Maturitätsprüfung 2004 Klassen: 4defT Lehrer: Gr, Spi Kantonsschule St.Gallen Mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium Schwerpunktfach Physik Notiere beim Lösen alle wichtigen Teilschritte und achte auf korrekte Masseinheiten. Bei allen Aufgaben darf für die Fallbeschleunigung 10 m/s2 eingesetzt werden. Falls du bei einer Teilaufgabe ein Ergebnis nicht ermitteln kannst, so setze für den Rest der Aufgabe einen vernünftigen Schätzwert ein und gib diesen an. 1. Jupitermond Io (4 Punkte) Io ist der innerste aller Jupitermonde. Er besitzt einen Durchmesser von d = 3630 km und umrundet Jupiter auf einer kreisförmigen Bahn mit einem Radius r = 421 600 km und einer Umlaufdauer T = 1,77 d. Die Masse von Io beträgt mIo = 8,89·1022 kg. a) Berechne die Bahngeschwindigkeit von Io. Io ist auch der aussergewöhnlichste aller Jupitermonde. Eine der unerwartetsten Entdeckungen der Voyager-Raumsonden war die Existenz aktiver Vulkane auf Io. Sie beziehen ihre Energie aus der Gezeitenwirkung, die Jupiter und zwei seiner anderen Monde auf Io ausüben, und die zu regelmässigen Oberflächenverformungen von bis zu 100 m Höhenunterschied führen. Die VoyagerSonden beobachteten, wie vulkanisches Material bis in eine Höhe von 280 km über der Oberfläche von Io ausgestossen wurde. Jupiter und Io aufgenommen vom Hubble Weltraumteleskop Io mit Vulkan aufgenommen von der Voyager-Sonde b) Mit welcher Geschwindigkeit muss dieses Material ausgestossen worden sein? (Beachte: Die Fallbeschleunigung kann hier nicht als konstant angesehen werden.) c) Wie gross ist im Vergleich dazu die Fluchtgeschwindigkeit auf der Oberfläche von Io und wie gross die erste kosmische Geschwindigkeit? d) Kann aufgrund der obigen Ergebnisse ausgeworfenes vulkanisches Material in eine Umlaufbahn um Io geraten? Begründe deine Antwort! Seite 1 von 5 2. Interferenz an einer CD (3 Punkte) Auf einer CD werden die Daten durch feine Vertiefungen (pits) gespeichert, die entlang einer eng gewundenen Spirale angeordnet sind. Der Abstand zwischen zwei benachbarten Spuren beträgt dabei 1,6 μm. Bei Bestrahlung mit Licht wirken die parallelen Spuren als (Reflexions-)gitter, pit CD wobei jede Spur durch Reflexion eine Lichtwelle 1,6 μm nach allen Seiten aussendet. Wir betrachten ein kleines Stück einer CD, auf die Licht senkrecht einfällt. Die Lichtwellen zweier benachbarter Spuren, die in die gleiche Richtung reflektiert werden, weisen einen Gangunterschied auf, der vom Reflexionswinkel abhängt (siehe Skizze). a) Berechne den Winkel, unter dem für die Wellenlänge 650 nm (rot) das Interferenzmaximum 1.Ordnung auftritt. b) Wie viele Interferenzordnungen bzw. Interferenzmaxima lassen sich mit einer CD maximal beobachten? c) Erläutere das Zustandekommen der Farberscheinungen, wenn man die CD mit weissem Licht beleuchtet. 3. Space Shuttle versorgt ISS Raumstation (4 Punkte) Das Space Shuttle startet zu einem Versorgungsflug der internationalen Raumstation ISS. Während des Abhebens wiegt das Shuttle 2040 t. Nach 60 s ist es 1609 km/h schnell und hat schon 680 t Treibstoff verbrannt. a) Berechne die mittlere Ausströmgeschwindigkeit der Treibstoffgase unter Berücksichtigung der Massenreduktion des Shuttles. Die Fallbeschleunigung kann dabei als konstant angesehen werden. Das Space Shuttle, inzwischen 90 t leicht, nähert sich mit der Relativgeschwindigkeit v = 20 m/s der Raumstation. Zum Abbremsen zünden die beiden orbitalen Manövriertriebwerke an der linken und rechten Seite des Shuttle-Hecks. Sie besitzen je eine Schubkraft von 4,5 kN. b) Wie lange dauert es, um das Schiff auf die Ankoppelgeschwindigkeit von vK = 0,50 m/s abzubremsen? Die Masse des Shuttles kann bei diesem Manöver als konstant angesehen werden und die Erdanziehungskraft in Bezug auf das Abbremsen vernachlässigt werden. Seite 2 von 5 4. Massenspektrograph (6 Punkte) Ein Gemisch aus einfach positiv geladenen Kohlenstoffionen 12C+ (m1 = 2,0·10-26 kg) und 14C+ (m2 = 2,3·10-26 kg) tritt durch eine Lochblende L1 mittig in einen Plattenkondensator mit dem Plattenabstand d = 2,0 cm und der Länge 4,0 cm ein. Die gesamte Anordnung befindet sich in Vakuum. Das Magnetfeld mit der Flussdichte B1 ist zunächst abgeschaltet. An den Platten liegt die Spannung U. D2 D1 B2 4 cm + Ionen x B1 L1 - L2 a) Auf welcher Art von Bahnen bewegen sich die Ionen im Kondensator? b) Die Ionen treten nun mit einer Mindestgeschwindigkeit von 1,5·105 m/s in den Kondensator ein. Wie gross darf die Spannung am Kondensator höchstens sein, damit keine Ionen auf die Kondensatorplatten treffen? Am Kondensator liegt nun die Spannung U = 700 V. Die Flussdichte B1 soll so eingestellt werden, dass alle Ionen mit der Geschwindigkeit v0 = 1,5·105 m/s den Kondensator unabgelenkt durchqueren. c) Berechne B1 und begründe, dass Ionen beider Kohlenstoffisotope den Kondensator durch die Blende L2 verlassen. d) Das Magnetfeld rechts von L2 hat die Flussdichte B2 = 0,14 T. Berechne den Abstand der Punkte D1 und D2. B 5. Relativistische Halbwertszeit (3 Punkte) Das tägliche Brot der Teilchenphysiker: Ein Strahl von instabilen K+ - Mesonen mit der Geschwindigkeit v = 0,868 c passiert zwei Zähler, die 9 Meter voneinander entfernt sind. Der erste Zähler registriert 1000 Teilchen pro Sekunde, der zweite 250 Teilchen pro Sekunde. Die Differenz kommt dadurch zustande, dass einige der Teilchen auf dem Weg vom ersten zum zweiten Zähler zerfallen. Die Zeit τ, in der die Hälfte der Teilchen zerfällt, heisst Halbwertszeit. Nach zwei Halbwertszeiten ist nur noch ¼ der Teilchen da, nach drei Halbwertszeiten noch 1/8 , usw. a) Wie gross ist die Halbwertszeit der Teilchen vom Labor aus gemessen? b) Wie gross ist die Halbwertszeit im System der Teilchen? Seite 3 von 5 6. Hüpfende Bälle (3 Punkte) Am oberen Ende eines Rohres werden ein Hartgummiball der Masse m2 = 20 g und ein Pingpongball der Masse m1 = 5,0 g aus 1,0 m fallen gelassen. Der Pingpongball trifft unten in dem Moment auf den Gummiball, in dem dieser den Boden wieder verlässt. Wie hoch springt der Pingpongball zurück? Vereinfachende Annahmen: keine Reibung, Stösse vollkommen elastisch, Durchmesser der Bälle vernachlässigen. 7. Kupplungsscheiben (4 Punkte) r Eine Übertragungsmöglichkeit F von Drehmomenten stellen z. B. Bremsklotz Reibkupplungen dar. Sie mit wirkender Gemeinsame Bremskraft verbinden zwei Wellen durch Rotationsachse Zusammenpressen der W1 W2 Kupplungsteile (siehe Skizze). Die Welle W1 (Trägheitsmoment J1 = 0,4 kg m2) dreht mit einer Drehzahl n1 = 2100 min -1, die anzutreibende Welle W2 (Trägheitsmoment J2 = 0,135 kg m2) dreht sich gleichsinnig mit n2 = 1500 min -1. Durch Verschiebung entlang der gemeinsamen Rotationsachse werden die rotierenden Teile mittels Reibkupplung auf eine gemeinsame Drehzahl gebracht. Dabei sind beide Wellen als antriebslos zu betrachten. a) Berechne die gemeinsame Drehfrequenz der gekoppelten Wellen. b) Ermittle die notwendige Bremskraft am Umfang der Welle W2 (r2 = 1,5 cm), um eine vollständige Abbremsung des gekoppelten Systems innerhalb von 5,0 s zu ermöglichen. 8. Ziehbrunnen (4 Punkte) Mittels eines Ziehbrunnens wird aus einem Schacht Wasser geschöpft. Die Welle hat einen Durchmesser von 8,0 cm. Bei hochgezogenem Eimer (m = 5,0 kg) lässt man die Welle frei rotieren. In den ersten 2 Sekunden bewegt sich der Wasserbehälter 2,4 m abwärts. Auftretende Reibungseinflüsse und die Seilmasse müssen nicht berücksichtigt werden. D = 8 cm m = 5 kg a) Berechne die Beschleunigung des Eimers und die Winkelbeschleunigung der Welle. b) Wie gross ist die Spannkraft im Seil während der Abwärtsbewegung? c) Berechne das Trägheitsmoment der Welle. d) Wie gross ist die maximale Drehfrequenz der Welle, wenn das Seil 6,0 m lang ist? Seite 4 von 5 9. Wechselstromkreis (5 Punkte) Ein Kondensator bzw. eine Spule mit vernachlässigbarem ohmschen Widerstand werden einzeln zwischen den Punkten A und B der nebenstehenden Schaltung an einen Sinusgenerator angeschlossen. Ein Zweikanal-Oszilloskop zeigt jeweils die folgenden Darstellungen der Spannung U(t) und der sich einstellenden Stromstärke I(t). Die Stromstärke wird dabei mit Hilfe des Ohmschen Widerstandes R = 1,0 Ω in ein Spannungssignal umgewandelt. Bild 1 Bild 2 Kanal 1 Kanal 1 Kanal 2 Kanal 2 1 cm 1 cm In beiden Fällen gilt: Horizontalablenkung: 1.0 ms/cm und Vertikalablenkung: 2.0 V/cm a) Welcher Kanal zeigt die Stromstärke I(t) an? b) Ordne jedes Oszilloskopbild dem richtigen Schaltelement zu (Kondensator oder Spule). Begründe kurz deine Aussage. c) Bestimme anhand der Oszilloskopbilder die Kapazität des Kondensators und die Induktivität der Spule. d) Kondensator und Spule werden nun parallel zueinander zwischen die Punkte A und B geschaltet. Berechne die Gesamtimpedanz von diesen zwei Bauelementen. Seite 5 von 5