Hohe Stressbelastung für die Mutter

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W I S S E N S C H A F T
Referiert
Williams-Beuren-Syndrom
Hohe Stressbelastung
für die Mutter
A
n das Leben mit einem behinderten
Kind muss sich eine Familie erst gewöhnen. Behinderte Kinder benötigen
viel Aufmerksamkeit und sind meist
pflegebedürftig. Beispielsweise haben
viele Kinder mit Williams-Beuren-Syndrom oder Down-Syndrom im ersten
Lebensjahr Probleme mit der Nahrungsaufnahme und der Gewichtszunahme. Daneben erfordern Behinderungen auch kosten- und zeitaufwendige Untersuchungen, Operationen,
krankengymnastische Behandlungen
oder pädagogische Frühförderung. Das
kann zu hohen psychischen Belastungen bei Eltern, Familienangehörigen
und Pflegern führen. Unter welchen
Belastungen die Mütter behinderter
Kinder besonders leiden, untersuchte
die Kieler Psychologin Angela Gosch
an 85 Müttern. Darunter befanden sich
25 Mütter, deren Kinder vom WilliamsBeuren-Syndrom (WBS) betroffen waren. Das WBS tritt nur bei einer von
10 000 bis 50 000 Geburten auf. Es wird
durch einen chromosomalen Defekt
verursacht. Patienten mit WBS zeigen
Aufmerksamkeitsstörungen mit Hyperaktivität, eine höhere Stimmungslabilität, soziale Probleme und Ängste. Somatische Befunde sind unter anderem
kardiovaskuläre Veränderungen, Mikrozephalie, Nierenfehlbildungen, ein
charakteristischer Körperbau, Kleinwuchs, arterieller Hypertonus und
früher Pubertätseintritt bei Mädchen.
Die sprachlichen Leistungen sind bei
WBS-Betroffenen meist besser entwickelt als die motorischen.
An der Studie nahmen außerdem 13
Mütter von Down-Syndrom-Kindern,
22 Mütter von Kindern mit geistiger
Behinderung unklarer Genese und 25
Mütter von normal entwickelten Kindern teil. Die Befragung ergab, dass sich
Mütter behinderter Kinder – insbesondere von Kindern mit WBS oder DownSyndrom – stärker belastet fühlten als
Mütter unauffälliger Kinder. Je stärker
die Verhaltensauffälligkeiten ausge-
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prägt waren, desto belasteter beschrieben sich die Mütter. Dies hatte jedoch
nichts damit zu tun, ob sich die Mütter
selbst für kompetent hielten und ihre
Rolle akzeptierten. Es hing auch nicht
von ihrem emotionalen und körperlichen Befinden oder von der jeweiligen
Situation ab. „Die mütterliche Stressbelastung wird allein vom Verhalten der
Kinder bestimmt“, stellte die Autorin
fest. Neben Verhaltensauffälligkeiten,
die die betroffenen Kinder als behindert ausweisen, sind es offenbar gerade
die syndromspezifischen Verhaltensweisen, die die Mütter in besonderer
Weise belasten. So erleben Mütter von
Kindern mit WBS ihre Kinder als hyperaktiver, stimmungslabiler und inflexibler als andere Mütter. Mütter von
Down-Syndrom- und von WBS-Kindern berichteten von höheren Anforderungen als Mütter von lern- und geistig
behinderten oder von normal entwickelten Kindern. Es fiel ihnen schwerer, ihre Kinder in ihrem Verhalten so
zu akzeptieren, wie sie sind. „Die Eltern-Kind-Beziehung ist jedoch nicht
abhängig davon, ob eine Behinderung
Therapeutische Allianz
Schwierig mit
aggressiven Patienten
D
ie Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Patient wirkt sich unmittelbar auf den Verlauf und den Erfolg einer Therapie aus, so das Ergebnis mehrerer Therapieprozessstudien.
Dies veranlasste ein norwegisches Wissenschaftlerteam, sich mit dem „Arbeitsverhältnis“ zwischen Therapeut
und Patient und den Bedingungen der
Therapie zu beschäftigen. Die therapeutische Allianz wird vor allem bestimmt durch die Kapazitäten des Patienten zur therapeutischen Mitarbeit,
von seiner gefühlsmäßigen Bindung an
den Therapeuten, vom empathischen
Verständnis und Engagement des Therapeuten sowie von der Übereinstimmung der Behandlungsziele und -aufgaben.
An der Studie nahmen 270 Patienten
aus fünfzehn ambulanten Einrichtungen und 59 Therapeuten unterschiedli-
vorliegt oder nicht“, berichtet Gosch.
Die Mütter behinderter Kinder schätzten ihre Bindung zum Kind als genauso
gut ein wie Mütter nichtbehinderter
Kinder. Sie fühlten sich auch nicht sozial isoliert.
Über die Umsetzbarkeit ihrer Ergebnisse sagt die Autorin: „Je mehr man
über die spezifischen Belastungen weiß,
die mit Behinderungen einhergehen,
desto gezielter kann man die Eltern informieren und beraten.“ Darüber hinaus können kritische Verhaltensweisen
der betroffenen Kinder frühzeitig durch
therapeutische Interventionen modifiziert werden. Dadurch kann einer hohen mütterlichen Belastung vorgebeugt
ms
werden.
Gosch A: Mütterliche Belastung bei Kindern mit Williams-Beuren-Syndrom, Down-Syndrom, geistiger Behinderung nichtsyndromaler Ätiologie im Vergleich zu der
nichtbehinderter Kinder. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2001; 29: 285–295.
Dr. Angela Gosch, Dipl.-Psych., Universitätsklinikum der
Christian-Albrechts-Universität Kiel, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Pädiatrische Psychologie, Schwanenweg 20, 24105 Kiel, Fax: 04 31/5 97 18 31, E-Mail:
[email protected]
cher Schulen und Ausbildungsrichtungen teil. Knapp zwei Drittel der Patienten litten unter Persönlichkeitsstörungen. Nach jeder Sitzung bewerteten sowohl die Therapeuten als auch die Patienten ihre Zusammenarbeit. Sie wurde
stets von den Patienten besser eingeschätzt. Art und Schwere der Störung
wirken sich dagegen kaum auf die Kooperation aus. Dafür scheint das Verhältnis, das die Patienten zu ihren
Eltern und Freunden haben, wichtig
zu sein. Den größten Einfluss darauf hat
jedoch ein Persönlichkeitsmerkmal
(Inventory of Interpersonal Problems
IIP-cold subscale): Je mehr Probleme
die Patienten im zwischenmenschlichen
Bereich hatten, weil sie sich aggressiv und rachsüchtig verhielten, desto
schwerer fiel es ihnen, eine Ebene mit
ms
dem Therapeuten zu finden.
Hersoug AG, Monsen JT, Havik OE: Quality of early working alliance in psychotherapy: Diagnoses, relationship
and intrapsychic variables as predictors. Psychotherapy
and Psychosomatics 2002; 71: 18–27.
Anne Grete Hersoug, Department of Psychiatry, University of Oslo, PO Box 85 Vinderen, N-0319 Oslo (Norwegen), E-Mail: [email protected]
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 Heft 5
 Mai 2002
Deutsches Ärzteblatt
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