Paul-Ehrlich-Institut Das Prinzip der Pockenschutzimpfung

Werbung
Paul-Ehrlich-Institut
Das Prinzip der Pockenschutzimpfung
Der Erreger der Pockenerkrankung ist das Pockenvirus (Variolavirus). Es gehört, wie
auch das Impfpockenvirus, das Vacciniavirus, zur Gattung der Orthopoxviren. Die
Pockenschutzimpfung nutzt diese enge Verwandtschaft aus.
Hat sich eine Person mit einem bestimmten Orthopoxvirus infiziert und entwickelt
schließlich eine Immunität, ist sie auch vor Infektionen mit anderen Orthopoxviren
geschützt. Der Grund für diese Kreuzimmunität ist, dass sich Orthopoxviren in ihrer
Morphologie und in ihren antigenen Oberflächenstrukturen stark ähneln. Die Impfung
mit dem weniger virulenten Vacciniavirus schützt daher vor einer Infektion mit dem
Variolavirus - und somit vor einer Pockenerkrankung.
Die Impfung mit dem Vacciniavirus ist eine Lebendvirus-Impfung. Im Unterschied zu
anderen Schutzimpfungen erfolgt sie nicht durch eine Injektion. Stattdessen wird das
Virus in eine lokale Verletzung der Haut eingebracht. Diese Skarifizierung geschieht
durch mehrmaliges Stechen der Haut mit der zweizackigen Impfnadel. Dabei ist die
Eindringtiefe der Nadel für einen optimalen Impferfolg von entscheidender Bedeutung. Eine ausführliche Beschreibung der Impftechnik in Wort und Bild finden Sie im
Kapitel Impftechnik.
Nach der intrakutanen Verabreichung vermehrt sich das Vacciniavirus in den Basalzellen der Haut und löst eine Immunreaktion des Körpers aus. Als sichtbares Zeichen
der Immunreaktion bildet sich zunächst eine Impfpapel. Innerhalb von ca. 10 Tagen
entwickelt sich diese Impfpapel zu einer vesikulär-pustulösen Läsion, die in der Folge
eintrocknet und verschorft. Bis zum Abfallen des Schorfs kann die Impfpocke aktives
Vacciniavirus enthalten und ist so lange als infektiös anzusehen.
Die Besonderheit der Pockenschutzimpfung - das Einbringen eines aktiven Virus
durch eine Hautverletzung - birgt mehrere Risiken in sich:
Quelle: Pockenschutzimpfung: Informationen für Ärztinnen und Ärzte,
CD ROM des Paul-Ehrlich-Instituts
Version: 01/2003
Seite 1/3
Einerseits kann das Vacciniavirus von der Impfstelle auf andere Körperstellen des
Impflings, aber auch auf andere Personen übertragen werden, zum Beispiel mit der
Hand nach einer Berührung der Impfstelle. Solche Übertragungen des Impfvirus
können zu schwerwiegenden Sekundärinfektionen führen. Hierzu gehören beispielsweise die Infektion des Auges mit der Gefahr einer Erblindung oder die Infektion von
Personen, für die eine Impfung kontraindiziert ist (z.B. Immunsupprimierte). Entscheidend ist daher die sachgerechte Abdeckung der Impfstelle und die Instruktion
des Impflings über die erforderlichen Hygienemaßnahmen. Diese Punkte werden im
Kapitel „Impftechnik“ und im Kapitel „Impfberatung“ beschrieben.
Andererseits können bei der Skarifizierung Keime von der Hautoberfläche in die Haut
eingebracht werden und dort zu Entzündungsreaktionen führen. Bei starker Verschmutzung der Impfstelle ist daher eine Reinigung oder Desinfektion angezeigt. Allerdings muss das alkoholische Desinfektionsmittel vor Durchführung der Impfung
vollständig abgetrocknet sein, andernfalls könnte es wiederum auch das Impfvirus
inaktivieren und so zu einem Ausbleiben des Impfe rfolgs führen.
Außer der möglichen Verschleppung von Impfviren oder Keimen kann es weitere
Komplikationen geben, zum Beispiel wenn eine Immunschwäche vorliegt. In solchen
Fällen kann es zu einer fortschreitenden Nekrose an der Impfstelle kommen, der
Vaccinia progressiva. Verbreitet sich das Virus im Körper des Impflings, etwa auf
hämatogenem Wege, können Impfkomplikationen wie eine generalisierte Vaccinia
oder ein Ekzema vaccinatum die Folge sein (siehe Kapitel „Impfkomplikationen“).
Derart schwere Impfkomplikationen treten normalerweise nur sehr selten auf. Ein
höheres Risiko weisen bestimmte Personengruppen auf, auf die im Kapitel „Impfberatung“ dieser CD näher eingegangen wird. Solange kein direktes Expositionsrisiko
gegenüber Pockenviren besteht, ist eine prophylaktische Impfung dieser Persone ngruppen kontraindiziert. Die Risiko-Nutzen-Bewertung ändert sich aber dann, wenn
Pockenerkrankungen wieder auftreten und diese Personen sicher oder möglicherweise Kontakt mit Pockeninfizierten hatten, nicht zuletzt wegen der besonders hohen
Letalität der Pockenerkrankung gerade in diesen Personengruppen (siehe Kapitel
„Impfberatung“).
Quelle: Pockenschutzimpfung: Informationen für Ärztinnen und Ärzte,
CD ROM des Paul-Ehrlich-Instituts
Version: 01/2003
Seite 2/3
Die Dauer des Impfschutzes nach einer Pockenschutzimpfung ist generell nur unzureichend untersucht; es ist aber von einer mehrjährigen Schutzwirkung auszugehen.
Ein vollständiger Impfschutz ist dagegen nach Jahrzehnten nicht mehr sicher gegeben. Bei fortbestehendem Expositionsrisiko sollte daher eine Wiederimpfung nach
drei Jahren erfolgen. Dies entspricht den vor der Eradikation der Pocken gültigen
Empfehlungen, z.B. der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Quelle: Pockenschutzimpfung: Informationen für Ärztinnen und Ärzte,
CD ROM des Paul-Ehrlich-Instituts
Version: 01/2003
Seite 3/3
Herunterladen