SWR2 MANUSKRIPT

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2
DIE BUCHKRITIK
Mahmoud Bassiouni: Menschenrechte zwischen Universalität und
islamischer Legalität
Suhrkamp Verlag
390 Seiten
18 Euro
Rezension von Pascal Fischer
Freitag, 13. März 2015 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Von Pascal Fischer
Ja, da gibt es diese Positionen im Islam, die sagen: Das Rechtsverständnis
erlaubt diese verwestlichten Menschenrechte nicht, diesen
„Kulturimperialismus“. Es gibt islamische Menschenrechtserklärungen, die
das Recht auf körperliche Unversehrtheit garantieren, es sei denn, die
Scharia sei berührt, dann könne doch gezüchtigt oder gar getötet werden. Die
Prophetie sei abgeschlossen, der Islam inhaltlich statisch, so argumentieren
Kritiker und vermeintliche Prediger oft einhellig.
„Nicht selten laufen Forschungsunternehmen darauf hinaus zu zeigen, wie
rückständig oder unvernünftig der Islam als Ganzes oder in seinen
Teilaspekten ist, während von anderer Seite versucht wird, die Überlegenheit
des Islams gegenüber anderen Konzepten zu beweisen.“
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Dabei lassen sich die Menschenrechte in den Islam integrieren, argumentiert
Mahmoud Bassiouni. Allein deshalb, weil diese Religion offen für
Neuinterpretationen des Koran sei, wie zahlreiche Reformer aus den
unterschiedlichsten Zeiten sagen, die den Koran nicht wörtlich auslegten,
sondern den Sinn erfassen wollten, den historischen Kontext davon
abtrennen wollten.
(
„Ein zentrales – wenngleich nur selten bedachtes – Merkmal des islamischen
Rechts ist die Tatsache, dass es den Muslimen nicht als gebrauchsfertiges
Gesetzbuch »vom Himmel gefallen« ist.
)
„Je dynamischer die Position des islamischen Rechts, desto eher besteht
auch die Möglichkeit einer Vereinbarkeit von Islam und Menschenrechten.“
Weniger ein Zitatesperrfeuer aus Koran und Sunna, sondern eine Diskussion
rechtstheoretischer Positionen im Islam erwartet den Leser hier.
Wohlgeordnet und in überraschend eingängiger Sprache! So arbeitet
Bassiouni heraus, dass der Zweck des islamischen Rechts der Schutz
elementarer Bedürfnisse sei, und zwar von Religion, Leben,
Nachkommenschaft, Vernunft und Eigentum; allgemeiner formuliert:
Gesundheit, Sicherheit, Zugehörigkeit, Anerkennung und Sinngebung. Diese
seien zur Existenz notwendig, beträfen alle Menschen, was empirisch
feststellbar sei. Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt, die kodifizierten
Menschenrechte zu identifizieren.
„Die Religion hat in diesem Zusammenhang folglich keine wertebegründende
Funktion, da die inhaltlichen Werte prinzipiell auch nichtreligiös begründet
werden können. Sie hat vielmehr eine legitimierende Funktion.“
Die Argumentation ist also nur „auch religiös“. Und muss es sein: Wäre sie
streng religiös, schützten islamische Menschenrechte – je nach Konzept vielleicht nur Muslime. Wäre alles gottbegründet, wäre die Achtung der
Menschenrechte eine reine Glaubenspflicht, würde kein Atheist das einsehen
müssen.
Das wirkt zunächst logisch schwach. Wozu beweisen, dass der Islam
menschenrechtskompatibel ist, wenn die Menschenrechte doch anderswo
schon, viel befreiter vom Ballast jeglicher Tradition, zum Beispiel
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diskursethisch begründet wurden. Es scheint am Ende der einzig gangbare
Weg für eine Reform des Islam von innen: Von den arroganten Belehrungen
eines oft doppelzüngigen Westens hat die islamische Welt schließlich genug.
„Der positive Weg, um irgendein Konzept in einer bestimmten Kultur zu
fördern, führt über die Beweiskraft ihrer legitimierenden Prinzipien.“
Wer zeigt, dass der Islam mit den Menschenrechten vereinbar ist, wird wohl
mehr erreichen, als jeder, der den Islam pauschal aburteilt.
Hierbei kann sich das Abendland nett selber bespiegeln: Auch hierzulande
glaubt immer noch so mancher, die Menschenrechte seien eigentlich
begründet durch die alttestamentarische Gottesebenbildlichkeit oder Jesu
Menschenliebe. Bassiouni zeigt: Im Islam wie Christentum gibt es solche
selbstverliebten Rückprojektionen. Tatsächlich entstanden die
Menschenrechte historisch vor allem aus Erfahrungen von Gefährdungen der
Menschenwürde durch Kriege, Sklaverei, und Holocaust. Gefährdungen,
gegen die man Schutzprinzipien formulierte. Auch der Islam hat die
Menschenrechte nicht „erfunden“, aber er ist eindeutig für sie anschlussfähig.
Deshalb ist das nicht nur ein Buch für Islaminteressierte, sondern für jeden,
der wissen möchte, wie sich Normen, Werte, Rechte begründen lassen.
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