E X K U R S HIV – ein Retrovirus 1981 wurden in Kalifornien erste Fälle einer neuen Infektionskrankheit bekannt, die sich weltweit rasch ausbreitete. Betroffene erkrankten an sonst sehr seltenen Tumoren und tödlichen Infektionen durch Erreger, die für Menschen normalerweise nicht gefährlich sind. Man nannte die Krankheit Aids (engl. Aquired Immmune Deficiency Syndrom, erworbene Immunschwäche), da sie die Folge einer Infektion mit einem Virus ist, der das Immunsystem stark schädigt. Der Erreger von Aids ist das Human Immunodeficiency Virus (HIV). Heute schätzt die Weltgesundheitsbehörde WHO die Anzahl der infizierten Menschen auf über 100 Millionen. Im elektronenmikroskopischen Bild erscheint der HI-Virus als kugelförmiger Partikel von etwa 100 Nanometern Durchmesser. Seine Außenhülle besteht aus einer Lipiddoppelschicht, in die knopfartige Glykoproteine eingelagert sind. Diese werden nach ihrer Molekülmasse benannt: Das Glykoprotein gp 120 besitzt eine Molekülmasse von 120 000 u. Unter der Virushülle liegt eine Proteinmatrix, die ein Capsid in Form eines Kegelstumpfes umschließt. Das Capsid enthält zwei identische einzelsträngige RNA-Moleküle von je knapp 10 000 Nucleotiden Länge und drei Enzyme: Protease, Integrase und Reverse Transkriptase. Das Ziel von HIV sind Blutzellen des Immunsystems (T4-Lymphocyten). lang symptomfrei verbleiben, bevor es zum Ausbruch der Krankheit kommt. Dann gp 120 werden die viralen Gene aktiviert, und neue infektiöse HI-Viren werden gebildet. Dadurch kommt es zu einer Abnahme der T4-Lymphocyten, bis schließlich die zunehmende Schwächung des Immunsystems zum Tode führt. Reverse Transkriptase gp 41 Integrase p6/p7 RNA Matrix Protease Lipid-Doppelschicht Capsid 157.1 HI-Virus (Schema). p Protein, gp Glykoprotein Diese besitzen auf ihrer Oberfläche spezifische Bindungsstellen, die CD4-Rezeptoren, an die sich das gp 120 des HIV anlagert. Die Virus-Hülle verschmilzt daraufhin mit der Zellmembran, und die RNA von HIV sowie Enzyme werden in die Zelle entlassen. Die Reverse Transkriptase schreibt die Virus-RNA nun umgekehrt zum üblichen Informationsfluss in einen DNAEinzelstrang um. Viren wie HIV, die über eine Reverse Transkriptase verfügen, nennt man daher Retroviren. Der DNA-Einzelstrang wird zum Doppelstrang ergänzt und wandert in den Zellkern. Dort wird er mit Hilfe der Integrase in das Chromosom der Wirtszelle eingebaut. In diesem Zustand eines Provirus kann HIV mehrere Jahre Eine Infektion mit HIV ist schwierig zu bekämpfen, weil der Virus seine genetische Information in das Genom der Wirtszelle integriert hat. Allen Therapie-Strategien ist gemeinsam, dass sie an Stellen angreifen, die spezifisch sind für den viralen Vermehrungszyklus, dabei aber den Stoffwechsel der Wirtszelle möglichst nicht schädigen. Ein Hauptziel ist die Blockade der Reversen Transkriptase. Hier hat sich Azidothymidin (AZT) als das erste wirksame Medikament erwiesen; es zeigt allerdings schwere Nebenwirkungen. Mit Antisense-DNA versucht man seit kurzem, die Translation der viralen Gene nach ihrer Integration zu verhindern. Dazu werden kurze einzelsträngige DNA-Stücke verabreicht, die zu der viralen mRNA komplementär sind und sich mit ihr zu einem Hybrid-Doppelstrang zusammenlagern. Die Entwicklung wirksamer Impfstoffe, die eine Infektion durch HIV etwa durch eine Blockade der CD4-Rezeptoren von vornherein verhindern könnten, ist bislang an der hohen Mutationsrate von HIV gescheitert. HIV Kernhülle Virus-RNA Reverse Transkriptase reverse Transkription Replikation Chromosom Integration Zusammenbau Exocytose Transkription Translation CD4-Rezeptor Virus- Virus- DNA RNA RNA Zellmembran A B Cytoplasma Virusproteine neuer HI-Virus 157.2 Vermehrungszyklus des HI-Virus. A EM-Foto; B Schema Genetik 157