AWMF-Register-Nr. 059/003 Syphilis - mikrobiologisch-infektiologische Qualitätsstandards Anmelder bei der AWMF (Person): Prof. Dr. H.-J. Hagedorn, Prof. Dr. N. H. Brockmeyer Anmeldende Fachgesellschaft(en): Bitte beachten: Addendum vom Januar 2015, verfügbar unter http://www.awmf.org/ fileadmin/user_upload/ Leitlinien/059_D_STDGes/059-003a_S1_Syphilis_ MiQ_2015-01.pdf Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) Deutsche STI-Gesellschaft e. V. (DSTIG) - Ges. z. Förderung der Sexuellen Gesundheit Beteiligung weiterer AWMF-Gesellschaften: Deutsche AIDS-Gesellschaft e.V. (DAIG) Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) Autoren: Prof. Dr. med. H.-J. Hagedorn, Bad Salzuflen Prof. Dr. med. N. H. Brockmeyer, Bochum Prof. Dr. med. K.-P. Hunfeld, MPH, Frankfurt/M. Dr. rer. nat. Dr. med. D. Münstermann, Bad Salzuflen Dr. med. Anja Potthoff, Bochum Prof. Dr. med. H. Schöfer, Frankfurt/M. Prof. Dr. Dr. med. A. Podbielski Rostock Alle Rechte vorbehalten © 2012 Elsevier GmbH, München Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH. Inhalt Vorwort ............................................................................................................. 1 1 Zusammenfassung ............................................................................................ 2 2 Einleitung .......................................................................................................... 4 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Treponematosen ............................................................................................... 6 Bakteriologische Differenzialdiagnostik der Treponemen ................................. 6 Pathogenese und Klinik der Syphilis .................................................................. 7 Syphilis und Schwangerschaft .......................................................................... 10 Syphilis connata................................................................................................ 10 Syphilis und HIV-Infektion .............................................................................. 10 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 Gewinnung und Transport von Untersuchungsmaterial............................ 13 Histologie und Immunhistochemie................................................................... 13 Direkter Erregernachweis ................................................................................. 13 NAT-Diagnostik ............................................................................................... 13 Antikörpernachweis .......................................................................................... 14 Probenversand .................................................................................................. 14 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Untersuchungsmethoden ............................................................................... 15 Syphilis-Ausschlussdiagnostik: Screeningtests ................................................ 15 Erweiterte Syphilis-Diagnostik: Bestätigungstests........................................... 19 Erweiterte Syphilis-Diagnostik: Beurteilung der Aktivität .............................. 21 Erreger-Direktnachweis .................................................................................... 24 Falsch-positive Ergebnisse der lipoid- und treponemenspezifischen Antikörpertests ................................................................................................. 25 6 Stufendiagnostik ............................................................................................. 27 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 Syphilis-Diagnostik bei speziellen Fragestellungen .................................... 29 Diagnostik der Neurosyphilis .......................................................................... 29 Syphilis-Serologie und Schwangerschaft ........................................................ 31 Diagnostik der Syphilis connata ...................................................................... 31 Diagnostik der Syphilis-Zweitinfektion und Reaktivierung ............................ 32 Serologische Verlaufskontrollen nach Therapie .............................................. 32 8 Beurteilung der Ergebnisse und Befundmitteilung .................................... 34 9 Hinweise zur Therapie der Syphilis ............................................................. 37 10 Indikationen für das Syphilis-Screening ..................................................... 40 11 Hinweise zur Wirtschaftlichkeit, wenig sinnvolle bzw. zweifelhafte Methoden und Indikationen ......................................................................... 41 12 12.1 12.2 Qualitätskontrollmaßnahmen ...................................................................... 43 Interne Qualitätssicherung ............................................................................... 43 Externe Qualitätskontrolle ............................................................................... 45 13 Sicherheitsmanagement / Arbeitsschutz ...................................................... 46 14 ICD-10-Kodes ................................................................................................. 47 15 Gesetzliche Meldepflicht ............................................................................... 48 16 Literatur ......................................................................................................... 49 17 Abkürzungen .................................................................................................. 53 18 Autoren ........................................................................................................... 54 Vorwort Seit mehr als 100 Jahren ist der Antikörpernachweis wichtiger Bestandteil der Syphilis-Diagnostik. Im Jahr 1906 beschrieb August von Wassermann eine Methode, mit der Antikörper gegen den Syphilis-Erreger im Blut nachgewiesen werden konnten. Der Begriff „Wassermann-positiv“ wurde bald ein Synonym für die Diagnose Syphilis. Das hat sich bis heute kaum geändert, obwohl für den serologischen SyphilisNachweis die „WaR“ durch moderne immunologische Verfahren ersetzt worden ist. Eine Definition der Mindestanforderungen zur Labordiagnose der Syphilis wurde in Deutschland bereits im Jahr 1934 in einem Gesetz zur „Serumdiagnose der Syphilis“ formuliert. Grundlage für das aktuelle Konzept der Syphilis-Diagnostik in der Bundesrepublik Deutschland sind die „Richtlinien 1979 für die Serodiagnostik der Syphilis“ des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes [5] und die Verfahrensrichtlinie der DGHM [16] aus dem Jahr 1981. Die in diesen Empfehlungen vorgeschlagene serologische Stufendiagnostik der Syphilis ist heute in Deutschland allgemein akzeptiert und weitgehend kongruent mit den europäischen Konsensus-Empfehlungen [24]. Sie findet sich entsprechend in allen einschlägigen deutschen Leitlinien und neueren Lehrbuchkapiteln aus den verschiedenen Fachgebieten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere hinzuweisen auf die AWMF-Leitlinie 059/002 Diagnostik und Therapie der Syphilis der Deutschen STI-Gesellschaft [60]. 1 1 Zusammenfassung Die Syphilis ist einer unmittelbaren ätiologischen Diagnostik meist nicht zugänglich. Ein direkter mikroskopischer Erregernachweis gelingt i.d.R. nur im Primärstadium der Infektion. Methode der Wahl zur Laboratoriumsdiagnose der Syphilis ist daher der Antikörpernachweis. Ein Syphilis-Test ist u.a. für die Blutspender-Untersuchung und im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge vorgeschrieben. Die Serodiagnostik der Syphilis erfolgt als Stufendiagnostik. Zunächst wird als Ausschlussuntersuchung ein polyvalenter treponemenspezifischer Antikörpertest, der simultan IgG- und IgM-Antikörper erfasst, i.d.R. der TPHA-/TPPA-Test oder ein Immunoassay, z.B. ein ELISA oder Chemilumineszenz-Assay, ausgeführt. Bei negativem Resultat entfallen weitere Untersuchungen. Bei fraglichem oder positivem Ergebnis des Suchtests folgt dann zur Absicherung der Befundspezifität als Bestätigungsreaktion der polyvalente FTA-ABS-Test, der IgG-FTA-ABS-Test oder IgGImmunoblot. Da niedrige Suchtest-Antikörpertiter auch Ausdruck nur einer IgM-Reaktivität sein können, sollte bei entsprechendem Verdacht, sofern kein polyvalenter Bestätigungstest durchgeführt wird, auch der 19S-IgM-FTA-ABS-Test oder ein IgMImmunoblot zur Abklärung des Suchtest-Resultates einbezogen werden. Bei TPHA-/ TPPA-Screening kann auch ein Immunoassay und vice versa bei ImmunoassayScreening der TPHA-/TPPA-Test als Bestätigungstest angewendet werden. Sind der Such- und Bestätigungstest positiv, gilt eine Treponemeninfektion als gesichert, unabhängig vom möglichen Infektionsstadium. Eine Abgrenzung der Syphilis von den nicht-venerischen Treponematosen ist serologisch nicht möglich. Zur Beurteilung der Aktivität der Infektion und eventuellen Behandlungsbedürftigkeit schließen sich Untersuchungen zum Nachweis von Lipoidantikörpern (VDRL-/RPRTest oder Cardiolipin-KBR) und T.-pallidum-spezifischen IgM-Antikörpern (19SIgM-FTA-ABS-Test, IgM-EIA oder IgM-Immunoblot) an. In der Regel ist mit den genannten Methoden eine effiziente und kostengünstige Syphilis-Diagnostik möglich. Für die Diagnose der Neurosyphilis sollte bei positivem Antikörperbefund im Serum eine ergänzende Untersuchung von parallel entnommenen Liquor- und Serumproben erfolgen. Mittel der Wahl zur Therapie der Syphilis ist Penicillin. Erforderlich ist die Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen Wirkstoffspiegels stadienabhängig über mindestens 10–14 Tage bei Frühsyphilis und über 2–3 Wochen bei Spätsyphilis. Standardtherapie ist die Applikation von Benzathin-Benzylpenicillin als Einmalgabe von 2 2,4 Mio. IE i.m. für die Frühsyphilis (bis 1 Jahr nach Infektion) und die Applikation von je 2,4 Mio. IE i.m. an den Tagen 1, 8 und 15 bei Syphilis-Infektionen, die länger als ein Jahr bestehen oder bei unbekannter Infektionsdauer. Für Verlaufskontrollen zur Beurteilung des Behandlungserfolgs sollten nur quantifizierbare Tests, z.B. der TPHA-/TPPA-Test, die Lipoidantikörpertests sowie die spezifische IgM-Antikörperdiagnostik, angewendet werden. Die wiederholte Durchführung der Bestätigungsreaktion bei initial positivem Befund ist nicht erforderlich. Als Ausgangswert für die Verlaufsbeurteilung sollten die Titer erst kurz (2–4 Wochen) nach Beendigung der Therapie bestimmt und dann in dreimonatigen Abständen über mindestens ein Jahr weiter kontrolliert werden. Evtl. erforderliche weitere Kontrollen über ein Jahr hinaus sind vom Verlauf der Antikörperkinetik und dem Infektionsstadium bei Therapiebeginn abhängig zu machen. Unabhängig davon ist zu erwägen, speziell in Risikogruppen, z.B. bei MSM (Männer, die Sex mit Männern haben), Titerkontrollen in drei- bis sechsmonatigen Abständen durchzuführen, um insbesondere Syphilis-Reinfektionen frühzeitig zu erkennen. Rezidive oder Reinfektionen bewirken als Folge eines Booster-Effektes i.d.R. einen signifikanten Titeranstieg in den T.-pallidum-spezifischen Suchtests (z.B. TPHA/ TPPA) und in den Lipoidantikörpertests, während spezifische IgM-Antikörper nicht nachweisbar sein müssen. Die Interpretation der serologischen Gesamtbefunde muss unter Berücksichtigung der aktuellen klinischen Symptomatik sowie der Infektions- und ggf. Behandlungsanamnese erfolgen. 3 2 Einleitung Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt die Syphilis, neben Tuberkulose und Krebserkrankungen, als eine der großen Geißeln der Menschheit aufgrund der hohen Prävalenz und unbefriedigenden, hochtoxischen Therapieoptionen. 1905 gelang Schaudinn und Hoffmann der mikroskopische Nachweis des Syphilis-Erregers, der wegen seiner spiralförmigen Morphologie und schlechten Anfärbbarkeit zunächst als Spirochaeta pallida benannt wurde. Wenig später folgte der Gattungsname Treponema pallidum, der sich zusammensetzt aus dem griechischen trepo (= ich drehe) und nema (= Faden) sowie dem lateinischen pallidum (= blass). Entsprechend werden Krankheitsbilder, die durch den Syphilis-Erreger und verwandte Bakterien verursacht werden, als Treponematosen bezeichnet. Die Syphilis, eine durch Treponema pallidum subspecies pallidum hervorgerufene sexuell übertragbare Infektionskrankheit, ist auch heute noch weltweit von großer Bedeutung. Nach Schätzungen der WHO aus dem Jahr 1999 beträgt die jährliche Neuerkrankungsrate ca. 12 Mio. Hauptsächlich betroffen sind Südostasien, Afrika und Südamerika. In Osteuropa war in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion Ende der 1990er Jahre ein starker Anstieg der Syphilis-Neuinfektionen auf bis zu 263/100.000 Einwohner zu beobachten. In der russischen Föderation wurden 2008 noch 59 und in Zentraleuropa zwischen 4,7 und 10,3 Fälle/100.000 EW/Jahr registriert. In Westeuropa und den USA wurde seit dem Jahr 2000 ein Wiederanstieg der Syphilis-Neuinfektionen beobachtet. Die aktuelle Syphilis-Inzidenz beträgt in den westlichen Industriestaaten ca. 2–4/100.000 EW/Jahr. Hauptsächlich betroffen sind Männer [67, 68]. Von besonderer Relevanz ist heute die Problematik der Syphilis- und HIV-Koinfektion [61, 64]. Die Syphilis ist einer unmittelbaren ätiologischen Diagnostik oft nicht zugänglich. Labordiagnostische Verfahren können jedoch Hinweise liefern, die sowohl die Erkennung als auch den Ausschluss dieser Erkrankung ermöglichen. Darüber hinaus erlauben die Ergebnisse bestimmter serologischer Methoden Rückschlüsse auf den Verlauf der Infektion und den Erfolg der Behandlung. 4 Bei Patienten mit klinischem oder anamnestischem Verdacht auf Syphilis gibt die serologische Untersuchung entscheidende diagnostische Informationen. Aber auch bei anderen Personen, z.B. Krankenhauspatienten mit uncharakteristischer Symptomatik, ist eine Ausschlussdiagnostik der Syphilis oft erforderlich. Der häufig atypische Verlauf und die klinische Vielfalt der Infektion begründen die medizinische Indikation hierzu. 5 3 3.1 Treponematosen Bakteriologische Differenzialdiagnostik der Treponemen Der Genus Treponema umfasst pathogene und apathogene Spezies von Mensch und Tier. Die potenziell pathogenen Arten sind spezifisch für ihre jeweiligen natürlichen Wirte. Als gesichert humanpathogen gelten der Erreger der sexuell übertragbaren Syphilis T. pallidum subsp. pallidum sowie die Erreger der nicht-venerischen Treponematosen T. pallidum subsp. endemicum (endemische Syphilis, Bejel), T. pallidum subsp. pertenue (Yaws, Frambösie) und T. carateum (Pinta, Carate). Als gesichert tierpathogen ist T. paraluiscuniculi (venerische Kaninchen-Spirochätose) anerkannt [45]. Die humanpathogenen Treponemen gelten als nicht-anzüchtbar. Für T. pallidum subsp. pallidum ist in vitro nur eine geringe Vermehrung, jedoch nicht eine kontinuierliche Fortzüchtung auf Monolayer-Zellkulturen gelungen. Die Stammhaltung und die Anzüchtung des Syphilis-Erregers zur Antigengewinnung für die Herstellung von Invitro-Diagnostika und experimentelle Untersuchungen erfolgt i.d.R. in Kaninchen [36]. Dem gegenüber ist eine Vielzahl kultivierbarer Treponemen und anderer Spirochäten bekannt, die z.B. aus der Mundhöhle, dem Genitaltrakt oder Darm von Primaten isoliert werden können (Übersicht s. Tab. 1). Die Abgrenzung kultivierbarer und nicht-kultivierbarer Treponemen als Pathogenitätskriterium ist nach wie vor praktikabel. Die Assoziation kultivierbarer Treponemen mit Krankheiten des Menschen ist bis heute nicht absolut gesichert. Es gibt zahlreiche Hinweise, wonach die oralen Treponemen ein wichtiger Kofaktor bei multibakteriellen Infektionen der Mundhöhle, z.B. der Periodontitis oder der Angina Plaut-Vincenti, sind [26]. Die Differenzialdiagnose der gesichert humanpathogenen Treponemen ist schwierig. Die drei T. pallidum Subspecies und T. carateum sind licht- oder elektronenmikroskopisch nicht unterscheidbar, induzieren vergleichbare histopathologische Veränderungen und haben einen so hohen Grad von Antigenverwandtschaft, dass auch monoklonale Antikörper eine Differenzierung nicht erlauben [46]. Für die Anwendung von serologischen Tests der Syphilis-Diagnostik bedeutet dies, dass eine differenzialdiagnostische Abgrenzung der nicht-venerischen Treponematosen nicht möglich ist, eine 6 Tabelle 1: Vorkommen kultivierbarer Spirochäten beim Menschen [45] Erreger Mundhöhle Treponema denticola + Treponema sokranskii + Treponema vincentii + Treponema pectinovorum + Treponema skoliodontum + Treponema maltophilum + Treponema medium + Treponema amylovorum + Treponema parvum + Genitaltrakt Treponema phagedenis + Treponema refringens + Treponema minutum + Intestinaltrakt Brachyspira pilosicoli + Brachyspira aalborgi + Tatsache, die bei Herkunft von Patienten aus entsprechenden Endemiegebieten berücksichtigt werden muss. Die komplette Genomsequenz von T. pallidum subsp. pallidum wurde 1998 publiziert [21]. In den letzten Jahren wurden variable Genomsequenzen gefunden, die eine Abgrenzung des Syphilis-Erregers gegen die übrigen Subspecies durch die Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus-(RFLP-)Analyse der flankierenden Region des tpp15-Gens erlauben [9]. Eine weitere Differenzierung der Subspecies ist mittels RFLP-Analyse der Gene tprC und tprI aus der tpr-Genfamilie möglich [10]. Eine Subtypisierung von T. pallidum subsp. pallidum unter epidemiologischen Aspekten durch Analyse variabler Gensequenzen (tpr, arp) ist beschrieben [54]. 3.2 Pathogenese und Klinik der Syphilis Die Syphilis ist eine in Stadien ablaufende chronische Infektionskrankheit mit einem breiten Spektrum klinischer Manifestationsformen [59]. Der Syphilis-Erreger wird nahezu ausschließlich durch sexuelle Kontakte übertragen. Zur Infektion kommt es als Folge der Penetration von T. pallidum durch Mikroverletzungen der Haut oder auch durch intakte Schleimhäute. Die 50% infektiöse Dosis wird mit 57 Organismen angegeben. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 21 (10–90) Tage und wird beeinflusst von der Inokulumdichte, dem Immunstatus des Individuums und etwaigen interkurrenten Erkrankungen. I.d.R. bildet sich dann an der Ein- 7 trittsstelle des Erregers im Primärstadium der Syphilis eine singuläre Läsion, der Primäraffekt [36, 57, 63, 65]. Dieser findet sich am häufigsten im Genitalbereich, beim Mann am Penis, bei der Frau an den Labien oder der Zervix, abhängig von den Sexualpraktiken, z.B. bei MSM, aber oftmals auch in der Analregion, im Rektum oder in der Mundhöhle. Es bildet sich bei typischem Verlauf zunächst ein roter Fleck oder eine Papel, dann eine Erosion und schließlich ein meist schmerzfreies, nicht purulentes Ulkus mit einem derben Randwall (Ulcus durum, harter Schanker). Parallel entwickelt sich eine ebenfalls schmerzlose regionale Lymphadenopathie. Erschwert wird die klinische Diagnostik durch mögliche atypische Manifestationsformen. Nicht-indurierte Läsionen mit unscharfer Abgrenzung, multiple und/oder schmerzhafte Ulzera insbesondere in der Analregion und bei HIV-infizierten Patienten werden gesehen. Der Primäraffekt kann fehlen, bei ungünstiger Lokalisation unerkannt bleiben oder mit Läsionen anderer Genese (z.B. Lymphogranuloma venereum, Ulcus molle, Herpes genitalis) verwechselt werden. Der Primäraffekt heilt spontan ab nach 4–6 Wochen, kann aber in ca. 15% der Fälle, bei HIV-Infizierten auch häufiger, bei Auftreten der Symptome des zweiten Stadiums der Syphilis noch vorhanden sein. Das Sekundärstadium der Infektion ist charakterisiert durch 1. die hämatogene Ausbreitung des Erregers im gesamten Organismus, 2. die Entstehung von Hautläsionen und 3. die Ausbildung eines gewissen Grades protektiver Immunität. Diese verhindert weitgehend Zweitinfektionen bei bestehender Sekundärsyphilis, bewirkt aber nicht die Elimination des ursprünglichen Erregers und schließt somit auch eine Erregerübertragung in diesem Krankheitsstadium nicht aus. Die Manifestationsform und -dauer der Erscheinungen des Sekundärstadiums sind wahrscheinlich abhängig von der Ausbildung der systemischen Immunität. Im Stadium II der Syphilis finden sich variable Erscheinungen an Haut und Schleimhäuten (Syphilide u.a.) sowie ein ebenfalls sehr variables breites Spektrum weiterer Symptome. Exantheme mit makulösen, makulopapulösen und ulzerativen Hautveränderungen sowie Condylomata lata enthalten große Mengen an Erregern. Typisch ist auch eine generalisierte Lymphknotenschwellung. Weitere Symptome können z.B. sein: Leistungsbeeinträchtigung, Gewichtsverlust, subfebrile Temperaturen, Hepatitis, Meningismus, Meningitis, Hirnnervenbeteiligung, zerebrovaskuläre Komplikationen, Schwerhörigkeit, Iritis, Nephritis, Alopezie. Das Sekundärstadium der Syphilis dauert Wochen bis Monate. Entsprechend komplex zu der Vielfältigkeit der klinischen Symptome ist auch die Differenzialdiagnose [2, 53, 59, 65]. Unter therapeutischen Aspekten werden abweichend von der WHO-Definition der Krankheitsstadien, entsprechend der Leitlinie der Deutschen STI-Gesellschaft [60], die klinischen Erscheinungen während des ersten Jahres nach Infektion als Frühsyphilis bezeichnet. I.d.R. reicht hier eine kurze Behandlungsdauer. Bestehen die 8 Krankheitszeichen länger als ein Jahr, werden sie als Spätsyphilis klassifiziert und es ist eine längere Behandlungsdauer erforderlich. Rezidive der Erscheinungen des Sekundärstadiums sind in den ersten zwei Jahren, selten auch später, möglich. Da eine direkte Übertragung von T. pallidum nur aus oberflächlichen Herden erfolgt, werden die ersten zwei Jahre nach der Infektion als infektiöse gegen die nachfolgende nicht-infektiöse Syphilis abgegrenzt. Hat der Wirtsorganismus die Treponemeninfektion soweit unter Kontrolle, dass klinische Erscheinungen nicht mehr auftreten, spricht man von Latenz. In dieser Phase ist regelmäßig eine allergische Reaktion vom verzögerten Typ gegen T. pallidum nachweisbar. Diese wird zusammen mit der humoralen Immunantwort als entscheidend für die definitive Unterdrückung der Infektion angesehen. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer Elimination des Erregers aus dem Organismus. Die symptomfreien Infektionsphasen werden, je nach Definition (z.B. CDC, WHO) [38]), im ersten bzw. zweiten Jahr nach Infektion als Frühlatenz, danach als Spätlatenz bezeichnet. Die Mechanismen der Persistenz von T. pallidum im menschlichen Organismus sind ebenfalls bis heute nicht definiert. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, dass der Erreger in immunologischen Nischen, z.B. im Gewebe des Zentralnervensystems, überleben kann. Als weitere Faktoren werden diskutiert z.B. die nur geringe metabolische Stoffwechselaktivität persistierender Erreger oder dass die Zahl persistierender Erreger so gering ist („criticial antigenic mass“), dass diese nicht ausreicht, das Immunsystem zu aktivieren [36]. Nach einer Latenzzeit von 1–20 Jahren können die unterschiedlichen Manifestationsformen der tertiären Syphilis auftreten. Die Symptomatik ist außerordentlich vielfältig. Entsprechend schwierig ist oftmals auch die differenzialdiagnostische Abgrenzung der klinischen Erscheinungen. An der Haut und den Schleimhäuten können tuberöse (knotige) Veränderungen (Lues tuberosa, tuberoserpiginöse Syphilide u.a.) und die heute sehr seltene Lues gummatosa auftreten. Die Gumma-Bildung kann alle Schichten zwischen Haut und Knochen, aber auch das Herz, den Knochen, das Gehirn oder parenchymatöse Organe betreffen. Weitere Organmanifestationen der tertiären Syphilis sind die Opticus-Atrophie, die Innenohrschwerhörigkeit (meist bei konnataler Syphilis) und das syphilitische Aneurysma der Aorta. Im ZNS ist eine Vielzahl von neurologischen Symptomenkomplexen möglich. Die klassischen Formen der Neurosyphilis, progressive Paralyse und Tabes dorsalis, die auch als quartäre Lues bezeichnet werden, sind heute sehr selten. Die immunologischen Mechanismen der Entstehung dieser Erscheinungsbilder sind ebenfalls noch weitgehend unklar. Praktisch wichtig ist die Abgrenzung der durch T. pallidum subsp. pallidum verursachten sexuell übertragbaren Syphilis von den sog. nicht-venerischen Treponematosen, da diese i.d.R. keine ZNS-Erkrankung und keine konnatale Infektion verursachen. Entscheidend für die Diagnose sind anamnestische und klinische Kriterien [13]. Die wesentlichen Charakteristika der verschiedenen Treponematosen sind in der Tabelle 2 zusammengefasst. 9 3.3 Syphilis und Schwangerschaft Eine unbehandelte Syphilis kann den Schwangerschaftsverlauf entscheidend beeinflussen. Spontanabort, Totgeburt, Frühgeburt oder perinataler Tod sind möglich. Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht finden sich bei 10–40% der Kinder unbehandelter Mütter [22, 34]. Die vertikale Transmissionsrate unbehandelter Schwangerer beträgt bei Primärsyphilis 70–100%, in der Frühlatenz 40% und in der Spätlatenz 10%. Grundsätzlich gilt: je länger das Zeitintervall zwischen Infektion und Schwangerschaft, desto geringer ist das Risiko für das Kind [34]. Die Infektion des Fetus kann bereits im 1. Trimenon erfolgen. Die Erkrankung des Kindes resultiert jedoch wahrscheinlich nicht direkt aus dem Treponemenbefall sondern ist Folge von Entzündungsreaktionen, die erst nach hinreichender Reifung des Immunsystems auftreten können. Eine Gefährdung des Fetus durch die Syphilis ist daher i.d.R. erst ab dem 5. Schwangerschaftsmonat zu erwarten [22]. 3.4 Syphilis connata Das infizierte Neugeborene kann asymptomatisch sein oder zeigt sehr variabel Symptome von diskreten Erscheinungen hin bis zu einem Multiorganbefall. Die postnatalen klinischen Symptome werden wieder in ein Frühstadium (Syphilis connata praecox, Auftreten der Symptome innerhalb der ersten 2 Lebensjahre) und ein Spätstadium (Syphilis connata tarda, Auftreten der Symptome nach dem zweiten Lebensjahr) gegliedert. Symptome der Frühphase sind eine persistierende Rhinitis mit auffälligen Blutbeimengungen („blutiger Schnupfen“, Coryza syphilitica), Hepatound Splenomegalie, Glomerulonephritis, generalisierte Lymphadenopathie, Hautveränderungen und auffällige Befunde im Liquor cerebrospinalis. Knochenläsionen (Osteochondritis syphilitica) treten meist innerhalb von 8 Monaten nach der Geburt bei früher kongenitaler Syphilis auf. Typisches Merkmal des Spätstadiums ist die Hutchinson-Trias: Tonnenzähne, Keratitis parenchymatosa und Innenohrschwerhörigkeit. Weiter können sich zahlreiche Veränderungen am Skelett als Folge chronischer Entzündungsprozesse finden. Auch eine meist asymptomatische Neurosyphilis ist bei bis zu einem Drittel der Patienten, die älter als 2 Jahre sind, nachweisbar [34]. 3.5 Syphilis und HIV-­‐Infektion Die Koinfektion mit HIV-1 und Treponema pallidum ist häufig. Beide Infektionskrankheiten können sich im Verlauf gegenseitig beeinflussen. Genitale Ulzera erleich- 10 tern generell die Akquisition bzw. Übertragung der Erreger (Schwächung der epithelialen Barrierefunktion). T. pallidum bewirkt außerdem die Hochregulierung des CCR5-Co-Rezeptors auf Monozyten und begünstigt so die Transmission von HIV-1 [62]. Die Modifikation des normalen Verlaufs der Syphilis durch die HIV-Infektion betrifft weniger den Ablauf der Stadien sondern aggressivere Verlaufsformen in den Frühstadien z.B. die ulzerierende Syphilis (Syphilis maligna) im Sekundärstadium und die raschere Progredienz zu Manifestationsformen der Spätstadien, vor allem der Neurosyphilis [45, 55, 60, 61]. Die humorale Immunantwort kann modifiziert sein. So wurden z.B. Beobachtungen über höhere VDRL-Titer bei Syphilis im Stadium II und vermehrt falsch-positive Lipoidantikörperbefunde veröffentlicht, andererseits aber auch Einzelberichte über klinisch gesicherte Syphilis-II-Fälle mit verzögert reagierender oder negativer Serologie [25, 33, 61, 63]. In solchen Fällen ist insbesondere der direkte Erregernachweis aus Effloreszenzen bzw. die Untersuchung mittels Treponemen-PCR von Bedeutung. Auch die histologische bzw. immunhistologische Untersuchung kann zusätzliche Hinweise auf die Diagnose geben [60]. In den meisten Fällen findet sich jedoch auch bei HIV-positiven Personen eine normale humorale Immunantwort [60]. Bei HIV-Patienten mit > 200/µl CD4-Lymphozyten und Primäraffekt bzw. Frühsyphilis wurde zuletzt kein erhöhtes Neurosyphilisrisiko beschrieben. Grundsätzlich sollte aber HIV/ Syphilis-Koinfizierten eine Liquoruntersuchung angeboten werden. Sollte diese nicht durchgeführt werden, ist bei Patienten mit < 200/µl CD4-Lymphozyten eine Therapie analog zur Neurosyphilis zu erwägen. Tabelle 2: Charakteristika von Treponematosen (modifiziert nach Csonka [13]) Sexuell übertrag-­‐ bare Syphilis Endemische Syphilis (Bejel) Yaws (Frambösie) Pinta (Carate) Erreger T. pallidum subsp. pallidum T. pallidum subsp. endemicum T. pallidum subsp. pertenue T. carateum Ausbreitungs-­‐ gebiet weltweit Mittlerer Osten, Afrika Afrika, Pazifik Zentral-­‐ und Südamerika bevorzugtes Klima jedes subtropisch (feucht oder trocken) tropisch (feucht oder trocken) warm Region ubiquitär ländliche Bezirke ländliche Bezirke ländliche Bezirke hauptsächliches 15–40 Jahre Infektionsalter Übertragungsmodus < 1–10 Jahre 1–15 Jahre 10–30 Jahre sexuell + – – – konnatal + selten – – Hautkontakt sehr selten + + + gemeinschaftliche Trinkgefäße – + ? ? 11 Tabelle 2: Charakteristika von Treponematosen (modifiziert nach Csonka [13]) (Forts.) Sexuell übertrag-­‐ bare Syphilis Endemische Syphilis (Bejel) Yaws (Frambösie) Pinta (Carate) bis 2 Jahre ca. 5 Jahre ca. 5 Jahre > 5 Jahre Haut/Schleimhaut + + + + Knochen/Knorpel + + + – ZNS + – – – kardiovaskulär + – – – Dauer der frühen infektiösen Läsionen Spätkomplikationen 12 4 4.1 Gewinnung und Transport von Untersuchungsmaterial Histologie und Immunhistochemie Für die Differenzialdiagnose dermatologischer Krankheitsbilder kann die Histologie wichtige Hinweise geben (plasmazellreiches Entzündungsinfiltrat!) und so auch zur Erkennung atypischer Manifestationsformen der Syphilis beitragen. Hautbiopsien und Gewebeproben für die histologische Untersuchung und ggf. den Nachweis von Treponemen mittels Silberfärbung oder Immunhistochemie sollen in gepuffertem 10%igen Formalin während mehrerer Stunden fixiert werden, wobei auf ein ausreichendes Verhältnis von Formalin zur Größe des Gewebes (Formalin: Gewebe = 20:1) zu achten ist. Empfohlen wird nachfolgend die Untersuchung von in Paraffin eingebetteten 2–4 µm dicken Gewebeschnitten [20, 32, 35, 45]. 4.2 Direkter Erregernachweis Die klassische Methode ist der Erregernachweis mittels Dunkelfeldmikroskopie aus dem Reizsekret von Haut- oder Schleimhautläsionen. Die Untersuchung muss direkt nach der Probenentnahme erfolgen. Ein Probenversand ist nicht möglich [26, 53]. Alternativ wird der Erregernachweis unter Anwendung monoklonaler oder polyklonaler FITC-markierter Antikörper mittels direkter Immunfluoreszenz empfohlen. Auf Objektträgern luftgetrocknete Ausstriche oder Gewebeschnitte sind geeignet. Das Untersuchungsverfahren ist jedoch in Deutschland nicht etabliert [45]. 4.3 NAT-­‐Diagnostik Der Nachweis von T. pallidum mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechniken (NAT) ist aus einer Vielzahl von Materialien möglich, z.B. aus Abstrichen, Blut, Liquor cerebrospinalis, Punktionsmaterial, Gewebeproben, Amnionflüssigkeit oder Augenkammerwasser. Der diagnostische Stellenwert dieser Verfahren kann jedoch derzeit noch nicht sicher beurteilt werden. 13 Alle flüssigen Untersuchungsmaterialien sollten ohne Konservierungszusätze in separaten sterilen Röhrchen, Abstriche auf Watteträgern in 0,9%iger NaCl-Lösung für die PCR-Diagnostik versendet werden. Formalinfixierte und auch in Paraffin eingebettete Gewebeproben können zwar ebenfalls untersucht werden, zu bevorzugen ist jedoch die Einsendung von Gewebeproben in 0,9%iger NaCl-Lösung ohne Konservierungsstoffe. Alle Untersuchungsmaterialien sollten so rasch wie möglich in das Untersuchungslabor gebracht werden, eine eventuelle Zwischenlagerung bei 4–8 ˚C bis zu 24 Std. ist möglich. 4.4 Antikörpernachweis Für den Antikörpernachweis geeignet sind Serum, Plasma und Liquor cerebrospinalis. Die Proben sollen unter sterilen Kautelen gewonnen werden. Vollblut ist bis zur vollständigen Gerinnung bei Zimmertemperatur aufzubewahren. Die Untersuchung von Gelenkpunktaten und anderen Körperflüssigkeiten auf treponemenspezifische Antikörper bringt i.d.R. keine zusätzlichen diagnostischen Informationen. 4.5 Probenversand Untersuchungsmaterialien für molekularbiologische und serologische Verfahren sollen ohne jeden Konservierungszusatz in sterilen Gefäßen, das Material für Histologie und Immunhistochemie Formalin-fixiert, und Objektträger mit Ausstrichen für den direkten Erregernachweis (nicht für die Dunkelfeldmikroskopie!) luftgetrocknet möglichst schnell an die Untersuchungsstelle versendet werden. Auf eine eindeutige Kennzeichnung aller Untersuchungsmaterialien mit dem Namen des Patienten und exakten Angaben zur Entnahmezeit (Uhrzeit, Datum) ist zu achten. Bei längeren Transportwegen ist es zweckmäßig, für die Antikörperdiagnostik an Stelle von Vollblut Serum oder Plasma zu versenden. Wichtig für eine zielgerichtete rationale und rationelle Diagnostik sind möglichst ausführliche Angaben auf dem Proben-Begleitschein zur klinischen Fragestellung, aktuellen Symptomatik und, soweit bekannt, zur Infektions- bzw. Behandlungsanamnese! 14 5 5.1 Untersuchungsmethoden Syphilis-­‐Ausschlussdiagnostik: Screeningtests Zur Erkennung bzw. zum Ausschluss einer Syphilis ist eine für Treponema-pallidumAntikörper spezifische Seroreaktion zu verwenden (s. Tab. 6, Stufe 1) [5, 28, 60]. Der für Treponematosen (Syphilis, endemische Syphilis, Yaws, Pinta) spezifische indirekte Hämagglutinationstest (IHA) hat sich hierfür als besonders geeignet erwiesen. Er steht den Laboratorien als Treponema-pallidum-Hämagglutinations-(TPHA-)Test unter verschiedenen Handelsbezeichnungen zur Verfügung. Heute wird oftmals eine Modifikation eingesetzt, der Treponema-pallidum-Partikelagglutinations-Test (TPPA), bei dem Gelatine-Partikel an Stelle von Erythrozyten als Antigenträger verwendet werden. Eine weitere Modifikation ist der Treponema-pallidum-Latexagglutinationstest (TPLA). Alternativ kann das Syphilis-Antikörper-Screening auch mit Immunoassays, z.B. Enzymimmunoassays oder Chemilumineszenz-Immunoassays erfolgen [24, 26, 28, 39, 60]. Für die Anwendung alternativer Verfahren als Suchtest wird in Deutschland eine dem TPHA-Test vergleichbare Sensitivität und Spezifität gefordert [5]. Die Syphilis-Screeningtests verwenden sehr unterschiedliche Antigenkonzepte für den Nachweis von Treponemen-Antikörpern. Während TPHA, TPPA und TPLA auf Ultraschallsonikat-Antigenpräparationen basieren, reicht das Antigenspektrum bei den Immunoassays von T.-pallidum-Detergenzien-Extrakten bis hin zum Einsatz eines einzelnen rekombinanten Antigens. Die meisten Enzymimmuno- und Chemilumineszenz-Assays arbeiten mit einer Kombination der als hochspezifisch akzeptierten Antigene Tp15, Tp17 und Tp47 [46]. Das außerhalb Deutschlands und Europas häufig praktizierte Syphilis-Screening mit nicht T.-pallidum-spezifischen Lipoidantikörpertests (Details s. Kap. 5.3) wie dem VDRL- und insbesondere auch dem RPR-Test, wird wegen unzureichender Sensitivität und Spezifität nicht empfohlen. Die für die Syphilis-Diagnostik zugelassenen Tests müssen entsprechend den europäischen Produktrichtlinien CE-zertifiziert sein. 15 Treponema-­‐pallidum-­‐Hämagglutinations-­‐Test, Treponema-­‐pallidum-­‐Partikelagglutinations-­‐Test, Treponema-­‐pallidum-­‐Latexagglutinationstest Die von der Diagnostika-Industrie angebotenen Testsysteme beruhen auf dem gleichen Prinzip, unterscheiden sich jedoch in methodischen Einzelheiten. Es ist daher unerlässlich, sich strikt an die jeweiligen Arbeitsanweisungen zu halten. Die Angabe des Antikörpertiters bei TPHA- und TPPA-Test bezieht sich nicht auf die vorgegebene Serumverdünnung sondern auf die Gesamtverdünnung des Serums im Testansatz nach Reagenzienzugabe. Für das Antikörperscreening genügt es, den Test in den vom Hersteller angegebenen Verdünnungsstufen anzusetzen. Bei positivem Testergebnis sollte nachfolgend der Titer bestimmt werden, da sich aus den quantifizierten Befunden zusätzliche Informationen ableiten lassen. In begründeten Fällen kann es notwendig sein, mit einer niedrigeren Proben-Ausgangsverdünnung zu arbeiten, z.B. um eine Frühsyphilis sicherer erfassen zu können. Der TPLA wird in Deutschland als automatisiertes Testverfahren angeboten. Die Resultate werden quantitativ angegeben und sind größenordnungsmäßig den Titerwerten von TPHA und TPPA vergleichbar [49]. Vergleichsdaten liegen derzeit in Europa jedoch nur in begrenztem Umfang vor. Die Bewertung der TPHA-, TPPA- und TPLA-Testergebnisse erfolgt unter Berücksichtigung der Kontrollansätze entsprechend den Hinweisen des jeweiligen Herstellers. Die Agglutinationstests erfassen simultan IgG- und IgM-Antikörper unabhängig vom Infektionsstadium und sind somit repräsentativ für den Gesamtantikörperstatus. Eine quantitative Auswertung lässt keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Aktivität der Infektion und somit die Behandlungsbedürftigkeit zu, kann aber für die Bewertung des serologischen Gesamtbefunds wertvolle Hinweise geben [26, 29]. Die Titer verschiedener Tests sind nicht direkt vergleichbar. Verlaufskontrollen sollte daher grundsätzlich mit dem gleichen Test im gleichen Labor vorgenommen werden. Treponema-­‐pallidum-­‐Enzymimmunoassay, Treponema-­‐pallidum-­‐ Chemilumineszenzassay Von der Diagnostika-Industrie angeboten werden Tests, die sich hinsichtlich ihrer Antigenzusammensetzung, des zu detektierenden Antikörperspektrums und der technischen Durchführung unterscheiden. Der Testansatz und die Auswertung müssen streng nach den Vorschriften des jeweiligen Herstellers erfolgen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, Tests anzuwenden, die spezifische IgM- und IgG-Antikörper simultan erfassen (polyvalenter Test) oder IgG- und IgM-Antikörper differenziert detektieren. Als Syphilis-Antikörpersuchtest sollte ein polyvalenter Immunoassay bevorzugt werden. Bei einem Antikörper-Screening nur mit einem IgG-spezifischen Test werden möglicherweise akute Treponemeninfektionen in der frühen Serokonver- 16 sionsphase nicht erfasst [39]. Ein Treponemen-IgM-Antikörper-Screening z.B. mit ELISA-IgM-Antikörpertests ist wegen der geringeren Testspezifität [44] in Ländern mit niedriger Syphilis-Inzidenz problematisch. Zudem ist der parallele Testansatz eines IgG- und IgM-Immunoassays als Suchtest – bedingt durch die Forderung einer wirtschaftlichen Leistungserbringung – für das Konzept der Basisdiagnostik nicht zu empfehlen. Syphilis-­‐Schnelltests Zunehmend wird auch die Anwendung von Syphilis-Schnelltests als niederschwelliges Angebot zur raschen Abklärung einer möglichen Treponemen-Infektion diskutiert. Die Antikörperdetektion erfolgt i.d.R. mittels immunchromatographischen Methoden unter Verwendung rekombinanter Treponemenantigene. Die Untersuchung von Vollblut, Blut aus heparinisierten Kapillaren, Plasma oder Serum ist möglich. Angaben zur Sensitivität und Spezifität von Schnelltests im Vergleich zu konventionellen Tests wie dem TPHA- oder TPPA-Test basieren oft auf der Untersuchung von archivierten Serumproben. In einer solchen Studie wurden von Herring et al. [31] 9 Schnelltests untersucht. Die Sensitivität wurde zwischen 84,5% und 97,7%, die Spezifität zwischen 84,5% und 98% ermittelt. Die beste Gesamtperformance zeigte in dieser Studie der Determine Syphilis®-Test mit einer Sensitivität von 97,2% und einer Spezifität von 94,1%. Angestrebt wird für Schnelltests jedoch vor allem die Untersuchung von Vollblut als Alternative zur konventionellen Labortestung. Der Vergleich der Testresultate in Serum und Vollblut zeigt i.d.R. deutlich schlechtere Ergebnisse für die Vollblut-Testung. Dies gilt auch für den in zahlreichen Studien verwendeten Determine Syphilis®-Test. Ein Beispiel für eine solche Vergleichsstudie demonstriert die Tabelle 3 [40]. In einer Feldstudie in Südamerika [7] wurden bei 3.682 Sexarbeiterinnen für den Determine Syphilis®-Test bei Untersuchung von Blut aus der Fingerbeere die Sensitivität, Spezifität und der positive Vorhersagewert im Vergleich zum RPR-Test mit nachfolgend positivem Befund auch im TPHA-Test als Goldstandard mit 39,3%, 99,2% und 71,4% ermittelt. Selbst bei TPHA-positiven Proben mit RPR-Titern ≥ 1:16 wurden nur 70% der Proben unter Feldbedingungen als positiv erkannt. Bei der Serumuntersuchung der Proben im Labor reagierten von 178 RPR- und TPHA-reaktiven Proben 172 (97%) auch im Determine Syphilis®-Test positiv. Die heute verfügbaren Syphilis-Antikörper-Schnelltests erlauben im Vergleich zu konventionellen serologischen Nachweisverfahren keine frühere Diagnosestellung. Eine Unterscheidung zwischen aktiven, behandlungsbedürftigen und ausgeheilten zurückliegenden Syphilis-Infektionen ist nicht möglich. Aus einem reaktiven SyphilisSchnelltestresultat ist daher ohne weitere Zusatzinformationen kein Rückschluss auf den aktuellen Infektionsstatus und auch eine mögliche Infektiosität der betroffenen Person abzuleiten. Entsprechend darf ein positives Schnelltest-Ergebnis auf keinen Fall als Grundlage für eine Behandlung dienen. Andererseits ist auch nicht gewähr- 17 leistet, dass insbesondere Personen mit aktiver infektiöser Frühsyphilis durch die Schnelltests sicher erkannt werden. Aus den genannten Gründen ist nach Auffassung der WHO [68] die Anwendung von Syphilis-Schnelltests in Ländern, die ein flächendeckendes Netz für die Laboratoriumsdiagnostik mit konventionellen Testverfahren bieten, nicht sinnvoll und wird entsprechend von uns auch für Deutschland nicht empfohlen. Tabelle 3: Vergleichende Untersuchung von Syphilis-­‐Schnelltests [40] Syphilis-­‐Schnelltest Material Sensitivität Spezifität Determine Syphilis TP (Abbott Laboratories, USA) Serum Vollblut 100% 81,9% 98,9% 99,4% SD Bioline Syphilis 3.0 (Standard Diagnostics, South Korea) Serum Vollblut 95,5% 87,6% 97,7% 99,4% Visi-­‐Tect Syphilis (Omega Diagnostics, Scotland) Serum Vollblut 94,6% 73,5% 98,1% 99,7% Syphicheck-­‐WB Test (Qualpro Diagnostics, India) Serum Vollblut 67,4% 64,0% 98,8% 99,7% Bewertung der Syphilis-­‐Suchtests Die T.-pallidum-spezifischen Syphilis-Suchtests werden bei einem Großteil der Erkrankungsfälle 2–3 Wochen nach der Infektion positiv und bleiben nachfolgend i.d.R., unabhängig vom Infektionsstadium, lebenslang positiv. Bei negativem Testresultat kann davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Blutentnahme entweder keine Treponemeninfektion vorgelegen oder dass sich diese noch im nicht-reaktiven Frühstadium befunden hat. Bei weiter bestehendem Verdacht auf Frühsyphilis ist die Untersuchung im Zeitabstand von 1–2 Wochen, ggf. auch mehrfach, zu wiederholen. In besonderen Fällen kann versucht werden, die im Verlauf der Infektion früh auftretenden treponemenspezifischen IgM-Antikörper gezielt zu erfassen. Methodenvergleiche bei Frühsyphilis zeigen häufiger diskrepante Befunde [58]. Angaben zu einer relativ geringen Sensitivität von TPHA-/TPPA-Test [11] und EIA (s. Tab. 4) beziehen sich i.d.R. auf das Frühstadium der Syphilis. Ab dem Sekundärstadium der Infektion liegt die Testsensitivität allgemein bei ca. 100%. Sensitivitätsunterschiede zeigen sich dann wieder bei Antikörperresttitern (Seronarben) nach lange zurückliegender Infektion [37, 38, 48, 52]. In der Suchreaktion positive Proben oder solche, die nicht eindeutig als negativ bewertet werden, müssen nachfolgend mit Methoden der erweiterten Syphilis-Diagnostik untersucht werden. 18 Tabelle 4: Diagnostische Eigenschaften von T.-­‐pallidum-­‐spezifischen Antikörpertests Test TPHA-­‐/TPPA EIA Schnelltests FTA-­‐ABS Immunoblot Sensitivität Stadium I 76% (69–90%) 84% (70–100%) > 95% (80–100%) StadiumII 100% 100% 100% Latenz/Spätstadien 100% 100% 100% 94–100% 98–99% Nicht definiert 82–100% 64–100% Spezifität 98–100% 97–100% 97–99% Die hier zusammengefassten Angaben zur Sensitivität und Spezifität sind abhängig von den jeweiligen Testcharakteristiken und der Prävalenz der Erkrankung in den Studien-Probenkollektiven. Sie lassen sich daher nicht ohne Weiteres auf einzelne Tests bzw. unterschiedliche Bevölkerungsgruppen übertragen und sind somit nur als orientierende Hinweise zu sehen [12, 38, 40, 41, 45]. 5.2 Erweiterte Syphilis-­‐Diagnostik: Bestätigungstests Bei positivem oder zweifelhaftem Ausfall der Syphilis-Suchreaktion ist die Probe zunächst zur Absicherung der Spezifität in einem zweiten T.-pallidum-spezifischen Antikörpertest (Syphilis-Bestätigungstest) zu untersuchen (s. Tab. 6, Stufe 2). Weltweit akzeptiert als Bestätigungstest ist der Fluoreszenz-Treponema-pallidum-Antikörperabsorptions-(FTA-ABS-)Test. Alternativ können angewendet werden der IgGFTA-ABS-Test, der IgG-Immunoblot, bei TPHA-/TPPA-Screening Immunoassays und vice versa bei Immunoassay-Screening der TPHA-/TPPA-Test [24, 26, 39, 60]. FTA-­‐ABS-­‐Test Der FTA-ABS-Test ist ein indirekter Immunfluoreszenztest zum Nachweis T.-pallidum-spezifischer Antikörper [28, 45]. Die Durchführung ist als polyvalenter Test zur simultanen Detektion spezifischer IgGund IgM-Antikörper oder differenziert nach Immunglobulinklassen möglich. Zunächst werden die zu untersuchenden Serumproben vorinkubiert mit einem Absorptionsmedium zur Elimination kreuzreagierender Antikörper. Hauptbestandteil des Absorptionsmediums ist ein Ultraschallhomogenat von Treponema phagedenis. Die Qualität dieses Mediums ist entscheidend für die Spezifität des FTA-ABS-Tests. 19 Anschließend werden die vorabsorbierten Proben auf mit T.-pallidum-Antigen (Nichols Stamm) beschichteten Objektträgern inkubiert und nachfolgend wird die Antikörperbindung mittels FITC-markierter Antihumanglobuline detektiert. Die Beurteilung der Befunde erfolgt bei Anwendung der Standardtechnik mit einer Serumverdünnung von 1:5 semiquantitativ anhand der Fluoreszenzintensität mit einer Abstufung von 1+ bis 4+. Die 1+-Reaktion ist meist unspezifisch und sollte als negativ interpretiert werden. 2+-Reaktionen sind kritisch zu sehen und bei fraglicher Befundplausibilität durch einen zusätzlichen Bestätigungstest (z.B. IgG-Immunoblot) zu verifizieren. 3+- und 4+-Resultate sind i.d.R. als spezifisch zu werten. Problematisch ist insbesondere die Abgrenzung der schwachen Reaktionen im FTA-ABS-Test, da hier der subjektiven Bewertung der Fluoreszenzintensität durch den Untersucher entscheidende Bedeutung zukommt. Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Ergebnisbeurteilung ist der Ansatz des FTA-ABS- bzw. IgG-FTA-ABS-Tests in zwei Verdünnungen von 1:5 und 1:20. Für den Ansatz beider Verdünnungen wird das Absorptionsmedium verwendet. Dies hat den Vorteil, dass in der höheren Verdünnung die Relation von Absorptionsmedium zu Serum deutlich höher ist als in der 1:5-Verdünnung und entsprechend unspezifische Antikörper sicherer aus der Probe eliminiert werden. Die Befundbewertung erfolgt entsprechend der Tabelle 5. Tabelle 5: Bewertung des konventionellen und des modifizierten FTA-­‐ABS-­‐Tests Serum-­‐ verdünnung 1:5 Serum-­‐ verdünnung 1:20 Resultat entsprechend konventioneller Auswer-­‐ tung des FTA-­‐ABS-­‐Tests Befundinterpretation negativ negativ negativ Negativ, T.-­‐pallidum-­‐spezifische Antikörper nicht nachgewiesen + negativ 1+ Wahrscheinlich unspezifischer Befund ++ negativ 2+ Fraglich spezifischer Befund, ggf. weiterer Bestätigungstest sinnvoll +++ + 3+ Nachweis treponemen-­‐ spezifischer Antikörper ++++ ++ – ++++ 4+ Nachweis treponemen-­‐ spezifischer Antikörper Die Sensitivität des FTA-ABS-Tests kann bei Frühsyphilis höher sein als die der Syphilis-Screeningtests (s. Tab. 4), da im Fluoreszenztest in einem Teil der Fälle spezifische IgM-Antikörper besser detektiert werden als mit den anderen Verfahren [58]. 20 Treponema-­‐pallidum-­‐Immunoblot Zur Abklärung spezieller Fragen kann der T.-pallidum-Immunoblot hilfreich sein. Als solche sind insbesondere grenzwertige Befunde der konventionellen Serologie oder aus klinischer Sicht nicht plausible serologische Befunde anzusehen. Als weitere Indikationen kommen in Betracht: vergleichende Untersuchungen von Serum und Liquor cerebrospinalis zur Abklärung einer Neurosyphilis oder parallele Untersuchungen der Sera von Mutter und Kind bei Verdacht auf konnatale Syphilis [6, 17, 28, 50]. Die Auswertung kommerziell verfügbarer Immunoblots beschränkt sich im Wesentlichen auf den Nachweis von IgG- oder IgM-Antikörpern gegen als T.-pallidum-spezifisch akzeptierte Strukturantigene mit relativen molaren Massen von 47 kD, 17 kD und 15,5 kD sowie das TmpA-Antigen. Vor allem der Nachweis entsprechender IgGAntikörper stützt die Spezifität des Befunds im Sinne einer Bestätigungsreaktion, lässt aber keine weiteren diagnostischen Rückschlüsse zu. IgG-­‐Enzymimmunoassay Der diagnostische Stellenwert von IgG-Enzymimmunoassays ist nicht abschließend zu beurteilen. Als isolierter Screeningtest ist der IgG-EIA nicht geeignet. Als Bestätigungstest ist der Einsatz grundsätzlich möglich, aber bei der insgesamt geringen Zahl solcher Proben unter wirtschaftlichen Aspekten problematisch. 5.3 Erweiterte Syphilis-­‐Diagnostik: Beurteilung der Aktivität Der quantitative Nachweis von Lipoidantikörpern und die Verlaufsbeurteilung der Antikörperkinetik sind unverzichtbarer Bestandteil der erweiterten Syphilis-Diagnostik und Therapiekontrolle [5, 28, 45] (s. Tab. 6, Stufe 3). Treponemenspezifische IgMund nicht-treponemale Lipoid-Antikörpertests sind nicht als Alternative, sondern als sich ergänzende Verfahren zu sehen. Quantitative Cardiolipin-­‐Reaktion Lipoidantikörper sind keine T.-pallidum-spezifischen Antikörper, gelten aber als wichtiger Aktivitätsparameter des Krankheitsprozesses. Testantigen ist ein i.d.R. aus Rinderherzmuskulatur extrahiertes Lipoid (Cardiolipin), welches mit Cholesterin und Lecithin supplementiert wird. Die Bestimmung erfolgt weltweit mit dem Venereal Disease Research Laboratory(VDRL)-Test oder dessen Modifikationen. Hier ist vor allem der Rapid Plasma Reagin(RPR)-Test zu nennen. Der RPR-Test kann unter Verwendung von Serum oder Plasma auf Testkarten durchgeführt und makroskopisch 21 abgelesen werden, während der VDRL-Test in hitzeinaktiviertem Serum durchgeführt und mikroskopisch ausgewertet werden muss. Die Resultate beider Verfahren sind weitgehend vergleichbar [12, 36, 45, 63]. Speziell in Deutschland wird alternativ auch die Cardiolipin-Komplementbindungsreaktion (KBR) durchgeführt. VDRL- und RPR-Test sind technisch einfacher durchzuführen; die Cardiolipin-KBR hat den Vorteil der größeren Empfindlichkeit und Reproduzierbarkeit [5, 28, 44]. Beim Ansatz des VDRL- und RPR-Tests in nur einer Serumverdünnung sind falschnegative Resultate aufgrund des sog. Prozonenphänomens möglich. Daher sollten diese Tests grundsätzlich quantitativ, i.d.R. mit den Serumverdünnungen 1:2 bis 1:128 oder aber als Screeningtests zumindest in zwei Verdünnungen, z.B. 1:2 und 1:16, durchgeführt werden. Die Cardiolipin-KBR ist mit der Kälte-Langzeitbindung (18 Std. bei 4 ˚C) durchzuführen [18, 28]. Ein negatives und ein positives Kontrollserum sind in jedem Testansatz mitzuführen. Die positive Kontrolle ist grundsätzlich quantitativ anzusetzen. Der Sollwert-Titer ist vom Hersteller zu definieren. Ein hinsichtlich des Antikörpergehalts definiertes Standardserum ist in Deutschland für die Routinediagnostik nicht verfügbar. Die Lipoidantikörpertests erfassen simultan IgG- und IgM-Antikörper. Eine Differenzierung der Antikörperklassen ist mit den genannten Testverfahren nicht möglich und für die Befundauswertung allgemein auch nicht erforderlich. Nachweis von Lipoidantikörpern mittels Immunoblot Mittels Immunoblottechnik ist die differenzierte semiquantitative Bestimmung von Lipoid-IgG- und IgM-Antikörpern möglich [60]. Dies kann von Interesse sein für die vergleichende Untersuchung der Serumproben von Mutter und Kind unter der Fragestellung, ob der Befund des Neugeborenen bedingt sein kann durch diaplazentar übertragene maternale IgG-Antikörper oder ob sich aus dem Nachweis von IgM-Antikörpern auch Anhaltspunkte für eine eigenständige Immunantwort des Kindes als Hinweis auf eine konnatale Infektion ergeben. Eine andere Anwendungsmöglichkeit könnte auch der Nachweis von Lipoid-IgM-Antikörpern im Liquor cerebrospinalis als Hinweis auf eine Neurosyphilis sein. Treponema-­‐pallidum-­‐spezifische IgM-­‐Antikörperdiagnostik Sie dient dem Nachweis treponemenspezifischer IgM-Antikörper und damit der Erkennung von behandlungsbedürftigen Treponemeninfektionen. Vorbedingung für eine zuverlässige IgM-Antikörperdetektion ist die Abtrennung der IgG-Fraktion, da andernfalls falsch-positive Ergebnisse (z.B. durch Rheumafaktoren) oder falsch-negative Befunde (infolge der Blockierung des Antigens durch IgG-Antikörper gleicher Erregerspezifität) möglich sind. 22 19S-­‐IgM-­‐FTA-­‐ABS-­‐Test Der Referenztest ist der 19S-IgM-FTA-ABS-Test. Der Test beruht darauf, dass durch geeignete Verfahren die 7S(IgG)-Antikörper von den 19S(IgM)-Antikörpern abgetrennt werden. Hierzu haben sich physikalische Trennverfahren (z.B. Dichtegradient in der Ultrazentrifuge oder Gelfiltration) bewährt [43]. Alternativ ist auch die Anwendung der Immunabsorption mit Anti-IgG-Serum (RF-Absorbens) oder Protein G möglich [26, 28]. Die nachfolgende Detektion der IgM-Antikörper erfolgt mit der indirekten Immunfluoreszenztechnik analog zum FTA-ABS-Test unter Anwendung eines FITC-markierten µ-Ketten-spezifischen Antihumanglobulins. Die Testauswertung kann qualitativ oder quantitativ erfolgen. Positive Befunde sollten grundsätzlich durch Titerbestimmung quantifiziert werden. Der Test sollte nur in Speziallaboratorien mit geeigneter technischer Ausrüstung und ausreichender Erfahrung mit den Fehlermöglichkeiten der Methodik durchgeführt werden. Kontrollsera mit definiertem Treponemen-IgM-Antikörpertiter sind kommerziell nicht verfügbar. IgM-­‐Enzymimmunoassay Von der Diagnostika-Industrie werden T.-pallidum-spezifische IgM-Enzymimmunoassays angeboten. Bei diesen Tests erfolgt die Isolierung der IgM-Antikörperfraktion i.d.R. mit der sog. µ-Capture-Technik oder Immunabsorption der IgG-Fraktion. Nach den vorliegenden Erfahrungen sind diese Tests gut geeignet, für die IgM-Antikörperdetektion bei einer Syphilis-Erstinfektion im Primär- und Sekundärstadium sowie in der Frühlatenz und bei positivem Ausgangsbefund für die Verlaufskontrolle nach Therapie. Hingegen bestehen Sensitivitätsprobleme bei der Diagnostik der Spätformen der Syphilis und bei Zweitinfektion bzw. bei Reaktivierung [28, 29, 37]. Somit kann der Enzymimmunoassay nicht uneingeschränkt als Alternative zum 19S-IgM-FTAABS-Test gesehen werden. IgM-­‐Immunoblot Die kommerziell verfügbaren Immunoblottests zum Nachweis T.-pallidum-spezifischer IgM-Antikörper werden ebenfalls für die Beurteilung der möglichen Aktivität und ggf. Behandlungsindikation einer durch andere Verfahren gesicherten Treponemeninfektion eingesetzt. Da jedoch eine Quantifizierung der Befunde nicht möglich ist, ist der Test für die Beurteilung der serologischen Erstbefunde und insbesondere für Verlaufskontrollen nach Therapie weniger gut geeignet. Die Sensitivität des IgMImmunoblots ist derjenigen der Enzymimmunoassays vergleichbar. Entsprechend können auch Befunddiskrepanzen im Vergleich zum 19S-IgM-FTA-ABS-Test beobachtet werden. Aus diesem Grund ist der IgM-Immunoblot auch nicht als genereller Bestätigungstest für Befunde des 19S-IgM-Tests zu sehen. 23 5.4 Erreger-­‐Direktnachweis Indikation für den Erreger-Direktnachweis ist die differenzialdiagnostische Abklärung der möglichen Ätiologie von Haut- und Schleimhautläsionen bei noch negativer oder nicht eindeutiger Serologie. Der Nachweis von Treponemen gelingt i.d.R. nur in den Frühstadien der Syphilis. Dunkelfeld-­‐Mikroskopie (DFM) Die Proben sind unmittelbar nach der Materialentnahme im Dunkelfeldmikroskop bei 400-maliger Vergrößerung auf die Anwesenheit beweglicher Treponemen zu untersuchen. Die typischen Dreh- und Knickbewegungen und die korkenzieherartige Morphologie der Organismen sind die entscheidenden diagnostischen Kriterien für T. pallidum. Die Nachweisgrenze beträgt ca. 1 × 105 Organismen/ml [38]. Die Untersuchung sollte nur durch erfahrene Untersucher erfolgen, da die korrekte Einstellung des Dunkelfeldkondensors und die Unterscheidung von T. pallidum und saprophytären Schleimhaut-Spirochäten, z.B. Treponema denticola, sehr schwierig sein kann. Der Test wird nicht empfohlen für Abstriche aus der Mundhöhle und dem Analkanal. Die Sensitivität und Spezifität der DFM erreichen 80 bis > 95% bzw. 77–100% abhängig von der Vorselektion der Fälle, die in den jeweiligen Studien untersucht wurden [37, 38, 45, 51, 53, 63]. Die DFM ist der einzige Test, der eine sofortige Diagnose, Behandlungsindikation und ggf. Partner-Identifizierung ermöglicht und somit die weitere Erregerübertragung verhindern kann [38]. Direkter Immunfluoreszenz-­‐Test (DFA) Luftgetrocknete Objektträger-Ausstriche oder Gewebe-Schnitte werden mit polyklonalen oder monoklonalen FITC-markierten Antikörpern gegen T. pallidum überschichtet. Der Nachweis grün-leuchtender Treponemen im Fluoreszenzmikroskop bei einer Wellenlänge von 480 nm ist spezifisch für T. pallidum. Die Sensitivität und Spezifität der Methode sind der DFM vergleichbar. Der Hauptvorteil der Methode ist die Möglichkeit, Materialien zu untersuchen, die potenziell mit saprophytären Treponemen, z.B. aus der Mundhöhle oder aus dem Darm, kontaminiert sein können [14, 37, 45, 63, 66]. Das Verfahren ist jedoch in Deutschland nicht etabliert. Nukleinsäure-­‐Amplifikationstechniken (NAT) Der Nachweis von T. pallidum mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechniken (NAT), z.B. mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR), ist prinzipiell aus jedem Untersu- 24 chungsmaterial möglich z.B. aus Blut, Liquor cerebrospinalis, Abstrichen, Punktaten, Gewebebiopsien, Amnionflüssigkeit oder Augenkammerwasser [28, 37, 45]. Die Spezifität der PCR für pathogene Treponemen liegt bei 95–98%. Die Technik kann auch für Abstriche aus der Mundhöhle oder dem Rektum angewendet werden. Als Nachweisgrenze werden 1–65 Organismen angegeben. Die PCR ist im Vergleich zum mikroskopischen Erregernachweis empfindlicher und erreicht bei der Syphilis im Stadium I bis zu 95% und im Stadium II bis zu 80% [51]. In Körperflüssigkeiten von Neugeborenen (z.B. Amnionflüssigkeit, Serum, Liquor cerebrospinalis) wurde die Sensitivität der PCR im Vergleich zum Nachweis des Erregers im Kaninchen (Rabbit Infectivity Test, RIT) mit 78% angegeben [37]. Die Einführung der PCR als zusätzliches diagnostisches Kriterium bei speziellen Fragestellungen steht zur Diskussion. Derzeit kann jedoch keine Empfehlung für die Anwendung der Technik im Routinelabor gegeben werden. Nachweis von Treponema pallidum in Gewebeschnitten Die konventionelle Methode zum Nachweis von T. pallidum in Gewebeschnitten ist die Silberfärbung. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass die DieterleFärbung und ihre Modifikationen sensitiver sind als die Warthin-Starry-Färbung [1, 3, 32]. In Hautbiopsien variiert die Detektionsrate von T. pallidum mittels Silberfärbungen zwischen 33% und 71% [32]. Vergleichende Studien haben gezeigt, dass der immunhistochemische Nachweis mittels polyklonaler Treponemen-Antikörper der Silberfärbetechnik überlegen ist. Dagegen ist die Sensitivität von Immunhistochemie und PCR für den Erregernachweis in formalinfixierten, in Paraffin eingebetteten Hautbiopsien oder gefrorenen Gewebeproben vergleichbar [3, 4, 70]. Aus den genannten Gründen wird die Anwendung der Silberfärbung zum Nachweis von Treponemen nicht mehr empfohlen. 5.5 Falsch-­‐positive Ergebnisse der lipoid-­‐ und treponemenspezifischen Antikörpertests Reaktive unspezifische Lipoidantikörperbefunde werden als biologisch falsch-positive (BFP) Resultate bezeichnet. Man unterscheidet akute BFP mit einer Nachweisdauer < 6 Monate und chronische BFP > 6 Monate. Akute BFP werden vor allem bei Infektionen gefunden (z.B. infektiöse Mononukleose, Varizellen, Masern, Malaria, Brucellose, Mumps, Lymphogranuloma venereum). Chronisch falsch-positive Resultate finden sich häufig bei Autoimmunerkrankungen, Tuberkulose, Lepra, chronischentzündlichen Prozessen anderer Genese, Malignomen und Lebererkrankungen. Auch fortgeschrittenes Lebensalter, Schwangerschaft, Drogenkonsum, Schutzimpfungen und HIV-Infektion können zu falsch-positiven Resultaten führen [28, 38, 45, 63]. 25 Literaturangaben zu falsch-positiven Resultaten der treponemenspezifischen Antikörpertests beziehen sich meist auf den FTA-ABS-Test. Bekannt sind vor allem die atypischen Fluoreszenzbilder bei systemischem, diskoidem und medikamenteninduziertem Lupus erythematodes. Falsch-positive Reaktionen sind beschrieben auch bei Lepra, fieberhaften Erkrankungen oder zunehmendem Lebensalter. Auch technische Fehler im Labor sind hier relevant. Oftmals bleibt die Ursache der Befunde unklar. Möglicherweise erklärt sich ein Teil dieser Fälle durch Kreuzreaktionen bei Borrelieninfektionen. Treponemen und Borrelien zeigen eine breite Antigenverwandtschaft. Entscheidend für die Spezifität des FTA-ABS-Tests ist die Kapazität des Absorptionsmediums zur Elimination kreuzreagierender Antikörper. Erfahrungsgemäß finden sich im FTA-ABS-Test häufiger falsch-positive Befunde durch Borrelien-Antikörper als z.B. im TPHA-/TPPA-Test. In den modernen Immunoassays auf Basis rekombinanter hochspezifischer Treponemenantigene dürften diese Kreuzreaktionen kaum noch eine Rolle spielen. Im Zweifelsfall können entsprechende fragliche Befunde z.B. mittels Immunoblot abgeklärt werden. Insgesamt ist für die treponemenspezifischen Antikörper-Screeningtests (TPHA/TPPA, polyvalente Immunoassays) davon auszugehen, dass sich falsch-positive Resultate in ca. 1% der Fälle finden, wobei die Ursache dieser Reaktionen meist unklar bleibt [28, 38, 45, 63]. 26 6 Stufendiagnostik Das Konzept zur serologischen Stufendiagnostik der Syphilis hat sich bewährt. Die Vorgehensweise ist in der Tabelle 6 dargestellt. Die Modifikation bzw. Erweiterung dieses Diagnoseschemas, z.B. mit dem direkten Erregernachweis im Frühstadium der Infektion oder der ergänzenden Untersuchung des Liquor cerebrospinalis bei Verdacht auf Neurosyphilis, hängt von der jeweiligen klinischen Fragestellung ab [5, 26, 28, 53, 60]. 27 1. Tabelle 6: Serologische Stufendiagnostik der Treponemeninfektionen (Erstuntersuchung) 28 7 7.1 Syphilis-­‐Diagnostik bei speziellen Fragestellungen Diagnostik der Neurosyphilis Die Neurosyphilis ist Folge einer systemischen Infektion mit T. pallidum. Da der Erreger auf dem Blutweg die Organe erreicht und es sich somit niemals um eine isolierte Infektion des ZNS handelt, genügt auch bei klinischem Verdacht auf eine Neurosyphilis zunächst die Serumuntersuchung [28, 60]. Bei positiver Basisdiagnostik ist dann die parallele Untersuchung von am gleichen Tag entnommenen Proben von Serum und Liquor cerebrospinalis erforderlich. Das Untersuchungsspektrum umfasst allgemeine Parameter der Liquordiagnostik wie z.B. die Gesamteiweißbestimmung, die Zellzählung und ggf. Zelldifferenzierung, die Beurteilung des Funktionszustands der Blut-Liquor-Schranke (Albumin-Liquor/Serum-Quotient), den Nachweis einer intrathekalen Immunglobulinsynthese bzw. einer oligoklonalen Immunreaktion im ZNS. Grundsätzlich sind alle Syphilis-Tests auch für die Untersuchung des Liquor cerebrospinalis geeignet. Entscheidendes Diagnosekriterium für eine mögliche ZNS-Beteiligung ist der Nachweis einer T.-pallidum-spezifischen Antikörpersynthese im ZNS. Gut geeignet hierfür ist die TPHA-/TPPA-Titerbestimmung in Serum und Liquor und die nachfolgende Berechnung des erregerspezifischen Liquor/Serum-Antikörperquotienten (ITpA-Index) [28, 60] nach der Formel: ITpA-­‐Index = TPHA-­‐Titer (Liquor) Gesamt-­‐IgG Liquor (mg/l) × Gesamt-­‐IgG Serum (mg/l) TPHA-­‐Titer (Serum) Ein ITpA-Indexwert > 2,0 begründet den Verdacht auf einen Treponemenbefall des ZNS, ein ITpA-Indexwert ≥ 3,0 beweist mit hoher Spezifität und Sensitivität die spezifische lokale Antikörpersynthese im ZNS. Alternativ kann auch die parallele Titration von Serum und Liquor nach Angleichung der IgG-Konzentration in Serum und Liquor erfolgen. Zur Berechnung des Quotienten wird dann der TPHA-Titer im Liquor durch den TPHA-Titer im Serum dividiert. Der Grenzwert des Verfahrens ist mit der vorgenannten Methode identisch. 29 Diese Formeln dürfen nur angewandt werden, wenn keine lokale IgG-Synthese im ZNS nachweisbar ist (QIgGlim > QIgGgesamt), da andernfalls die Antikörperindexwerte zu niedrig bestimmt werden. Bei nachgewiesener intrathekaler IgG-Synthese ist nicht die gemessene Liquor-IgG-Konzentration für die Berechnung einzusetzen, sondern der rechnerisch ermittelte maximale Anteil des Liquor-IgG, der aus dem Serum stammt. Dieser kann berechnet werden nach der Formel: Serumanteil des Liquor-­‐IgG (mg/l) = Liquor-­‐IgGgesamt (mg/l) × QlimIgGgesamt QIgGgesamt Einfacher für die Berechnung des Antikörperindex (auch des ITpA-Index) im Routinelabor ist die Anwendung der nachfolgenden Formeln, sofern die entsprechenden Quotientenwerte aus dem Liquor-Labor bekannt sind (Einzelheiten hierzu siehe z.B. [69]): Berechnung des spezifischen Antikörperquotienten: Qspez = TPHA-­‐Titer Liquor × 1.000 TPHA-­‐Titer Serum Und nachfolgend die Berechnung des Antikörperindex (ITpA oder AI) nach der Formel: Antikörperindex = Qspez : QIgGgesamt oder im Falle einer lokalen IgG-Synthese im ZNS (QlimIgG < QIgGgesamt) Antikörperindex = Qspez : QlimIgG Grundsätzlich sind vergleichende Antikörperbestimmungen im Serum und Liquor cerebrospinalis auch mit anderen diagnostischen Verfahren möglich. Für den mittels IgG- oder 19S-IgM-FTA-ABS-Test als Titrationsverfahren bestimmten Liquor-/Serum-Quotienten gelten die gleichen Grenzwerte wie für den TPHA-/TPPA-Quotienten. Bei Anwendung von Enzymimmunoassays zur Bestimmung des Antikörperindex (AI) gilt wie für virale Antikörperquotienten der Grenzwert von 1,5. Bei vergleichenden Untersuchungen von Serum und Liquor mittels Immunoblot nach Angleichung der Immunglobulinkonzentrationen (Crossmatch) ist nur der qualitative Vergleich der Reaktionsmuster (Vorhandensein oder Fehlen einzelner Antikörperbanden, Reaktionsintensität) möglich. Insgesamt liegen jedoch für diese alternativen Techniken hinsichtlich der Neurosyphilis-Diagnostik bislang nur wenige Erfahrungsberichte vor. 30 Der Nachweis einer lokalen spezifischen Antikörpersynthese im ZNS ist nicht gleichzusetzen mit einer aktiven behandlungsbedürftigen Infektion, da das Phänomen der T.-pallidum-spezifischen Antikörpersynthese auch nach Therapie über viele Jahre persistieren kann. Zielsetzung ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung von anderen neurologischen Krankheitsbildern. Für die Beurteilung der möglichen Krankheitsaktivität sind vor allem die unspezifischen Liquor-Parameter wie Pleozytose, Gesamteiweiß und der Funktionszustand der Blut-Liquor-Schranke wichtig. Zu beachten ist hierbei, dass diese Parameter auch durch andere Grunderkrankungen beeinflusst werden. Ein positiver lipoid- und/oder treponemenspezifischer IgM-Antikörperbefund im Liquor gilt als zusätzlicher Hinweis auf eine aktive Neurosyphilis [28, 36, 60]. Im Liquor nachweisbare IgG- und IgM-Lipoidantikörper stammen i.d.R. nicht aus dem Serum. Dies liegt daran, dass der Lipoidantikörperanteil im Liquor, der aus dem Serum stammt, meist so gering ist, dass er unter der Nachweisgrenze der Lipoidantikörpertests liegt. 7.2 Syphilis-­‐Serologie und Schwangerschaft Die Diagnostik und Interpretation der Befunde bei Schwangeren entspricht den bereits dargestellten Grundsätzen. Wichtig ist insbesondere, dass ein negativer IgM-Antikörperbefund eine Therapiebedürftigkeit nicht grundsätzlich ausschließt. Vor allem bei spätlatenter Infektion finden sich häufiger hochpositive TPHA-/TPPA-Titer und positive oder grenzwertige Lipoidantikörperbefunde, aber negative bzw. nicht-signifikante IgM-Antikörperbefunde. Daher wird empfohlen, insbesondere bei fehlender oder unklarer Behandlungsanamnese, auch bei negativem IgM-Antikörperbefund Schwangere aus Sicherheitsgründen zu behandeln bei einem TPHA-/TPPA-Titer ≥ 1:5.120, unabhängig vom Lipoidantikörperbefund, aber auch bei niedrigerem TPHA-/TPPA-Titer, wenn der Lipoidantikörperbefund positiv ist [18, 56, 60]. Da die Kenntnis des TPHA-/TPPA-Titers für die Beurteilung des Gesamtbefunds wichtig ist, sollte dieser nach Möglichkeit auch bestimmt werden, wenn das Syphilis-Screening mit anderen Verfahren durchgeführt wird! 7.3 Diagnostik der Syphilis connata Ein positiver Syphilis-Antikörperbefund im Serum des Neugeborenen ist per se kein Beweis für eine konnatale Syphilis. In den meisten Fällen handelt es sich um diaplazentar übertragene maternale IgG-Leihantikörper. Zur Abklärung dieser Befunde ist die parallele Untersuchung der Serumproben von Mutter und Kind mit quantitativen Testverfahren wichtig. Ist das Kind nicht infiziert, sind die Antikörpertiter der Suchund Bestätigungstests i.d.R. bei Mutter und Kind identisch. Dies gilt auch für Lipoidantikörper, soweit sie der IgG-Klasse zuzuordnen sind. 31 Ein sicheres serologisches Kriterium für eine Syphilis connata ist insbesondere der Nachweis spezifischer IgM-Antikörper im Serum des Kindes [27, 30, 37, 60]. Auch differente IgG- und IgM-Blotmuster bei der vergleichenden Untersuchung von Serumproben von Mutter und Kind, nach Angleichung der Immunglobulinkonzentration (Crossmatch), können ein Anhaltspunkt sein. In seltenen Fällen kann bei frühzeitiger Therapie während der Schwangerschaft der IgM-Antikörperbefund beim Neugeborenen nach intrauteriner Infektion negativ sein. Retrospektiv kann die Diagnose gestützt werden, wenn IgG-Antikörper im Blut des Kindes persistieren, weil maternale IgGAntikörper mit einer Halbwertszeit von ca. 21 Tagen aus dem kindlichen Organismus eliminiert werden [27]. Als weiterer Hinweis auf eine konnatale Infektion gelten der Nachweis einer Pleozytose im Liquor cerebrospinalis des Neugeborenen [41, 60] oder ein positiver Erreger- bzw. PCR-Befund aus Abstrichen, Blut oder Liquor [34, 37, 57]. 7.4 Diagnostik der Syphilis-­‐Zweitinfektion und Reaktivierung Eine Syphilis-Zweitinfektion und die endogene Reaktivierung einer latenten Infektion sind serologisch nicht zu unterscheiden. Eine sichere Diagnose ist nur bei Kenntnis quantitativer Vorbefunde durch den Nachweis einer Boosterreaktion der IgG-Antikörper möglich. Charakteristisch sind signifikante Titeranstiege parallel im TPHA-/TPPA- und dem Lipoidantikörpertest. Der treponemenspezifische IgMAntikörperbefund ist bei diesen Fällen sehr variabel und kann negativ, grenzwertig oder positiv sein [28, 29, 60]. 7.5 Serologische Verlaufskontrollen nach Therapie Grundsätzlich sollte 2 bis 4 Wochen nach Abschluss der Antibiotikatherapie eine Kontrolle der Serologie als Ausgangswert für nachfolgende weitere Verlaufskontrollen erfolgen, da signifikante Titeranstiege oder auch eine Serokonversion der Lipoidantikörper unter Therapie möglich sind. Unterbleibt diese Ausgangsbestimmung, kann die Bewertung späterer Verlaufsuntersuchungen erschwert sein. Serologische Tests für das Monitoring der Antikörperkinetik sollten grundsätzlich quantitativ ausgeführt werden. Geeignet sind hierfür der TPHA-/TPPA-Test, die Cardiolipin-Antikörpertests, der 19S-IgM-FTA-ABS-Test, der IgM-EIA und polyvalente Immunoassays, sofern diese vom Hersteller entsprechend konzipiert sind. Die Wiederholung der Bestätigungsreaktionen (FTA-ABS-Test, IgG-FTA-ABS-Test, IgG-Immunoblot) ist für Verlaufskontrollen im Regelfall nicht erforderlich. Empfohlen wird die Kontrolle der Syphilis-Serologie im 1. Jahr in dreimonatigen Abständen [53, 60]. Nachfolgende weitere Kontrollen müssen von der klinischen Beurtei- 32 lung und dem individuellen Verlauf der jeweiligen Antikörperkinetik abhängig gemacht werden. Für die Verlaufsbeurteilung nach Therapie der Spätformen der Syphilis ist i.d.R. nicht mit einer kurzfristigen signifikanten Änderung der Antikörpertiter zu rechnen. Hier sollten die Kontrollen über das 1. Jahr hinaus langfristig in sechsmonatigen Intervallen erfolgen. Auch nach Behandlung einer Re-Infektion muss mit einer variablen, oftmals verzögert rückläufigen Antikörperkinetik gerechnet werden und ein längerer Beobachtungszeitraum in Betracht gezogen werden [63]. Für die Verlaufskontrolle nach Therapie einer Syphilis während der Schwangerschaft werden die Lipoidantikörpertests, VDRL- oder RPR-Tests bzw. CardiolipinKBR in monatlichen Intervallen bis zur Entbindung und nachfolgend in sechsmonatigen Abständen bis zur Negativierung empfohlen [34]. Ein signifikanter Titeranstieg ist eine Indikation zu erneuter Therapie. Parallel sollte auch der TPHA-/TPPA-Titer bestimmt werden, um eine Reaktivierung bzw. Re-Infektion durch signifikanten Titeranstieg frühzeitig zu erkennen. Nach Therapie einer Syphilis connata soll beim Säugling die Verlaufskontrolle mit Lipoidantikörpertests, dem VDRL- oder RPR-Test bzw. der Cardiolipin-KBR sowie dem TPHA-/TPPA-Test im 1. Jahr in dreimonatigen Abständen erfolgen. Nach erfolgreicher Therapie sinken initial erhöhte Lipoidantikörpertiter (bei hohem Ausgangstiter um mindestens vier Titerstufen) signifikant ab und sollten nach 6–12 Monaten negativ sein [15, 34, 60]. Treponemenspezifische Antikörper zeigen meist anfangs ebenfalls eine rückläufige Titertendenz, persistieren dann aber nachfolgend auf einem bestimmten Titerniveau. Die weitere Kontrolle der Antikörperbefunde ist dann in jährlichen Intervallen über insgesamt 5 Jahre zu empfehlen. Die Ausheilung einer Syphilis kann 1–2 Jahre nach Therapieende durch einen nicht-reaktiven 19S-IgM-FTAABS-Test bestätigt werden. Bei Kindern mit pathologischem Liquorbefund muss auch der Liquor kontrolliert werden. 33 8 Beurteilung der Ergebnisse und Befundmitteilung Die immunologische Interpretation des serologischen Gesamtbefunds muss unter Einbeziehung aller verfügbaren klinischen und anamnestischen Daten erfolgen. Eine schematisierende Beurteilung ausschließlich serologischer Testergebnisse kann dem Einzelfall nur bedingt gerecht werden. Die Tabelle 7 zeigt beispielhaft, wie bestimmte Befundkonstellationen klassifiziert werden können. Hierbei wird deutlich, dass mittels Quantifizierung von Testergebnissen sich bessere Aussagemöglichkeiten ergeben als bei einer nur qualitativen Testbewertung. Syphilis-­‐Suchreaktion und Bestätigungstest Sind der Such- und Bestätigungstest eindeutig positiv, gilt eine zu irgendeinem Zeitpunkt erfolgte Infektion durch T. pallidum subsp. pallidum als gesichert, sofern eine nicht-venerische Treponematose anamnestisch und klinisch ausgeschlossen werden kann. Eine Unterscheidung der Treponematosen ist mit serologischen Verfahren nicht möglich [5, 13, 28]. VDRL-­‐/RPR-­‐Test bzw. Cardiolipin-­‐KBR Wieweit ein positiver Lipoidantikörperbefund einen Hinweis auf eine aktive behandlungsbedürftige Treponemeninfektion darstellt, muss individuell mittels zusätzlicher Kriterien beurteilt werden. Wichtig sind die Infektions- und Behandlungsanamnese und ggf. der Verlauf der Antikörperkinetik sowie die Abgrenzung sog. biologisch falsch-positiver Reaktionen (s. Kap. 5.5). Bei unbehandelter Syphilis im Frühstadium kann der Lipoidantikörpertiter noch negativ oder nur schwach reaktiv sein. Erst ein Lipoidantikörpertiter ≥ 1:8 gilt als Hinweis auf eine aktive Infektion. Bei Patienten mit einer Syphilis-Erstinfektion im Primär- oder Sekundärstadium spricht ein signifikanter (bei hohem Ausgangstiter mindestens vierfacher) Titerabfall innerhalb eines Jahres für die Effektivität der Therapie. Eine vollständige Negativierung des Befunds ist nicht in allen Fällen zu erreichen. Grundsätzlich gilt, dass die Eliminationskinetik der Lipoidantikörper nach 34 Therapie von dem Zeitintervall zwischen Infektion und Therapiebeginn abhängig ist. Bei Antibiotikagabe erst mehrere Jahre nach Infektion, bei Spätsyphilis oder auch nach Re-Infektion kann sich ein nur geringer oder auch fehlender Einfluss auf den Lipoidantikörpertiter ergeben [38, 63]. Andererseits kann die Reaktion mit Cardiolipin-Antigen in der Spätlatenz bzw. in den Spätstadien der Syphilis selbst dann negativ sein, wenn der betreffende Patient noch nie antisyphilitisch behandelt wurde [38]. Nachweis Treponema-­‐pallidum-­‐spezifischer IgM-­‐Antikörper Die Bewertung der IgM-Antikörperbefunde darf ebenfalls nicht schematisch erfolgen. Das Interpretationskonzept: IgM-Antikörper negativ = ausreichend behandelte oder spontan geheilte Syphilis und IgM-Antikörper positiv (bei unbehandelten oder vermeintlich unzureichend behandelten Patienten) = Behandlungsindikation trifft sicherlich für den normalen Infektionsverlauf der Syphilis-Erstinfektion in den frühen Krankheitsstadien (Primärsyphilis, Sekundärsyphilis, Frühlatenz) zu. Problematisch ist hingegen die Bewertung bei potenziell lange zurückliegendem Infektionszeitpunkt, bei Neurosyphilis, möglicher Reaktivierung und insbesondere auch bei der heute relativ häufigen Zweitinfektion, da durch biologische Feedback-Mechanismen die IgM-Antikörpersynthese weitgehend oder vollständig unterdrückt sein kann. Als ein Hinweis auf eine solche Befundkonstellation wird ein hoher TPHA-/ TPPA-Titer (> 1:5.120–1:10.240) angesehen [28]. Die Prüfung der Plausibilität des IgM-Antikörperbefunds nur in Bezug auf den Titer des Syphilis-Screeningtests ist jedoch kritisch zu sehen, da wahrscheinlich auch die Avidität der IgG-Antikörper ein wesentlicher Einflussfaktor ist. Ein positiver IgM-Antikörperbefund ist bei fehlender Kenntnis der Infektions- und ggf. Behandlungsanamnese ebenfalls nicht ohne Weiteres zu interpretieren. Analog zu den Lipoidantikörpern können auch IgM-Antikörper, abhängig vom Zeitintervall, zwischen Infektion und Therapiebeginn wenige Monate bis zu mehreren Jahren nachweisbar bleiben. Die untere Nachweisgrenze des 19S-IgM-FTA-Tests kann methodenabhängig zwischen 1:5 und 1:10 variieren. Das Interpretationsschema basiert auf eigenen Erfahrungen bei der Auswertung zahlreicher serologischer Befunde [29]. Die Berücksichtigung der quantifizierten Testresultate erlaubt oft eine differenziertere Aussage. Entscheidend ist jedoch die Bewertung des Gesamtbefunds im Kontext mit der Anamnese und der klinischer Fragestellung! 35 Tabelle 7: Interpretation quantitativer serologischer Befunde (Beispiele) [mod. nach 26, 29] Suchtest TPHA-­‐/ Bestäti-­‐ TPPA-­‐Titer gungstest VDRL-­‐/RPR-­‐ 19S-­‐IgM-­‐FTA-­‐ Befundinterpretation Titer ABS-­‐Titer < 1:80 entfällt entfällt entfällt Kein Hinweis auf eine seroreaktive Treponemeninfektion, bei Verdacht auf kürzliche Infektion ggf. weitere Kontrollen, Inkubationszeit 21 (10–90) Tage ≥ 1:80 negativ negativ negativ Wahrscheinlich unspezifischer Befund des Suchtests. Bei Verdacht auf Früh-­‐ syphilis Kontrolle nach 7–10 Tagen 1:80–1:5.120 positiv negativ < 1:10 (negativ) Wahrscheinlich Restbefund einer zurückliegenden behandelten Treponemeninfektion 1:80–1:2.560 positiv 1:2–1:4 < 1:10 (negativ) Oft Lipoidantikörper-­‐Restbefund nach Therapie oder unspezifischer Lipoid-­‐ antikörperbefund bei anderer Grunderkrankung ≥ 1:10.240 positiv negativ < 1:10 (negativ) Meist Antikörperpersistenz nach Therapie (häufige Befundkonstellation nach Re-­‐Infektion), DD latente Infek-­‐ tion ≥ 1:80 positiv negativ 1:20–1:1.280 (positiv) Aktive behandlungsbedürftige Treponemeninfektion, meist Primär-­‐ stadium bei Erstinfektion 1:80–> 1:10.240 positiv 1:2– > 1:64 1:80–1:2.560 (positiv) Aktive behandlungsbedürftige Treponemeninfektion, Primär-­‐ oder Sekundärstadium, bei TPPA-­‐Titer > 1:10.240 auch Reinfektion ≥ 1:10.240 positiv 1:2– >1:64 1:10–1:40 DD: latente Infektion, Reinfektion oder (grenzwertig, endogene Reaktivierung schwach positiv oder positiv) ≥ 1:10.240 positiv 1:2– >1:64 < 1:10 (negativ) 36 DD: latente Infektion, Reinfektion oder endogene Reaktivierung 9 Hinweise zur Therapie der Syphilis Für die stadiengerechte Behandlung der Syphilis gibt es weltweit zahlreiche Richtlinien z.B. des CDC (Centers for Disease Control and Prevention, USA), der Clinical Effectiveness Group (Association of Genitourinary Medicine and the Medical Society for the Study of Venereal Diseases, England) oder der DSTIG (Deutsche STI-Gesellschaft) [8, 11, 23, 60]. Penicillin gilt als Mittel der Wahl zur Therapie der Syphilis in allen Stadien (Tab. 8). Die Dosierung ist so zu wählen, dass für die Behandlung der Frühsyphilis (1. Jahr nach Infektion) ein Penicillinspiegel von > 0,018 µg/ml entsprechend 0,03 IE/ml kontinuierlich mindestens 10–14 Tage aufrechterhalten wird, bei der Spätsyphilis (alle Infektionsstadien > 1 Jahr nach Infektion) über mindestens 2–3 Wochen [60]. Mittel der ersten Wahl ist derzeit das Langzeit-Depotpräparat Benzathin-Benzylpenicillin, das bei einmaliger Gabe pro Woche über lange Zeit ausreichende Wirkstoffspiegel gewährleistet und Therapieunterbrechungen dadurch vermieden werden. Für die Behandlung der Neurosyphilis ist das Präparat nicht geeignet, da auch bei dreimaliger Applikation keine ausreichenden Wirkstoffspiegel im Liquor cerebrospinalis erreicht werden. Die Neurosyphilis sollte mit Infusionen von Penicillin G oder Ceftriaxon behandelt werden. Vor allem bei Schwangeren und HIV-Patienten sind Therapieversager bei der Anwendung von Benzathin-Benzylpenicillin beschrieben worden [60, 65]. Als alternative Behandlungsmöglichkeiten bei Schwangeren werden Ceftriaxon, Azithromycin vorgeschlagen [65], die Datenlage ist jedoch noch sehr begrenzt [8, 60]. Bei HIV-Patienten wird ebenfalls die Benzathin-Benzylpenicillin-Standardtherapie durchgeführt (1 × bei Frühsyphilis, 3 × bei Spätsyphilis). Einige Behandler geben bei HIV-Patienten grundsätzlich 3 Gaben in jeweils 7 Tagen Abstand. Ein Vorteil dieses Vorgehens konnte bisher nicht gesichert werden [60, 65]. Bei Verdacht auf eine ZNSBeteiligung oder nicht geklärtem Liquorstatus und < 200/µl CD4-Lymphozyten sollte eine Infusionstherapie wie bei Neurosyphilis mit Penicillin G oder Ceftriaxon erfolgen. Bei immunkompetenten Patienten im Stadium II mit auffälligem Liquorbefund (z.B. Störung des Funktionszustands der Blut-Liquor-Schranke, Liquor-Gesamteiweiß-Erhöhung, intrathekale Immunglobulinsynthese, Liquorpleozytose) wird zwar die Standardtherapie als ausreichend angesehen, es sollte aber dennoch aus Sicher- 37 Tabelle 8: Therapie der Syphilis [60] Stadium Präparat Frühsyphilis, Benzathin-­‐ Syphilis Benzyl-­‐ latens penicillin < 1 Jahr Dosis Appli-­‐ kation Dauer Alternativen bei Penicillinallergie 2,4 Mio. IE (= 2 Amp.) i.m. 1-­‐mal Doxycyclin 2 × 100 mg/Tag p.o., 14 Tage Erythromycin 4 × 0,5 g/Tag p.o., 14 Tage Ceftriaxon 1,0–2,0 g/d i.v. Kurzinfusion über 30 min, 10 Tage *Azithromycin 2 g/Tag p.o. als Einzeldosis Spätsyphilis Syphilis latens > 1 Jahr Benzathin-­‐ Benzyl-­‐ penicillin 2,4 Mio. IE (= 2 Amp.) i.m. 3-­‐mal Tag 1, 8, 15 Doxycyclin 2 × 100 mg/Tag p.o., 28 Tage Erythromycin 4 × 0,5 g/Tag p.o., 21 Tage Ceftriaxon 1,0–2,0 g/d i.v. Kurzinfusion über 30 min, 14 Tage Neuro-­‐ syphilis Penicillin G 6 × 3–4 Mio. IE/Tag kristalloide gleichwertig: 3 × 10 Mio. IE/Tag Lösung 5 × 5 Mio. IE/Tag i.v. 14 Tage Konnatale Syphilis Penicillin G 200.000–250.000 IE/ i.v. kristalloide kg KG/Tag verteilt auf Lösung 2 (1. Lebenswoche) bzw. 3 (2.–4. Lebens-­‐ woche) Einzeldosen, ab 5. Woche 4 ED 14 Tage Ceftriaxon 1 × 2,0 g/Tag i.v. Kurzinfusion über 30 min, 14 Tage Schwangerschaft: Doxycyclin kontraindiziert, Erythromycin wird nicht empfohlen. Bei Penicillin-­‐Allergie Penicillin-­‐De-­‐ sensibilisierung [8]. HIV-­‐Infektion: Stadiengerechte Therapie wie oben, wegen erhöhtem Risiko Benzathin-­‐Benzylpenicillin-­‐Therapie nur nach Ausschluss von Neurosyphilis, im Zweifelsfall (keine Liquorpunktion) Therapie wie bei Neurosyphilis. *Azithromycin: Resistenzentwicklung wurde berichtet [60, 65]. heitsgründen eine Therapie mit einem besser liquorgängigen Antibiotikum z.B. mit Penicillin G oder Ceftriaxon erfolgen. Die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung des Liquor cerebrospinalis nach Benzathin-Benzylpenicillin-Standardtherapie zum Ausschluss einer asymptomatischen Neurosyphilis wird zumindest diskutiert [65]. Alternative Präparate sind stadienabhängig Doxycyclin, Cefuroxim, Ceftriaxon oder Azithromycin. Für Azithromycin wurden allerdings Resistenzen nachgewiesen. Daher sollte diese Substanz für die Syphilistherapie nicht routinemäßig eingesetzt werden [60]. 38 Zu beachten ist die Möglichkeit einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion insbesondere bei Therapie der Frühstadien der Syphilis. Bei Schwangeren kann dies auch zu Abort oder Frühgeburt führen. Die Reaktion setzt 2 bis 8 Stunden nach Therapiebeginn mit Zunahme, Intensivierung oder Neuauftreten eines Exanthems sowie Fieber, Schüttelfrost und Kopfschmerzen ein. Die Behandlung (oder besser Prophylaxe) besteht aus der einmaligen Gabe von 1 mg Prednisolonäquivalent/kg KG p.o. Zur Prophylaxe wird das Glukokortikosteroid 30–60 min vor der ersten Antibiotikagabe per os verabreicht [34, 60, 63]. 39 10 Indikationen für das Syphilis-­‐Screening In der Bundesrepublik Deutschland ist ein Syphilis-Suchtest für Blutspender und im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge vorgeschrieben. Darüber hinaus sollte auf ein möglichst breit angelegtes Syphilis-Screening im ambulanten und stationären Bereich auch heute nicht verzichtet werden, da einerseits aus der Anamnese der Patienten zuverlässige Hinweise auf die Möglichkeit einer sexuell übertragbaren Infektion meist nicht abzuleiten sind und andererseits bei einer Vielzahl klinischer Symptome eine Treponemeninfektion differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden muss. Sinnvoll erscheinen insbesondere auch regelmäßige Syphilis-Kontrolluntersuchungen für spezielle Risikogruppen z.B. MSM, bei denen aktive Infektionen und insbesondere auch Re-Infektionen häufiger zu finden sind. 40 11 Hinweise zur Wirtschaftlichkeit, wenig sinnvolle bzw. zweifelhafte Methoden und Indikationen Das dargestellte Konzept der Stufendiagnostik der Syphilis ermöglicht eine kostengünstige, der Fragestellung des Einzelfalls gerechte, rationale und rationelle Laboratoriumsdiagnose der T.-pallidum-Infektion. In Deutschland ist aufgrund der niedrigen Inzidenz die Syphilis-Ausschlussuntersuchung als der Hauptkostenfaktor anzusehen. Daher sollte als Suchtest nur ein einzelner Test (z.B. TPHA-/TPPA-Test oder ein polyvalenter Immunoassay, z.B. ein ELISA oder Chemilumineszenz-Assay) eingesetzt werden. Der parallele Ansatz des FTAABS-Tests und eines Lipoidantikörpertests (VDRL, RPR, Cardiolipin-KBR) oder die parallele Testung mit je einem IgG- und IgM-spezifischen Enzymimmunoassay bringen keine grundsätzlichen Vorteile hinsichtlich der Sensitivität des Antikörperscreenings. Bei reaktivem Suchtest genügt i.d.R. ein weiterer treponemenspezifischer Test (z.B. FTA-ABS-, bzw. IgG-FTA-ABS-Test, IgG-Immunoblot, IgG-EIA oder auch bei TPHA-/TPPA-Screening ein polyvalenter Immunoassay oder vice versa bei Immunoassay-Screening der TPHA-/TPPA-Test) zur Absicherung der Spezifität des Suchtestbefunds. Bei klinischem Verdacht auf eine Frühsyphilis und schwach positivem Suchtestbefund kann eine zusätzliche Untersuchung mittels 19S-IgM-FTA-ABS-Test oder IgMImmunoblot zur Diagnose-Sicherung hilfreich sein. Zur Beurteilung der Aktivität der durch Such- und Bestätigungstest gesicherten Treponemeninfektion sollten nur jeweils ein treponemenspezifischer IgM-Antikörpertest (19S-IgM-FTA-ABS-Test, IgM-EIA oder IgM-Immunoblot) und ein Lipoidantikörpertest (VDRL, RPR oder Cardiolipin-KBR) eingesetzt werden. Die Verlaufsdiagnostik nach positivem Erstbefund kann auf wenige Parameter eingeschränkt werden. Grundsätzlich empfohlen wird die quantitative Bestimmung der Treponemen-Gesamtantikörper z.B. die Titerbestimmung mittels TPHA-/TPPA-Test oder einem Immunoassay, sofern er die entsprechende Voraussetzung für eine Quantifizierung erfüllt. Die Auswahl der Aktivitätsparameter muss ausgehend von der Konstellation des Erstbefunds entschieden werden. Sind z.B. der VDRL-Test und der treponemenspezifische IgM-Antikörpertest positiv, genügt zunächst ein Monitoring des VDRL-Titers. Der IgM-Antikörpertest sollte dann erst wieder ausgeführt werden, wenn der Lipoidantikörpertest negativ geworden ist oder bei Verlaufskontrollen keine 41 rückläufige Kinetik zeigt. Ist initial nur der 19S-IgM-FTA-ABS-Test positiv, ist auch nur die Anwendung dieses Tests für die Verlaufskontrolle sinnvoll. Grundsätzlich gilt für die Laboratoriumsdiagnostik von Infektionskrankheiten, dass eine optimale Auswahl der im individuellen Fall sinnvoll einzusetzenden Untersuchungsmethoden entscheidend abhängt von einer ausführlichen Information des mit der Untersuchung beauftragten Laboratoriums über die Anamnese und Klinik des jeweiligen Patienten. Wenig sinnvolle bzw. zweifelhafte Methoden und Indikationen • Die Quantifizierung des FTA-ABS-Bestätigungstests (FTA-ABS-Titer bzw. IgG- FTA-ABS-Titer) bringt keine zusätzlichen diagnostischen Vorteile, da der Antikörpertiter i.d.R. durch den TPHA-/TPPA-Test oder einen quantifizierbaren Immunoassay bestimmt wird. • Die wiederholte Durchführung von Bestätigungstests bei Verlaufskontrollen ist überflüssig. • Die parallele Testung von VDRL-/RPR-Test und Cardiolipin-KBR ist nicht sinnvoll, da sich keine zusätzlichen Informationen ergeben. • Die Beurteilung der möglichen Therapiebedürftigkeit sollte nicht allein mit dem IgM-Antikörper-spezifischen Immunoblot erfolgen, da IgMAntikörperbestimmungsverfahren, die eine Befundquantifizierung erlauben, besser für die Verlaufsbeurteilung des Therapieerfolgs geeignet sind. 42 12 Qualitätskontrollmaßnahmen Interne und externe Qualitätssicherungsmaßnahmen sind unverzichtbarer Bestandteil einer zuverlässigen serologischen Syphilis-Diagnostik. Im Entwurf zum neuen Teil B2 der Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung labormedizinischer Untersuchungen (RiliBAeK-Labor) ist auch die Aufnahme der Syphilis-Serologie in die tabellarisch aufgeführten Pflichtparameter für die interne und externe Qualitätskontrolle vorgesehen. 12.1 Interne Qualitätssicherung Syphilis-­‐Screeningtests Für den TPHA-/TPPA-Test und die Immunoassays sind bei jedem Testansatz die in den Testkits enthaltene Negativ- und Positivkontrolle mitzuführen. Werden die herstellerseitig vorgegebenen Sollwertbereiche für diese Kontrollproben über- oder unterschritten, ist die Untersuchungsserie zu verwerfen. Zusätzlich sollte mit laborinternen Kontrollsera die Sensitivität des Tests validiert werden. Geeignet sind hierfür insbesondere grenzwertig reagierende Proben, die auch die Erkennung geringfügiger Schwankungen in der Reaktivität der Diagnostika erkennen lassen. Besonders wichtig ist der Ansatz solcher Proben bei Wechsel der Testcharge. Bei Verwendung von Testchargen mit langer Laufzeit sollten dann entsprechende Qualitätskontrollen – z.B. monatlich – erfolgen, um einen möglichen Sensitivitätsverlust der Diagnostika frühzeitig zu erkennen. FTA-­‐ABS-­‐Test, IgG-­‐FTA-­‐ABS-­‐Test Beim FTA-ABS- bzw. IgG-FTA-ABS-Test sind in jedem Ansatz ein negatives und ein positives Kontrollserum mitzuführen. Zusätzlich ist ein unspezifisch reagierendes Serum zur Überprüfung der Qualität des Absorptionsmediums unabdingbar. Als unspezifisches Kontrollserum geeignet sind z.B. Proben von Lyme-Borreliose-Patienten. Diese sind so einzustellen, dass sie vor 43 Absorption einen FTA-Titer von mindestens 1:640 ergeben. Nach Absorption mit Treponema-phagedenis-Ultrasonikat bzw. dem Sorbens des jeweiligen Testkits zeigt sich in der üblichen Serumverdünnung von 1:5 ein negatives oder +/- Resultat. Empfohlen wird darüber hinaus der Ansatz einer Probe mit grenzwertiger (1+) Reaktivität. Hierdurch wird die subjektive Bewertung der Reaktionsintensität der zu untersuchenden Proben erleichtert. 19S-­‐IgM-­‐FTA-­‐ABS-­‐Test Voraussetzung für eine zuverlässige IgM-Antikörperdiagnostik ist eine saubere Abtrennung der IgM- von der IgG-Antikörperfraktion. Unabhängig davon, ob die Serumfraktionierung mit chromatographischen Verfahren, Ultrazentrifugation oder Vorbehandlung der Proben mit Anti-IgG-Serum (RF-Absorbens) erfolgt, ist daher im Testansatz für jedes Serum, das auf spezifische IgM-Antikörper untersucht wird, in einem Kontrollansatz die Elimination der IgG-Fraktion zu dokumentieren. Zusätzlich ist bei Anwendung der chromatographischen Verfahren insbesondere bei negativem IgM-Antikörperbefund der Gesamt-IgM-Gehalt in der behandelten Probe und im Ausgangsserum zu bestimmen. Nur so ist es möglich, bei diesen Verfahren den aus dem Fraktionierungsschritt resultierenden individuellen Verdünnungsfaktor für die IgM-Antikörperkonzentration, der stark variieren kann, zu ermitteln. Die Qualität der für den IgM-Antikörpernachweis eingesetzten Testantigene muss durch Überprüfung mit bekannten schwach und stark positiven Kontrollproben für jede Testcharge bestätigt werden, da nicht alle kommerziell verfügbaren Treponemenantigen-Präparationen gleichermaßen für die IgM-Antikörperdiagnostik geeignet sind. In jedem Testansatz sind zumindest eine negative und eine schwach positive Kontrollprobe mitzuführen. Für die IgM-Antikörpertiterbestimmung ist zusätzlich ein positives Kontrollserum mit bekanntem Titer erforderlich. Lipoidantikörperdiagnostik Bei jedem Testansatz sind mindestens eine negative und eine positive Kontrolle mitzuführen. Bei quantitativem Testansatz im VDRL-/RPR-Test oder in der CardiolipinKBR muss eine bekannte quantitative Kontrolle mitgeführt werden, um bei Titerverlaufsuntersuchungen die Vergleichbarkeit der Testansätze über längere Zeiträume sicherzustellen. 44 12.2 Externe Qualitätskontrolle Die externen Ringversuche, die in Deutschland vom Institut für Standardisierung und Dokumentation im Medizinischen Laboratorium e.V. (INSTAND) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) angeboten werden, sind obligatorischer Bestandteil der Qualitäts-Sicherungsmaßnahmen für jedes Laboratorium, das die Syphilis-Diagnostik durchführt. Entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer ist die Teilnahme an mindestens zwei externen Ringversuchen/Jahr verbindlich vorgeschrieben. Wie wichtig die externe Qualitätskontrolle als Grundlage zur Entwicklung von Strategien für die Verbesserung diagnostischer Verfahren ist, zeigt die Zusammenfassung der Ergebnisse der ersten acht Ringversuche zur Syphilis-Serologie aus den Jahren 2000 bis 2003 [44]. Danach wurden Proben von Patienten mit aktiver Infektion oder Antikörperrestbefunden (Seronarben) im Mittel von 18,3% der Ringversuchsteilnehmer fehlklassifiziert. 10,2% der Laboratorien befundeten fälschlicherweise Proben von ausreichend behandelten Patienten oder auch seronegativen Blutspendern als aktive und somit behandlungsbedürftige Infektion. 45 13 Sicherheitsmanagement / Arbeitsschutz Treponema pallidum ist ein Erreger der Risikogruppe 2 nach Biostoffverordnung. Entsprechend reichen die Sicherheitsmaßnahmen eines nach den Vorgaben der BioStoffV und der Technischen Regel biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 100 ordnungsgemäß ausgestatteten und handelnden diagnostischen Labors mit der Sicherheitsstufe L2 aus, um akzidentelle Übertragungen zu verhindern. Die geringe Tenazität von T. pallidum mindert das Risiko von indirekten Kontaktübertragungen aus der unbelebten kontaminierten Laborumgebung. Die geringe Infektionsdosis erhöht dagegen das Infektionsrisiko bei direkten Kontaktübertragungen, insbesondere im Rahmen von Verletzungen. Eine Dispositionsprophylaxe, d.h. eine aktive Impfung, ist weder derzeit möglich noch ist die Verfügbarkeit absehbar. Deswegen sind alle in der TRBA100 sowie TRBA250 für den Umgang mit Patienten genannten Maßnahmen zur Expositionsprophylaxe einzuhalten. Dies betrifft neben der Vermeidung des Verspritzens von Material sowie der Erzeugung von Aerosolen maßgeblich verletzungssichere Arbeitstechniken und die sorgfältige Hände-, Instrumenten- und Flächendesinfektion. Jegliche chemische Desinfektionsmittel mit dem Wirkbereich A reichen zur suffizienten Inaktivierung von Treponemen aus. Falls es trotzdem zu einer akzidentellen Laborinfektion kommen sollte, gibt die weiterhin umfassende Empfindlichkeit von T. pallidum gegen β-Laktame und Doxycyclin ausreichende Therapieoptionen. Problematischer ist in so einem Fall, dass in den Proben der Indexpatienten überdurchschnittlich häufig weitere sexuell übertragene Erreger vorhanden sein können. Deswegen sind im Fall des Schleim- und Bindehautkontakts mit Patientenmaterial durch Verspritzen oder Ingestieren sowie bei allen Verletzungen mit Gegenständen, die möglicherweise bzw. sicher mit Patientenmaterial kontaminiert sind, Maßnahmen zur Postexpositionsprophylaxe gegen HBV und/oder HIV zu erwägen und ein DArzt-Verfahren mit der Erhebung relevanter serologischer Parameter einzuleiten. Weitere Informationen hierzu finden sich in den MiQs 20/21 „Laborsicherheit“ sowie in den einschlägigen GUVs der BGW. 46 14 ICD-­‐10-­‐Kodes Tabelle 9: Für die Syphilis-­‐Diagnostik relevante ICD-­‐Kodes Kode ICD-­‐10-­‐Text A51.-­‐ A51.0 A51.1 A51.2 A51.3 A51.4 A51.5 A51.9 Frühsyphilis Primärer syphilitischer Genitalaffekt Analer Primäraffekt bei Syphilis Primäraffekt bei Syphilis, sonstige Lokalisationen Sekundäre Syphilis der Haut und der Schleimhäute Sonstige sekundäre Syphilis Latente Frühsyphilis Frühsyphilis, nicht näher bezeichnet A52.-­‐ A52.0+ A52.1 A52.2 A52.3 A52.7 A52.8 A52.9 Spätsyphilis Kardiovaskuläre Syphilis Floride Neurosyphilis Asymptomatische Neurosyphilis Neurosyphilis, nicht näher bezeichnet Sonstige floride Spätsyphilis Latente Spätsyphilis Spätsyphilis, nicht näher bezeichnet A53.-­‐ A53.0 A53.9 Sonstige und nicht näher bezeichnete Syphilis Latente Syphilis, nicht als früh oder spät bezeichnet Syphilis, nicht näher bezeichnet A50.-­‐ A50.0 A50.1 A50.2 A50.3 A50.4 A50.5 A50.6 A50.7 A50.9 Syphilis connata Floride konnatale Frühsyphilis Latente konnatale Frühsyphilis Konnatale Frühsyphilis, nicht näher bezeichnet Konnatale spätsyphilitische Augenkrankheit Konnatale spätauftretende Neurosyphilis (Juvenile Neurosyphilis) Sonstige Formen der floriden konnatalen Spätsyphilis Latente konnatale Spätsyphilis Konnatale Spätsyphilis, nicht näher bezeichnet Syphilis connata, nicht näher bezeichnet 47 15 Gesetzliche Meldepflicht Gemäß dem seit Januar 2001 gültigen Infektionsschutzgesetz § 7 besteht in Deutschland eine Labormeldepflicht in anonymisierter Form für alle aktiven behandlungsbedürftigen Syphilis-Infektionen und insbesondere auch für die konnatale Syphilis. Die klinischen Daten müssen ergänzend durch den behandelnden Arzt ebenfalls anonymisiert auf der Kopie des Durchschreibeformulars zur Verfügung gestellt werden. 48 16 Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. Anemüller W, Bräuninger W, Krahl D, Turzynski A, Rose C (2008) Primäraffekt am Finger unter dem Bild einer chronischen Paronychie. Hautarzt 59: 499–502 Baughn RE, Musher DM (2005) Secondary syphilitic lesions. Clin Microbiol Rev 18: 205–216 Behrhof W, Springer E, Bräuninger W, Kirkpatrick CJ, Weber A (2008) PCR testing for Treponema pallidum in paraffin-embedded skin biopsy specimens: test design and impact on the diagnosis of syphilis. J Clin Pathol 61: 390–395 Buffet M, Grange PA, Gerhardt P, Carlotti A, Calvez V, Bianchi A, Dupin N (2007) Diagnosing Treponema pallidum in secondary syphilis by PCR and immunohistochemistry. J Invest Dermatol 127: 2345–2350 Bundesgesundheitsamt (1979) Richtlinien 1979 für die Serodiagnose der Syphilis. 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Brockmeyer Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Klinikum der Ruhruniversität St. Josef-­‐Hospital Gudrunstr. 56 44791 Bochum Dr. rer. nat. Dr. med. D. Münstermann Labor Krone Siemensstr. 40 32105 Bad Salzuflen Prof. Dr. med. H.-­‐J. Hagedorn Labor Krone Siemensstr. 40 32105 Bad Salzuflen Dr. med. Anja Potthoff Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Klinikum der Ruhruniversität St. Josef Hospital Gudrunstr. 56 44791 Bochum Prof. Dr. med. K.-­‐P. Hunfeld MPH Zentralinstitut für Laboratoriumsmedizin Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2–26 60488 Frankfurt/M. Prof. Dr. med. H. Schöfer Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Johann-­‐Wolfgang-­‐Goethe-­‐Universität Theodor-­‐Stern-­‐Kai 7 60596 Frankfurt/M. 54