Sitzungsprotokoll

Werbung
D-70771 Leinfelden-Echterdingen
Marienstr. 9
Fon: 0711/7941319-1
Fax: 0711/7941319-2
Email: [email protected]
Internet: http://www.impf-report.de
Sitzungsprotokoll
der Ständigen Impfkommission
(STIKO)
vom
5. Dezember 2006
Thema:
Allgemeine Empfehlung der HPV-Impfung
(gegen Gebärmutterhalskrebs)
Das nachfolgende Sitzungsprotokoll wurde vom Robert-Koch-Institut (RKI) aufgrund einer Anfrage
nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) im März 2008 an den freien Journalisten Hans U. P.
Tolzin (Zeitschrift "impf-report") herausgegeben. Die Schwärzungen wurden vom RKI nachträglich
hinzugefügt. Vermutlich handelt es sich um besonders brisante Daten. Es wird erwogen, die
Herausgabe auch der geschwärzten Passagen zu fordern, was jedoch nur über eine Klage vor dem
Verwaltungsgericht zu erreichen sein wird. Fragen und Kommentare zum Inhalt sind erwünscht.
Kontaktadresse siehe oben.
Protokoll der ergänzenden Beratung (TOP HPV)
zur 55. Sitzung der Ständigen Impfkommission (STIKO)
5. Dezember 2006 in Berlin
Robert Koch-Institut, Seestr. 10, 13353 Berlin
Beginn:
Ende:
10.00 Uhr
16.20 Uhr
Anwesende:
Mitglieder:
Prof. Bigl, Prof. Heininger , Prof. Hofmann, Frau Prof. Hülße, Prof. Jilg,
Prof. von Kries, Dr. Leidei, Frau Dr. Lindlbauer-Eisenach, Prof. Mertens,
Frau Dr. Nahnhauer, Prof. Schmitt, Prof. von Sonnenburg, Prof. Wahle, Prof. Zepp
entschuldigt: Dr. Dobbelaer, Frau Prof. Idel, Prof. Röllinghoff
Ständige Gäste:
Frau Dr. Joram-Savoy (BMVg), Frau Dr. Keller-Stanislawski (PEI), Herr Miebach (BMG),
Frau Dr. Jäckel (BAuA)
Gäste (vormittags):
Frau Bode (tns-emnid), Prof. Dr. Friese (DGGG), Prof. Dr. von Knebel Doeberitz (Abteilung
für angewandte Tumorbiologie, Universität Heidelberg), Prof. Dr. Schneider (Charite, Universitätsmedizin Berlin)
Frau Lerch, Frau Dr. Siedler (zeitweise), Frau Dr. Bremer (als Gast, FG 34-HIV/AIDS und
andere sexuell oder durch Blut übertragbare Infektionen ),
Frau Dr. Meyer, Frau Dr. Wiese-Posselt, Frau Dr. Delere
Da,... .. iiRllnrt 11..,1"'1 \/n.r~+olJ'lnn·
~v~IUI~UII~
""'11'-1 Y"'''''''''''I''''''I:::J.
Herr Schmitt begrüßt die beratenden Experten, anwesenden Mitglieder und ständigen Gäste
der Ständigen Impfkommission sowie die anwesenden Mitarbeiter des RKI zur ergänzenden
Beratung zu Impfstoffen zu Humanen Papillomaviren (HPV). Der Termin zur heutigen Beratung wurde auf der 55. Sitzung der STIKO am 26. September 2006 vereinbart, da die zeitlichen Vorgaben für eine ausführliche Beratung am eigentlichen Sitzungstermin nicht ausreichten.
Wegen des erhöhten Medieninteresses zum Thema HPV und zahlreicher im Vorfeld geäußerter Vermutungen mit teils falschen Zitaten einzelner STIKO - Mitglieder weist der Vorsitzende erneut ausdrücklich auf die Vertraulichkeit der Beratung hin, dies gilt auch für die an- •
wesenden Gäste. Die Vertraulichkeitsverpflichtung ist Inhalt der Geschäftsordnung der
STIKO.
2
Da es organisatorische Schwierigkeiten zu dem am 26. September vereinbarten Termin zur
56. Sitzung am 13.114.02.07 gibt, wird als neuer Termin für die zweitägige Sitzung der
STIKO der 27./28. Februar 2007 vereinbart.
Einladung und Arbeitsgruppenpapier der Arbeitsgruppe Jugendlichenimpfung (AG) zur Sitzung sind rechtzeitig versandt worden. Eine kurze Zusammenfassung des AG-Papiers, das
AG-Papier, Anlagen zu FAQs zur Impfung gegen Rotaviren und zur Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C sowie eine aktualisierte Tagesordnung sind als Tischvorlagen
verteilt.
Mit 14 anwesenden Mitgliedern ist die STIKO beschlussfähig.
Da am Vormittag sowohl externe Gäste, Sachverständige zum Thema HPV als auch RKIMitarbeiter anwesend sind, bittet Herr Schmitt um eine kurze Vorstellung der einzelnen Teilnehmer.
TOP 1: Vortrag von Prof. von Knebel Doeberitz: Grundlegende Mechanismen und Epidemiologie der HPV-Infektion (10.15 -10.45)
In seinem Vortrag geht Herr von Knebel Doeberitz auf grundlegende Konzepte einer Infektion mit HPV ein. Zusätzlich weist er auf epidemiologische Grundlagen genitaler HR(high risk)HPV-Infektionen und die Epidemiologie der klinischen Läsionen hin, die durch genitale HPVInfektionen hervorgerufen werden können. Das Verständnis des Pathomechanismus einer
HPV-Infektion und der durch die Infektion induzierten Zellschädigungen ist wesentlich, um
die mögliche Wirkung von Impfstoffen gegen HPV 16,18,6,11 nachzuvollziehen.
HPV-Infektionen verlaufen wie folgt: Virusbestandteile werden von der infizierten Zelle gebIldet und im Zellverband regional verbreitet. Zu einer Virämie kommt es nicht. Die Infektion mit
einem LR(low risk)-HPV-Typ führt nicht zur Infiltration der Basalzellschicht des Gewebes,
Virusbestandteile werden nur in den oberflächlichen Keratinozyten gebildet. Es kann in Folge
zu einer exophytischen Zellproliferation ohne Malignität kommen. Deren klinisches Zeichen
können Genitalwarzen sein. Durch eine Infektion mit einem HR-HPV-Typ können Zellen der
Basalmembran infiltriert werden. Durch Änderung der Methylierungsvorgänge der Zelle wird
der Zellzyklus gestört. Zellen der Transformationszone der Zervix uteri reagieren als pluripotentes Gewebe (Ausdifferenzierung sowohl zu Plattenzellepithel als auch zu Adenozellepithel
möglich) besonders empfindlich auf Störvorgänge im Zellzyklus durch die Virusreplikation.
Ein irreparabler Schaden der Zelle mit Bildung von Krebsvorstufen kann entstehen, wenn die
Kontrolle der Zelle über die HPV-Genexpression versagt. Ein derart transformierter Zellklon
kann lange persistieren und multifokale Läsionen hervorrufen, produziert in diesem Zustand
aber kein Virus. Generell entstehen nach einer HPV-Infeldion bei ca. 10% der infizierten
Frauen persistierende Läsionen an der Zervix üteri. Systemische Antikörper (AK) ent\·...ickeln
nur etwa 50% der mit einem HR-HPV-Typ infizierten Frauen. Die Serum-AK-Titer sind nach
einer natürlichen Infektion relativ niedrig und schützen nicht vor einer erneuten Infektion. Re:infektionen nach durchgemachter Infektion sind möglich und häufig.
Der durch eine intramuskulär verabreichte Impfung hervorgerufene Schutz beruht auf der
Induktion neutralisierender Antikörper. AK im Serum nach Impfung mit einem VLP(Virus like
particles)-HPV-Impfstoff werden zunächst in 100- bis1 OOO-fach höherer Konzentration als
nach einer natürlichen Infektion gebildet. Der protektive Mechanismus der Impfung entsteht
aber nicht allein durch im Serum messbare zirkulierende AK. Durch Sekretion von AK direkt.
in das Vaginalsekret und durch Transsudation von AK aus dem mesenchymalen Gewebe in
die unteren Schichten des Epithels der Zervix uteri kann die Neutralisierung von HPVPartikeln vor der Infektion der Zelle an der Transformationszone der Zervix uteri erfolgen. In
den vorliegenden Studien zur Zulassung von HPV-Impfstoffen konnte eine Wirksamkeit der
Impfung zur Verhinderung der HPV-Infektion und der Entstehung von HPV-assoziierten Er-
3
krankungen der Zervix uteri bzw. von Genitalwarzen bei HPV-naiven Frauen von nahezu
100% gezeigt werden.
Zur Krankheitslast in Deutschland durch HPV wies Herr von Knebel Doeberitz auf folgende
epidemiologische Kennzahlen hin: Nach internationalen Erhebungen entwickeln circa 1%
eines Frauenjahrgangs im Laufe ihres Lebens eine CIN (cervikale intraepitheliale Neoplasie)2/3-Läsionen. Circa 2 bis 5% eines Jahrgangs (Männer und Frauen) entwickeln Condylome. Circa 6% (Prävalenz) aller Frauen und Männer in Deutschland sind mit HR-HPV infiziert (deutliche Abhängigkeit von Alter und sozialer Gruppierung).
Zur Beantwortung der Frage, wie viele Erkrankungen und Todesfälle durch einen Impfschutz
gegen HPV verhindert werden könnten, ist außerdem zu berücksichtigen, dass theoretisch
bei hoher Durchimpfung der Bevölkerung die Viruslast und somit auch die Wahrscheinlichkeit der Übertragung einer Infektion reduziert werden könnte.
(Die Präsentation ist diesem Protokoll ais Anlage 1 beigefügt.)
In der folgenden Diskussion werden zunächst die unterschiedlichen Mechanismen der Immunität nach Infektion und Impfung diskutiert. Herr von Knebel Doeberitz erläutert, dass AK
im Serum nach einer vollständigen Impfung (3 Dosen) über einen Beobachtungszeitraum
von 5 Jahren bei ca. 80% des Ausgangsniveaus stabil bleiben (vgl. hierzu die detaillierten
Darstellungen von Frau Keller-Stanislawski im weiteren Verlauf der Sitzung). Das Viruskapsid als Antigen kann an der Schleimhautoberfläche der Zervix uteri nach einer natürlichen Infektion keine system ische Immunantwort hervorrufen. Erst durch eine intramuskuläre
Impfung kann eine T-Zell-Antwort induziert werden, die wiederum zur Differenzierung von BZellen zu Plasmazellen (AK-produzierende Zelle) beiträgt. Herr von Knebel Doeberitz erläutert, dass eine Impfung gegen HPV effektiver als die Immunantwort nach einer natürlichen
Infektion ist. Nach einer Impfung kann die Immunantwort durch natürliche Infektionen geboostert werden.
Die Verhinderung einer Infektion (bei Geimpften oder Ungeimpften) ist wegen der geschilderten Besonderheiten der Pathomechanismen der Infektion im Rahmen einer Studie nicht
zweifelsfrei messbar, sondern das Auftreten von Dysplasien (CIN). Die Dynamik einer HPVInfektion bzw. der Wirkungsgrad der Impfung wird möglicherweise deshalb unterschätzt. Für
das Auftreten von Dysplasien sind sowohl die intraepitheliale Persistenz von HPV als auch
wiederholte Reinfektionen verantwortlich. Das Risiko von Reinfektionen steigt mit der Anzahl
von Sexual kontakten bzw. der Häufigkeit des Partnerwechsels an. Wenn eine Infektion mit
nur einem HPV-Typ vorliegt, könnte es theoretisch sinnvoll sein, auch bereits infizierte Frauen zu impfen. So könnte ein Schutz gegen andere im Impfstoff enthaltene HPV-Genotypen
generiert werden. Die Wirksamkeit der Impfung ist für diese Personengruppe aber bisher in
keiner Studie geprüft.
f'.Jeben dem !ndividua!schutz durch Impfung, deren Bedeutung für die Senkung der Krankheitslast durch Indikatoren (z.B: number needed to vaccinate, um einen Todesfall an Zervixkarzinom zu verhindern[NNV]) abgeschätzt werden kann, könnte eine Impfung gegen HPV .
auch unter dem Gesichtspunkt der Unterbrechung von Infektionsketten sinnvoll sein. Abschätzungen zur Senkung der Krankheitslast durch einen solchen Effekt sind erst möglich,
wenn weitere Untersuchungen diesen theoretisch möglichen, aber in Studien bisher nicht
geprüften Effekt belegen. In diesem Zusammenhang sind dann auch die möglichen zusätzlichen Effekte durch eine derzeit durch die Zulassung nicht gedeckte Impfung von Männern/Jungen zu diskutieren.
Durch Kreuzreaktivitäten können möglicherweise zusätzlich weitere Infektionen durch nicht
im Impfstoff enthaltene HR-HPV-Genotypen verhindert werden. Die Postmarketing Surveillance und zukünftige Studien werden hierzu Aussagen liefern (s.a.TOP 6).
4
Ein Replacement durch andere pathogene HPV-Typen ist denkbar, aber aus theoretischen
Überlegungen eher unwahrscheinlich. Die Durchseuchung mit Papil/omaviren ist hoch: Sie
kommen ubiquitär vor. Die Genotypen 16 und 18 sind dabei nicht die mit dem häufigsten
Vorkommen, sondern die mit dem höchsten Transformationspotential. D.h. ein Replacement
würde durch andere, bereits häufig vorhandene Genotypen auftreten. Eine Steigerung der
Pathogenität der bestehenden Typen ist dadurch nicht zu erwarten.
TOP 2: Vortrag von Prof. Dr. Schneider (11.15 - 11.55)
Herr Schneider bezieht sich in seinem Vortrag auf die ihm durch die Geschäftstel/e der
STIKO in Absprache mit der Arbeitsgruppe zugesandten folgenden Fragen.
1. Welche Altersgruppen nehmen in Deutschland eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung
zur Früherkennung des Zervixkarzinoms in Anspruch?
Die Teilnahmerate für die Früherkennungsuntersuchungen des Zervixkarzinoms in Deutschland wird auf 36 bis 51 % geschätzt (Kahl et a/., Gesundheitswesen 1999;61:163-168). Es
handelt sich bei den Vorsorgeuntersuchungen um ein opportunistisches (freiwilliges) System.
Junge Frauen ab 20 Jahre (Beginn des Screenings) nehmen relativ häufig am Screening teil,
da diese durch regelmäßige Frauenarztkontakte besser erreichbar sind. Frauen nach Abschluss der reproduktiven Phase (> 40 Jahre) nehmen vergleichbar seltener am Screening
teil. Die Teilnehmerraten nehmen mit zunehmendem Alter weiter ab.
2. Wie sind Sensitivität und Spezifität der derzeitigen Vorsorg-euntersuchungen zu bewerten?
Für den in Deutschland durchgeführten PAP-Test ist eine geringe Sensitivität (ca. 50%) mit
einer vergleichsweise höheren Spezifität (> 90%) beschrieben. Die Kolposkopie zeigt eine
hohe Sensitivität bei geringer Spezifität. Die Sensitivität der in Deutschland zugelassenen
Testverfahren für den Nachweis einer HPV-Positivität wird als sehr hoch eingeschätzt Die
Spezifität zum Nachweis von Dysplasien ist erwartungsgemäß niedrig. Es werden unklare
Testergebnisse durch Kreuzhybridisierung zwischen high-risk- und low-risk-HPV-Typen
beobachtet.
3. Welcher Anteil der Frauen geht mindestens jährlich, alle 2 Jahre, alle 3 Jahre oder seltener zur Vorsorge?
Erhebungen zu Beginn der 1990er Jahre zeigten, dass nur 16% aller Frauen über einen
Zeitraum von drei Jahren jährlich im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung untersucht werden. 80% der Frauen werden einmal innerhalb von drei Jahren durch eine Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung des Zervixkarzinoms erreicht.
4. ist davon auszugehen, dass im Rahmen der Vorsorge gegen das Zerv'ixkarzinom valide
Aussagen zum Infektionsstatus bei Frauen möglich sind?
Da eine Untersuchung auf HPV im Rahmen des Screenings nur als individuelle Gesundheitsleistung (IGel) erfolgt, ist derzeit keine Aussage zum Infektionsstatus der meisten Frauen in Deutschland möglich. Nur bei atypischem und abnormalem PAP sowie bei Zustand
nach eiN wird die Durchführung eines HPV-Tests von den Kassen übernommen.
5. Wie verläuft eine Qualitätssicherung der derzeitigen PAP's? Gibt es andere Methoden der
PAP-Analyse? Welche standardisierten HPV-Screening-Methoden gibt es?
Die Qualität einer auf PAP-Testen basierenden Diagnostik ist von verschiedenen Faktoren
abhängig (z. B. Gewinnung des Testmaterials, Qualität des Untersuchers etc.).Die Qualitätssicherung für PAP-Zytologien erfolgt derzeit durch eine Eingangsprüfung für Zytologen bzw.
die standardisierte Ausbildung für Zytologie-Assistenten. Ist aber letztlich von der Qualität
5
des Untersuchers abhängig und kann stark variieren. Die Durchführung einer DünnschichtZytologie (CINtec) zeigt in Studien gegenüber herkömmlichen PAP-Untersuchungen keinen
Vorteil. Die standardisierte HPV-Screening-Methode ist der Hybrid Capturell-Test (Digene).
Weitere Spezialverfahren zum HPV-Nachweis und zur HPV-Genotypisierung sind derzeit nur
für die Anwendung in Studien verfügbar.
6. Welche Auswirkungen können Durchführung und Qualitätssicherung des Screenings auf
eine mögliche Impfstrategie haben?
Allein verbesserte Screeningmethoden und höhere Teilnahmeraten am Screening, sowie
eine Qualitätssicherung der PAP-Zytologien und der Abstrichentnahmetechnik könnten die
Karzinomrate weiter absenken. Dies gilt vor allem für ältere Frauen mit bestehender persistenter Infektion. Für jüngere Frauen könnte durch eine Impfung die Karzinomrate gesenkt
werden. Da eine Impfung jedoch nicht alle HPV-Genotypen abdeckt, bleibt ein qualitativ gutes Screening wichtig.
7. Gibt es international Vergleiche/Bewertungen bestehender Screeningmaßnahmen?
Land
Nationale Früherkennungsstrategie
Regelmäßig
Iter Intervall Maximale Zahl untersuchte
an UntersuFrauen
chungen
(%)
ervixkarzinom
Neuerkran- Sterbekungen I fälle I
100.000
100.000
Dänemark
23-59 3
12
75
16,3
8,6
Frankreich
25-65 3
13
69
13,6
5,4
Belgien
25-64 3
13
78
12,8
6,2
Italien
25-64 3
13
53-74
11,6
4,0
Schweden
23-60 3
12
83
10,9
5,6
England
25-64 3-5
13
83
10,5
5,1
Spanien
25-65 3
13
27
10,3
3,6
Niederlande 30-60 5
6
77
9,4
3,8
Finnland
6
93
6,2
3,0
30-60 5
In Deutsch!and besteht zvvar das Angebot jährlicher Untersuchungen, es wird aber von vielen Frauen nicht angenommen. Durch Recall-Systeme (Erinnerungen an Vorsorgeuntersuchungen durch den behandelnden Arzt) könnte die Erreichbarkeit von derzeit 50% steigerbar
sein. In anderen europäischen Ländern werden weniger Untersuchungen durchgeführt, aber
prozentual mehr Frauen erreicht (z.B. England, Schweden, Finnland).
8. Gibt es Überlegungen zu veränderten Untersuchungsintervallen (Screeningintervallen)
unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit eines HPV-Impfstoffs?
Eine Impfung eliminiert die HPV-Typen mit dem höchstem Progressionsrisiko (Cast/e ef al.
JNCI 97:1066-1071, 2005; Kahn ef al., JNCI 97:1072-1079, 2005). Es könnten längere
Screeningintervalle in HPV-geimpften Populationen möglich werden, und das Screening
könnte später einsetzen (höheres Screeningalter, derzeit in Deutschland Beginn mit 20 Jahren). Herr Schneider stellt hierzu ein entscheidungsanalytisches Modell von Siebert vor, dass
in Kürze publiziert werden wird. (vgl. Folien 15 und 19 der anliegenden Präsentation) In die-
6
sem Modell wird angenommen, dass eine Kohorte von 400.000 Mädchen im Alter von 10
Jahren zu 100% mit einem 95% wirksamen Impfstoff geimpft wird. Ohne Impfung, aber bei
jährlicher Teilnahme von 47 % der Mädchen am jährlichen Screening beträgt das Lebenszeitrisiko für ein Zervixkarzinom 1 : 100 (= 4000 Fälle).Dies ist zu vergleichen mit einem Risiko von 1 : 25 (= 1000 Fälle) nach erfolgter HPV-Impfung und jährlichem Screening mit der
gleichen Inanspruchnahmerate von 47 %. Die Anzahl der trotz Impfung auftretenden Zervixkarzinome bei Frauen ist - unter der Voraussetzung, dass immer die gleichen 47% die Vorsorge in Anspruch nehmen - in Abhängigkeit von den gewählten Intervallen des Screenings
ansteigend. (z.B. Screening 1-mal pro Jahr: n 963, alle 2 Jahre: n 1586, alle 3 Jahre: n
1997)
=
=
=
9. Welche Untersuchungsintervalle erscheinen Ihnen optimal oder ausreichend, wenn eine
hohe Durchimpfung gegen HPV erreicht würde? Welche Methoden sollten zum Einsatz
kommen?
Nach einer Impfung erscheint ein Screening alle 3 bis 5 Jahre bei konsequenter Teilnahme
und guter Screeningqualität optimal. Eine Kombination von PAP-Analysen mit einem typisierenden HPV-Test ist hoch sensitiv (96 bis 100%) in der Diagnostik von GIN 2/3 und ZervixKarzinomen. Es besteht ein hoher negativer Vorhersagewert. Ein längeres Intervall bei HPV
neg.lPAP neg. und Frauen, die älter sind als 30 Jahre, scheint möglich.
10. Sind in geimpften Kohorten andere - bessere Screeningmethoden zwingend? Warum?
Nach Impfung nimmt die HPV- und GIN-Prävalenz ab. Der positiv prädiktive Wert des Screenings wird automatisch schlechter, da seltenere Ereignisse gefunden werden müssen.
Angepasste, intensivierte Screening methoden müssen dieser Tatsache Rechnung tragen.
11. Gibt es ModelIierungen zur Kosten-Nutzen-Effektivität unterschiedlicher Irnpfstrategien?
Nach Modellrechnungen aus den USA ist eine Impfung von Mädchen im Alter von 12 Jahren
am kosteneffizientesten. Im Verlauf sollte alle 3 Jahre ein Screening durchgeführt werden
(Goldie et al., JNGI 2004, 96:604-15). Der Einschluss von Jungen in ein Impfprogramm wird
als nicht kosteneffektiv beschrieben (Taira et al., Emerg Infect Dis 2004, 10: 1915-23).
(Die Präsentation ist diesem Protokoll als Anlage 2 beigefügt.)
In der folgenden Diskussion zum Zusammenhang von Impfung gegen HPV, Screening und
Anzahl von Zervixkarzinomen weist Herr Schneider darauf hin, dass es sich bei seinen Ausführungen um ein theoretisches Modell handelt, die Modellannahmen beruhen nicht auf experimentellen Daten. Der Nutzen der Impfung nimmt mit zunehmendem Alter der zu Impfenden ab, da u.a. bereits bestehende Infektionen oder schon bestehende Läsionen nicht
durch einen Anstieg der AK-Titer gegen den entsprechenden HPV-Genotyp beeinflüssbar
sind. 70% der Zervixkarzinome sind durch HPV-Infektionen verursacht, durch Impfung eines
ganzen Jahrgangs kann das Auftreten von Zervixkarzinomen um max. 70% reduziert werden. Wenn aufgrund einer Impfung Vorsorgeuntersuchungen nicht mehr durchgeführt wür- .
den, würde die absolute Anzahl an Zervixkarzinomen nach einem ersten Abfall wieder ansteigen, da die nicht durch HPV verursachten Karzinome nicht mehr entdeckt würden. D.h.
die Umsetzung einer möglichen Impfempfehlung müßte mit der sinnvollen, qualitätsgesicherten Ausgestaltung eines modifizierten Screeningprogramms kombiniert werden.
7
TOP 3: Vortrag von Frau Bode: Daten zur Jugendsexualität, tns-emnid im Auftrag der
BZgA
Frau Bode von tns-emnid fasst die für die Beratungen in der STI KO relevanten Ergebnisse
der 2005 für die BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) durchgeführten Untersuchung zur Jugendsexualität unter 2.500 Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren zusammen. Seit 25 Jahren existiert diese Studie zum Thema Jugendsexualität. Die in
der ersten Studie von 1980 befragten Jugendlichen sind mittlerweile die Elterngeneration der
heutigen Jugend. Die aktuelle Befragung ist die sechste ihrer Art. Die Datenerhebung der
aktuellen Studie war 2005, Auswertung und Veröffentlichung 2006. Die Themen der Studie
betreffen Sexualaufklärung, Körpererfahrungen, sexuelle Erfahrungen und Kontrazeptionsverhalten.
Für Jugendliche sind in erster Linie die Mütter die an der Sexualaufklärung beteiligten Personen (Mädchen [M] 70%, Jungen [J] 42%). Dann folgen die Schule (M 31%, J 38%), die
besten Freunde (M 44%, J 33%) und die Väter (M 12%, J 33%). Mehr als 90% der befragten
Mädchen in Deutschland (gesamt, Ost und West) haben in der Schule Sexualkundeunterricht erhalten. (1994 75%, 83% West, 45% Ost).
Das Alter der ersten Menstruation lag bei 34% bei 12 Jahren, bei weiteren 30% bei 13 Jahren. 81 % aller Mädchen geben an, bis zum Alter von 13 Jahren die erste Regelblutung gehabt zu haben.
Die erste Regelblutung wird auch als ein Hauptgrund für eine Vorstellung beim Frauenarzt
genannt (45%). 47% geben das Thema Verhütung als Grund für den ersten Frauenarztbesuch an. Das Alter des ersten Frauenarztbesuches liegt bei 16% bei 14 Jahren, bei 15% bei
15 Jahren und bei 10% bei 16 Jahren. Mit 17 Jahren haben 87% der Mädchen und auch
76% der weiblichen Migrantenkinder einen Frauenarzt konsultiert.
Zu sexuellen Kontakten geben 12% der Mund 10% der J an, mit 14 Jahren Geschlechtsverkehrerfahrung zu haben; 23% der IV! und 20% der J geben dies mit 15 Jahren an. Mit 16 sind
es 35% der Mund 47% der J, mit 17 sind es 73% der Mund 66% der J. Die Daten zeigen
weiterhin, dass nach dem ersten Geschlechtsverkehr bei 77% der Mund 78% der J regelmäßige Sexualkontakte folgen. Das Alter bei erstem Geschlechtsverkehr ist abhängig von
der Schulbildung und dem Migrantenstatus. Mädchen aus der Hauptschule haben den ersten
Geschlechtsverkehr in der Regel früher, Migrantenmädchen eher später. Mädchen und Jungen mit früherer Geschlechtsverkehrerfahrung geben zu fast der Hälfte an, nicht "mit dem
ersten Mal gerechnet zu haben".
Zum Verhütungsverhalten ist im Vergleich zu den Erhebungen der Vorjahre eine deutliche
Zunahme im Gebrauch des Kondoms zu erkennen. Während 1980 32% der M beim ersten
Mal ein Kondom nutzten, geben dies 2005 71 % der befragten Man.
(Oie Präsentation ist diesem Protokol! als Anlage 3 beigefügt)
In der Erhebung wurden empirische Daten ermittelt, die aufgrund der Repräsentativität der.
Stichprobe zuverlässige Aussagen über die Einstellung und das Verhalten von Jugendlichen
in Deutschland zur Sexualität liefern sollten. Die Erhebung basiert auf einer Quotenstichprobe von 2.500 Jugendlichen, was einem Anteil von 5 bis 6% der Zielpopulation entspricht. Die
regionale Verteilung der Stichprobe erfolgte gemäß dem ADM-Mastersample. Die interviewten Jugendlichen wurden nicht randomiisert, sondern durch den Interviewer ausgewählt.
In der folgenden Diskussion weist Frau Bode darauf hin, dass das sexuelle Verhalten Jugendlicher durch Jugendzeitschriften und zunehmend über Informationen aus dem Internet
(auch bei M) geprägt wird. Zu der Frage nach Strategien zur Erreichbarkeit von Jugendlichen
bestätigt Frau Bode, dass das Interesse der Jugendlichen an Informationen zu sexuell übertragbaren Erkrankungen groß ist. Informationen hierüber werden über die Eltern, die Schule
oder Beratungsstellen (kirchlich, staatlich, pro familia etc.) generiert. Unterrichtseinheiten zu
8
Sexualkunde werden wegen der Bildungshoheit von den Bundesländern geplant und durchgeführt, d.h. unterrichtet wird in Deutschland in unterschiedlichen Altersjahrgängen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
TOP 4: Abschließende Diskussion (12.35 -13.05)
Herr Prof. Dr. Klaus Friese, Leiter der Arbeitsgemeinschaft, Infektionen und Infektionsimmunologie der DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe eV.) führt aus,
dass derzeit keine Änderungen in den Empfehlungen zum Screening (Kolposkopie, Abstrich)
zur Früherkennung des Zervixkarzinoms und in der Praxis des Screenings zu erwarten sind.
Jedoch soll die Inanspruchnahme des Screenings bei der Zielgruppe durch koordinierte Anstrengungen intensiviert werden. Die Methode des Recall werde hierfür als hocheffektiv angesehen. Zusätzlich ist eine S2-Leitlinie bei der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) in Vorbereitung (Prävention, Diagnostik und
Therapie der HPV-Infektionen und HPV-assoziierter präinvasiver Läsionen in der Gynäkologie und Geburtshilfe, Nr.015/027, Entwicklungsstufe 2, geplante Fertigstellung Anfang 2007),
die für eine Impfung Stellung beziehen wird. Das Impfen (auch z.B. gegen Hepatitis B oder
Varizellen bei seronegativen Frauen mit Kinderwunsch) war bislang eine eher vernachlässigte medizinische Leistung in der Gynäkologie. Durch entsprechende Schulungen der Niedergelassenen sollen Impfungen vermehrt qualitätsgesichert in den Routine-Leistungskatalog
der Gynäkologen eingebracht werden. In der DGGG sind ca. 15.000 Frauenärzte organisiert.
Aus seiner eigenen klinischen Erfahrung berichtet Herr Friese über eine vermehrte Nachfrage von Müttern, die ihre jugendlichen Töchter impfen lassen möchten. Eine hohe Durchimpfung könne nur durch Zusammenarbeit von Kinderärzten, Hausärzten und Frauenärzten erreicht werden. Es gibt derzeit keine Bestrebungen seitens der DGGG, Wirksamkeitsstudien
nach einer Impfung zu etablieren.
In der folgenden Diskussion wird nachgefragt, warum "nur" eine S2-Leitlinie beantragt ist. Die
Leitlinien der AWMF werden in 3 Stufen eingeteilt (siehe: http://www.uniduesseldorf.de/awmf/), dabei handelt es sich bei Stufe 1 um die Empfehlung einer Expertengruppe, Stufe 2 wird in einem formalen Konsensusverfahren beraten und verabschiedet,
und die Stufe 3 erfordert weitere derzeit zu umfangreiche Elemente der systematischen Leitlinienentwicklung (logische Analyse, evidenzbasierte Medizin, Entscheidungsanalyse, Outcome Analyse).
Mitglieder der Ständigen Impfkommission betonen, dass sie das Screening zur Früherkennung des Zervixkarznoms auch für ein wertvolles, unverzichtbares Element in der Evaluation
einer zu diskutierenden Impfstrategie halten und die Anforderungen an die verwendeten
Testverfahren bei sinkender Prävalenz steigen müssen, um die gleiche Vorhersagewahrscheinlichkeit (positiv prädiktiver Wert) des Programms zu sichern. In diesem Sinne stellt das
,Tracking auffälliger Befunde' einen notwendigen Bestandteii eines Screeningpiügramms
dar. Oppurtunistische Screening programme stoßen hier in der Regel an logistische Grenzen.
Zur Frage nach derzeit laufenden Studien zur Epidemiologie von HPV berichtet Herr von
Knebel Doeberitz über Untersuchungen im DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum
Heidelberg) zu Biomarkern, die möglicherweise in Kombination mit Abstrichuntersuchungen
(Zytologie und HPV-Genotypisierung) das Screening verbessern können.
Die Nutzung eines Kondoms gewährt keinen 100%igen Schutz vor einer Infektion, kann (wie
bei anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen auch) nach Studienergebnissen das Infektionsrisiko jedoch mindern. Eine Übertragung von HPV über die Haut ist möglich. HP-Viren·
sind sehr umweltresistent.
Die Aufklärung über Clbertragungswege, die Infektion und ihre Folgen in der Öffentlichkeit
sowohl unter Jugendlichen als auch unter Erwachsenen und Risikogruppen erscheint unzu-
9
reichend. HPV-Infektionen werden nicht als sexuell übertragbare Erkrankungen wahrgenommen. HPV wird bisher nicht im Sexualkundeunterricht der Schulen thematisiert, wie z.B.
HIV oder Hepatitis B. Da der Wirksamkeitsnachweis für nicht HPV-naive Frauen in den Zulassungsstudien bisher nicht geführt wurde, sind Überlegungen zur Bedeutung eines Schutzes von besonderen Risikogruppen in Bezug auf die Verminderung der Obertragungswahrscheinlichkeiten nicht datengestützt zu führen.
Auch wenn Gynäkologen einen großen Teil der gefährdeten Mädchen im Rahmen der Beratung zu Empfängnisverhütung und Vorsorge sehen, sind diese historisch bisher wenig mit
der Umsetzung von Impfungen bei Jugendlichen betraut. Die HPV-Impfung wird die Nachfrage nach diesen Impfungen bei den Gynäkologen erhöhen und damit möglicherweise auch
die Umsetzung der anderen für Jugendliche empfohlenen Impfungen durch den Gynäkologen verbessern. Die Kinder- und Jugendärzte erreichen mit der Vorsorgeuntersuchung J1
nur einen geringen Prozentsatz (-30%) der Jugendlichen und sind für das Themenfeld der
Sexualaufklärung und Verhinderung sexuell übertragbarer Erkrankungen nicht der primäre
Ansprechpartner für Jugendliche. Die Mitglieder der STIKO weisen in der Diskussion mit den
Experten auf diese strukturelle Problematik bei der Umsetzung einer möglichen Impfstrategie
hin.
Mittagspause (13.05 - 13.45)
STIKO-interne Beratungen (13.45 -16.20)
Es wird darauf hingewiesen, dass Beziehungen von STIKO-Mitgliedern zu Impfstoffherstellern oder andere Interessenskonflikte und Kontakte, die den Anschein der Befangenheit erwecken könnten, dem Vorsitzenden der STIKO, dem Vorsitzenden entsprechender Arbeitsgruppen und der STIKO-Geschäftsstelle jeweils vor entsprechenden Beratungen mitzuteilen
sind. Mitglieder der STIKO können dann den Anschein einer Befangenheit erwecken, mit der
Folge, dass sie bei Vorliegen von Befangenheit von der internen Beratung und der Beschlussfassung ausgeschlossen sind, wenn sie z. B entgeltlich wie unentgeltlich Wirtschaftsunternehmen beraten, auf Einladung an Kongressen teilnehmen, Honorare für Vortragstätigkeiten erhalten oder Auftragsforschung für einem Impfstoffhersteller durchführen.
Keines der anwesenden STIKO-Mitglieder hat Interessenskonflikte und Kontakte, die den
Anschein der Befangenheit erwecken können, angezeigt, 50 dass keines der anwesenden
STIKO-Mitglieder von der internen Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen wurde.
Es wird weiterhin ausdrücklich erneut auf die Verschwiegenheitserklärung und Vertraulichkeit
der Beratungen für alle STIKO-Mitglieder und Gäste hingewiesen.
10
TOP 6: Impfstoffe zur Verhinderung von HPV-Infektionen
Frau Dr. Keller-Stanislawski, PEI, Langen
11
TOP 7: Bericht aus der Arbeitsgruppe,
STIKO-interne Diskussion einer möglichen Impfstrategie (13.45 - 16.20)
Herr ~lilg weist die STIKO-Mitglieder auf die mit der Tagesordnung verschickte Datenbasis
HPV-Impfung hin. Dieses Papier fasst die Beratungen in der Arbeitsgruppe zusammen. Als
Tischvorlage liegt allen Teilnehmern eine Zusammenfassung des AG-Papiers vor.
Zur Prävention von HPV-Infektionen und HPV-assoziierten Erkrankungen ist nach Ansicht
der Arbeitsgruppe eine abgeschlossene Grundimmunisierung (3 Dosen) vor dem ersten Geschlechtsverkehr, also vor dem steigenden Risiko einer Infektion, sinnvoll. Die Daten zu
Wirksamkeit und Sicherheit können ein öffentliches Interesse für die Gesundheit von Frauen
begründen. Es sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass das derzeitig durchgeführte Screening effektiv ist. Eine Impfung ersetzt dieses nicht, beide Maßnahmen müssen
synergetisch genutzt werden.
Bei den Diskussionen zu einer möglichen Impfempfehlung werden die folgenden Punkte kontrovers erörtert:
1) Zu der Frage nach dem Erzeugen einer Herdenimmunität liegen noch keine ausreichenden Daten vor, diese ist bei entsprechender Durchimpfung nicht prinzipiell ausgeschlossen. Die Definition des Impfzieles kann deshalb wegen fehlender Daten bisher ausschließlich die Verminderung individueller Morbidität umfassen.
2) Die Frage, ob auch Jungen geimpft werden sollten, verbietet sich auch wegen der
Zulassung, die nur für Mädchen und Frauen besteht.
3) Eine Impfung für Frauen über 18 Jahren könnte entsprechend ihrer Risikolage und
zur Verhinderung einer Infektion mit anderen HPV--Typen sinnvoll sein. Nach der
Erhebung der BZgA sind die meisten 18-jährigen Mädchen sexuell aktiv, d.h. die
Wahrscheinlichkeit einer bereits erfolgten HPV-Infektion ist in dieser Altersgruppe
groß. Die Möglichkeit einer HPV-Testung vor Impfung erscheint nach Ausführungen
von Experten wenig realistisch. Die Wirksamkeit der Impfung für HPV-naive Mädchen
und Frauen ist am höchsten.
4) Zur Entscheidung über Impfalter (obere und untere Grenze) werden folgende Punkte
diskutiert: Es ist sinnvoll, dass eine HPV-Impfung möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr und somit der ersten Möglichkeit einer HPV-Infektion gegeben wird.
Einerseits kann eine Empfehlung ab dem 9.LJ (Lebensjahr) den frühzeitigen Beginn.
der Impfung ermöglichen und für eine hohe Durchimpfung förderlich sein. Andererseits finden erste sexuelle Kontakt hauptsächlich nach dem 12. LJ statt, so dass für
die Mehrzahl der Mädchen zwischen 9 und 12 Jahren kein Expositionsrisiko besteht.
Deshalb scheint bei Eltern mit Kindern zwischen dem 9. und12.LJ Studienergebnissen aus USA und England zufolge die Bereitschaft zur Aufklärung über sexuell übertragbare Erkrankungen deutlich reduziert und die Akzeptanz einer HPV-lll1pfung vermindert. Da die Fragen zur Notwendigkeit einer Wiederimpfung bisher ungeklärt sind
und die Dauer des Impfschutzes ebenfalls nicht vorhersag bar erscheint, sollte die .
Impfung möglicht zeitnah zur möglichen Exposition erfolgen. Mit einer Impfempfehlung sollen zum einen möglichst umfassend alle potentiell sinnvollen Möglichkeiten
einer Impfung benannt sein (auch aus Gründen der Kostenübernahme und Versorgungsleistungen nach §§ 60-66 IfSG). Auf der anderen Seite ist ein optimales Impfal-
12
ter mit Beginn und Ende zu definieren und zu begründen. Dieses begründete optimale Impfalter ist Grundlage der Ausgestaltung von Impfstrategien und deren Umsetzung durch die unterschiedlichen Akteure. Empfohlene Impfalter der STIKO berücksichtigen deshalb außer den altersspezifischen Expositions- und Erkrankungsrisiken,
Wirksamkeits- und Sicherheitsüberlegungen auch bestehende Strukturen zur Umsetzung entsprechender Empfehlungen. Ob die engere Definition des Impfalters zur
besseren Umsetzung einer Impfstrategie für Jugendliche führen könnte, ist ungewiss.
In Analogie zu bereits bestehende Impfempfehlungen scheint es sinnvoll, ähnliche Altersspannen zu wählen (z.B. Alter in vollendeten Jahren 9 bis 17), um Synergieeffekt
bei der Inanspruchnahme nutzen zu können. Somit ist die Frage der Erreichbarkeit
von erheblicher Bedeutung für den Erfolg einer Impfung und muss bei der Entscheidung für das optimale Impfalter entsprechend berücksichtigt werden. Der Zeitpunkt
der J1-Untersuchung, die nur von ca. 35% der Jugendlichen in Anspruch genommen
wird, ist für einige Jugendliche bereits zu spät, da die sexuelle Aktivität vorher aufgenommen wurde und erreicht nur ein Drittel der Zielgruppe. Bis zum Ende des
18.Lebensjahres werden mehr als zwei Drittel der Mädchen beim Frauenarzt untersucht, so dass dort eine gute Erreichbarkeit besteht. Aauch bei dieser Option würde
allerdings bei einem nicht unerheblichen Teil der Zielgruppe der Kontakt erst nach
Aufnahme der sexuellen Aktivität erfolgen. Die Impfung müsste dann außerdem nicht
nur von Kinderärzten, sondern auch von Gynäkologen umgesetzt werden, die bislang weniger Erfahrung bei der Impfung von Jugendlichen haben.
In Bezug auf die obere Altergrenze werden folgende Llberlegungen diskutiert: Die
Tatsache, dass mäßig ausgeprägte Schutzeffekte gegenüber einer HPV-Infektion für
Frauen mit vorangegangener oder persistierender Infektion mit dem HPVImpfgenotyp zwar möglich erscheinen, derzeit aber bezüglich der Wirksamkeit auf die
Zielkrankheit bzw. entsprechende Surrogatendpunkte (CIN 2/3) empirisch nicht gesichert sind, lässt eine allgemeine Impfempfehlung im Rahmen der Zulassung des
Impfstoffes bis 26 Jahre nur schwer begründen. Da die Altersspanne der Aufnahme
der sexuellen Aktivität jedoch mehrere Jahre umfasst und es auch Mädchen gibt, die
mit 17 Jahren sexuell noch nicht aktiv sind, nicht jedes sexuell aktive Mädchen infiziert wird und einige sexuell aktive Mädchen einen zumindest teilweise geschützten
Kontakt hatten, gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl junger Mädchen (-70% WorstCaseSzenario der Arbeitsgruppe, v. Kries), die auch nach Aufnahme der sexuellen
Aktivität (vgl. hierzu die Darstellungen von Frau Bode) im jugendlichen Alter noch von
einer Impfung profitier würden.
13
Beschlussvorlage zur Einführung einer generellen Impfempfehlung gegen HPV:
A: Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Humanes Papillamavirus allen Mädchen im Alter
von 12 -15 Jahren. Die Impfung mit drei Dosen sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr
abgeschlossen sein.
Für Mädchen bis zu (vollendeten) 17 Jahren wird das Nachholen der Impfung wegen des
noch geringen Anteils an möglicherweise infizierten Mädchen in dieser Altersgruppe empfohlen. Frauen, die zum von der STIKO empfohlen Zeitpunkt keine Impfung gegen HPV erhalten
haben, können ggf. unter Berücksichtigung des individuellen Gesundheitsverhaltens ebenfalls von einer Impfung profitieren. Es liegt in der Verantwortung des Arztes, seine Patientinnen auf der Basis der Impfstoffzulassung auf weitere Schutzmöglichkeiten hinzuweisen.
Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass derzeit noch wenig Erfahrungen über den Nutzen der
Impfung für Frauen nach einer oder bei einer bestehenden HPV-Infektion vorliegen.
Der Beschlussvorlage wird nicht zugestimmt.
Alternativ:
B: Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Humanes Papillomavirus allen Mädchen im Alter
von 12 -17 vollendeten Jahren. Die Impfung mit drei Dosen sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr abgeschlossen sein.
Hinweis: Frauen, die zum von der STIKO empfohlen Zeitpunkt keine Impfung gegen HPV
erhalten haben, können ebenfalls von einer Impfung gegen HPV profitieren. Es liegt in der
Verantwortung des Arztes, seine Patientinnen auf der Basis der Impfstoffzulassung darauf
hinzuweisen.
Der Beschlussvorlage wird zugestimmt.
(12 Ja~Stimmen, 1 Nein~Stimme, 1 Enthzltung)
Alternativ:
C: Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Humanes Papillamavirus (HPV) allen Mädchen
im Alter von 9 - 17 Jahren. Die Impfung mit drei Dosen sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr abgeschlossen sein.
Frauen, die zum von der STIKO empfohlen Zeitpunkt keine Impfung gegen HPV erhalten
haben, können ggf. unter Berücksichtigung des individuellen Gesundheitsverhaltens ebenfalls von einer Impfung profitieren. Es liegt in der Verantwortung des Arztes seine Patientinnen auf der Basis der Impfstoffzulassung auf weitere Schutzmöglichkeiten hinzuweisen.
Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass derzeit noch wenig Erfahrungen über den Nutzen der
Impfung für Frauen nach einer oder bei einer bestehenden HPV-Infektion vorliegen.
Diese Beschlussvorlage ist mit Annahme von Variante B abgelehnt.
Beschlussvorlage ~ Hinweis zum Impfprogramm
Die wirksame Umsetzung einer generellen Impfempfehlung für Mädchen und junge Frauen
erfordert ein strukturiertes, mit allen Akteuren abgestimmtes Impfprogramm für Jugendliche,
das die Gabe von 3 Dosen eines HPV-Impfstoffes vor Beginn der sexuellen Aktivität sichert.
Der Beschlussvorlage wird zugestimmt.
Ja~Stimmen, 1 Nein-Stimme, 2 Enthaltungen)
(11
14
TOP 7: Sonstiges
Zum Ende der Sitzung bittet die Geschäftsstelle die STIKO-Mitglieder, die wegen Zeitmangels zum Teil nicht erneut beratenen Anlagen (FAQ zu Rotavirusimpfung, FAQ Kostenübernahme Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C sowie Antwortentwurf der Geschäftsstelle auf eine Anfrage an alle STIKO-Mitglieder zur HPV.lmpfung) zur Kenntnis zu
nehmen und im E-Mail-Verfahren innerhalb der nächsten 14 Tage abzustimmen.
Termin für die 56. STIKO-Sitzung:
27. und 28. Februar 2007
Prof. Dr. med. H.-J. Schmitt
Vorsitzender der STIKO
Dr. med. Christiane Meyer, MPH
Wiss. Sekretärin der STIKO
Berlin, 09. Januar 2007
Anlagen:
Anlage 1:
Anlage 2:
Anlage 3:
Präsentation von Herrn von Knebel Doeberitz zur Epidemiologie
der HPV-Infektion
Präsentation von Herrn Schneider zur Früherkennung des Zervixkarzinoms
Präsentation von Frau Bode zur Jugendsexualität in Deutschland
Herunterladen