SWR2 OPER Moderationsmanuskript von Reinhard Ermen Ludwig van Beethoven: „Fidelio“ Sonntag, 16.03.2014, 20.03 Uhr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. 1 Mit schöner Regelmäßigkeit steht Beethovens „Fidelio“ auf dem Spielplan, hier in SWR2. So auch heute. Die Redaktion hat diesmal eine Aufnahme der Plattenindustrie herausgesucht. Sie entstand im Februar 1978 im Wiener Musikvereinssaal unter der musikalischen Leitung von Leonard Bernstein. Das Alter von mehr als 40 Jahren macht sie fast schon automatisch zu einer historischen Aufnahme, vielleicht ist sie aber auch schon historisch, bzw. einzigartig durch den packenden Zugriff ihrer Interpreten. Die Entstehungsgeschichte, bzw. die durchaus komplizierten Begleitumstände dieser Oper bis sie für uns ein Klassiker durch und durch wurde, haben wir hier schon oft erzählt. Wir fassen uns deshalb heute kurz, aber die Entstehungsgeschichte dieses musikdramatischen Sorgenkindes gehört einfach dazu. Eine französische Vorlage steckte dahinter, eine sogenannte ‚Rettungsoper‘, die wollte man ins Deutsche übertragen, bzw. als Typ in Wien akklimatisieren. Die erste Fassung und Aufführung befriedigte weder den Komponisten noch das Publikum, das relativ spärlich erschien, denn Wien war gerade von den Franzosen besetzt worden. Das war am 20. November 1805. Im März 1806 lag eine zweite, gestraffte Version vor, die aber noch nicht richtig funktionierte. Erst im Mai 1814 wurde „Fidelio“ aufgeführt, wie wir ihn primär kennen, wie ihn auch Bernstein 1978 in seiner Aufnahme realisierte. Zählt man die Vorlage hinzu, dann hat diese Oper insgesamt vier Librettisten, es gibt auch vier Ouvertüren zu dem Stück und drei verschiedene Titel. Damit lassen sich partiell vielleicht die Brüche in dem Stück erklären, das als Singspiel beginnt, im Verlauf bis an die Grenzen der menschlichen Existenz geführt wird, um dann mit einem utopischen Freiheitstraum zu enden. Manche Theaterprofis beklagen gelegentlich diese Uneinheitlichkeit. Aber das gehört nun mal zum Grunderlebnis dieses Stücks: Das Nebeneinander von kleinbürgerlicher Idylle und Unerbittlichkeit, von Heldenmut und Verzweiflung, von Travestie und Glücksverheißung. – Soviel ganz allgemein. Die Ausführenden der Aufnahme sind: Leonore – Gundula Janowitz Florestan – René Kollo Don Fernando – Dietrich Fischer-Dieskau Don Pizarro – Hans Sotin Marzelline – Lucia Popp Rocco – Manfred Jungwirth Jacquino – Adolf Dallapozza Der Chor der Wiener Staatsoper Die Wiener Philharmoniker Leitung – Leonard Bernstein Die Handlung erklärt sich weitgehend durch die gesprochenen Dialoge, nur so viel sei dazu gesagt: Fidelio, der fleißige Gehilfe ist eigentlich Leonore, die ihren geliebten Gatten in diesem Staatsgefängnis vermutet. Das stiftet fast schon komödiantische Verwirrungen, denn Marzelline, die Tochter von Meister Rocco, hat ein Auge auf den jungen Mann geworfen. Auch Vater Rocco heißt die sich anbahnende Verbindung gut. Das Nachsehen hat Jacquino, der Pförtner, der Marzelline schon seit längerem den Hof macht. Fidelio-Leonore will indessen nur Roccos Vertrauen, sie will, dass der Kerkermeister sie demnächst mit in die unterirdischen Verließe nimmt, wo sie ihren Florestan vermutet. Heute wird es klappen. Pizarro, der Gefängnis Gouverneur ist in Not. Bevor eine strenge Kommission eintrifft, muss er Florestan, den er seit Jahren unrechtmäßig festhält, um die Ecke bringen. „Fidelio, der erste Akt. „Fidelio“, 1. Akt = 72‘49 2 SWR2 Opernabend, wir senden „Fidelio“ von Ludwig van Beethoven. Sie hören eine mittlerweile schon ‚Historische Aufnahme‘ der Plattenindustrie von 1978 unter der Leitung von Leonard Bernstein mit den Wiener Philharmonikern und dem Chor der Wiener Staatsoper. In der Titelpartie Gundula Janowitz. Rocco ist Manfred Jungwirth und Florestan René Kollo. Sie, meine Damen und Herren, werden es gemerkt haben, dass der große Eindruck, den diese Aufnahme macht, primär eine Leistung des Dirigenten ist. Er macht daraus ein Drama, er kostet die Kontraste aus, - Leonard Bernstein erdet das Stück und führt es, wenn es sein muss, gleichzeitig in die Höhe utopischer Träume. Ja die eigentliche Bewegungsrichtung dieser Rettungsoper ist ja der Weg durch die Untiefen der Verzweiflung, durch die kleinbürgerlichen Umstände hin zur großen Befreiung, die in einem kantatenartigen Finale dann auch entsprechend gefeiert wird. Was in dieser über vierzig Jahre alten Produktion auffällt, ist die Besetzung der Leonore durch Gundula Janowitz. Damit entscheidet er sich für eine lyrische Lösung. Das ist für die damalige Zeit eine durchaus moderne Besetzungsentscheidung, - also weg von den großen hochdramatischen Stimmen hin zum Ausdruck einer gesteigerten Innerlichkeit. Das Problem dieser Rolle ist ja ohnehin die Tatsache, dass hier eine starke Stimme mit einer gewissen Geläufigkeit erforderlich ist. Und Janowitz macht ihre Sache gut. Ihr Gatte Florestan ist dagegen mit René Kollo noch im Sinne einer eingeübten Tradition besetzt. Beide stoßen gelegentlich an ihre Grenzen. Aber das gehört möglicherweise zum Stück: In gewisser Weise ist „Fidelio“ ein GRENZGANG ganz allgemein. Und das macht diese Schicksalsoper auch so aufregend. Spätestens mit der Orchestereinleitung zum zweiten Akt, wirft diese Oper ihre kleinbürgerlichen Begleitumstände ab. Zwar geht es in dem Duett von Fidelio mit Rocco noch um die Tugend des Fleißes beim Graben, doch mit einem gefährlichen Unterton, der wenig später in der mutigen Befreiungstat explodiert. Was daraufhin passiert, ist eine schöne Feier. Die Lösung kommt von oben. Bernstein fügt zwischen der Kerkerszene und dem Finale im Freien als Orchesterzwischenspiel die Ouvertüre Leonore 3 ein. Das ist eine Tradition, die auf Gustav Mahler zurückgeht. Er fügte in seiner Wiener Produktion von 1904 diese sozusagen übriggebliebene Ouvertüre ein, um damit eine Umbauzeit zu überbrücken. In dieser Plattenaufnahme funktioniert sie wie ein retardierendes Moment kurz vor Schluss, in dem sich das ganze Stück mit sinfonischen Mitteln selbst betrachtet. Fidelio, der zweite Akt. „Fidelio“, 2. Akt = 61‘45 Opernabend in SWR2. Auf dem Spielplan stand „Fidelio“. Text von Josef Sonnleitner, Stephan von Breuning und Georg Friedrich Treitschke. Musik von LUDWIG VAN BEETHOVEN. Sie hörten eine Aufnahme der Plattenindustrie in folgender Besetzung: Leonore – Gundula Janowitz Florestan – René Kollo Don Fernando – Dietrich Fischer-Dieskau Don Pizarro – Hans Sotin Marzelline – Lucia Popp Rocco – Manfred Jungwirth Jacquino – Adolf Dallapozza Der Chor der Wiener Staatsoper Die Wiener Philharmoniker Leitung – Leonard Bernstein 3