigung von Umweltgesichtspunkten Teil eines umfassen Umwelt-Managements ist. Daher sollte es nicht isoliert betrachtet werden.“ 53 Im Folgenden werden die Bedeutung des ökologischen Marketings für ein Unternehmen und die Möglichkeiten zur Umsetzung anhand des integrierten 50 vgl. Fritz, W.;König, S. (2001), S. 4 vgl. Schürmann, H.-J. (2002), S. 4 52 Schikarski, A. (2002), S. 7 53 Kotler, P., et al. (2007), S. 238 51 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 20 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Marketing-Prozesses mit besonderer Berücksichtigung des operativen Marketing-Mix dargestellt und an konkreten Beispielen aus der Energiewirtschaft verdeutlicht. 3.6 Kundenerwartungen vor der Liberalisierung Die Mehrheit der Kunden erwarteten besonders durch Einführung des TPASystems eine größere Auswahl von Anbietern und geringere Preise für Erdgas und Strom. Besonders die größten Kunden würden überproportional von den Preissenkungen profitieren, da diese vermuteten die kleineren zu subventionieren. Auch der Wettbewerbsdruck auf die bisherigen Versorger würde bei den größten und wichtigsten Kunden besonders stark ansteigen, denn durch die wichtige wirtschaftliche und politische Bedeutung der Größtkunden, wären die Versorger zu weiteren Preissenkungen bereit. Auch die Kosten für die Nutzung der Netze würden in die Diskussion geraten, weil viele Kunden ohne Kostentransparenz nicht bereit wären irgendwelche Tarife zu zahlen. Für Kunden mit geringerem Verbrauch oder Auslastung sowie für die von den Quellen weiter entfernten Kunden könnten die Preise jedoch steigen. Insgesamt sei die Reduktion der Versorgungssicherheit die Folge des verschärften Wettbewerbs. 54 Die Kundenerwartungen zur Liberalisierung der Energiemärkte lassen sich demnach zu zwei Aspekten zusammenfassen. • Auf die Erwartung sinkender Preise mit steigenden Marktmöglichkeiten. • Auf die wachsende Unsicherheit durch Strom-/Gasausfälle und Schwierigkeiten beim Lieferantenwechsel. 3.7 Zusammenfassung der Entwicklung der Energiewirtschaft Aus ehemals geschlossenen Versorgungsgebieten wurde ein Markt mit Wettbewerb, in dem es für einen Kunden möglich ist seinen Anbieter frei zu wählen. Aus einer kostenorientierten Versorgung der Abnehmer wurde eine marktpreisorientierte handelnden 55 der Versorgungsunternehmen Energiedienstleister. 54 Belieferung Kunden. Aus wurden ehemals aktiv passiv agierende 55 vgl. Stern J. P. (1992), S. 78-80, 104 vgl. Henseler, J. (2006), S. 10,11 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 21 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 4 Aktuelle Marktmechanismen und Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft Bis zur Liberalisierung der Energiemärkte erfolgten die Maßnahmen der Produktpolitik unter technischen Gesichtspunkten. Die Differenzierungen der Lieferung erfolgten fast ausschließlich durch nach Abnahmemenge strukturierte Tarife, die bei gleicher Qualität der Leistungen geringere Preise bei steigender Abnahme darstellten. Die Produktpolitik sowie die Preispolitik und -kalkulation waren durch monopolistische Spielräume gekennzeichnet, an den Kosten orientiert und der behördlichen Tarifgenehmigung unterlegen. 56 Diese Markt- und Rahmenbedingungen änderten sich sowohl für die EVU, als auch für die Anspruchsgruppen abrupt mit der Deregulierung der Energiemärkte. 4.1 Aktuelle Rahmenbedingungen für Energieversorgungs- unternehmen Für private Verbraucher handelt es sich bei einer Lieferung von Strom und Gas um Konsumgüter des täglichen Bedarfs. Bei gewerblicher Nutzung ist Lieferung den Industriegütern des Bereichs der Betriebs- und Hilfsstoffe oder Dienstleistungen. 57 Unternehmen sind in ihrer Funktion als gesellschaftliche Institutionen in ein umgebendes Rahmensystem eingebunden (siehe Abb. 5). Neben den klassischen Markteinflüssen durch Lieferanten/Erzeugern und Kunden, verstärken sich die hoheitlichen Einflüsse durch die Aufsichtsgremien des Bundeskartellamtes und der regulierenden Bundesnetzagentur. Spätestens seit Ende der 90er Jahre reagieren die Unternehmen durch angepasste Modelle und Strategien auf die Veränderungen der Rahmen-/ Marktbedingungen sowie den Wertewandel in Öffentlichkeit und Politik. Für die EVU gilt es, in diesem in Abb. 5 dargestellten Spannungsfeld zu bestehen und sich mit Hilfe marketingorientierter Unternehmensführung anzupassen. Dabei sind die folgenden hoheitlichen Rahmenbedingungen 56 vgl. Laker, M.; Herr, S. (1998), S. 384 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 22 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 neben den Auflagen des Bundeskartellamtes und den regulierenden Maßnahmen der Bundesnetzagentur bindend: • Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) • Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) • Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWK-G) • Konzessionsabgabenverordnung (KAV) • Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) • Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) • Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) • Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) • Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) • Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) • Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) Rahmenbedingungen/Marktumfeld Kartellamt Kunden Regulierer Energieversorgungsunternehmen Lieferanten/ Erzeuger Öffentlichkeit Politik Abbildung 5: Rahmenbedingungen/Marktumfeld für Energieversorgungsunternehmen 58 4.2 Marktmechanismen und Rahmenbedingungen Erdgasmarkt 4.2.1 Rahmenbedingungen Marktgebiete Erdgas Seit den durch die Liberalisierung des Erdgasmarktes mit den Vorgaben zum Unbundling 57 58 erfolgten Maßnahmen, haben sich in der deutschen vgl. Kotler, P., et al. (2007), S. 627, 630 Eigene Darstellung Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 23 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Gaswirtschaft so genannte Marktgebiete Juni 2009 (ähnlich den vier Übertragungsnetzbereichen Strom) herausgebildet. Diese Marktgebiete sind die Verantwortungsbereiche der Unternehmen der Produktionsstufe sowie der Importeure/Ferngasgesellschaften (siehe Abb. 6), welche sich durch verschiedene Gasqualitäten (H-/L-Gas) und das Eigentum an den jeweiligen Pipelines auszeichnen. Die Anzahl der Marktgebiete ist im laufenden Gaswirtschaftsjahr (01.10.2008, 6:00 Uhr bis 01.10.2009, 6:00 Uhr) von zwölf auf zehn Marktgebiete für H- und L-Gas gesunken. Die L-Gas Marktgebiete aus EWE, Gasunie L und EGMT (siehe Abb. 6) wurden am 1. April 2009 zu einem Marktgebiet (Aequamus L-Gas 1) verschmolzen, so dass derzeit noch drei Marktgebiete L-Gas existieren. Eine Zusammenlegung von E.ON GT LGas und RWE L-Gas ist zu vermuten. Abbildung 6: 12 Marktgebiete Erdgas im Gaswirtschaftsjahr 2008/2009 59 Für die Belieferung von Kunden in einem Marktgebiet, ist neben der dortigen Verfügbarkeit durch den Lieferanten von Gas in der jeweiligen Qualität (H-/LGas), auch das Führen eines Bilanzkreises beim Marktgebietsbetreiber erforderlich. 59 emw (6/2008), S. 30 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 24 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 4.2.2 Preisbildung Erdgas Bei Kostenvergleichen mit den günstigsten alternativen konkurrierenden Brennstoffen Öl, Kohle werden sowohl die Investitions-, als auch die Betriebskosten langfristig ermittelt. Somit darf Erdgas als Brennstoff separat betrachtet, durch die Anwendungsvorteile (Wegfall eines Speichertanks, russfreie Verbrennung, geringerer Wartungsaufwand für den Kessel etc.), sogar etwas teurer sein als leichtes Heizöl (HEL) bis eine Brennstoffsubstitution erfolgt. Die Differenzierung der Preise für das chemisch nahezu homogene Produkt Erdgas findet spezifisch nach Abnehmer(gruppe) entsprechend der individuellen Nachfrageelastizität statt. Das Anlegbarkeitsprinzip ist originär auf der Beschaffungsmarktstufe (Produzent, Importeur, Ferngasgesellschaft) verankert, so dass an den Endkunden alle Kosten und Margen der vorgelagerten Handelsstufen weitergegeben werden. 60 Dieses auf Langfristigkeit ausgelegte kostenbasierte Prinzip der Anlegbarkeit findet weiterhin auch nach der Liberalisierung auf allen Handelsstufen (Produktion, überregionale Ferngasübertragung, regionale Erdgasverteilung, Niederdruckversorgung der Endkunden im HuK-Bereich) Verwendung. Mit der Verringerung der Marktzutrittsbarrieren und daraus folgendem Markteintritt neuer Wettbewerber entwickelt sich der Erdgasmarkt von Verkäufer- zum Käufermarkt. Die für die Abwicklung im Punkt-zu-Punkt- und Entry-ExitModell benötigten Verträge mit unterschiedlichsten Ferngas- und Verteilerunternehmen sind nicht mehr nötig. Durch rechtlich vorgegebene Prozesse zum Lieferantenwechsel (GeLi) und zur Bilanzierung (GABi) wird die zunehmende Wettbewerbsintensität und -dynamik im Gas-zu-GasWettbewerb beschleunigt, so dass neue Produkte von alten und bestehenden GVU entstehen. Die Marktpreisbildung für Erdgas erfolgt neben der Preisbildung im Gas-zuGas-Wettbewerb an internationalen Handelsplätzen (Energiebörsen). An den Börsen und anderen Gashandelspunkten (Hubs) wird Gas als Commodity in hoch standardisierten Produkten, ähnlich den Strom-Produkten gehandelt. Der überwiegende Handel erfolgt jedoch Over-The-Counter (OTC) als 60 vgl. Däuper, O. (2003), S. 4-6 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 25 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Festpreisprodukt oder zumeist wertorientiert nach dem Anlegbarkeitsprinzip an die günstigsten Substitutionsenergieträger, zumeist Erdöl. Grundsätzlich bezeichnet die Anlegbarkeit die Ausrichtung des Erdgaspreises an dem Wert der Substitutionsenergieträger in einer spezifischen Situation zu einem beliebigen Zeitpunkt (siehe Abb. 7 und 8). 61 Der Hauptwettbewerber für Erdgas, im bedeutendsten Markt, dem der Haushalts- und Kleinverbraucher (HuK), ist das leichte Heizöl (HEL). Im Kraftwerkssektor ist der Hauptwettbewerber meist die Kohle. Die Preisbildung zu Stromerzeugung erfolgt somit angelegt an den Kohlepreis. Im Bereich der Gewerbe- und Industriekunden, wären viele verschiedene Substitutionsenergieträger denkbar, so dass sowohl das Substitut selbst, als auch die Verhältnisse der angelegten Konkurrenzenergieträger zueinander, individuell verschieden sein können. Häufig werden jedoch auch die Erdgaspreise der Gewerbe- und Industriekunden an leichtes (HEL) oder schweres Heizöl (HSL) angelegt. 62 Damit ist das Erdöl, besonders HEL, in der Praxis das wichtigste Substitut für Erdgas und gibt somit den Referenzpreis vor. Die Erdgaspreise folgen durch diese Anbindung der Preisentwicklung den globalen Rohölpreisen (Cruide-Oil in Abb. 7 und Brent IPE in Abb. 8) im zeitlichen Versatz je nach Anbindung, der Rohölqualität, von Förder- und Frachtraten sowie der Entwicklung der Referenzwährung (zumeist USD) zur Verkaufswährung. Abbildung 7: Entwicklung der Rohölpreise 1960 2008 63 61 vgl. Däuper, O. (2003),S. 19 vgl. Däuper, O. (2003),S. 4 63 TESCON, 22.04.2009 62 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 26 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Abbildung 8. Entwicklung und Korrelation der Öl- und Gaspreise 2007-2008 64 4.2.3 Gasverkaufspreis (reine Energie) Der Arbeitspreis, der sich auf die verbrauchte Energiemenge des Kunden bezieht wird in Deutschland überwiegend nach der additiven oder einer multiplikativen Preisformel in der Klausel beschrieben. Eine typische Struktur einer additiven Preisgleitklausel mit Anbindung an einen Substitutionsenergieträger ist wie folgt aufgebaut: 65 Pt = P0 + wi * yi * zi * (ait – ai0) [Cent/kWh] mit i = Substitutionsenergieträger, a = Preis des Substitutionsenergieträgers a, P = Arbeitspreis Gas, t = laufende Zeitperiode, 0 = Beginn der Zeitperiode, w = Gewichtung des Substitutionsenergieträgers, in der Summe maximal 1, y = absolute Bindung des Substitutionsenergieträgers, maximal 1, z = wärmeäquivalenter Umrechnungsfaktor für die Preisnotierung des jeweiligen Substitutionsenergieträgers in die passende Einheit des Hauptenergieträgers. 64 65 vgl. N-ERGIE (2008) Däuper, O. (2003), S. 20 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 27 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Der Basisarbeitspreis (P0) bestimmt wesentlich, als Sockel die Höhe auch die Elastizität des laufenden Gaspreises (Pt) bezüglich der Preise des Substitutionsenergieträgers. Durch einen hohen Basisarbeitspreis wird somit die Volatilität bei beispielsweise Ölpreisschwankungen geglättet. Je höher der Basisarbeitspreis ist, desto höher ist auch der laufende Gaspreis, desto geringer ist auch die Elastizität des laufenden Gaspreises hinsichtlich des indexierten Substitutionsenergieträgers. Eine typische Struktur einer multiplikativen Preisgleitklausel mit Anbindung an einen Substitutionsenergieträger ist wie folgt aufgebaut: 66 P = P0 (0,5 HSL/HSL0 + 0,5 HEL/HEL0) P = Erdgaspreis P0 = Ausgangspreis für Erdgas 0,5 = Bindungsanteil (relative Bindung), hier je 50% HSL/HSL0 = relative Preisänderung Heizöl schwer HEL/HEL0 = relative Preisänderung Heizöl leicht Die Indexierung von Substitutionsenergieträgern ist die Kopplung des Gaspreises an einen oder mehrere Substitutionsenergieträger an einem definierten Handelsort, zumeist leichtes Heizöl (HEL) oder schweres Heizöl (HSL), jedoch auch Kohle oder Strom. Die Notierungen der Indizes werden monatlich von Statistischen Bundesamt und z.T. Täglich von internationalen Handelsplätzen/Börsen veröffentlicht. Ein Beispiel der Korrelation/Koppelung von Öl an Gas ist in Abb. 8 dargestellt. Bei den Preisen der Substitutionsenergieträger handelt es sich um gleitende Durchschnittspreise eines öffentlich gehandelten Produkts, wodurch es notwendigerweise zu einer zeitverzögerten Anpassung (time lag) kommt. Die verschiedenen Methoden der Preisanpassung unterscheiden sich danach, wie lange die zugrunde liegende Referenzperiode ist, welche Anpassungsverzögerung vereinbart ist und in welchen Abständen eine Gaspreisanpassung vorgenommen wird. Im Beispiel einer Anbindungsvariante wird der Arbeitspreis wird nach dem Rhythmus 6-1-3 angepasst. Dabei bedeuten die Zahlen: 66 Rügge, P. (1995), S. 52 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 28 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Erste Stelle = Anzahl der aufeinander folgenden Referenzmonate (für die Preisanpassung heranzuziehende Monatswerte). Zweite Stelle = Zwischenraum oder time lag (Anzahl der Monate) zwischen jüngstem Referenzmonat und dem Zeitpunkt der Preisanpassung. Dritte Stelle = Intervall der Preisanpassung Die Existenz eines time lag ist theoretisch unabdingbar, wenn man den Wert einer Ware in Abhängigkeit des Preises einer anderen Ware bestimmen möchte. Gleichzeitig hebelt ein time lag, je länger desto stärker, die der Anlegbarkeit zugrunde liegende parallele Preisentwicklung verschiedener Substitutionsgüter aus. Der individuelle Gewichtungsfaktor des jeweiligen Substitutionsenergieträgers (w) ist bei Anbindung an mehr als einen Substitutionsenergieträger (HEL und HSL) nötig, in der Summe jedoch beträgt er immer eins. Der absolute Bindungsfaktor (y) beeinflusst die Steigung der Preiskurve und so neben dem Basisarbeitspreis die Elastizität des Gaspreises. Je höher die absolute Bindung, desto höher ist die Elastizität des Gaspreises. Die Beeinflussung der Gasmärkte vom Großhandels- bis zum HuK-Bereich wird durch die Ausgestaltung von Preisgleitkauseln stark beeinflusst. Neben ungenau bestimmten (Brennwertbestimmung wärmetechnischen i.V.m. Gasfeuchte Äquivalenzfaktoren und Druck), (z) sind die Zeitverzögerung bei der Preisanpassung (time lag) und die Existenz von Mindestpreisen die Gründe, dass Preisgleitklauseln nicht den vollständigen Substitutionswettbewerb zwischen Erdgas und seinen Konkurrenzenergieträgern transferieren. Auch die Konservierung entlang der Zeitachse innerhalb der Vertragslaufzeit ist unstetig. 67 Die üblichen Preisgleitklauseln weisen bereits einen negativen Preis für Erdgas aus, bevor der Preis des Substitutionsenergieträgers auf Null sinkt. Um diesen Effekt und die wirtschaftlichen Folgen einer Kostenunterdeckung zu verhindern, haben die Gasversorger auf allen Marktstufen so genannte Ersatzarbeitspreise (EAP) oder Mindestpreisregelungen vereinbart. Hierbei wird der Mindestpreis festgeschrieben oder der Referenzpreis des 67 vgl. Däuper, O. (2003),S. 20-26 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 29 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Substitutionsenergieträgers mit einem positiven Faktor versehen (z.B. EAP = 0,062 * HEL [Cent/kWh]). Mit diesen Regelungen der Einführung einer Preisuntergrenze wird die strikte Proportionalität, die nach der Preisänderungsformel zwischen dem Gaspreis und dem Preis des Substituts besteht, zu Lasten des Abnehmers durchbrochen. Er profitiert somit nicht in gleichem Maße von sinkenden Preisen des Substitutionsenergieträgers, wie er unter steigenden Preisen leidet. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der resultierende Preis für Erdgas abhängig ist von: • Der Verbrauchergruppe (HuK-, Gewerbe-, Industrie- und Großkundenbereich) • Den individuellen Spezifikationen (Technik, Anschlusssituation) • Den Abnahmezeitpunkten/Leistungsanforderungen (peaks, Kapazitäten) • Der geographischen Lage (Netzentgelte, Konzessionsabgaben) • Den Beschaffungs- und Prozesskosten des Lieferanten inklusive Margen • Der Vertragsgestaltung (ToP, Laufzeit, Wiederverhandlung, Fristen) • Der Preisbestimmung (Preissteigerung mit Basis, Marktpreis, Festpreis, Anbindung, Absicherung • Der Wettbewerbsintensität (andere Lieferanten im Markt) • Der Preiselastizität des Kunden (unterbrechbar) 4.2.4 Aktuelle Produkt-(Tarif-) Preisdarstellung Erdgas HuK-Segment Aktuell und in der jüngeren Historie stellen sich folgende differenzierte Situationen der Verbraucherbereiche dar, wobei jede Vertriebs- oder Verteilergesellschaft für ihre Preise verantwortlich ist und keine Regulierung stattfindet: Im privaten HuK-Segment (Verbrauchsmengen bis 100.000 kWh/Jahr) existieren Tarife der lokalen GVU im Rahmen der Grundversorgungspflicht neben Produktangeboten des Grundversorgers und aller in diesem Gebiet im Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 30 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Markt befindlichen Wettbewerber. Juni 2009 Zumeist werden angelegbare Gruppendurchschnittspreise für die Tarifkunden in der Grundversorgung gebildet, die keiner Preisaufsicht mehr unterliegen, jedoch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 68 veröffentlicht werden müssen. Auch die Tarife der Ersatzversorgung, die im privaten HuK-Segment häufig den Konditionen der Grundversorgung entsprechen, sind zu veröffentlichen. Diese Preise und Produkte eines Verteilnetzes gelten sowohl für bereits angeschlossenen Bestandskunden als auch für Neukunden, wobei hier zum Teil zusätzliche Wechselprämien wirken. Die zwischen den verschiedenen GVU bestehenden Preisunterschiede lassen sich, wie bei der Versorgung mit elektrischer Energie Netznutzungskosten, (Substitutions-) (Strom), mit unterschiedlichen Konzessionsabgaben und Wettbewerbsbedingungen Energie- dem in den jeweiligem verschiedenen Marktgebieten und Verteilnetzen erklären. Im Vergleich der Produkte eines Anbieters ist häufig eine Produkt- und Preispolitik mit Preisdifferenzierung festzustellen. Eine Preisdifferenzierung liegt dann vor, wenn ein Anbieter das gleiche Gut (in diesem Fall Erdgas) verschiedenen Käufergruppen zu unterschiedlichen Preisen anbietet. Dabei lässt sich weiterhin feststellen, dass den Kunden mit der niedrigsten Preiselastizität die höchsten Gaspreise angeboten werden. Den Kunden, die sich im Markt mit starker Wettbewerbsintensität, hervorgerufen durch neue Anbieter oder einfachen Substitutionsmöglichkeiten (Pelletheizungen, Wärmepumpen), befinden werden günstigere Preise und Produkte angeboten, da deren Preiselastizität besonders hoch ist. Hier steht das Kaufmotiv und Produktbestandteil der Wirtschaftlichkeit eindeutig im Vordergrund, während bei geringerer Wettbewerbsintensität Produktbestandteile der Sicherheit, der Beratung und der Verfügbarkeit von Bedeutung sind. Gewerbesegment Im Bereich der Gewerbekunden (Verbrauchsmengen bis etwa 1.500.000 kWh/Jahr) herrschen bis Verbrauchsmengen ab 10.000 kWh/Jahr Produkte ähnlich des HuK-Bereichs vor, da zumeist keine Installation einer Messeinrichtung 68 mit Leistungsmessung nach den entsprechenden EnWG (2008) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 31 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Verordnungen 69 vorgeschrieben ist. Neben diesen Produkten existieren individuelle Sonderregelungen aufgrund der Anschlusssituation, der spezifischen Leistung oder historischer Vereinbarungen. Die veröffentlichten Tarife der Ersatzversorgung, die bei Nichtzustandekommen eines Vertrages für drei Monate anzuwenden ist, entsprechen häufig den Konditionen der Grundversorgung zuzüglich eines Aufschlages. Die angebotenen Produkte sind in Bezug auf die Produktbestandteile zur Befriedigung der Kaufmotive, mit denen des HuK-Bereichs vergleichbar und abhängig von der Wettbewerbsintensität und Preiselastizität der Kunden. Industrie- und Großkundensegment Bei Kunden mit einem Jahresverbrauch über 1.500.000 kWh wird der Gaspreis individuell verhandelt und auch die Art der Anbindung und das Verhältnis verschiedener Konkurrenzenergieträger fixiert. Häufig besteht die Vereinbarung über die Erdgaspreisermittlung aus zwei Komponenten. Der Arbeitspreis wird verbrauchsabhängig bestimmt und entspricht so den einteiligen Preissystemen, die auf dem europäischen Beschaffungsmarkt verwandt werde. Durch den Grund- oder Leistungspreis, der sich in Abhängigkeit von individuellen Leistungswerten ermittelt, wird die Vorhaltung und ständige Verfügbarkeit des Erdgases abgebildet. Damit sind Verbraucher, deren Belieferung ausgesetzt werden kann, so genannte unterbrechbare Verträge, vom Leistungspreis befreit. 70 Diese Kunden werden meist durch das GVU während der Wintermonate von der Erdgasversorgung unterbrochen und müssen somit dann auf ihre vorgehaltene Substitutionsenergie (meist HEL) umschalten. Die Vorteile bestehen für das GVU in der Leistungsbegrenzung zu seinen Vorlieferanten und für den Kunden im Wegfall der Leistungspreiskomponente. Die hohe Preiselastizität ist kennzeichnend für die unterbrechbaren Kunden, da diese auch selbstständig ihre bivalenten Anlagen auf die Konkurrenzenergie umstellen können. Oftmals resultiert aus dieser Möglichkeit ein günstiger Arbeitspreis. Die Nachteile einer Unterbrechungsmöglichkeit sind für das GVU die fehlende Erlöse bei erhöhtem Überwachungsaufwand während der 69 vgl. GasGVV, GasNEV, GasNZV und NDAV Gas Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 32 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Abschaltperiode sowie die mit hoher Juni 2009 Preiselastizität verbundene Wettbewerbsintensität und für den Endkunden entstehen Aufwand und Kosten für die entsprechende Zweistofftechnik der Brenner und die Bevorratung/Beschaffung. 4.2.5 Zusammenfassung Marktmechanismen des Erdgasmarkts Zusammenfassend ist festzustellen, dass der resultierende Preis für Erdgas abhängig ist von: • Der Verbrauchergruppe (HuK-, Gewerbe-, Industrie- und Großkundenbereich) • Den individuellen Spezifikationen (Technik, Anschlusssituation) • Den Abnahmezeitpunkten/Leistungsanforderungen (peaks, Kapazitäten) • Der geographischen Lage (Netzentgelte, Konzessionsabgaben) • Den Beschaffungs- und Prozesskosten des Lieferanten inklusive Margen • Der Vertragsgestaltung (ToP, Laufzeit, Wiederverhandlung, Fristen) • Der Preisbestimmung (Preissteigerung mit Basis, Marktpreis, Festpreis, Anbindung, Absicherung • Der Wettbewerbsintensität (andere Lieferanten im Markt) • Der Preiselastizität des Kunden (unterbrechbar) Weiterhin ist mit den vorangegangenen Darstellungen zu erklären, dass nicht jeder potentielle Erdgaslieferant jeden Kunden mit Erdgas beliefern kann, denn die Faktorspezifität des Erdgasmarktes ist geprägt durch: • Das Vorhandensein von vielen nicht verbundenen Pipelines in verschiedenen Marktgebieten mit begrenzten Kapazitäten, anders als der gut vernetzte Strommarkt („Kupferplatte“). • verschiedene Gasqualitäten • Die Produktion und Fortleitung von Erdgas ist nur wenigen Unternehmen vorbehalten, wobei über 80% des Bedarfs importiert 70 vgl. Däuper, O. (2003), S. 14 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 33 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 werden müssen. Elektrische Energie wird in vielen Kraftwerken von unterschiedlichsten Unternehmen produziert. • Der kundenspezifische Strukturierungsaufwand ist durch begrenzte Speicherkapazitäten erschwert • Der Erdgasbedarf ist überwiegend temperaturabhängig, damit in der Prognose höheren Schwankungen ausgesetzt, als „lichtabhängige“ Strombedarfe, so dass die Risiken erhöht sind. 4.3 Marktmechanismen und Rahmenbedingungen Strommarkt 4.3.1 Rahmenbedingungen Übertragungsnetze Strom Seit den durch die Liberalisierung des Strommarktes mit den Vorgaben zum Unbundling erfolgten Maßnahmen, haben sich in der deutschen Elektrizitätswirtschaft so genannte Übertragungsnetze herausgebildet. Die Netzbereiche sind die Verantwortungsbereiche der Unternehmen der Produktionsstufe die zudem Betreiberunternehmen der Höchst- und Hochspannungsübertragungsnetze (siehe Abb. 9) ausgegliedert haben. Abbildung 9: deutsche Regelzonen Strom seit 2004 71 Für die Belieferung von Kunden in einem Übertragungsnetz, ist das Vorhandensein eines eigenen Bilanzkreises erforderlich. Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 34 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 4.3.2 Energiepreisbildung Strom Die Preisbildung für Strom geschieht durch die beteiligten Akteure (EVU, Händler, Banken) auf den verschiedenen Märkten je nach Handelsperiode entweder individuell bilateral Over-the-Counter (OTC) oder standardisiert anonym an der Börse. In Abb. 10 sind die verschiedenen Märkte, Teilnehmer, Produkte und Charakteristika genannt, wobei zu bemerken ist, dass die richtweisende Preisinformation von den Börsen ausgeht, obwohl am OTC-Markt größere Mengen gehandelt werden. Die wesentliche Bedeutung für die strategische Energiebeschaffung und Energiemarktentwickung stellen somit neben den physischen Terminlieferungen (Forwards) die finanziellen Kontrakte bzw. Futures dar (siehe Abb. 11). Die in Abb. 11 ersichtlichen derivativen Produkte (Swaps, Optionen) dienen zumeist der Risikoabsicherung und sind wie die Beschaffungsstrategie bei der Gestaltung der Produktpolitik sowie deren Umsetzung in die Verkaufsprodukte einzubeziehen. Abbildung 10: Struktur des Strommarktes 72 Im Energie- und Rohstoffmarkt sind Standardprodukte (Plain-Vanilla) üblich. Exotische (strukturierte) Produkte existieren, sind jedoch nicht so ausgeprägt wie in anderen Bereichendes Finanzmarkts. Der Wert dieser (Termin)Geschäfte richtet sich nach den Markt- oder Börsenpreisen der zugrunde liegenden Basiswerte (sog. Underlyings). Neben dem Hedging der 71 Wind-Energie, 21.05.2009 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 35 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Risiken und der Reduktion der Kosten klassischer RisikomanagementSysteme, bieten die derivativen Instrumente auf Strombasis auch die Möglichkeiten der Arbitrage und Spekulation. 73 Abbildung 11: Kontrakte im Energie- und Rohstoffhandel 74 Zumeist werden jedoch Preis- und Absatzrisiken abgesichert, da die durch den Liberalisierungsprozess ausgelösten Wirkungen auf die Preisbildung sich gegenseitig verstärken, so dass die Preisvolatilitäten stark gestiegen sind. Die annualisierte Volatilität des Commodity-Underlying Strom und anderen Stromderivaten beträgt bis zu 800 %. 75 Somit sind die Wahl des geeigneten Absicherungsprodukts und die entsprechende Strategie notwendig um die gesetzten Ziele zu erreichen. Die Ziele der Planungssicherheit zukünftiger Rohstoffpreise, einer Preisfixierung bei steigenden Preisen ohne Belastung der Liquidität werden mit OTC-Swaps und OTC-Forwardprodukten, bzw. Swaps und Futures der Energiebörsen (EEX, ICE/IPE, TTF, Beispiel siehe Abb. 11 und Anhang 2-5) erreicht. Ziele die Preisobergrenzen zukünftiger Preise oder das Profitieren an sinkenden Preisen verfolgen, können mit Optionen erreicht werden. 72 Wallbaum, J. (2005), S. 7 vgl. Wallbaum, J. (2005), S. 52 74 vgl. BayernLB (2007) 75 vgl. Wallbaum, J. (2005), S. 11, 54 73 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 36 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 4.3.3 Stromverkaufspreis Für die Angebots und Preiskalkulation zum Verkauf eines Produkts mit Stromlieferung sind alle in Abb. 12 dargestellten Bestandteile zu prüfen und zu bewerten. Bestandteile Abhängigkeiten Umsatzsteuer gewerblich oder private Nutzung StromSteuer Befreiung, ermäßigter oder Regelsteuersatz EEG Konzessionsabgabe KWKG Netzentgelte Marge Energie Berechnungsmethodik Einwohner der Kommune (HT/NT), Sondervertrag, Leistung Gesamtverbrauch (bis/über 100.000 kWh/a) Netzebene, Arbeit, Leistung, Messung, Abrechnung, Benutzungsstunden, Verteilnetzbetreiber unternehmensspezifisch (Vorgaben, Prozesskosten,…) Gesamtverbrauch, Laststruktur, Prognose, Energiemarkt (Base-Peak-Aufteilung) Abbildung 12: Bestandteile und Abhängigkeiten für Verkaufspreise Strom 76 Erläuterung der Bestandteile zur Kalkulation eines Stromverkaufspreises: • Umsatzsteuer: derzeit 19 %, Darstellung und Berücksichtigung nur für Privatkunden • Stromsteuer: 77 Regelsteuersatz 2,05 ct/kWh, ermäßigt (produzierendes Gewerbe, Eigenbetrieb) 1,23 ct/kWh, Befreiung bei Zulassung nach § 5 EnWG und Sonderregelungen 76 77 eigene Darstellung vgl. StromStG (2008) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 37 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik • Juni 2009 EEG: abhängig von Einspeisequote, Durchschnittsvergütung (EnergieMix) und Berechnungsmethodik der vermiedenen Beschaffungskosten (§ 54 EEG), derzeitige Umlage durch SVU • Konzessionsabgabe: 78 abhängig von Tarifzeit und Einwohnerzahl der Kommune; für Hoch-Tarif: 1,59 ct/kWh bis 100.000 (z.B. Wolfenbüttel), 1,99 ct/kWh bis 500.000 (z.B. Braunschweig), 2,39 ct/kWh über 500.000 (z.B. Hamburg); Nieder-Tarif 0,61 ct/kWh • KWKG: 79 abhängig von Anlagenförderung, degressiv, Umlage durch den Verteilnetzbetreiber • Netzentgelte: Vorgabe des jeweiligen Verteilnetzbetreibers des Zählpunkts, kostenbasiert, anreizreguliert • Marge: abhängig von Fix- und Prozesskosten sowie Ertragserwartung des SVU • Energie: abhängig von Gesamtmenge, Laststruktur, Prognosegüte, Mengen-/Lastrisiko, Entwicklung des Energiemarkts und der BasePeak-Verteilung Aus der zuvor dargestellten Verkaufspreisermittlung für Strom ist somit festzustellen, dass für die Vertriebsorganisationen der SVU nur die „Energie“ und die „Marge“ zu beeinflussen ist, da die übrigen Bestandteile hoheitlich oder durch den jeweiligen Verteilnetzbetreiber vorgegeben sind. Damit gilt es für die Vertriebe die eigenen Fix- und Prozesskosten zu verbessern, wie auch die Strombeschaffung (Prozesse und Strategie) im Sinne der Produktpolitik zu optimieren. 4.3.4 Aktuelle Produkt-(Tarif-) Preisdarstellung Strom HuK-Segment, Privatkunden Wie Erdgas (siehe Abschnitt 4.2.4) Gewerbesegment Wie Erdgas (siehe Abschnitt 4.2.4) 78 79 vgl. KAV (2006) § 2 vgl. KWKG (2002) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 38 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Industrie- und Großkundensegment Bei Kunden mit einem Jahresverbrauch von eineigen Mio. kWh bis zu mehreren Mrd. kWh wird der Strompreis individuell verhandelt und auch die Beschaffungsstrategie spezifisch abgestimmt. Wichtigste Kriterien zur Entwicklung einer Strombeschaffungsstrategie: • Art der Beschaffung (komplett, Teilmengen/Tranchen, long/short) • Kaufzeitpunkt • Beschaffungszeitraum • Bewertung von Volatilität/Strompreisrisiko In den Abb. 13 und 14 ist ersichtlich, dass die Wirtschaftlichkeit der zukünftigen Strompreise eines Unternehmens entscheidend von der Beschaffungsstrategie abhängt. Die resultierenden Preise hängen demnach vom Kaufzeitpunkt und der Lieferperiode sowie der Verteilung der Risiken durch eine Tranchenbeschaffung ab. Aktuelle Produkte, die das Resultat der verschiedenen Produktpolitiken darstellen, sind im Anhang 1 (CLEVERGY, Greenpeace und E.ON) und 2 (Terminmarktbeschaffung) ersichtlich. Abbildung 13: Entwicklung Strom-Forwards 80 80 ZfK; 21.04.2009 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 39 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 130,00 120,00 110,00 Euro/MWh 100,00 2007 Base 10 2007 Peak 10 2008 Base 10 2008 Peak 10 2009 Base 10 2009 Peak 10 90,00 80,00 70,00 60,00 50,00 40,00 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Abbildung 14: Strompreisentwicklung EEX Phelix-Futures 2010 81 4.3.5 Zusammenfassung Marktmechanismen des Strommarkts Zusammenfassend ist festzustellen, dass der resultierende Preis für Strom abhängig ist von: • Der Verbrauchergruppe (HuK-, Gewerbe-, Industrie- und Großkundenbereich) • Den individuellen Spezifikationen (Technik, Anschlusssituation) • Den Abnahmezeitpunkten/Leistungsanforderungen (peaks, Kapazitäten) • Der geographischen Lage (Netzentgelte, Konzessionsabgaben) • Den Beschaffungs- und Prozesskosten des Lieferanten inklusive Margen • Der Vertragsgestaltung (ToP, Laufzeit, Wiederverhandlung, Fristen) • Der Preisbestimmung (Preissteigerung mit Basis, Marktpreis, Festpreis, Anbindung, Absicherung • Der Wettbewerbsintensität (andere Lieferanten im Markt) • Der Preiselastizität des Kunden (Eigenerzeugung) Im Unterschied zur Erdgaslieferung ist zu erklären, dass jeder potentielle Stromlieferant jeden Kunden mit Elektrizität beliefern kann, da der Elektrizitätsmarkt geprägt ist durch: Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 40 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik • Juni 2009 Das Vorhandensein von ausreichenden Kapazitäten in einem gut vernetzten System („Kupferplatte“). • Standardisierte Qualität (homogenes Produkt) • Elektrische Energie wird in vielen Kraftwerken von unterschiedlichsten Unternehmen erzeugt (auch dezentral und regenerativ). • Der kundenspezifische Strukturierungsaufwand ist durch entwickelte Handelsmöglichkeiten möglich. • Der Strombedarf ist neben der Abhängigkeit von der Wirtschaftsleistung auch „lichtabhängig“ und damit prognostizierbar. • 81 SVU individuelle Beschaffungsstrategien und Fix- und Prozesskosten eigene Darstellung auf Basis EEX-Settelments 01.01.2007 – 03.03.2009 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 41 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 5 Die Produktpolitik das Herz des Marketing In diesem Kapitel wird nach der Entwicklung des Marketing und dem ganzheitlichen Marketing-Prozess, der Marketing-Mix als operativer Ausdruck und Maßnahmen vorgestellt. Die marketingpolitischen Instrumente bzw. der Marketing-Mix (Kotler 2007) stellen sich als Kombination aus operativen Maßnahmen von Kommunikations-, Kontrahierungs-, Distributions- und Produktpolitik dar. Die Festlegung über den Einsatz und die Kombination mit anderen Instrumenten des Marketing-Mix ist erst nach Definition der Produktpolitik möglich, da die Produktpolitik für die Vermarktung der Produkte die herausragende Rolle einnimmt. Produkte werden einerseits wegen ihrer spezifischen Merkmale gekauft und andererseits können alle anderen Marketinginstrumente erst nach Zielsetzung der Produktpolitik festgelegt werden. 82 Somit wird die Produktpolitik im allgemeinen/weiteren Sinne und im speziellen/engeren Sinne mit den Spezifikationen der Energiewirtschaft als Bestandteil des operativen Marketings zum Ende dieses Kapitels verdeutlicht. Die Produktpolitik als zentraler Bestandteil des Marketing gibt damit die Ausrichtung für das wirtschaftliche und erfolgreiche Handeln eines Unternehmens vor. 5.1 Historie und Entwicklung des Marketing Unternehmen sind in ihrer Funktion als gesellschaftliche Institutionen in ein umgebendes Rahmensystem eingebunden (siehe Kapitel 4.1, Abb. 5). Das klassische Gewinnmaximierung. kommerzielle Es führt Marketing zu hat das Ziel der Verstärkungseffekten bei Rohstoffverknappung und Umweltbelastungen. Die Externalisierung der Kosten von Umweltbelastungen (Kernkraft, Luft, Wasser) bei herkömmlicher unternehmerischer Aktivität senkt somit die Anreize ressourcenschonende, energieeinsparende Produkte und Obsoleszenzstategien zu entwickeln sowie Zusatzaufwände zu senken. Eine Kostenexternalisierung vermindert 82 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 227 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 42 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 somit auch die Attraktivität von Änderungen der Verbrauchsgewohnheiten mit effizienten Handlungskonsequenzen wie z.B. Kostenbewusstsein, Energieeinsparungen oder nachhaltige Erzeugung. 83 Marketing ist die Unternehmensführung vom Markt her und hat sich seit den 60er Jahren zu einer Unternehmensphilosophie entwickelt. Die Fortschreitende Sensibilisierung der Konsumenten führte seit Beginn der siebziger Jahre zu einem humaneren Marketing, um das langfristige Überleben der Absatz- und Unternehmen nicht zu gefährden. Neben den klassischen Marketinggebieten der Beschaffungsmärkte, gewinnen die Marketingaktivitäten in gesellschaftlichen und ökologischen Bereichen an Bedeutung. 84 Seit Mitte der 80er Jahre reagieren die Unternehmen durch Modelle und Strategien marketingorientierter Unternehmensführung auf die Veränderungen der Rahmen-/ Marktbedingungen sowie den Wertewandel einzelner Personen und (Anspruchs-)Gruppen. 85 Aus diesem Grunde entwickelte sich in den achtziger Jahren das nicht kommerzielle Marketing oder auch Sozio-Marketing (Social Marketing), welches das Marketing aller Institutionen beinhaltet und nicht der Dominanz des Gewinnziels unterliegt. Eine wichtige Variante des Social Marketing stellt das ökologische Marketing (Ecological Marketing) dar, mit dem versucht wird Bürger/Konsumenten zu einem umweltbewussten Verhalten zu bewegen. 86 Im horizontalen Wettbewerb, bei Hersteller-Händler-Beziehungen, gewinnen die Basisstrategien auf den Handel (Marketing-Push) und auf die Konsumenten (Marketing-Pull) weiter an Bedeutung. 87 5.2 Der Marketing-Prozess Die Entwicklung des Marketings als ehemals reine Verkaufsförderung bis zu einer Unternehmensphilosophie der strategischen Unternehmensführung vom Markt her bindet somit das gesamte Unternehmen ein. Dieser in Abb. 15 dargestellte Markting-Prozess der Verknüpfung von Leitbilden, Zielen, 83 vgl. Raffée, H. (1979), S. 25 vgl. Raffee, H. (1979), S. 3 85 vgl. Meffert, H.; Kirchgeorg, M. (1993) 86 vgl. Raffée, H. (1979), S. 42 87 vgl. Meffert, H.; Kirchgeorg, M. (1993), S. 247 84 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 43 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Beschaffung, Produktion und operativem Marketing mit den umgebenden Rahmenbedingungen und Marktanforderungen ist die Folge. Vision Leitbild Unternehmenskultur interne Stärken/Schwächen Chancen erkennen, Stärken ausbauen und Stärken auf Chancen konzentrieren externe Chancen/Risiken Ziele Beschaffung „lernen“ Strategie(n) prüfen Produktion Marketing (operativ) erkennen Kontrolle Abbildung 15: Ganzheitlicher Marketing-Prozess 88 Da der zuvor dargestellte Marketing-Prozess für die unternehmerische Ausrichtung und Steuerung von zentraler Bedeutung ist, sind die einzelnen Bestandteile kurz erläutert. Leitbild / Vision Die Bedeutung eines umweltorientierten Leitbilds zählt aus Sicht der Unternehmensführung zu einer zentralen Rahmenbedingung, die die zukünftigen Entwicklungsperspektiven von Unternehmen entscheidend prägen. 89 88 89 Wicher, U. (WS 07/08) vgl. Ostmeier, H. (1990), S. 7 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 44 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Interne Stärken und Schwächen Folgende Faktoren ergeben sich aus der spezifischen Wettbewerbs- und Unternehmenssituation: 90 • Höhe der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (z.B. für die Entwicklung von neuen Produkte) • Flexible und aufgeschlossene Reaktion des Managements auf Marktanforderungen/-veränderungen • Leistungsprogramm (Produktportfolio) der Unternehmung • Technisches Know-how der Unternehmung Externe Chancen und Risiken Aus folgenden Faktoren ergeben sich Chancen und Risiken die Unternehmung: • Regulatorische und umweltpolitische Aktivitäten des Gesetzgebers (z.B. Verschärfung und Einführung von Gesetzen zu Emissionsschutz, Unbundling, CO2-Emissionsrechte zur Energieerzeugung) 91 • (Umwelt-)Bewusstsein der Öffentlichkeit (z.B. Presse, Demonstrationen, Konsumboykott) • (Umwelt-)Bewusstsein der Konsumenten/Abnehmer (z.B. Verhaltensund Einstellungsänderungen) • Aktivitäten der Konkurrenz (z.B. Einführung neuer, umweltfreundlicher Produkte) • Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung (z.B. Katalysator, Rauchgasentschwefelung bei Kraftwerken) 92 Ziele Marketingziele könnten wie folgt formuliert sein: 93 • Wahrnehmen von gesellschafts- und umweltpolitischer Verantwortung für die Lebensbedingungen künftiger Generationen • Rationelle Nutzung von Rohstoffen und Ressourcen 90 vgl. Meffert, H. (1988), S. 136, 137 vgl. EEG (2008), KWKG (2002) und BMU (2007) 92 vgl. Meffert, H. (1988), S. 136 93 vgl. Wiedmann, K.-P. (1988), S. 109 91 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 45 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik • Juni 2009 Entwicklung neuer Produkte und Lösungen auf neuen und relevanten Märkten Strategie(n) Marketingstrategien werden durch das Managements als langfristige Richtung der Geschäftstätigkeit gesetzt. Folgende zwei Basisstrategien sind zu unterscheiden: a) Defensive Strategie Das Unternehmen bezieht erst Maßnahmen in Planungsüberlegungen ein, wenn gesetzliche Anforderungen/Auflagen und weitere Gegebenheiten es verlangen. Durch sachliche Kommunikation wird versucht ein Imageverlust aufzufangen. b) Offensive innovative Strategie Spezifische Probleme/Anforderungen werden von vorne herein in Planungsüberlegungen berücksichtigt. Es wird agiert statt reagiert; eigene bestehende Produkte und Dienstleistungen werden beworben, neue Produkte werden entwickelt. 94 Beschaffung und Produktion Ein Unternehmen kann durch das Beschaffungswesen auf deren Zulieferfirmen einwirken und so über die Nutzung der vorhandenen Einkaufsmacht einen „Schneeballeffekt“ bewirken (Maketing-pull). Kontrolle Zur Steuerung, Planung, Erfolgsbestimmung und Prüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen ist die Einführung eines Controlling erforderlich. Das bestehende Controlling ist an die Anforderungen/Ziele und Kontrollinstrumente anzupassen. Eine besondere Bedeutung kommt den Frühaufklärungssystemen zu, damit latente Gefährdungen sowie Chancen rechtzeitig erkannt werden und bei der Gestaltung der Marketingkonzeption zu berücksichtigen. 95 94 95 vgl. Nussbaum, R. (1995), S. 194 ff. vgl. Meffert, H. (1988), S. 152,153 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 46 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 5.2.1 Marketing-Mix (operatives Marketing) Der optimale Marketing-Mix stellt sich als diejenige Kombination von operativen marketingpolitischen Instrumenten dar, durch die ein definiertes Ziel bestmöglich erreicht wird. Die relative Bedeutung der jeweiligen Instrumente und deren Kombination hängen vom Unternehmenstyp, vom Produkt und vom Käuferverhalten ab. Nach Kotler (2007) gliedert sich der Marketing-Mix in die vier „Ps“, die Instrumente Produkt, Promotion, Preis und Platzierung (siehe Abb. 16) mit ihren jeweiligen Merkmalen. Die einzelnen Bestandteile des Marketing-Mix sind allgemein wie folgt zu beschreiben, um anschließen die Produktpolitik im speziellen zu betrachten. Abbildung 16: Marketing-Mix 96 Wichtige exogene Faktoren der Produktpolitik bei technisch komplexen Erzeugnissen sind z.B. die Gebrauchstauglichkeit, die Sicherheit, die Wirtschaftlichkeit, die Zuverlässigkeit sowie die Umweltverträglichkeit. Ein im Wettbewerb erfolgreiches Produkt setzt die optimale oder nahezu optimale Kombination der genannten Faktoren, unter Berücksichtigung von Gesetzen, Vorgaben und anerkannten Regeln der Technik voraus. 97 Dabei beeinflussen Gesichtspunkte wie z.B. Energieverbrauch, direkt die Wirtschaftlichkeit und die Kommunikation, damit den gesamten Marketing-Mix (siehe Abb. 16). Anforderungen an einen allgemeinen Marketing-Mix könnten wie formuliert sein: 98 96 Kotler, Ph.; et al. (2007), S. vgl. Gadek, K. (1988), S. 192 98 vgl. Meffert, H. (1988), S. 147 97 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 47 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Produkt (Produktpolitik) • Differenzierung nach standardisierten und begrenzt individualisierten modularen Haushalts- (Massenkundengeschäft, und mass Kleingewerbeprodukten customization) und individuellen Lösungen für Industrie- und Großkunden (Individualgeschäft). • Ökonomische und ggf. ökologisch orientierte Produktdifferenzierung (siehe Anhang 1, Beispiel Greenpeace Energy) • Minimierung der durch die hergestellten Produkte induzierten Umweltbelastungen • Substitution knapper durch reichlich vorhandene Rohstoffe • Sicherstellung der kundenfreundlichen Produktnutzung durch Kundendienst und After Sales-Sevice • Herstellung effizienterer, rohstoffschonender und recycelbarer Produkte Die Produktpolitik, die darauf abzielt, die Käuferbedürfnisse dauerhaft zu befriedigen ist das „Herz des kundenorientierten Marketing“. 99 Preis (Kontrahierungs-/Preispolitik) • Ökonomische und ggf. ökologisch orientierte Preisdifferenzierung (siehe Anhang 1, Beispiel Clevergy) • Berücksichtigung der Ressourcenknappheit etwaigen Folgekosten in der Preiskalkulation • Mischkalkulation, Preisdifferenzierungen zugunsten innovativer oder umweltfreundlicher Produkte Die Preispolitik für Produkte bewegt sich im Spannungsfeld zwischen kostennachfrage-, und konkurrenzorientierter Preisfindung. Auch bei höheren Preisen für ökologische Produkte ist die Preiselastizität des angesprochenen Kundensegments ausschlaggebend. 100 Die daraus resultierenden Kosten müssen über höhere Preise an die Konsumenten weitergegeben werden. 101 Promotion (Kommunikationspolitik) • Marken- und produktbezogene PR-Aktionen • Steigerung der Bekanntheit gesellschaftspolitischer Problemstellungen 99 vgl. Meffert, H.; Kirchgeorg, M. (1993), S. 210 und Nussbaum, R. (1995), S. 198 vgl. Nussbaum, R. (1995), S. 200 101 vgl. Kotler, Ph., et al. (2007), S. 238 100 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 48 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 • Informationen über innovative Produkte und Verfahren • Produktgerichtete Verkaufsförderung (z.B. Aktion Waldgroschen) • Informationen über gesellschaftspolitischer Wirkungen des Leistungsprogramms Mit einer geeigneten Kommunikationspolitik sollen Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen von Unternehmensleistungen Kunden beeinflusst gegenüber werden. den Eine spezifischen kundenbewusste Öffentlichkeitsarbeit, mit Ziel des Dialogs mit dem Kunden, dient zur Stärkung des Wertevertrauens der Kunden und dem Aufbau eines Images mit innovativer, sozialer und ökologischer Kompetenz. 102 Plazierung (Distributionspolitik) • Gewährleistung der vorgegebenen Prozesssicherheit zur Lieferung der Produkte (Leitungsgebundenheit, GeLi, GABi 103 ) • Aufbau einer effektiven und effizienten Absatzorganisation • Vermeidung imageschädlicher Wirkungen durch absatzorganisatorische Maßnahmen Die Distribution bezieht sich generell auf alle Entscheidungen und Handlungen, die im Zusammenhang mit dem Weg eines Produkts zum/vom Kunden stehen. 104 Durch eine stetige Auswertung von Verkaufzahlen und anderen Informationen erhält der Anbieter, wie in Abb. 17 ersichtlich, eine Rückkopplung über die Qualität der Bestandteile seines Marketing-Mix und deren Erfolg. Marketing-Mix Anbieter Produktpolitik Kontrahierungspolitik Distributionspolitik Kommunikationspolitik Zielmarkt Zielgruppen Zielpersonen Feedback - Käufe - Informationen Abbildung 17: Wirkung des Marketing-Mix 105 102 vgl. Nussbaum, R. (1995), S. 202 vgl. BNA, 23.05.2009 104 vgl. Nussbaum, R. (1995), S. 201 103 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 49 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 5.3 Produktpolitik und Planungsprozess Die Produktpolitik beschäftigt sich neben der Suche und Entwicklung, auch mit der Gestaltung, der von einem Unternehmen auf dem Markt angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Der Gesamtbereich der Produktpolitik lässt sich nach Abb. 18 in folgende Bereiche mit weiteren Merkmalen/Bestandteilen gliedern: • Produktpolitik in engeren Sinne • Programm- und Sortimentspolitik (Produktpotfolio) • Kundendienst (Servicepolitik) • Garantieleistungspolitik Abbildung 18: Bereiche der Produktpolitik 106 Zur Bestimmung und Festlegung der Produktpolitik und der Maßnahmen empfiehlt sich das systematische Vorgehen nach dem in Abb. 19 dargestellten produktpolitischen Planungsprozess. Der Ausgangspunkt zur Festlegung der Produktpolitik, ist die Integration und der Abgleich mit dem strategischen Marketing-Mix. Beginnend mit der Analyse des eigenen Leistungsprogramms, welche die Analysen der Programm- und Kundenstrukturstruktur mit der Auswertung der Umsätze der Kunden des jeweiligen Produkts einschließt, erfolgt die Definition 105 der Ziele der Produktpolitik. Eine Produktstrategie mit Weis, H. C. (2007), S. 82 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 50 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 nachfolgender Budgetierung ist zu erarbeiten. Die folgenden Schritte dienen der Festlegung der operativen produktpolitischen Maßnahmen. Der Erfolg der Umsetzung der produktpolitischen Maßnahmen wird abschließend kontrolliert. 107 Abbildung 19: Planungsprozess der Produktpolitik 108 5.3.1 Produktpolitik im engeren Sinne Im Rahmen der produktpolitischen Maßnahmen sind stets grundlegende Entscheidungen zu Marktchancen im Hinblick auf folgende Möglichkeiten zu treffen: • Produktinnovation: Aufnahme eines echten neuen Produkts (Produktinnovation) oder eines in ähnlicher Weise auf dem Markt schon vorhandenen Produktes (Mee-too-Produkt) in das Angebotspotfolio. Dabei sind die Marktchancen und Risiken echter Innovationen höher, als bei Me-too-Produkten oder quasi-neuen Produkten (Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts). • Produktdifferenzierung: Neben dem Basisprodukt werden leicht bis mittel modifizierte Produkte des Basisprodukts angeboten. 106 Weis, H. C. (2007), S. 227 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 227 und Bruhn, M. (2007), S. 126-131 108 Bruhn, M. (2007), S.127 107 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 51 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik • Juni 2009 Produktvariation: Anpassung bereits auf einem Markt eingeführter Produkte an Bedürfnisse der Nachfragenden (Ästhetik, Funktion, Technik usw.) bei unveränderter Produktanzahl. • Produktelimination: Aufgabe nicht mehr erfolgreicher Produkte und Elimination aus Angebotspotfolio. 109 Ausgehend von der zentralen Rolle, da der Verkauf eines Produktes maßgeblich Gewinn und Umsatz beeinflusst, wird die Produktpolitik mit ihren Merkmalen, häufig als Kern oder Herz des Marketings (siehe Abb. 21) bezeichnet. Somit müssen die Ziele für die Produktpolitik aus den Marketingzielen abgeleitet werden und die so entstandenen Produkte müssen die Basis jeder Marketingkonzeption sein. Die Art der jeweiligen Produktpolitik und deren Ausgestaltung hat unterschiedlichen Einfluss auf verschiedene Merkmale des Marketing-Mix, da ein Produkt eine Leistung eines Anbieters ist, die er erbringt, um die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden zu befriedigen. 110 Der Gesamtnutzen des von Kunden wahrgenommenen Produkts besteht neben dem Grundnutzen und Produktkerns aus den Zusatznutzen/Kaufmotiven des Produkts, die in Maßnahmen des MarketingMix eingebettet sind (siehe Abb. 20 in Verbindung mit Abb. 21). Abbildung 20: Produktnutzen 111 Abbildung 21: Wirkung des Produkts 112 109 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 228, 229 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 229, 230 111 Weis, H. C. (2007), S. 231 112 Weis, H. C. (2007), S. 231 110 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 52 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Die vielfältigen Auswirkungen der Juni 2009 Produktpolitik, die das gesamte Leistungsspektrum des Unternehmens beim Kunden darstellen, sind in Abb. 22 ersichtlich. Damit wird deutlich, dass bei dem in Abb. 19 dargestellten Planungsprozess alle produktpolitischen Instrumente und deren Einflussfaktoren vorab überprüft und nach Produkteinführung die Wirkungen beim Kunden aufgezeigt werden müssen. Abbildung 22: Auswirkungen der Produktpolitik 113 Die Aufgaben die sich aus der Umsetzung der produktpolitischen Maßnahmen ergeben lassen sich folgenden Aufgabenbereichen zuordnen: • Suche nach Produktinnovationen und neuen Produktideen • Entwicklung neuer und neuartiger Produkte • Planung und Umsetzung der Markteinführung für neue Produkte • Darstellung und Gestaltung von Produkten • Änderungen und Marktanpassungen der Produktbestandteile • Variation und Differenzierung von Produkten • Elimination von Produkten • Überwachung von am Markt eingeführten Produkten Die ersten drei dargestellten Aufgaben der Produktpolitik (Such, Entwicklung, Markteinführung) entstehen überwiegend bei einer Neueinführung von Produkten am Markt und sind vor und zu Beginn eines Produktlebenszyklus 113 Weis, H. C. (2007), S. 230 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 53 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 wahrzunehmen. Die übrigen Aufgaben sind jederzeit und fortwährend im Lebenszyklus eines Produktes wahrzunehmen und zu prüfen. Der in Abb. 23 ersichtliche Produktlebenszyklus beschreibt in einem Phasenmodell den „Lebensweg“ eines Produkts über die Zeit mit den jeweiligen Umsätzen, Umsatzzuwächsen und Gewinnen in den Phasen. Ziel der produktpolitischen Maßnahmen muss es sein, die Einführungsphase mit negativen Gewinnen möglichst schnell zu verlassen und das Produkt möglichst lange in den „Gewinnphasen“ (Wachstum, Reife, Sättigung) zu halten. In der Phase des Rückgangs wird es ggf. vom Markt zu eliminiert. Abbildung 23: Produktlebenszyklus in fünf Phasen 114 5.3.2 Programm- und Sortimentspolitik (Verkaufsportfolio) Jedes Unternehmen wählt ein oder mehrere Produkte aus, die es auf dem Markt anbieten will. Die Gesamtheit der angebotenen Produkte eines Industrieunternehmens bezeichnet man als Verkaufsprogramm. Mit der Programmpolitik wird das Verkaufsprogramm festgelegt. 114 Weis, H. C. (2007), S. 234 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 54 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Die Gesamtheit der angebotenen Produkte eines Handelsunternehmens bezeichnet man als Sortiment, welches mit der Sortimentspolitik festgelegt wird. EVU in ihrer Eigenschaft als Industrie-(Erzeugungs-)unternehmen und Händler vereinen die Gestaltungsprinzipien und Politiken, so dass im Weiteren der Begriff des Verkaufsportfolios verwendet wird. 5.3.3 Kundendienstpolitik (Dienstleistungen, Service) Beim Kundendienst (Service) handelt es sich um eine Dienstleistung, die neben dem Hauptprodukt den Kunden angeboten wird. Diese Dienstleistung tritt demnach nur in Verbindung mit der Ware oder Lösung auf, damit das gesamte komplexe Gebilde des Produkts beim Kunden seinen vollen Nutzen entwickeln kann. Die steigende Bedeutung des Kundendienstes beruht auf folgenden Ursachen: • Zunehmender Wettbewerb auf zunehmend gesättigten Märkten • Profilierung und Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch Dienstleistungen • Zunehmendem Wunsch der Kunden nach Problemlösungen • Stetig komplexere und kompliziertere Produkte • Steigender Wettbewerb zwischen gleichartigen Massengütern und das daraus resultierende Differenzierungsstreben der Anbieter (z.B. Energiewirtschaft) • Vermeidung von kognitiver Dissonanz (Kaufreue) Generell lassen sich die Kundendienstleistungen in technische und kaufmännische Dienstleistungen gliedern. Die technischen dienen der Installation, Problemlösung, Funktionserfüllung, Informationsgewinnung und dem Produktabsatz; die kaufmännischen Dienstleistungen dienen als spezifische Extraleistungen, Beratungen und Erleichterungen für den Kunden, um ihm den Erwerb des Produkts zu erleichtern oder einen Zusatznutzen zu generieren. 115 Der Servicedienstleistung und Beratung in allen Verkaufsphasen (vor, während und nach dem Kauf) kommt eine besondere Bedeutung zu, da die Interaktion mit den Kunden, sowohl wichtige Informationen zur Verbesserung 115 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 304, 305 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 55 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 der Produktgestaltung, als auch zum Vermeiden der kognitiven Dissonanz (Kaufreue) beiträgt. 5.3.4 Garantieleistungspolitik (Sicherheit) Produkte lassen sich besser verkaufen, wenn der Anbieter sich verpflichtet für den Erfolg seiner Ware einzustehen bzw. das Risiko für einen etwaigen Schaden zu tragen. Der Verkäufer (Garant) übernimmt die Verpflichtung, dass der Käufer für die Garantiezeit bestimmt Leistungen in Anspruch nehmen kann. Dieser Sicherheitsaspekt (Kaufmotiv) der Garantiepolitik eignet sich besonders bei Einführungen von neuen Produkten, zum Abbau von Kaufzurückhaltungen und zur Imageverbesserung von Produkt oder Marke. 116 Nach dem Kauf sind ein professionelles Beschwerdemanagement und die unverzügliche Reklamationsbearbeitung von strategischer Bedeutung, um eine langfristige Kundenzufriedenheit zu erreichen. 5.4 Zusammenfassung Produktpolitik Unternehmen sind in ihrer Funktion als gesellschaftliche Institutionen in ein umgebendes Rahmensystem eingebunden, so dass der ganzheitliche Marketing-Prozess mit dem operativen Marketing-Mix entscheidende Relevanz hat. Die Produktpolitik, die darauf abzielt, die Käuferbedürfnisse dauerhaft zu befriedigen ist zentraler Bestandteil des Marketing-Mix und somit das „Herz des kundenorientierten Marketing“. 117 Damit kommt der Gestaltung der Produktpolitik die entscheidende Rolle für die dauerhaft erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit eines Unternehmens zu. Ziel ist es, das Produktpotfolio und die wirtschaftlichen und kundenspezifischen Produkte anzubieten, die unter den gegebenen (ggf. zukünftigen) Rahmenbedingungen und Marktmechanismen die Kundenbedürfnisse befriedigen und dem Unternehmen den Erfolg sichern. Dieses Ziel wird im Abgleich des gesamten Marketing-Mix in einem strategischen Planungsprozess mit produktpolitischen Instrumenten umgesetzt und stetig kontrolliert. 116 117 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 305, 306 vgl. Meffert, H.; Kirchgeorg, M. (1993), S. 210 und Nussbaum, R. (1995), S. 198 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 56 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Bei der Betrachtung und Bewertung der Produkte und des Produktportfolios, ist der jeweilige Produktlebenszyklus bezüglich Produktdifferenzierung oder – variation und –elemination zu beachten. Der Gesamtnutzen für den Konsumenten setzt sich aus dem Grund- und Zusatznutzen zusammen. In der Produktpolitik sind neben der Produkt- und Portfoliogestaltung, die Instrumente der Service- und Garantieleistungspolitik besonders wichtig. Unverzügliche After Sales-Services und professionelles Beschwerdemanagement i.V.m. einem CRM-System sind Schlüsselfaktoren, um kundenindividuell, neben der erwarteten Leistung auch Begeisterung für das Gesamtprodukt und langfristige Kundenzufriedenheit zu erreichen. Das Risiko der kognitiven Dissonanz (Kaufreue) bei den Kunden, wird durch diese Maßnahmen der Service- und Garantieleistungspolitik entscheidend reduziert. Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 57 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 6 Produktpolitik und Produkte in der Energiewirtschaft Das Marketing als integrierender verknüpfender Prozess nimmt in EVU eine Schlüsselrolle ein, um sich auf aktuelle und zukünftige Marktanforderungen sowie Rahmenbedingungen auszurichten. Im Folgenden liegt der Focus auf dem zentralen Bestandteil des operativen Marketing-Mix, der Produktpolitik. Die Ausgestaltung der Produktpolitik für SVU und GVU muss den besonderen Charakteristika der Produkte Strom und Gas sowie der Branche Rechnung tragen. Die relevanten Charakteristika sind im Wesentlichen wie folgt: • Produkthomogenität, so dass eine Differenzierung über das Kernprodukt (Commodity) gegenüber Wettbewerbern nicht möglich ist. • Leitungsgebundenheit, so dass die Distribution von Strom und Gas immer über Leitungen erfolgt und damit eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb bei der physischen Distribution ebenfalls nicht möglich ist. • Nicht-Lagerbarkeit von Strom, so dass eine Produktion auf Vorrat nicht möglich ist und Produktion, Distribution und Verbrauch uno acto erfolgen müssen. • Mittelbare Nutzenstiftung, da das Produkt selbst keinen direkten Kundennutzen stiftet. Der Kundennutzen entsteht immer nur in Verbindung mit einem Gerät, einer Anlage oder Leuchte etc. Aufgrund dieser Charakteristika scheinen zwei Parameter des Marketing-Mix weitgehend determiniert und nicht veränderbar, da das Kernprodukt immer Strom bzw. Gas ist und die Distribution (Übertragung und Verteilung) auf bestehende Leitungen beschränkt ist. 118 Die im Wettbewerb befindlichen Wertschöpfungsstufen für diese „homogenen“ Produkte sind somit die Erzeugung und der Vertrieb/Handel. In der Energiewirtschaft sind grundsätzlich zwei Bereiche (Technik und Vertrieb) voneinander zu trennen. Der technische Bereich der Netzwirtschaft, der die technische Infrastruktur verantwortet, bildet durch das Eigentum an Leitungen, Anlagen und Netzen ein natürliches Monopol, welches der 118 vgl. Laker, M. (2001),S. 101, 102 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 58 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Regulierung durch die Bundesnetzagentur (BNA) unterliegt. Der Netzbereich ist damit nicht Bestandteil der Betrachtung. In diesem Kapitel werden die jeweiligen Produkte und die zu Grunde liegenden Produktpolitiken in der vertrieblichen Energiewirtschaft dargestellt. Die Betrachtung verschiedenen Produktbestandteile in Abhängigkeit vom Kundenklientel, welches durch ein Produkte angesprochen wird, ist dabei von zentraler Bedeutung. 6.1 Produktpolitiken in der Energiewirtschaft Bei der Ausrichtung und Gestaltung der übergreifenden Produktpolitiken der EVU ist generell eine Marktsegmentierung nach dem Kundenklientel festzustellen. Je Produktpolitiken nach Segment/Kundenklientel (Produktgestaltung, werden Marken-, differenzierte Namenspolitk, Produktportfolien, Garantieleistungen und Kundendienst) gebildet. Die Segmentierung der Kunden erfolgt nach: • relevanten Kundenbedürfnissen • Leistungstiefe und –breite der EVU • Einstellungen und Verhaltensweisen der Kunden • rechtlichen Rahmenbedingungen (private oder gewerbliche Nutzung) • versorgungstechnischen Rahmenbedingungen (mit/ohne Leistungsmessung und Versorgungsebene/-spannung) • Kundenbewertungsmodellen der EVU (Umsätze, Deckungsbeiträge, Risiken, Marketingkosten, Entwicklungsmöglichkeiten, etc.) 119 Die Analysen zur Kundenbewertung können eindimensional (z.B. ABC, Customer-Lifetime-Value oder Kundenzufriedenheit) oder mehrdimensional (z.B. Scoring, Portfolio oder kombinierte Modelle) sein. Das Ergebnis ist die kundengruppenspezifische Segmentierung nach HuK, Gewerbekunden und Industrie- und Großkunden. Das Ziel der Kundensegmentierung ist die spezifische Ansprache der Kunden(gruppen) durch die produktpolitischen Maßnahmen aufgrund der Bedürfnisse und der Intensität der Aktivitäten. 120 119 120 vgl. Latkovic, K. (2000), S. 237, 238 vgl. Latkovic, K. (2000), S. 238 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 59 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Das Segment der überwiegend Juni 2009 privaten HuK-Kunden ist dem Massenkundengeschäft und die Segmente der Gewerbe und Industrie- und Großkunden dem Individualgeschäft zuzurechnen. Industrie- und Großkunden stellen für die EVU Schlüsselkunden dar, die sich durch individuelle Leistungskriterien und Produktnutzen deutlich von den anderen Kundengruppen unterscheiden. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, findet zumeist eine lösungsorientierte persönliche Betreuung durch KeyAccount-Manager statt. Damit ist das Produktportfolio des jeweiligen Segments nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden, sonder auch aufgrund der Art der Betreuung unterschiedlich ausgestaltet. Im Massengeschäft des HuK-Segments (z.T. auch im Gewerbekundensegment) werden die Kunden mit standardisierten Produkten und allgemeinen Informationen Online, per Post oder am Telefon betreut. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen „Tarifen“ der Grundversorgung, sind feststehende Produkte Wahlmöglichkeiten oder (Mass auch Produkte Costumization) bekannt. mit Die vorgegebenen strategische Ausrichtung der Produktpolitik ist dabei für die Gestaltung und Ausprägung der Produktbestandteile sowie für die Positionierung von besonderer Bedeutung 121 . Bei der Positionierung stellen neue Anbieter (Angreifer) die Wirtschaftlichkeit, durch geringe Preise oder innovative Preisstellungen und ein neues Image/Marke (siehe Anhang 6, Badenova) bei hoher Flexibilität (z.B. kurze Vertragsbindung) heraus. Die etablierten Anbieter (Verteidiger) setzen bei der Positionierung der Produktbestandteile auf Präsenz und Sicherheit/Verfügbarkeit, auf Regional/Lokalbezug und auf Dienstleistungen. 122 Die Möglichkeit der aggressiven Preisstrategie zur Verdrängung der Wettbewerber, ist den etablierten EVUs aufgrund ihrer marktbeherrschenden lokalen/regionalen Stellung aus kartellrechtlichen Gründen nicht gegeben. Im Individualgeschäft der Industrie- und Großkunden (selten im Gewerbekundensegment) kommt der Ausgestaltung der Produktpolitik die 121 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 42 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 60 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 bedeutsame Rolle der zielorientierten Systemlösung mit individueller Gestaltung des Gesamtprodukts zu. 123 Dabei werden alle Möglichkeiten der Leistungstiefe- und breite für die Produktdifferenzierung genutzt, die dem EVU zu Verfügung stehen, um dadurch das Kundenbedürfnis der wirtschaftlichen Systemlösung zu befriedigen. 6.2 Leistungskriterien und Produktnutzen Für eine erfolgreiche Umsetzung der produktpolitischen Maßnahmen im homogenen Strommarkt (z.T. auch Gasmarkt) ist es wesentlich, die für den Konsumenten relevanten und nutzenstiftenden Eigenschaften sowie funktionale, psychologische oder soziale Zusatzangebote zu identifizieren. In das Gesamtprodukt sind dazu die Bestandteile/Argumente zu implementieren und dann zu kommunizieren. Eine Möglichkeit zur Identifikation der Kaufmotive ist die Means-End-Theorie. Sie dient zur Identifikation und Erfassung der verhaltensprägenden Kräfte in einer subjektiven Produktbeurteilung durch die Konsumenten und gliedert sich in drei Ebenen. Dabei werden die funktionalen und abstrakten Eigenschaften eines Produkts ermittelt (erste Ebene) und daraus der funktionale sachliche Nutzen mit den sozialen, psychischen Konsequenzen (Kaufmotive) generiert (zweite Ebene). In der dritten Ebene werden die aus den Eigenschaften abgeleiteten (Nutzen-)Kaufmotive mit Werten belegt. Werte oder emotionale Leistungskriterien sind z.B. soziale Anerkennung, Verantwortung, Frieden, Sympathie und Erfolg. Selbstachtung, Selbstbewusstsein, Harmonie, 124 Die für den Kunden nutzenstiftenden sachlichen Bestandteile eines Produkts entsprechen somit den Kaufmotiven (siehe Abb. 24, 23 und 26). Die emotionalen Leistungskriterien sind eng mit der Beziehungsqualität (Betreuung, Sympathie, Anerkennung) verbunden. Denn aufgrund der fehlenden Differenzierungsmöglichkeit der Menschen zwischen sach- und gefühlsorientierten Entscheidungskriterien, ist das Image des EVU und die persönliche Betreuung durch einen „Verkäufer“, neben den sachlichen 122 123 vgl. Laker, M. (2001), S. 105-111 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 42 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 61 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Kriterien, Bestandteil des Gesamtprodukts (siehe Abb. 24). 125 Somit handelt es sich bei den in Abb. 26 ersichtlichen Produktbestandteilen „Image“ und „Beratung“ auch um Kaufmotive. Abbildung 24: gemeinsame Wirkung von sachlichen und emotionalen Leistungskriterien 126 Der Vertrieb als Produktbestandteil, der zusätzlich zum Grundnutzen des Produkts einen Zusatznutzen vermittelt und eine belastbare Beziehungsqualität und Kundenzufriedenheit aufbaut, ist in Abb. 25 dargestellt. Abbildung 25: verschiedene Dimensionen der Produktleistung 127 Da die Beziehungsqualität entscheidend von den Kenntnissen und Fähigkeiten des „Verkäufers“ abhängt, um sich auf den jeweiligen Kunden 124 vgl. Schikarski, A. (2005), S. 20, 28-31 Vgl. Dannenberg, H. (2001), S. 78-80 126 Dannenberg, H. (2001), S. 79 125 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 62 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 einzustellen, werden Key-Account-Manager eingesetzt. Die Key-AccountManager verfügen neben einer ausgeprägten soziale Kompetenz, auch über spezielle Kenntnisse im Geschäftsfeld des Kunden. Sie bilden bei der Produktgestaltung, durch diese Fähigkeiten maßgeschneiderte Lösungen als Produktbestandteil. Der Zusammenhang der einzelnen Nutzenkomponenten ist nachfolgend am Beispiel von aktuellen Produkten der Energiewirtschaft in den verschiedenen Kundensegmenten erläutert. Dabei ist das Gesamtprodukt, welches ein Kunde wählt, die Kombination der Bestandteile/Kaufmotive, die seine Bedürfnisse am besten befriedigen. Die Lieferung von Energie (Commodity) ist als Basis immer vorhanden Das Vorhandensein und die Ausprägung der Bestandteile variieren. 6.3 Aktuelle Produkte der Energiewirtschaft Generell gelten die Bestandteile und Kaufmotive (siehe Abb. 26) eines Produkts für alle Kunden, werden jedoch in ihrer Ausprägung und Bewertung für eine Kaufentscheidung je nach Klientel sehr unterschiedlich wahrgenommen. Produkt Qualität/ Nachhaltigkeit Preis/Wirtschaftlichkeit Service/ Bequemlichkeit Beratung/ Regionalität Energie (Commodity) Sicherheit/ Verfügbarkeit (Fremd-)Dienstleistungen Darstellung/ Präsenz Marke/ Image Sortimentsbreite/-tiefe Abbildung 26: Produktbestandteile und Kaufmotive 128 127 128 Dannenberg, H. (2001), S. 80 eigene Darstellung Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 63 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Aus diesem Grunde ist eine Differenzierung in standardisierte Haushalts- und Kleingewerbeprodukte (Massenkundengeschäft) und individuellen Lösungen für Industrie- und Großkunden (Individualgeschäft) in Abhängigkeit der Strategie (Energielieferant oder Energiedienstleister) festzustellen. Die Produkte für das Gewerbekundensegment sind zumeist durch Produktdifferenzierung aus Standardprodukten entstanden und auf das jeweilige Gewerbe angepasst. 6.3.1 Kaufmotive im privaten HuK-Segment Das Kaufmotiv der Sicherheit und Verfügbarkeit steht für das private Kundenklientel im HuK-Bereich. Bedürfnispyramide von Zu Maslow 129 , erklären da ist dies hierarchisch nach höher der gelagerte Bedürfnisse/Motive erst dann an Bedeutung gewinnen, wenn die hierarchisch tiefer gelegenen Bedürfnisse/Motive des Menschen ausreichend befriedigt sind. 130 Im privaten HuK-Bereich muss somit erst das Bedürfnis/Motiv der Sicherheit befriedigt sein, ehe den Motiven Beratung/Regionalität, Marke/Image und Qualität (Ökosegment) Beachtung geschenkt wird. Viele von privaten Konsumenten geäußerte Assoziationen zur Deregulierung der Energiemärkte verdeutlichen Wechselmodalitäten die und endogenen Wechselfolgen) (kundenbezogene und exogenen (Marktentwicklungen) Unsicherheiten. 131 Hieraus und aus dem Ziel der Kundenzufriedenheit, sind die großen produktpolitischen Anstrengungen der EVU in der Servicepolitik sowie Leistungs- und Garantiepolitik als zentrale Produktbestandteile Beratung und Service (siehe Abb. 26) zu erklären. Eine Steigerung der Kundenzufriedenheit wird z.B. durch konsequentes und professionelles Reklamations- und Beschwerdemanagement sowie durch zusätzliche den Kunden begeisternde Leistungen erreicht. Insgesamt sind die Motive, die einen HuK-Kunden zu einem Vertragsabschluss bewegen vielfältig und mehrschichtig. Neben einem oder zwei Hauptmotiven werden diese von anderen z.T. wechselnden Beweggründen überlagert. Die Motive nach Abb. 26 sind im Einzelnen: 129 130 vgl. Maslow, (1970), Bedürfnispyramide vgl. Schikarski, A. (2005), S. 89, 90 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 64 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Motiv Marke/Image: Sowohl kommunikations- als auch produktpolitisch wird das Motiv der Marke und des Images durch verstärkte Emotionalisierung geprägt. Zum Einsatz in Werbeauftritten kommen Familien (siehe Abb. 27), Comicfiguren, Testimonials oder bekannte Persönlichkeiten als Multiplikatoren (z.B. Arnold Schwarzenegger, E.ON-Mix-Produkt). Die aggressiven Werbeauftritte für „Yello-Strom“ oder die politisch provokanten Aussagen gegen Atommüll unter der Marke „Greenpeace Energy“ emotionalisieren und prägen einen Markennamen und ein Image. 132 Zur Darstellung des ausgeprägten Unternehmensimages trägt auch die Veranschaulichung der Leitlinien und der sozialen Verantwortung bei (z.B. RWE 133 ). Das Motiv Marke/Image spielt im Markt des homogenen Produkts Strom (z.T. auch Gas) eine zentrale Rolle, da insbesondere die Marke ein Mittel zur Differenzierung zum Wettbewerb darstellt. Ein Beispiel für die Übertragung/Koppelung mit dem Image und der Werte auf ein Stromprodukt ist in Abb. 28 mit dem „ersten grün-weißen Strom“ (SV Werder Bremen) von der EWE ersichtlich. Abbildung 27: Wertemotiv Image 134 Abbildung 28: Wertemotiv Marke 135 Motiv Qualität und Nachhaltigkeit: Das Strom und z.T. auch Erdgas als homogene Produkte bezeichnet werden können, führt lediglich die Qualität der Erzeugung/Produktion zu Differenzierungsmöglichkeiten (siehe Abb. 29). Strom der aus regenerativen Energien (Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie) erzeugt ist wird von Anbietern wie u.a. Greenpeace oder CLEVERGY (siehe Anhang 1) 131 vgl. Schikarski, A. (2005), S. 110 vgl. Schikarski, A. (2005), S. 17 133 RWE, 05.06.2009 134 E.ON Avacon, 23.05.2009 135 EWE, 23.05.2009 132 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 65 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 vertrieben. Diese mehr oder weniger nachhaltigen (mit/ohne zusätzliche Förderung, siehe Abb. 30) Ökoprodukte werden durch das EEG subventioniert und sprechen das ökologisch motivierte Kundenklientel an (siehe auch Anhang 6, Citiworks und Düsseldorf). Dieses gilt auch für Produkte mit einem garantierten Anteil an effizient erzeugtem KWK-Strom. Das derzeit noch begrenzte Angebot von Anbietern mit Biogasprodukten, wird sich nach eigener Meinung in den nächsten Jahren erhöhen, nachdem technische Hindernisse (Gasaufbereitung) gelöst und rechtliche Rahmenbedingungen (Biogasumlage) geklärt sind. Abbildung 29: Imagemotiv Qualität 136 Abbildung 30: Wertemotiv Nachhaltigkeit 137 Motiv Service und Bequemlichkeit: Als ein ideales Beispiel für Service und Bequemlichkeit sind die Produkte von „e-wie-einfach“ zu nennen, da es jeweils nur ein Strom- und Gasprodukt gibt welches in der Kaufabwicklung für den Kunden simpel und bequem umzusetzen ist. Keine Produktvielfalt oder Wahlmöglichkeit verwirrt und der Ablauf bis zum Vertragsabschluss ist sowohl postalisch, per Fax, als auch Online leicht verständlich dargestellt. Ein weiteres Beispiel für das Motiv der Bequemlichkeit sind Multi UtilityAngebote, bei denen der Kunde verschiedene Energiearten, Wasser und Dienstleistungen (IT, Telefon, Finanzierungen) aus einer Hand erhält (siehe Abb. 31 in Verbindung mit Motiv Marke/Image durch bekannte Persönlichkeit). Oftmals werden solche Produkte von etablierten lokalen oder regionalen EVU, gekoppelt mit Preisnachlässen, angeboten. 136 137 E.ON Avacon, 23.05.2009 E.ON Avacon, 23.05.2009 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 66 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Motiv Beratung: Hier sind es besonders die lokalen Versorgungsunternehmen, die neben den Informationen auf Internetseiten, den persönlichen Kontakt im Kundenzentrum anbieten. Dazu werden neben den ständig vorhandenen Möglichkeiten auch Informationsveranstaltungen zu speziellen Themen und energienahen Dienstleistungen (Beleuchtung, regenerative Energien, Heizsysteme, Förderprogramme o.a.) durchgeführt. Motiv Dienstleistungen: Neben den, bei den Motiven Service/Bequemlichkeit und Beratung dargestellten Dienstleistungen zu Informations- und Know-how-transfer, sind technische Dienstleistungen ein bedeutender Aspekt für die Kaufentscheidung. Diese energienahen Dienstleistungen reichen vom Power-Line, über Smart-Metering, Energiecontrolling und Energie(daten)management bis zu Contracting (siehe Anhang 6, Stadtwerke Münster). Anbieter dieser lösungsorientierten Produkte sind wiederum häufig etablierte EVU sowie auf die jeweilige Dienstleistung spezialisierte Unternehmen (z.B. Contractoren), die die Energielieferung „nebenbei“ organisieren und durchführen. Motiv Darstellung/Präsenz: Häufig ist eine hohe Werbepräsenz bei einem niedrigen Informationsgehalt und starkem Aufforderungsappell festzustellen, um die Kaufbereitschaft eines Low-Involvement-Produktes Strom (z.T. auch Gas) zu stimulieren. Das Mittel der häufigen Wiederholung dient gemäß der klassischen Konditionierung zur Stimulation und gleichzeitig der Steigerung der Markenbekanntheit von neuen Anbietern. Auch die etablierten EVU setzen durch Sponsoringaktivitäten (Kultur: E.ON; Fussball: RWE, envia; Basketball: EWE, EnBW) auf stetige imagebildende Präsens. Motiv Sortimentsbreite/-tiefe Hier sind wieder die zuvor beschriebenen Produktansätze der Multi Utility in Kombination mit weiteren Dienstleistungen (IT, Telefon, Finanzierung, Optimierung) zu nennen. Dabei versuchen die EVU die zur Verfügung Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 67 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 stehenden Unternehmensbereiche in die Wertschöpfung in Breite und Tiefe einzubinden. EVU mit starker Ausprägung des Infrastrukturaufbaus in Leitungen und Netzen, bieten häufig Telekommunikationsdienstleistungen neben der Energielieferung mit an (z.B. EWE AG und EWE TEL). Andererseits können auch Telefonanbieter, durch die Kompetenz und Prozesssicherheit im Abrechnungsbereich (Billing) und Datenmanagement die Energielieferung übernehmen, wie z.B Teldafax in folgender Abb. 31. Abbildung 31: Produktinformation TelDaFax 138 Sicherheit/Verfügbarkeit: Für etablierte Anbieter steht das Halten des eigenen Kundenstammes unter wirtschaftlich tragfähigen Bedingungen im Vordergrund, so dass die Vorteile Sicherheit und Verfügbarkeit (lokale Nähe, kurze Wege, Kundenzentren) in den Abb. 32 und 33 herausgestellt werden. Abbildung 32: Wertemotiv Sicherheit 139 Abbildung 33: Wertemotiv Verfügbarkeit 140 138 TelDaFax, 23.05.2009 E.ON Avacon, 23.05.2009 140 E.ON Avacon, 23.05.2009 139 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 68 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Motiv Preis/Wirtschaftlichkeit: Es handelt sich um das wichtigste Motiv der meisten Neuanbieter und bei Markteinführung eines Produkts. Als Beispiel sei hier das preisaggressive Webeversprechen bei der Markteinführung der Marke „Yello“ mit dem Slogan „gelb, gut, günstig“ genannt, mit dem den Konsumenten die dauerhafte Preisführerschaft suggeriert wurde. Oftmals wird der Preis als entscheidendes Differnzierungskriterium für Strom (z.T. auch Gas) empfunden, da sinnliche Wahrnehmungsmerkmale fehlen. 141 Bei produktpolitischer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es sich bei den Produkten nicht um Innovationen, sondern um Produktdiffernzierungen über die Tarifstruktur handelt. Die Produkte differieren lediglich in der Preisstellung durch Grundgebühr und Arbeitspreis pro Kilowattstunde (kWh). Seit einigen Monaten werden modulare Produktvariationen angeboten, bei denen ein Basisprodukt an die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden angepasst werden kann. Ein Beispiel ist das aktuelle Produkt der Stadtwerke Hannover AG „enercity strom & option“ (siehe Abb. 34), bei dem der Basisstrompreis rabattiert wird für: Erteilen einer Einzugsermächtigung (2% Rabatt), Zählerselbstablesung (1%) und einer festen Vertragslaufzeit bei Preisgarantie von einem Jahr (1%) oder von zwei Jahren (2%). Eine weiteres Beispiel einer Produktvariation ist im Anhang 1, (CLEVERGY) ersichtlich. Abbildung 34: Produktvariation enercity strom & option 142 141 142 vgl. Schikarski, A. (2005), S. 11 enercity, 23.05.2009 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 69 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 6.3.2 Kaufmotive im Gewerbekundensegment Neben den für den privaten HuK-Bereich geltenden Kaufmotiven und Produktbestandteilen, sind für Gewerbekunden folgende Motive für ein Produkt/Vertragsabschluss entscheidend. Das Hauptmotiv ist die Wirtschaftlichkeit. Daneben sind die Motive der Beratung und Regionalität und die des Service und Bequemlichkeit (im Sinne von Verlässlichkeit), wie auch die Sortimentsbreite-/tiefe und Dienstleistungen entscheidend. Ein Gewerbekunde legt demnach Wert auf Wirtschaftlichkeit mit individueller Ansprache durch eine loyale verlässliche Person aus der Region (kurze Wege, eigenes Geschäftsumfeld), die seine Interessen berücksichtigt und für ihn Abläufe koordiniert. Beispiele aus der Energiewirtschaft hierfür sind branchenspezifische standardisierte Produkte, wie auch individuelle Lösungen zur Leistungsbreite-/tiefe gepaart mit Dienstleistungen. Energienahe Dienstleistungen wie Energieanalysen, Energie-Contolling oder das gesamte Energiemanagement sind im Rahmen der Wettbewerbsdifferenzierung grundlegend. Spezielle Branchenprodukte für Gewerbekunden sind z.B. wohnungs/nutzerweise Abrechnungsdiensteistungen für Wohnungsbaugesellschaften oder Finanzierungs-/Betriebsdienstleistungen (Contracting) für liquiditätssensible Unternehmen. Die Dienstleistungen und Möglichkeiten des Contractings reichen dabei von der reinen Betriebsführung der energietechnischen Anlagen über die Vergütung anhand verbindlicher Energieeinsparungen bis zu Finanzierungen der Anlagen. Vorteile der Vergabe an einen Contractor sind einerseits die Reduktion der Festkosten, da nur variable Kosten für die Energiebeschaffung anfallen und andererseits nur für den Nutzen (Licht, Wärme, Kälte, Druckluft) zu zahlen ist (ähnlich Pay-on-Produktion-Modelle in der Produktionswirtschaft). Ein bedeutender Aspekt ist auch die Wahrung der Liquidität des Gewerbeunternehmens (Contractingnehmers), da das Eigentum, somit das Anlagevermögen beim EVU (Contractinggeber) aktiviert wird und die Bilanz nicht belastet. Eine weitere Kombination aus den Motiven Wirtschaftlichkeit, Service, Marke und Dienstleistungen Filialisten (z.B. sind Bäckereien, Rahmenvereinbarungen/Bündelungen Bekleidungsshops, Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Optiker o.a.) für und Seite 70 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Interessengemeinschaften wie z.B. Mitgliedsunternehmen der DEHOGA, Kreishandwerkerschaften, Maschinenringe oder Berufsgenossenschaften. Für die größte Anzahl der Gewerbekunden treten die Kaufmotive Marke/Image und der Qualität in den Hintergrund. Diese sind nur für ein kleineres begrenztes Klientel innerhalb der gesamten Kundengruppe interessant, so dass von den meisten EVU lediglich nur ein standardisiertes Produkt mit Optionen angeboten wird. Insgesamt ist somit die Wirtschaftlichkeit des Produkts mit einem Verlässlichen Ansprechpartner in der Region gepaart mit spezifischer Dienstleistung für einen Gewerbekunden, die Kombination für eine erfolgreiche Ausrichtung der Produktpolitik. 6.3.3 Kaufmotive im Industrie- und Großkundensegment Bei Industrieund Großkunden sind überwiegend Dienstleistungen und der Preis (Wirtschaftlichkeit) im marktnahe Focus und entscheidend für die Ausrichtung und Gestaltung der Produktpolitik. Wichtigste Kriterien bei der individuellen Produktgestaltung für Industrie- und Großkunden sind: • Art der Beschaffung (komplett, Teilmengen/Tranchen, long/shortPositionen) • Kaufzeitpunkt • Beschaffungszeitraum • Bewertung von Volatilität/Preisrisiken • Absicherungsgeschäfte • Handlingsdienstleistungen (z.B. Bilanzkreismanagement) • Darstellung aktueller Marktinformationen • Einbinden Dienstleistungen (z.B. Betriebsführung, Anlagenbau, Notbereitschaft, 24/7 Überwachung, Finanzierungen, gemeinsame Forschung/Entwicklung) • Marketingaktivitäten (z.B. Sponsoring, Werbung) Da die Wirtschaftlichkeit im Fordergrund steht, werden zumeist Preis- und Absatzrisiken abgesichert. Dabei Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 ist die Wahl des geeigneten Seite 71 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Absicherungsprodukts und der entsprechenden Strategie von den gesetzten Zielen abhängig. Die Ziele der Planungssicherheit zukünftiger Rohstoffpreise, einer Preisfixierung bei steigenden Preisen ohne Belastung der Liquidität werden mit OTC-Swaps und OTC-Forwardprodukten, bzw. Swaps und Futures der Energiebörsen (EEX, ICE/IPE, TTF) Ziele die Preisobergrenzen zukünftiger Preise oder das Profitieren an sinkenden Preisen verfolgen, können mit Optionen erreicht werden. Im Folgenden Beispiele für eine Risikoverteilung durch Tranchenbeschaffung und Preisabsicherungen durch einen OTC-Swap und durch eine Option dargestellt. Beispiel einer Risikoverteilung durch Tranchenbeschaffung Das Preisrisiko kann durch eine Beschaffung in Teilmengen (Tranchen) reduziert werden, da der optimale Beschaffungszeitpunkt am Terminmarkt nur schwierig zu prognostizieren ist (Volatilität, Marktentwicklung). Nach Aufteilung der prognostizierten Laststruktur in die Börsenprodukte (Base und Peak), werden Tranchen zu definierten oder variablen Zeitpunkten am EEX-Terminmarkt vom EVU beschafft. Die Beschaffung erfolgt dabei unter der Berücksichtigung von definierten Preisober- und untergrenzen, die ggf. einer Absicherung unterliegen. Der resultierende Energie-/Arbeitspreis (AP) ermittelt sich aus der Summe aller Terminkäufe und einer Handlingpauschale dividiert durch die Anzahl der Tranchen (siehe Formel in Abb. 35). Abbildung 35: Tranchenbeschaffung Strom mit Preisgrenzen 143 143 E.ON Energy Sales (2009) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 72 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Beispiel eines Absicherungsgeschäfts durch Swap Swap zur Preisfixierung mit Bank (fixed for floating, dargestellt in Abb. 36) • Der Kunde zahlt fixen Preis und erhält variablen Preis • Basisnotierungen auf Preisindizes (EEX, TTF, Stat. Bundesamt) oder andere offizielle Notierungen/Daten (siehe Anlage XXX) möglich • Der Kunde erhält/leistet je nach Kursentwicklung Ausgleichszahlungen • Die Bank übernimmt finanzielle Absicherung • Die physische Beschaffung (Commodity) erfolgt durch Kunden Abbildung 36: Preisfixierung mit Swap „fix gegen variabel“ 144 Beispiel einer Preisabsicherung mit Optionen Finanzielle Begrenzung des Rohstoffpreises durch Option (siehe Abb. 37) Abbildung 37: Risikoprofil bei Kauf einer Call-Option 144 145 vgl. BayernLB (2007) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 73 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 • Mit Optionen kann der Rohstoffpreis finanziell begrenzt werden • Die Optionspreise basieren auf der jeweils aktuellen Terminkurve (Future/Forward-Kontrakte, Beispiel siehe Anhang 2, EEX- Stromfuture) • Der physische Kauf muss parallel dazu erfolgen. • Der Rohstoff- Energieverbraucher zahlt als Optionskäufer eine Prämie und erhält damit das Recht zu einem festgelegten Ausübungspreis Rohstoff/Energie (HEL = leichtes Heizöl) zu kaufen • Die maximalen Bezugskosten sind begrenzt. • Die Abrechnung der Optionen kann monatlich, quartalsweise oder jährlich erfolgen. Die Absicherung von Preisen zur Gewährleistung der zukünftigen Wirtschaftlichkeit ist ein herausragendes Argument bei Produkten für Industrie- und Großkunden. Einige strategische Produktvariationen zur Absicherung des Strompreises und damit verbundener Risikostreuung durch frühzeitige z.T. variable Teilmengenbeschaffungen (Tranchen), angelegte gleitende Preisformeln oder weitere Beispiele für Absicherungen mittels Derivaten sind im Anhang 2-5 graphisch dargestellt. Die Darstellung und Umsetzung der Produktpolitik und den angebotenen Produkten der EVU beim Kunden obliegt häufig dem zuständigen KeyAccount-Manager. Dieser arbeitet die Bedürfnisse des Kunden heraus und gleicht sie mit dem gesamten Leistungsspektrum des EVU ab. Aus Bedürfnissen und Leistungsmöglichkeiten wird dann zusammen mit dem Kunden ein spezifisches Produkt aus Dienst- und Zusatzleistungen entwickelt. Da für den Kunden auch die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Produktangebots entscheidend ist, muss das Produkt sowohl die aktuellen, als auch die zukünftigen Rahmenbedingungen und Marktmechanismen berücksichtigen. 145 vgl. BayernLB (2007) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 74 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 6.4 Ergebnis der Produktpolitik und Produkten in der Energiewirtschaft Die Segmentierung des gesamten Kundenpotentials durch die EVU in das HuK- Gewerbekunden- und Industrie- und Großkundensegment spielt für die Ausgestaltung der Produktpolitik eine wesentliche Rolle. Während die Kunden aus dem HuK-Segment dem Massengeschäft zugehören, werden einige des Gewerbekundensegments und alle der Industrie- und Großkunden individuell betreut. Die Aufteilung der Kunden erfolgt nach den relevanten Bedürfnissen und Verhaltensweisen der Kunden, den rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen sowie nach der Kundenbewertung der EVU. Für die Produktpolitik im jeweiligen Kundensegment ist die Identifikation und Darstellung des jeweils nutzenstiftenden Produktbestandteils besonders wichtig. Diese Bestandteile der Produkte sind die Kaufmotive für die Kunden, wobei nicht zwischen sachlichen und emotionalen Leistungskriterien unterschieden werden kann, da das Produkt als Ganzes empfunden wird. Damit sind Reklamations- auch und Zusatzdienstleistungen Beschwerdemanagement wie für After die Sales-Service, Steigerung der Kundenzufriedenheit besonders wichtig. Im HuK-Segment sind die Kaufmotive der Sicherheit und Verfügbarkeit sowie Image/Marke und im Speziellen die Qualität (Ökosegment) im Vordergrund. Im Gewerbekundensegment sind es Wirtschaftlichkeit, Service und Regionalität sowie Dienstleistungen. Industrie- und Großkunden verlangen nach marktnahen Dienstleistungen unter besonderer Beachtung der Wirtschaftlichkeit. Die Kunden dieses Segments werden individuell von Key-Account-Managern betreut, die zusammen mit den Kunden individuelle Systemlösungen entwickeln. Die produktpolitischen Aktivitäten schließen dabei das gesamte Leistungsspektrum des EVU ein. Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 75 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 7 Gesamtzusammenfassung und Ergebnis Die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Marktmechanismen haben sich durch die Liberalisierung grundlegend verändert. Die ehemals standardisiert auf die technische Versorgung der Abnehmer gültigen Tarife, sind heute, den auf individuellen Kundenbedürfnissen beruhenden Produkten gewichen. Die Bestandteile eines Produkts spiegeln dabei die verschiedenen Kaufmotive wider, die zur Befriedigung der individuellen Käuferbedürfnisse führen. Obwohl es sich bei Strom und Gas um (nahezu) homogene Produkte und zunehmend reine Handelsware (Commodity) handelt, findet durch die Liberalisierung eine verstärkte Ausdifferenzierung der produktpolitischen Aktivitäten stattfindet. 146 Neben Produktdifferenzierungen sind auch Produktvariationen festzustellen. Die Ausgestaltung der Produktpolitik erfolgt abgestimmt auf das angesprochene Kundensegment der privaten Haushalte und gewerblichen Kleinverbraucher (HuK), Gewerbe- oder Industrie- und Großkunden. Die Segmentierung des gesamten Kundenklientels beruht auf den Spezifika der Strom- und Gasmarktmechanismen und den rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Bewertung des Kundenportfolios durch die Energieversorgungsunternehmen (EVU). Aus dieser Segmentierung entstehen eigenständige Teilmärkte mit spezifischen produktpolitischen Maßnahmen der EVU. Die Identifikation der unternehmerischen Chancen und Risiken mit der Ausgestaltung einer spezifischen Produktpolitik für die jeweilige Kundenklientel im relevanten Teilmarkt, sind aus den verschiedenen Produktportfolien und Produkten selbst abzuleiten. Die konsequente Ausrichtung auf den (Zusatz)Nutzen des einzelnen Kunden gelingt in der Kombination der Bestandteile der Produktpolitik mit der Betonung und Ergänzung der relevanten Kaufmotive. Das so gestaltete Produktportfolio (Programm/Sortiment) mit den Produkten spiegelt somit die Bedürfnisse des Kundensegments bzw. des einzelnen Kunden wider und wird mit 146 vgl. Latkovic, K. (2000), S. 252 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 76 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 produktpolitischen Instrumenten der Service- und Garantieleistungspolitik unterstützt. Im HuK-Segment stehen die Kaufmotive Sicherheit, Marke/Image und Qualität (Ökosegment) im Vordergrund, so dass die produktpolitischen Maßnahmen diese Bereiche betonen. In diesem Massengeschäft, ist eine Produktdifferenzierung anhand der Bedeutung der persönlichen Nutzenargumente zum Kauf ersichtlich (Mass Customization). Auch im Gewerbekundensegment sind standardisierte und branchenspezifische Produkte festzustellen, die jedoch im Focus der Wirtschaftlichkeit persönlich vertrieben werden. Mit zunehmender Energieverbrauchsmenge nehmen die Bedeutung der Wirtschaftlichkeit, die der persönlichen Betreuung und der individualisierten lösungsorientierten Dienstleistung zu. Die produktpolitischen Maßnahmen im Segment der Industrie- und Großkunden schließen das gesamte Leistungsspektrum der EVU ein. Für die Produktpolitik eines Unternehmens der Energiewirtschaft gilt einerseits, über ein nachgefragtes Produktportfolio mit erfolgreichen Produktgestaltungen aktuell und zukünftig zu verfügen und andererseits durch Maßnahmen der Service- und Garantieleistungspolitik (z.B. After Sales-Service, Reklamations- und Beschwerdemanagement) zusätzliche Leistungen zu erbringen, die die Kunden begeistern und die Kundenzufriedenheit steigern. Die Produktpolitik, als zentraler Bestandteil des Marketing-Mix, ist somit ausschlaggebend für den Erfolg eines Unternehmens, wobei die rechtlichen, technischen Rahmenbedingungen, die Marktmechanismen und die Bedürfnisse eine erhebliche Bedeutung für die Gestaltung haben. Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 77 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 8 Ausblick Unter der Prämisse, dass der zunehmende Wettbewerb in allen Energiemarktsegmenten mit Markteintritten neuer Anbieter sowie neuen Produkten und Dienstleistungen anhält 147 , wird die Bedeutung der produktpolitischen Maßnahmen im Dienstleistungsmarketing wird weiter zunehmen. Zukünftig werden folgende Kriterien für Produkte und Unternehmen im Wettbewerb maßgeblich sein werden (besonders im vertikalen Wettbewerb) 148 : • Rohstoff- und Ressourcenverbrauch (z.B. nachwachsende Rohstoffe, Artenvielfalt) • Klassische Umweltbelastung (z.B. Emissionen, Lärm, Unfälle, Störfälle) • Gesundheitsverträglichkeit (z.B. akute und chronische Toxidität, schädliche Einflüsse) • Sozialverträglichkeit (z.B. Arbeitsqualität/-belastung, kulturelle Identität) • Produkteinsatz pro Nutzeinheit (Nutzeneffizienz/-effektivität i.V.m. Wirtschaftlichkeit) • Gesamtsystembetrachtung (keine isolierte Betrachtung des Produkts, sondern inklusive aller Wechselwirkungen mit anderen und der notwendigen Betriebsmittel, Verpackung, durchschnittlichen Anwendung usw.) 149 Zunehmend werden Umweltregelungen die Gesetzgebung in Deutschland und in der Europäischen Union (CO2-Handel o.ä.) beeinflussen. 150 Das bedeutet, dass ökologischen zukünftige Verträglichkeit Produkte der mehr denn Art/Herkunft der je Prüfungen Herstellung der oder Gewinnung, der Produktionsprozesse, der Verpackung, der Distribution, usw. bedingen. Dies geschieht besonders in gesättigten Märkten, bei weiterer Entkopplung von Wachstum und umweltbelastendem Energieverbrauch. 147 vgl. Lohmann, H. (03/2009), S. 23-25 vgl. Meffert, H.; Kirchgeorg, M. (1993), S. 209 149 vgl. Grießhammer, R. (1988), S. 210, 211 150 vgl. BMU (2007) 148 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 78 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Generell wird nach meiner Einschätzung der Trend zu einer weiteren Differenzierung der Produkte anhalten, um jede sich bietende Nische mit neuen Produkten zu besetzen und auch um neue Nischen/Märkte zu erschließen. Ebenso wird nach eigener Meinung der modulare oder baukastenartige Aufbau der Produkte wachsen, so dass durch neue Module und Ergänzungen (Add-ons) der bereits eingeführten Produkte sowohl eine Marktanpassung, als auch die Erfüllung spezifischer Kundenwünsche gelingt. Zukünftige Produkte werden zudem stärker lösungsorientiert, als rein Bedürfnis befriedigend sein, da die Energie selbst beliebig und nur „Hilfsstoff“ ist, um dem Wohlstand zu steigern. Eine zentrale Rolle im Produktportfolio jedes Anbieters werden Produkte mit ökologischem und ressourcenschonendem Hintergrund einnehmen. Im Zuge anhaltender und verstärkter globaler Anstrengungen und zusätzlicher Verpflichtungen, ist die Bedeutung einer ökologisch ausgerichteten Produktpolitik groß. Eine ökologische Produktpolitik, die durch die übrigen marketingpolitischen Instrumente unterstützt wird und auf ökologisch orientierten strategischen Marketingzielen beruht, ist für die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen der Energiewirtschaft zwingend. Die Energie (Commodity) wird verstärkt austauschbar und der Anbieter beliebig. Jedoch wird der Markt ressourcenschonender und lösungsorientierter Produkte im HuK- und Gewerbebereich wachsen, die sich deutlich von den handelsnahen, wirtschaftlich geprägten Produkten für Industriekunden unterscheiden. Neue Produkte der Energiewirtschaft könnten beispielsweise sein: • virtuelle Kraftwerke und Kraftwerksscheiben zur Strombeschaffung • virtuelle Speicher Aufkommensquellen zur Gasstrukturierung • ausdifferenzierte derivative Produkte zum Umgang mit wachsenden Preisvolatilitäten • Dienstleistungen in Gestalt von Beschaffungsplattformen • Dienstleistungen zum Fahrplan-, Bilanz-, Portfolio- und Risikomanagement • Dienstleistungen zum (Energie-)Daten- und Messmanagement • Produktangebote zur alternative Energieerzeugung • Lösungen durch dezentrale Energieerzeugung Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 79 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 • Produktion von Bioerdgas und weiträumige Vermarktung • Produkte mit intelligenten und IT-gestützten Mess- und Überwachungsystemen (Smart-Metering o.ä.) • Produkte mit individuell wählbaren Bausteinen • Kooperative Produktlösungen durch Vertriebspartnerschaften verschiedener Anbieter und Branchen (z.B. „Der erste grün-weiße Strom Deutschlands“ von EWE AG mit SV Werder Bremen (siehe Kapitel 6.3.1, Abb. 28) oder Stromgutscheine/Chipkarten beim Einkauf) • Umfassende Generaldienstleistungen im Sinne des Single Sourcing (nationales/internationales Bündelkundenmanagement, Facility Management, Ver- und Entsorgungs- und transportdienstleistungen) Für hoch entwickelte Volkswirtschaften und Märkte sind innovative Produkte von besonderer Notwendigkeit. 151 Dem zur Folge gilt der Gestaltung und Ausrichtung der strategischen Produktpolitik die besondere Bedeutung. Das Ziel dabei ist, über das Produktportfolio mit den Produkten zu verfügen, um den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden und damit den Unternehmenserfolg zu sichern. 151 vgl. Weis, H. C. (2007), S. 229 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 80 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Literaturverzeichnis Baur, J. F. et al. (1990): Marktzutrittsbeschränkungen beim Erdgas in EGMitgliedstaaten; eine nach Sachgebieten geordnete Länderanalyse, in: Bauer, J. F. (Hrsg.), Veröffentlichungen des Instituts für Energierecht an der Universität zu Köln, Bd. 63, 1. Aufl., Nomos, Baden-Baden 1990 BayernLB (2007): Präsentation Oldenburger Gas- und Wassertage 2007, Lange, M.; Bayerische Landesbank-Financial Markets Energy & Commodity Solutions Bolle, F. (1990): Erdgas im Europäischen Binnenmarkt, in: Weizäcker, Ch. von et al. (Hrsg.), Schriften des Energiewirtschaftlichen Instituts, Bd. 38, Oldenbourg, München 1990 Bruhn, M. 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BDEW http://www.bdew.de BNA http://www.bundesnetzagentur.de • GeLi (Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel) • GABi (Grundmodell der Ausgleichsleistungen und Bilanzierungsregeln) CLEVERGY http://www.clevergy.de EEX http://www.eex.com/de E.ON Avacon www.eon-avacon-vertrieb.com enercity http://www.enercity-stromundoption.de energate http://www.energate.de Greenpeace http://www.greenpeace-energy.de PA Knowledge http://www.paconsulting.com/legal RWE http://www.rwe.com/web/cms/de/127462/rwe/angeboteservices/geschaeftskunden/ TelDaFax http://www.teldafax.de TESCON http://www.tescon.de Wind-Energie http://www.wind-energie.de/fileadmin/dokumente/Themen_AZ/Regelenergie/vdn_regelzonen2004.pdf ZfK http://www.zfk.de Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 85 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Eidesstattliche Erklärung Hiermit erkläre ich an Eides Statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Hannover, 10. Juni 2009 _____________________________ Roland Rebers Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 86 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Anhang 1. Produktbeispiele HuK- und Gewerbesegment (Massengeschäft) Industrie- und Großkunden (Individualgeschäft) 2. Strom Future zur Preis- und Mengenabsicherung 3. HSL-Forward zur Preis- und Mengenabsicherung von Erdgaspreisen 4. Beispiel eines HEL-Erdgasswaps zur Preisabsicherung 5. Swap mit Fixierung der Heizgradtage 6. Pressemitteilungen Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 87 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Anhang 1: Produktbeispiele HuK- und Gewerbesegment (Massengeschäft) Abbildung 38: Produktinformation CLEVERGY 152 Abbildung 39: Produktinformation Greenpeace Energy 153 152 CLEVERGY, 21.05.2009 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 88 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Industrie- und Großkundensegment (Individualgeschäft) Abbildung 40: Information Kundensegmentierung 154 Produktbeispiel mit Möglichkeit der Vertragsverlängerung Das EVU hat das Recht (nicht die Pflicht), im 2. Jahr Lieferant zu sein (siehe Abb. 41). Dafür erhält der Kunde einen Preisabschlag auf den vereinbarten Preis im ersten Jahr. Der Preis für das erste und das zweite Jahr werden bei Vertragsschluss fixiert. Der Vorteil der frühzeitigen Beschaffung ist die Sicherung des jeweiligen Marktpreises unter dem zukünftigen Niveau. Abbildung 41: Produkt E.ON Power stretch 155 153 Greenpeace, 21.05.2009 RWE, 05.06.2009 155 E.ON Energy Sales (2009) 154 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 89 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Anhang 2: Beispiel Strom Future zur Preis- und Mengenabsicherung Beschaffung am Terminmarkt der EEX (Abb. 42) Abbildung 42: Beispiel EEX Phelix Baseload Year Future 2010 156 156 EEX, 19.05.2009 Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 90 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Anhang 3: Beispiel HS-Forward zur Preis- und Mengenabsicherung von Erdgaspreisen (OTC-Markt) HS = schweres Heizöl Rheinschiene entspricht Preisbasis inkl. Transport (Rottderdam), Lagerung u. a. Abbildung 43: Terminkurven HS Rheinschiene 157 Anhang 4: Beispiel eines HEL-Erdgasswaps zur Preisabsicherung (OTC) für Quartal 3/2007: HEL = leichtes Heizöl Abbildung 44: Beispiel einer Erdgas-Preisabsicherung mit HEL-Swap 158 157 Vgl. BayernLB (2007) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 91 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Anhang 5: Beispiel Swap (OTC) mit Fixierung der Heizgradtage (HDD) aufgrund der Korrelation von Temperatur und Absatzmenge Abbildung 45: Swap zur Preis- oder Mengenabsicherung (Temperaturkorrelation) 159 Anhang 6: Pressemitteilungen Badenova positioniert sich neu (energate, 09.03.2009) Freiburg (energate) - Der Freiburger Regionalversorger Badenova nimmt eine strategische Neuausrichtung vor. Unter dem Stichwort "Energiewende für alle" werde Badenova die Rolle des Vorreiters und Motors für Klimaschutz und Nachhaltigkeit übernehmen, hieß es aus Freiburg. Im November 2008 hatte der Aufsichtsrat in einer Grundsatzerklärung den Startschuss zu einer grundsätzlichen Erneuerung der Energieversorgungsstruktur gegeben und den Vorstand beauftragt, dazu Programme und Vorschläge zu erarbeiten. Badenova will in drei Bereichen Akzente setzen. Eine nachhaltige Energieerzeugung und -beschaffung auf der Basis regenerativer statt fossiler Energiequellen soll mittelfristig die Versorgung mit Ökostrom gewährleisten. Zudem soll der Anteil der hoch effizienten Kraft-Wärme-Kopplung durch dezentrale Anlagen und neue, innovative Techniken deutlich ausgeweitet werden. Mit eigenen Programmen will Badenova die Energieeffizienz steigern und den Energieverbrauch senken. Badenova gibt es seit acht Jahren. Sie entstand aus sechs Stadtwerken und Versorgern am Oberrhein. Mehrheitlich ist das Unternehmen kommunal bestimmt. Badenova hat rund 150.000 Kunden und versorgt diese seit Anfang 2008 mit Strom, der Kernkraftbestandteile ausschließt. CO2-Minderungszertifikate von Citiworks (energate, 12.03.2009) München (energate) - Citiworks bietet ein neues Produkt an, das eine CO2Freistellung durch Minderung und Kompensation von KohlendioxidEmissionen ermöglicht. Zielgruppe von "Citiclimate" sind Unternehmen, Institutionen und öffentliche Einrichtungen. Es sei bundesweit eines der ersten Produkte, mit dem sich Unternehmen CO2-neutral stellen könnten, beschreibt Citiworks das neue Produkt. Es erfasse über den individuellen CO2-Fußabdruck eines Unternehmens dessen CO2-Emissionen. Anschließend erarbeite Citiworks mit einem spezialisierten Partner 158 159 Vgl. BayernLB (2007) Vgl. Dresdner Kleinwort Wasserstein (2003) Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 92 Bedeutung der Marktmechanismen für die Produktpolitik Juni 2009 Vorschläge, wie sich der Ausstoß an Kohlendioxid reduzieren lasse und was das koste. Citiworks ist ein gemeinsames Unternehmen der Stadtwerke München, der Heag Südhessischen Energie und der Stadtwerke Mainz. Es konzentriert sich auf die Beschaffung und den Vertrieb bei Strom und Gas. Stadtwerke Münster bieten BHKW-Contracting für Privatkunden (energate, 17.03.2009) Münster (energate) - Die Stadtwerke Münster fördern MikroBlockheizkraftwerke bei Privatkunden. Das Unternehmen finanziert, betreibt und managt die gesamte Anlage und übernimmt alle anfallenden Kosten. Der Kunde zahlt einen monatlichen Grundpreis von 141 Euro zuzüglich der individuellen Verbrauchskosten. Ein Mikro-BHKW habe eine Wärmeleistung zwischen fünf und zwölf kW, die elektrische Leistung betrage ein kW, wie der westfälische Kommunalversorger mitteilt.Klein und geräuscharm könnten die Mikro-BHKWs 60 bis 70 Prozent des benötigten Stroms für ein Ein- bzw. Zweifamilienhaus erzeugen, schätzen die Stadtwerke. Nur noch der zusätzlich benötigte Strom werde dem öffentlichen Netz entnommen. "Damit bieten wir unseren Kunden die effizienteste Anlage, die es derzeit auf dem Markt gibt. Und das ohne einen einzigen Euro Investitionskosten für den Endverbraucher", sagt Henning Müller-Tengelmann, kaufmännischer Geschäftsführer der Stadtwerke Münster. Der bei der Wärmeerzeugung anfallende Strom sei fünf Cent pro kWh günstiger als beim üblichen Stadtwerke-Produkt. Ein besonderer Vorteil ergibt sich nach Unternehmensangaben für Kunden, die ein neues Haus planen. Das MikroBHKW genüge der vorgeschriebenen Pflicht zur anteiligen Nutzung von erneuerbaren Energien in Neubauten zur Deckung des Wärmebedarfs. Investitionen in eine solarthermische Anlage oder in eine Erdwärmeanlage würden somit überflüssig. Düsseldorf bezieht "Schiffstrom" (energate, 08.04.2009) Düsseldorf (energate) - Binnenschiffe liefern Ökostrom für Düsseldorf. Die Stadtwerke haben dazu ein Abkommen mit dem Verband der Rheindampfschiffer abgeschlossen. Insgesamt 13 Schiffe sollen umgerüstet werden. Die einjährige Testphase mit drei Schiffen habe die technische und vertriebsseitige Zuverlässigkeit nachgewiesen, teilten die Stadtwerke mit. Ein Schiff zieht dabei eine Turbine hinter sich her, beim Durchströmen wird kontinuierlich Strom erzeugt, der in Batterien gespeichert wird. Da bei Bergbzw. Talfahrt eines Schiffes nur Gleichstrom produziert wird, muss ein Schiff immer in beide Richtungen gefahren sein, um durch die Drehänderung der Turbine Wechselstrom zu erzeugen. Der wird dann an den Übergabestellen in das Netz der Stadtwerke eingespeist. Derzeit betreibt der Versorger sechs Übergabestationen im Düsseldorfer Hafen. Vergütet wird der so genannte Rheinstrom nach den Tarifen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Roland Rebers - Matrikelnummer 40734129 Seite 93