Genmutation für häufige Epilepsie im Kindesalter entdeckt

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Psychologie aktuell: Genmutation für häufige Epilepsie im Kindesalter entdeckt
13-08-13
Genmutation für häufige Epilepsie im Kindesalter entdeckt
Einem Verbund aus zwei Forschungsnetzwerken, EuroEPINOMICS und IonNeurONet, ist es
gelungen, das erste Krankheitsgen für idiopathische fokale Epilepsien zu identifizieren. Es
handelt sich dabei um das Gen GRIN2A. Veränderungen des Gens führen zu Störungen der
Funktion eines wichtigen Ionenkanals im Gehirn, der die elektrische Erregbarkeit von
Nervenzellen beeinflusst. Dies kann vermehrte elektrische Entladungen im Gehirn und damit
das Auftreten epileptischer Anfälle erklären. Die Studie erschien gestern (Sonntag, 11. August)
im internationalen Fachjournal Nature Genetics.
Mehr als 50 Millionen Menschen weltweit haben eine Epilepsie. Ein Drittel davon sind Kinder. Die
häufigsten Epilepsieformen bei Kindern treten ohne erkennbare Ursache auf und betreffen nur
bestimmte Hirnregionen. Fachleute bezeichnen sie als idiopathische fokale Epilepsien (IFE).
Charakteristisch für diese Erkrankungen ist ein Anfallsursprung in der sogenannten Rolandischen
Region des Gehirns. Einem Verbund aus zwei Forschungsnetzwerken, EuroEPINOMICS und
IonNeurONet, ist es gelungen, das erste Krankheitsgen für idiopathische fokale Epilepsien zu
identifizieren. Es handelt sich dabei um das Gen GRIN2A. Veränderungen des Gens führen zu
Störungen der Funktion eines wichtigen Ionenkanals im Gehirn, der die elektrische Erregbarkeit von
Nervenzellen beeinflusst. Dies kann vermehrte elektrische Entladungen im Gehirn und damit das
Auftreten epileptischer Anfälle erklären. Die Studie erschien gestern (Sonntag, 11. August) im
internationalen Fachjournal Nature Genetics.
Für die Studie haben die Forschenden das Genmaterial von insgesamt 400 Patientinnen und
Patienten mit IFE untersucht. Bei 7,5 Prozent der Erkrankten fanden sie Veränderungen des Gens
GRIN2A.
Nervengewitter im Gehirn
Die Gruppe der idiopathischen fokalen Epilepsien (IFE) umfasst verschiedene Krankheitsverläufe
unterschiedlichen Schweregrades. Die Rolando Epilepsie ist eine der häufigsten Epilepsieformen des
Kindesalters und betrifft etwa 15 Prozent aller Kinder mit Epilepsie. Sie verläuft meistens gutartig, die
Anfälle sind gut therapierbar und verschwinden mit der Pubertät. Ein Beispiel für eine schwerer
verlaufende Form der IFE ist das sogenannte Landau-Kleffner Syndrom. Bei den jungen Patientinnen
und Patienten führt die Erkrankung zu Anfällen und ausgeprägten Sprachstörungen. Unsere
Entdeckung gibt uns erstmals Hinweise auf den zugrundeliegenden Krankheitsmechanismus dieser
häufigen Epilepsieformen des Kindesalters , berichtet Dr. Sarah von Spiczak von der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Sarah von Spiczak ist eine der Koordinatorinnen dieser
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Studie und Leiterin der Untersuchungen an der Klinik für Neuropädiatrie, Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Trotz dieses Erfolgs liegt noch viel Arbeit vor den Hirnforschern.
Denn der genaue Mechanismus, der von der Genveränderung zur Epilepsie-Erkrankung führt, ist
noch unverstanden.
Auch bei vielen anderen Epilepsieformen stehen die Forscherinnen und Forscher erst am Anfang der
Entschlüsselung genetischer Ursachen. Fortschritte wie die aktuelle Beschreibung des
Zusammenhangs zwischen bestimmten genetischen Veränderungen und Epilepsie erzielen wir nur
durch die enge Zusammenarbeit von Forschern und allen am Behandlungsprozess beteiligten
Ärzten , sagt der Initiator der Forschungsnetzwerke, Professor Dr. Holger Lerche, der auch Vorstand
am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) und Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie
mit Schwerpunkt Epileptologie des Universitätsklinikums Tübingen ist.
Ionenkanalforschung als Schlüssel zum Therapie-Erfolg
Funktionsstörungen von Ionenkanälen spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Epilepsien.
Die meisten zur Behandlung von Epilepsie angewendeten Medikamente wirken bereits jetzt über
solche Ionenkanäle und bremsen dadurch überaktive Nervenzellen. Die entdeckten Veränderungen
des Gens GRIN2A stören die Funktion des sogenannten NMDA-Rezeptors, eines wichtigen
Ionenkanals im Gehirn. Der Schweregrad der Epilepsie scheint abhängig von dem vermuteten Effekt
der Veränderung. Der Ionenfluss eines solchen Kanals beeinflusst und bestimmt die elektrische
Erregbarkeit von Nervenzellen. Welche Vorgänge genau die Mutationen des Gens GRIN2A im
NMDA-Rezeptor auslöst, wissen wir noch nicht. Wir kennen nur ihr Ergebnis, die epileptischen
Anfälle. Das Verständnis dieser Vorgänge ist aber Voraussetzung für die Entwicklung neuer, besser
wirksamer und verträglicherer antikonvulsiver Medikamente , erklärt Dr. Johannes Lemke, Oberarzt
der Abteilung Humangenetik am Inselspital Bern, der in enger Kooperation mit der CeGaT GmbH in
Tübingen maßgeblich an dieser Studie beteiligt war.
DNA-Sequenzierung: Dem Defekt auf der Spur
Bei rund 80 bis 90 Prozent der klinisch diagnostizierten, komplexen Erkrankungen haben Forschende
die ursächlichen genetischen Veränderungen bislang nicht gefunden. Auch für häufig auftretende
Epilepsieformen sind bisher nur wenige Veränderungen bekannt. Die Aufdeckung eines
Gendefektes ist jedoch Voraussetzung für das Verständnis der Krankheitsentstehung und die
Entwicklung von neuartigen Therapie-Konzepten , betont Professor Bernd Neubauer, Leiter der
Abteilung für Neuropädiatrie und Epileptologie am Universitätsklinikum Giessen. Zum Einsatz kam in
der Studie unter anderem eine neue Methode, die es erlaubt, zahlreiche Gene, die für eine
Erkrankung relevant sind, parallel zu untersuchen. Dadurch gelingt es uns in vielen Fällen rasch die
Ursache der Erkrankung zu identifizieren , sagt Dr. Dr. Saskia Biskup, Forschungsgruppenleiterin am
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, Universitätsklinikum Tübingen, die mit ihrem auf
Genanalysen spezialisierten externen Labor CeGaT die genetischen Untersuchungen durchführte.
Zeitgleich und unabhängig wurden auch am Cologne Center for Genomics der Universität zu Köln
unter der Leitung von Institutsleiter Professor Peter Nürnberg in Zusammenarbeit mit Professor Bernd
Neubauer und Privatdozent Dr. Fritz Zimprich, Oberarzt an der Klinik für Neurologie der Medizinischen
Universität Wien, Genanalysen durchgeführt, die die ersten Befunde aus Kiel und Tübingen
bestätigten: Interessanterweise fanden wir die gleichen Auffälligkeiten in GRIN2A wie unsere
Kooperationspartner und konnten neben Mutationen zusätzlich auch krankheitsverursachende,
strukturelle Veränderungen des GRIN2A Gens detektieren" sagen Dennis Lal und Eva Reinthaler, die
die genetische Auswertung in Köln und Wien durchgeführt haben. Ohne die beiden Netzwerke,
unsere Partner aus Tübingen, Giessen, Wien und Köln, sowie zahlreichen Kollegen und
Arbeitsgruppen weltweit, die DNA von betroffenen Patienten zur Verfügung stellten, bei komplexen
statistischen Analysen unterstützt und funktionelle Untersuchungen durchgeführt haben, wäre es uns
nicht möglich gewesen das verantwortliche Krankheitsgen eindeutig zu identifizieren , so Johannes
Lemke und Sarah von Spiczak.
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idw-online.de/de/news546867
G. Heinen, CH. Schmid-Schönbein: Selbstkontrolle Epileptischer Anfälle
Pabst, 180 Seiten, ISBN 978-3-933151-86-5
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