Ängstlichkeit - Franke

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Differentialpsychologische
Konstrukte
Sommersemester 2014
Gabriele Helga Franke
Zuletzt bearbeitet: 3.6.14
GHF DIFF SoSe 14 INTRO
1
9 Differerentialpsychologische
Unterschiede
Emotionsbezogene
Unterschiede
GHF im SoSe 14 an der HS
MD-SDL im FBR Angewandte
Humanwissenschaften
Ängstlichkeit
Diese Vorlesung basiert auf
•
Salewski & Renner (2009).
Differentielle und
Persönlichkeitspsychologie.
München: Ernst Reinhardt.
Bibo-SDL: SP 54-153
•
Sowie der angegebenen
Literatur
Ängstlichkeit
2
Übungsaufgaben
1.
2.
3.
Was unterscheidet das Persönlichkeitsmerkmal
Ängstlichkeit vom Zustand Angst?
Durch welche Faktoren werden Unterschiede in
der Ausprägung von Ängstlichkeit zwischen
Personen erklärt?
Ist Vigilanz oder ist die kognitive Vermeidung
die bessere gedankliche Bewältigungsstrategie
von Angst?
Ängstlichkeit
3
Ängstlichkeit
DER SCHREI
Edvard Munch
Die Welt, 03.05.2012
Überlebensnotwendige Emotion
Angst ist ein wichtiges Signal vor Gefahren und ermöglicht
eine schnelle Reaktion darauf. In diesem Sinne dient
Angst dem Überleben und einer besseren Anpassung an
die Umwelt
Bildquelle:
Ängstlichkeit
http://www.welt.de/aktuell/article106257293/
Der-Schrei-schreibt-Kunstgeschichte.html
4
Ängstlichkeit
Unterschiede im Angsterleben
Menschen unterscheiden sich jedoch darin, wie oft und wie
stark sie Angst erleben.
Deshalb wird zwischen dem „state [Zustand]“, also dem
aktuellen Zustand der Angst (z.B. eine Person erlebt
während eines unruhigen Fluges Angst), und dem
Persönlichkeitsmerkmal (trait [Eigenschaft])
„Ängstlichkeit“ (z.B. eine Person erlebt fast immer Angst,
wenn sie Bus fährt) unterschieden.
Ängstlichkeit
5
Ängstlichkeit
Definition „Ängstlichkeit“ (trait – Eigenschaft):
„Das Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit bezeichnet die
zwischen Personen (interindividuell) unterschiedliche
Tendenz, Situationen als bedrohlich wahrzunehmen und
hierauf mit einem erhöhten Angstzustand zu reagieren.
Die Ängstlichkeit variiert damit zwischen Personen, ist aber
innerhalb einer Person (intraindividuell) relativ stabil.“
Ängstlichkeit
6
Ängstlichkeit
Definition „Angst“ (state – Zustand)
„Die aktuelle Angstemotion wird … als intraindividuell
variierender affektiver Zustand des Organismus verstanden,
der durch spezifische Ausprägungen auf physiologischen,
verhaltensmäßig-expressiven und subjektiven Parametern
gekennzeichnet ist.“
Krohne, 1996
Ängstlichkeit
7
Ängstlichkeit
Angst und Ängstlichkeit
„Angst haben“
„Ängstlichkeit“
aktueller Zustand
Persönlichkeitseigenschaft
Wird einer Person zugewiesen,
die in vielen Situationen mit
Angst reagiert
Ängstlichkeit
8
Ängstlichkeit
Kognitive Bewertungen
Ein wichtiger Aspekt des Persönlichkeitsmerkmals
Ängstlichkeit ist, dass sich Menschen mit hoher und
niedriger Ängstlichkeit vor allem darin unterscheiden, wie
häufig sie Situationen als bedrohlich bewerten.
Ängstlichkeit
9
Ängstlichkeit
Beispiel
Eine hochängstliche Studentin empfindet eine
Referatssituation als bedrohlich und erlebt deshalb
Angst, während eine niedrigängstliche Studentin die
Situation als Herausforderung empfindet und sich freut,
ihre Kompetenzen zeigen zu können.
Die gleiche Situation wird von beiden unterschiedlich
interpretiert und löst entsprechend unterschiedliche
emotionale Zustände aus.
Ängstlichkeit
10
Ängstlichkeit
Wenn sich Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal in
einem häufig erhöhten Angstzustand äußert, dann stellt
sich die Frage nach den Kennzeichen des Zustands
Angst.
Die Emotion Angst ist ein affektiver Zustand des
Organismus, der sich in drei verschiedenen Parametern
äußert:
Ängstlichkeit
11
Ängstlichkeit
Komponenten der Angst
Angst äußert sich als:
1. physiologische Reaktion
2. motorisch-expressives Verhalten
3. subjektives Gefühl
Ängstlichkeit
12
Angstschreie
Blutdrucksteigerung
Erhöhung
der Atemfrequenz
Angststarre
Herzschlagbeschleunigung
Stresshormone
Ängstlichkeit
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Ängstlichkeit
Physiologische Angstreaktionen
Zentral für die Angstreaktion ist die Amygdala
(Mandelkern) im Temporalkortex.
Sie ist für das Erleben von Angst verantwortlich und
gleichzeitig für das Auslösen von Reaktionen, die das
Überleben in Gefahrensituationen sichern sollen:
• Hemmung von Aktivität durch die Anspannung von
Muskeln (Verringerung der Gefahr einer Entdeckung)
Ängstlichkeit
14
Ängstlichkeit
Physiologische Angstreaktionen
• Für den Fall eines Angriffs: gleichzeitig Auslösung einer
Reihe von Reaktionen, die Flucht- oder Kampfhandlungen erleichtern
• Erhöhung der Herzschlagrate, des Blutdrucks und der
Atemfrequenz (Bereitstellung des notwendigen
Sauerstoffs für eine Flucht)
• Ausschüttung von Stresshormonen (Sicherung der
Koordination von Reaktionen)
• Außerdem Angstschreie, Aufstellen der Haare etc.
Ängstlichkeit
15
Bildquelle:
http://www.strathclydetelegraph.co
m/2012/09/essential-film-psycho/
Bildquelle: http://www.filmposterarchiv.de/filmplakat.php?id=1098
Ängstlichkeit
16
Ängstlichkeit
Motorisch expressives Verhalten
Personen, die akut Angst erleben, zeigen in der Regel
Schutz-, Verteidigungs- oder Fluchtverhalten
(z.B. Weglaufen vor einem bellenden Hund).
Angst äußert sich auch in einer spezifischen Mimik.
Subjektives Gefühl
Neben diesen motorisch-expressiven Reaktionen ist der
Zustand der Angst mit einem subjektiven Gefühl
verbunden – wir wissen sehr genau, wie es sich anfühlt,
Angst zu haben.
Ängstlichkeit
17
Ängstlichkeit
Angstmimik:
- Auseinandergezogener Mund
- Angespannte Lippen
- Hoch- und zusammengezogene
Augenbrauen
- Hochgezogene Oberlider
- Angespannte Unterlider
Ängstlichkeit
18
Ängstlichkeit
Ursachen für interindividuelle Ängstlichkeitsunterschiede
Es gibt in der psychologischen Forschung unterschiedliche
Antworten auf die Frage nach den Ursachen von
Ängstlichkeitsunterschieden.
Ängstlichkeit
19
Ängstlichkeit
Spezifische Bewertungsmuster
Die kognitive Emotionsforschung nimmt an, dass
spezifische Bewertungen (Kognitionen) eine zentrale
Rolle beim Erleben von Angst spielen – siehe das
Beispiel der Studentinnen in der Referatssituation.
Ein Referat stellt objektiv keine Gefahr dar. Erst durch eine
entsprechende Bewertung wird es zu einer
angstauslösenden Situation. Lazarus nannte diese
Interpretation der Situation „primäre Bewertung“
Ängstlichkeit
20
Situation
Primäre
Einschätzung
(primary
appraisal)
z.B.
Bewertung des
Vortrag,
Ereignisses
Prüfung,
- irrelevant
positiv
dunkler -Keller
- stresshaft
(Schaden/Verlust, Bedrohung, Herausforderung)
Sekundäre
Einschätzung
(secondary
appraisal)
Bewertung der
Bewältigungskapazität
- vorhanden
- nicht
vorhanden
- unsicher
Ängstlichkeit
Bewertung der
Situation als
angstauslösend
führt zu physiologischen,
expressiven,
motivationalen
Reaktionen und
dem subjektiven
Gefühl „Angst“
Bewältigung
(coping)
21
Primäre
Sekundäre
Einschätzung Einschätzung
(secondary
Situation(primary appraisal)
appraisal)
Bewertung der
des Ereignisses
Bewältigungskapazität
- vorhanden
- nicht
- stresshaft (Schaden/Vervorhanden
- unsicher
lust, Bedrohung, Heraus-
z.B. Bewertung
Vortrag,
- irrelevant
Prüfung,
- positiv
dunkler Keller
Bewertung der
Situation als
angstauslösend
führt zu physiologischen,
expressiven,
motivationalen
Reaktionen und
dem subjektiven
Gefühl „Angst“
Bewältigung
(coping)
forderung)
Ängstlichkeit
22
Ängstlichkeit
Neben der Bewertung der Situation schätzen Menschen
ihre eigenen Möglichkeiten zur Bewältigung der Situation
ein. Die Einschätzung der eigenen Bewältigungsressourcen wird als „sekundäre Bewertung“ bezeichnet.
Ängstlichkeit
23
Situation
z.B.
Vortrag,
Prüfung,
dunkler Keller
Primäre
Einschätzung
(primary
appraisal)
Sekundäre
Einschätzung
(secondary
appraisal)
Bewertung des
Ereignisses
- irrelevant
Bewertung der
- positiv
- stresshaft Bewältigungskapazität
(Schaden/Ver-- vorhanden
lust, Bedroh- nicht vorhanden
ung, Heraus- unsicher
forderung)
Ängstlichkeit
Bewertung der
Situation als
angstauslösend
führt zu physiologischen,
expressiven,
motivationalen
Reaktionen und
dem subjektiven
Gefühl „Angst“
Bewältigung
(coping)
24
Ängstlichkeit
Wenn also eine Person das Halten eines Referates als
bedrohlich einschätzt (primäre Einschätzung) und zu
einer ungünstigen Bewertung der eigenen
Bewältigungsressourcen kommt (sekundäre
Einschätzung) gelangt, dann entsteht Angst.
Ängstlichkeit
25
Situation
z.B.
Vortrag,
Prüfung,
dunkler Keller
Primäre
Einschätzung
(primary
appraisal)
Bewertung des
Ereignisses
- irrelevant
- positiv
- stresshaft
(Schaden/Verlust, Bedrohung, Herausforderung)
Bewertung der
Situation als
Sekundäre
Einschätzung angstauslösend
(secondary
führt zu
appraisal)
Bewältigung
physiologischen,
Bewertung der
(coping)
Bewältigungsexpressiven,
kapazität
- vorhanden
motivationalen
- nicht
vorhanden Reaktionen und dem
- unsicher
subjektiven Gefühl
„Angst“
Ängstlichkeit
26
Situation
z.B.
Vortrag,
Prüfung,
dunkler Keller
Primäre
Einschätzung
(primary
appraisal)
Sekundäre
Einschätzung
(secondary
appraisal)
Bewertung des
Ereignisses
- irrelevant
- positiv
- stresshaft
(Schaden/Verlust, Bedrohung, Herausforderung)
Bewertung der
Bewältigungskapazität
- vorhanden
- nicht
vorhanden
- unsicher
Ängstlichkeit
Bewältigung
(coping)
Bewertung der
Situation als
angstauslösend
• problemorientiert:
führt zu physioLösung des Problems
logischen,
expressiven,
motivationalen
• emotionsorientiert:
Reaktionen
und
Linderung
der
dem subjektiven
Gefühl Belastungssymtome
„Angst“
27
Ursachen für interindividuelle Ängstlichkeitsunterschiede: spezifische Bewertungsmuster
Situation
z.B.
Vortrag,
Prüfung,
dunkler Keller
Primäre
Einschätzung
(primary
appraisal)
Sekundäre
Einschätzung
(secondary
appraisal)
Bewertung des
Ereignisses
- irrelevant
- positiv
- stresshaft
(Schaden/Verlust, Bedrohung, Herausforderung)
Bewertung der
Bewältigungskapazität
- vorhanden
- nicht
vorhanden
- unsicher
Ängstlichkeit
Bewertung der
Situation als
angstauslösend
führt zu physiologischen,
expressiven,
motivationalen
Reaktionen und
dem subjektiven
Gefühl „Angst“
Bewältigung
(coping)
28
Ängstlichkeit
Ursachen für interindividuelle Ängstlichkeitsunterschiede
Genetische Unterschiede
Biologische Ansätze betonen genetische Unterschiede als
Ursache von Ängstlichkeitsunterschieden. Die
Einschätzung des Erblichkeitsanteils von
Persönlichkeitsmerkmalen erfolgt häufig durch den
Vergleich von eineiigen Zwillingen (100% genetische
Übereinstimmung) mit zweieiigen Zwillingen (50%
genetische Übereinstimmung).
Ängstlichkeit
29
Wenn eine genetische Komponente vorliegt, sollten
eineiige Zwillingen eine höhere Ähnlichkeit in Bezug auf
das Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit aufweisen, als
zweieiige Zwillinge.
In einer Studie mit Kindern und Jugendlichen kamen so
etwa Legrand et al. (1999) zu dem Schluss, dass 45%
der Varianz der Ängstlichkeit auf genetische Faktoren
zurückzuführen waren.
Ängstlichkeit
30
Ängstlichkeit
Geschlechtsunterschiede
Als weiterer wichtiger Einflussfaktor wird das Geschlecht
diskutiert.
Frauen berichten mehr Ängstlichkeit als Männer. Ob dies
biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau oder
unterschiedliches Geschlechterrollenverhalten reflektiert,
ist unklar.
Für Männer ist Angst eine weniger sozial erwünschte
Emotion als für Frauen, weshalb sie möglicherweise
seltener bereit sind, Angst zu berichten.
Ängstlichkeit
31
 Frauen werden als furchtsamer, ängstlicher und sorgenvoller als
Männer beschrieben
 Mädchen und Frauen bewerten sich selbst auf Ängstlichkeitsskalen
als ängstlicher
 Mädchen und Frauen geben zu, dass sie häufiger Angst vor
Bewährungssituationen, vor Abwertung und Unterlegenheit haben
Ängstlichkeit
32
Ängstlichkeit
Bedeutung von Lernerfahrungen
Eine wesentliche Rolle spielen aber auch Lernerfahrungen,
v.a. in der Kindheit. Eltern, die selbst ängstlich sind,
leben dieses Verhalten ihren Kindern als Modell vor.
Auch Eltern, die den Handlungsspielraum ihrer Kinder
einschränken und dadurch nur begrenzte Erfahrungen
ermöglichen, können zu einer erhöhten Ängstlichkeit der
Kinder beitragen.
Ängstlichkeit
33
Ängstlichkeit
Leistungsverhalten
Auswirkung von Ängstlichkeitsunterschieden auf
Lebensbereiche:
In welchen Lebensbereichen spielt es eine Rolle, ob
jemand mehr oder weniger ängstlich ist?
Häufig untersucht wurde die Bedeutung von Ängstlichkeit
für das Leistungsverhalten, und zwar in der Form von
Test- und Prüfungsängstlichkeit.
Ängstlichkeit
34
Prüfungsängstlichkeit – Zwei-KomponentenTheorie der Prüfungsängstlichkeit
Liebert & Morris, 1967
1. Kognitive Komponente:
Besorgtheit (worry), d.h. aufgabenirrelevante Kognitionen,
z.B. Zweifel an eigener Kompetenz („Das kann ich nicht“),
Misserfolgserwartungen („Das wird sicher danebengehen“)
oder negative Bewertungsantizipation („Ich bekomme
sowieso eine schlechte Note“).
2. Emotionale Komponente:
Aufgeregtheit (emotionality), d.h. wahrgenommene
körperliche Erregung/ Befindlichkeit vor oder in der
Leistungssituation (z.B. Schwitzen)
Bildquelle: http://www.pruefungsangst-bielefeld.de/
Ängstlichkeit
35
Ängstlichkeit
Prüfungsängstlichkeit
Besorgtheit
Vor allem für die Besorgtheit wird angenommen, dass sie
das Leistungsverhalten in Prüfungssituationen
beeinträchtigen kann. Für eine gute Leistung bzw. das
Lösen der Aufgaben in einer Prüfungssituation benötigt
man in der Regel volle Konzentration. Besorgtheit
beeinträchtigt die Leistung, indem sie die auf die
Aufgabe gerichtete Aufmerksamkeit und Konzentration
verringert und gleichzeitig die Aufmerksamkeit für
aufgabenirrelevante Aspekte erhöht.
Ängstlichkeit
36
Ängstlichkeit
Studie – Dusek, 1980
Diese Studie zeigte, dass sich Leistungsunterschiede
zwischen hoch- und niedrigängstlichen
Grundschulkindern signifikant reduzierten, wenn die
hochängstlichen Kinder glaubten, dass es sich um eine
Spiel- statt um eine Prüfungssituation handelte.
Bei niedrigängstlichen Kindern hatte diese experimentelle
Manipulation keinen Einfluss.
Ängstlichkeit
37
Ängstlichkeit
Besorgtheit
Allerdings lässt sich die leistungsmindernde Wirkung einer
erhöhten Besorgtheit nicht durchgängig nachweisen,
denn auch andere Faktoren wie Begabung, die
aufgewendete Anstrengung, Umgebungsfaktoren oder
die Art der Aufgaben spielen eine wesentliche Rolle.
Ängstlichkeit
38
Ängstlichkeit
Angststörungen
Aber nicht nur für das Leistungsverhalten, sondern in
vielfältigen anderen Bereichen kann die Ausprägung der
individuellen Ängstlichkeit Auswirkungen haben.
Es zeigte sich z.B. auch, dass höhere Ängstlichkeit mit der
Ausbildung von Angststörungen nach traumatisierenden
Ereignissen (etwa Naturkatastrophen) einhergehen
kann.
Ängstlichkeit
39
Posttraumatische Belastungsstörung PTBS
Diagnose nach ICD-10 und DSM-IV
309.81 Posttraumatische Belastungsstörung (Posttraumatic Stress Disorder,
PTSD)
A: Person wurde mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert
1. Person erlebte, beobachtete ein Ereignis, das den tatsächlichen oder
drohenden Tod, ernsthafte Verletzung oder die Bedrohung körperlicher
Unversehrtheit beinhaltete
2. Reaktion der Person umfasste intensive Flucht, Hilflosigkeit oder
Entsetzen
B: Das Erlebnis wird beharrlich auf eine der folgenden Weisen wieder erlebt:
1. Wiederkehrende belastende Erinnerungen
2. Wiederkehrende belastende Träume
3. Handeln oder Fühlen, als ob das traumatische Ereignis wieder kehrt
4. Psychische Belastung bei internalen oder externalen Hinweisreizen, die
an das Ereignis erinnern
5. Körperliche Reaktionen bei der Konfrontation internalen oder externalen
Hinweisreizen
Ängstlichkeit
40
Posttraumatische Belastungsstörung PTBS
Diagnose nach ICD-10 und DSM-IV
C: Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma
verbunden sind, oder eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität
(= Fähigkeit sensibel zu reagieren):
1. Bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen oder
Gesprächen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen.
2. Bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die
Erinnerungen an das Trauma wachrufen.
3. Unfähigkeit, einen wichtigen Aspekt des Traumas zu erinnern.
4. Deutlich vermindertes Interesse oder verminderte Teilnahme an
wichtigen Aktivitäten.
5. Gefühl der Losgelöstheit und Fremdheit von anderen.
6. Eingeschränkte Bandbreite des Affekts (z.B. Unfähigkeit, zärtliche
Gefühle zu empfinden)
7. Gefühle einer eingeschränkten Zukunft (z.B. erwartet nicht,
Karriere, Ehe, Kinder oder normal langes Leben zu haben).
Ängstlichkeit
41
Posttraumatische Belastungsstörung PTBS
Diagnose nach ICD-10 und DSM-IV
D: Anhaltende Symptome erhöhten Arousals (vor dem Trauma nicht
vorhanden). Mindestens zwei der folgenden Symptome liegen vor:
1. Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen.
2. Reizbarkeit oder Wutausbrüche.
3. Konzentrationsschwierigkeiten.
4. Übermäßige Wachsamkeit (Hypervigilanz)
5. Übertriebene Schreckreaktionen
E: Das Störungsbild (Symptome unter Kriterium B, C und D) dauert
länger als ein Monat.
F: Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden
oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen
wichtigen Funktionsbereichen.
Ängstlichkeit
42
Posttraumatische Belastungsstörung PTBS
Diagnose nach ICD-10 und DSM-IV
Akut: Wenn die Symptome weniger als 3 Monate andauern.
Chronisch: Wenn die Symptome mehr als 3 Monate andauern.
Mit verzögertem Beginn: Wenn der Beginn der Symptome
mindestens 6 Monate nach dem Belastungsfaktor liegt
Ängstlichkeit
43
Beschreibung der Störung
Diagnose nach ICD-10 und DSM-IV
F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung
Kriterien:
1. Person muss mit einem Ereignis außergewöhnlicher Bedrohung oder
katastrophalen Ausmaß konfrontiert gewesen sein.
2. Dieses Ereignis wurde bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen.
Notwendige Symptome:
1. Wiederholte unausweichliche Erinnerungen und Wiederinszenierung des
Ereignisses im Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen
Andere typische Symptome:
2. Ausdauerndes Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit,
Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit
gegenüber der Umgebung, Anhendonie
3. Vermeidung von Aktivitäten oder Situationen, die Erinnerungen an das
Trauma wecken
Ängstlichkeit
44
Beschreibung der Störung
Diagnose nach ICD-10 und DSM-IV
Gewöhnliche Symptome:
4. Vegetative Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, übermäßiger
Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit
5. Angst und Depressionen
Seltene Symptome:
6. Dramatische, akute Ausbrüche von Angst, Panik oder Aggression
Zeitlicher Rahmen:
Symptome treten üblicherweise innerhalb von 6 Monaten nach dem
belastenden Ereignis auf
Ängstlichkeit
45
Hurricane Katrina: August 2005; richtete in den südöstlichen Teilen der
USA enorme Schäden an. Durch den Sturm und seine Folgen kamen etwa
1.800 Menschen ums Leben. Der Sachschaden belief sich auf etwa 81
Milliarden US-Dollar. Insbesondere die Stadt New Orleans war stark
betroffen: Durch ihre geographische Lage führten zwei Brüche im
Deichsystem dazu, dass bis zu 80 % des Stadtgebietes bis zu 7,60 Meter
tief unter Wasser standen.
Bildquellen:
http://urbanlegends.about.com/librar
y/bl_hurricane_katrina_pictures.htm
http://www.welt.de/vermischtes/articl
e9265767/So-geht-es-New-Orleansnach-dem-Hurrikan.html
http://www.stern.de/panorama/hurrik
an-katrina-kriegsrecht-in-neworleans-ausgerufen-544968.html
Weems, Pina, Costa, Watts, Taylor & Cannon
(2007). Predisaster trait anxiety and negative
affect predict posttraumatic stress in youths
after hurricane Katrina. Journal of Consulting
and Clinical Psychology, 75, 154-159.
Ängstlichkeit
46
Ängstlichkeit
Fragestellungen:
Das Erleben von Naturkatastrophen führt zu PTBS-Symptomen, häufig
auch zu Angststörungen und Depression
Ängstlichkeit (trait) kann eine prädisponierende
Persönlichkeitseigenschaft sein, weil Ängstlichkeit z.B. die
Bewältigungsfähigkeit einschränkt
In wie weit gibt das Ausmaß an Ängstlichkeit vor einer
Naturkatastrophe Hinweise auf die Schwere der PTBS-Symptome,
Angststörungen und Depression nach einer Naturkatastrophe?
Ängstlichkeit
47
Ängstlichkeit
Methode:
Befragung von 52 Kindern/Jugendlichen (M=11 J., 30♂, 22♀)
vor und nach Hurricane Katrina
17 Monate vor Katrina
6-7 Monate nach Katrina
PTBS (PTSD checklist)
PTBS (PTSD checklist)
Ängstlichkeit (trait) (STAIC-T)
Ängstlichkeit (trait) (STAIC-T)
Angststörungen und Depression (RCDAS) Angststörungen und Depression (RCDAS)
Negative Emotionalität (PANAS-C)
Negative Emotionalität (PANAS-C)
Art und Anzahl der Hurricane-Erlebnisse
Ängstlichkeit
48
(1)
(2)
(3)
Ängstlichkeit
49
Ängstlichkeit
Schlussfolgerungen:
Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal vor Erleben der
Naturkatastrophe kann die PTBS-Symptome vorhersagen
(1) Allerdings sind die Variablen: Art und Anzahl der HurricaneErlebnisse, negative Emotionalität vor Katrina, Geschlecht
(weiblich = mehr Symptome) von größerer Bedeutung
(2-3) Ängstlichkeit ist der wichtigste Prädiktor für die Ausprägung
von Angststörungen und Depression nach Katrina
Ängstlichkeit
50
Ängstlichkeit
Schlussfolgerungen:
Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal ist ein relevanter
Faktor für die Ausbildung einer psychischen Störung
Ängstlichkeit ist somit ein Ansatzpunkt für Interventionen
nach einem Trauma
Ängstlichkeit
51
Ängstlichkeit
Angstbewältigungsstile
Ob eine erhöhte Ängstlichkeit negative Folgen nach sich
zieht oder nicht, hängt ganz entscheidend davon ab,
welche Formen der Angstbewältigung ein Mensch zeigt.
Krohne (1993) betonte die Bedeutung der Kognitionen
auch beim Umgang mit angstauslösenden Situationen
und beschrieb zwei wesentliche Strategien:


Vigilanz
 die aktive gedankliche
Beschäftigung und Hinwendung zur Situation)
Kognitive Vermeidung
 die gedankliche Abwendung von
der Situation
Ängstlichkeit
52
Ängstlichkeit
Angstbewältigungsstile
Beide Strategien ( Vigilanz und  kognitive Vermeidung)
können hilfreich sein, müssen aber flexibel, in
Abhängigkeit von der Art der Situation, einsetzbar sein.
Bei zumindest einigermaßen kontrollierbaren Situationen
(etwa ein in mehreren Wochen anstehendes Referat)
dürfte Vigilanz erfolgreicher sein, in nicht kontrollierbaren
Situationen sollte kognitive Vermeidung zu einer
besseren emotionalen Befindlichkeit führen.
Ängstlichkeit
53





Bilz, L. (2014). Werden Ängste und depressive Symptome bei Kindern und
Jugendlichen in der Schule übersehen? Zeitschrift für Pädagogische
Psychologie, 28, 57-62.
Lengning, A., Mackowiak, K., Steinhoff, S. & Franke, A. (2009).
Zusammenhänge zwischen Ängstlichkeit, Angstbewältigung und
Salutogenese in der Kindheit. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 17,
151-157.
Mewes, R., Rief, W., Martin, A., Glaesmer, H. & Brähler, E. (2010).
Somatoforme Symptome, Angst und Depression bei Migranten aus der
Türkei, aus Osteuropa und aus der ehemaligen Sowjetunion. Zeitschrift für
Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 58, 165-171.
Sarimski, K. (2007). Psychische Störungen bei behinderten Kindern und
Jugendlichen – Übersicht und Schlussfolgerungen für die Psychodiagnostik.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 35, 1931.
Scheidt, C.E. & Waller, E. (2005). Angststörungen und
Bindungsforschung. Psychotherapie im Dialog, 6, 362-369.
Ängstlichkeit
54
Psychotherapieforschung: Angst und
Bindung (Scheidt & Waller, 2004)
Generalisierte Angststörung (GAS)
– unsicher-ambivalente Bindung
 Das Bindungsverhalten spiegelt die Erfahrungen von verdeckter Zurückweisung
durch die primäre Bezugsperson wider.
 Therapeutisch sind affektive
Selbsteinbringung, Ermutigung und
Unterstützung notwendig
Ängstlichkeit
55
Psychotherapieforschung: Angst und
Bindung (Scheidt & Waller, 2004)
Soziale Phobie
– unsicher-vermeidende Bindung
 Inkonsistenz und Widersprüchlichkeit der
Reaktionsweisen der primären Bezugsperson werden erneut hergestellt.
 Konstanz, Verlässlichkeit und wohlwollende Neutralität sind therapeutisch zentral.
Ängstlichkeit
56
Psychotherapieforschung: Angst und
Bindung (Scheidt & Waller, 2004)
PTBS – desorganisierte Bindung
 Die traumatische Gefahrensituation droht
in die Gegenwart einzudringen und die
primäre Bezugsperson wird als Bedrohung
wahrgenommen.
 Das Herstellen von Sicherheit in der
therapeutischen Beziehung ist von
zentraler Bedeutung.
Ängstlichkeit
57
Übungsaufgaben – 1
1. Was unterscheidet das Persönlichkeitsmerkmal
Ängstlichkeit vom Zustand Angst?
Das Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit bezeichnet die
zwischen Personen (interindividuell) unterschiedliche Tendenz,
Situationen als bedrohlich wahrzunehmen und darauf mit einem
erhöhten Angstzustand zu reagieren. Der Zustand Angst bezieht
sich auf die aktuelle Emotion.
Ängstlichkeit
58
Übungsaufgaben – 2
2. Durch welche Faktoren werden Unterschiede in der Ausprägung von
Ängstlichkeit zwischen Personen erklärt?
a)
Ängstlichkeit als Ergebnis spezifischer Bewertungsmuster: Wenn eine
Person eine Situation als bedrohlich einschätzt (primäre Einschätzung)
und zu einer ungünstigen Bewertung der eigenen Bewältigungsressourcen
(sekundäre Einschätzung) gelangt, dann entsteht Angst.
b)
Genetische Unterschiede: Etwa die Hälfte der Varianz der Ähnlichkeit von
Ängstlichkeit könnte auf genetische Faktoren zurückzuführen sein.
c)
Biologische oder geschlechterrollenbezogene Geschlechtsunterschiede.
d)
Lernerfahrungen durch Modelle von ängstlichen Eltern, eingeschränkte
Entfaltungsmöglichkeiten oder aufgrund von unsicheren Bindungen.
Ängstlichkeit
59
Übungsaufgaben – 3
3. Ist Vigilanz oder ist die kognitive Vermeidung die
bessere gedankliche Bewältigungsstrategie von
Angst?
Beide Strategien sind je nach Art der vorliegenden Situation
hilfreich. Bei zumindest einigermaßen kontrollierbaren
Situationen ist wahrscheinlich Vigilanz meistens besser für das
Wohlbefinden, in nicht kontrollierbaren Situationen sollte
kognitive Vermeidung zu einer besseren emotionalen
Befindlichkeit führen.
Ängstlichkeit
60
VIELEN LIEBEN DANK FÜR
IHR INTERESSE!
Ängstlichkeit
61
Literatur
Dusek, J.B. (1980). The development of test anxiety in children. In I. G. Sarason (Ed.), Test anxiety:
Theory, research and applications. (pp. 87-110). Hillsdale, NJ: Erlbaum
Krohne, H.W. (1996). Angst und Angstbewältigung. Stuttgart: Kohlhammer. - SP 511-62
Lazarus, R.S. (1993). From psychological stress to the emotions: A history of changing outlooks.
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Lazarus-Mainka, G. & Siebeneick, S. (2000). Angst und Ängstlichkeit. Göttingen: Hogrefe. - SP 511-43
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Ängstlichkeit
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