n i Z e k r ma hrift c s h c a F g n i t e rk Karlsruher Ma 2014 r Heft 5, Februa nsch analysiere ti a m te s y s d n ten erstehen u achstumsmärk W n Megatrends v o v n o ti a k zur Identifi Ein Framework g der Bedeutun e m h a n u Z ie Gründe für d r Industrie von KAM in de sätze nd Lösungsan u n e g n ru e rd Herausfo -Pricing im Automobil Einzelhandel n e d r fü e rc e s E-Comm Potenziale de .de www.markeZin ISSN 1869-9820 präzision rauf effizienz rauf Die präzisionspresse ROP – Die neue präzisionspresse innovativ Wirtschaftlich flexibel Haulick + roos GmbH stanz- und umformautomaten Eutinger Str. 115 · D-75175 Pforzheim Telefon +49 7231 5805-0 Telefax +49 7231 5805-10 E-Mail: [email protected] Internet: www.haulick-roos.de Inhalt markeZin Karlsruher Marketing-Fachschrift, Heft 5, 2014 Editorial Prof. Christoph Ewert.........................................................................................................S. 3 Inhalt Megatrends verstehen und systematisch analysieren Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs.....................................................................S.4 - 16 Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser......................................................................S. 17 - 30 Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche..........................................................................S. 31 - 40 Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen................................................................S. 41 - 54 1 Jeder Erfolg hat seine Geschichte. Studenten & Absolventen gesucht! Der Geschäftsbereich Automotive Aftermarket ist 3 Funktionsbereiche: für das weltweite Aftermarket-Geschäft verantwort- – Vertrieb lich. In über 150 Ländern stellen wir unseren Kunden – Marketing Kfz-Ersatzteile, technische Informationen sowie Diag- – Logistik nostics Hard-/Software/Services zur Verfügung. Von – Finanzen/Controlling unserem Global Distribution Center in Karlsruhe aus – Personal steuern wir unsere weltweiten Aktivitäten. – Strategy Über 17.000 Mitarbeiter arbeiten im weltweiten Team 3 Möglichkeiten: im Geschäftsbereich, in den Regionalgesellschaften – Praktikum und Auslandsvertretungen. Dies garantiert in über – Werksstudententätigkeit 150 Ländern der Erde besten Service und Qualität für – Pre-Master Programm unsere Kunden – und das rund um die Uhr. – Traineeprogramm – Direkteinstieg Der beste Zeitpunkt für Ihren Einstieg liegt ganz bei Ihnen – ob für Praktikum, Abschlussarbeit oder nach Jeder Erfolg hat seinen Anfang. Abschluss Ihres Studiums. Als Absolvent/-in können Hier und jetzt – starten Sie mit uns. Sie sich für den Direkteinstieg oder eines unserer Nachwuchsprogramme entscheiden. Weitere Fragen beantwortet Ihnen Clarissa Carsten [email protected] 0721/942-2385 www.bosch-career.de Editorial Eines ist sicher: Die Zukunft wird anders als erwartet sein Eine der Hauptaufgaben des Marketing-Managements ist es, das eigene Produktportfolio bzw. das Dienstleistungsangebot so weiter zu entwickeln, damit die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gesichert ist. Die Möglichkeiten der Weiterentwicklung sind dabei umfangreich: Relaunch oder Line extension, Direktvertrieb oder Multi Channel, Push- oder Pull-Strategie, Premium oder Discount… markeZin veröffentlicht in dieser Ausgabe wieder einige Abschlussarbeiten im Fachgebiet Marketing der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft. Dabei richten zwei Arbeiten den Blick in die gar nicht so ferne Zukunft und zwei weitere befassen sich mit aktuellen Herausforderungen der Marktbearbeitung: • Megatrends: Schon heute zu wissen, was die Zukunft bringen wird, erschließt Unternehmen einen enormen Wettbewerbsvorteil. Seriöse Zukunftsforschung beschränkt sich dabei auf die Identifikation von sehr wahrscheinlichen Entwicklungen. Lesen Sie, wie langfristige, globale Trends untersucht und bewertet werden können. • Key Account Management: Wieviel ist ein Kunde Wert? Im Business-to-Business-Geschäft hat die Betreuung von Schlüsselkunden eine immens hohe Bedeutung. Die vorliegende Arbeit erläutert dabei verschiedene Kundenbewertungsmodelle wie „Customer-Lifetime-Value“, „Portfolio-Analyse“ und Scoring-Modelle“, um die erfolgskritischen Kriterien für die Auswahl und Führung von Key Accounts zu identifizieren. • Preisbildung: Ein konsistentes Modell zur Preisbildung fehlt in vielen Unternehmen. Welche Preiseinflussfaktoren bestimmend sind, hat unter Umständen enorme Auswirkungen auf die Preispositionierung. Ob und wie Nachfrage-, Markt-, Wettbewerbs- oder kostenorientierte Preisbildungsverfahren zur Anwendung kommen, diskutieren wir in dieser Arbeit. • E-Commerce: Der Einzelhandel steht vor einer revolutionären Systemveränderung. Offen ist nur, mit welcher Geschwindigkeit sich in vielen Branchen der Online-Handel weiter durchsetzen wird. Weltweit generiert E-Commerce bereits über eine Billion US-Dollar Umsatzvolumen, mit seit Jahren zweistelligen Zuwachsraten. Wie ein erfolgreiches Online-Geschäft aufgebaut werden kann, lesen Sie im vierten Artikel. Alle Abschlussarbeiten können Sie auch wieder im Volltext unter www.markezin.de nachlesen. Viele Anregungen beim Blick in die Zukunft wünscht Christoph Ewert 3 Megatrends verstehen und systematisch analysieren Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten Schlüsselwörter: Megatrend, Trendanalyse, Trendprognose, Wachstumsmärkte, Unternehmensstrategie Keywords: Megatrend, Trend Analysis, Trend Forecasting, Emerging Markets, Company Strategy Kurzfassung Abstract Bereits heute zu wissen, was die Zukunft bringen wird, ist eine Fähigkeit, die allen Unternehmen einen enormen Wettbewerbsvorteil verschaffen würde. Doch so wertvoll solche Informationen über die Zukunft auch sind, so unmöglich ist es, diese mit Sicherheit vorherzusagen. Verabschiedet man sich jedoch vom Anspruch einer sicheren Prognose der Zukunft und beschränkt sich auf die Identifikation von sehr wahrscheinlichen Entwicklungen, so betritt man das Gebiet der Zukunftsforschung. Besondere Bedeutung haben hier langfristige globale Trends, die auch als Megatrends bezeichnet werden. Diese weisen meist eine sehr stabile und rückschlagresistente Entfaltung auf, was einen enormen Vorteil für ihre Prognosegenauigkeit verspricht (Horx o.J.). Der vorliegende Artikel gibt einen Einblick, wie solche Megatrends untersucht und bewertet werden können. Dabei wird ein allgemeingültiges Modell vorgestellt, welches die strukturierte Identifikation und Analyse von Megatrends ermöglicht und zeigt, wie aus solchen Trends konkrete Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft abgeleitet werden können. Knowing today what will happen in the future is a skill that may give all types of companies a huge competitive advantage. However, whereas a certain forecast of the future might be extremely valuable, it is, on the other hand, impossible to obtain. If one can accept this fact and will instead focus on probable developments, one enters the field of futurology. In this field, global long term trends, also called megatrends, have a special significance. Such trends usually have a very stable and backlash resistant development, promising a high forecast accuracy. (Horx o.J.). The present article gives an insight into the analysis and evaluation of such megatrends. A universal and comprehensive framework is presented enabling a structured identification and analysis of megatrends. It shows how specific developments in the economy and society can be derived from such trends. Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter (MBA) verantwortet das Lehrgebiet International Business und Global Marketing Management an der Hochschule Karlsruhe. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Strategy, International Business, Social Media Marketing and Competitive Intelligence. Kontakt: [email protected] Simon Ochs, Absolvent des Materstudiengangs International Management 4 Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten Megatrends als Hilfe bei strategischen Fragestellungen Vor dem Hintergrund der zunehmenden Geschwindigkeit von Veränderungsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft, wird es für Akteure in verschiedenen Funktionsbereichen eines Unternehmens immer schwerer, langfristige globale Entwicklungen zu erkennen und zu beurteilen. Doch genau dies ist notwendig, um strategische Entscheidungen für ein Unternehmen treffen zu können. Es handelt sich hierbei um Fragestellungen hinsichtlich Veränderungen im Konsumverhalten, neuen Wachstumsmärkten sowie Veränderungen im nationalen und internationalen Wettbewerb. Zur Beurteilung dieser Fragestellungen ist zu hinterfragen, welche der aktuell zu beobachtenden Entwicklungen auf kurzfristigen Trends beruhen und welche Entwicklungen voraussichtlich langfristig und weitestgehend unbeeinflusst von politischen oder wirtschaftlichen Ereignissen anhalten werden. Die zunehmende Geschwindigkeit von globalen Veränderungsprozessen macht eine zuverlässige Prognose von Entwicklungen immer schwerer. Ein Terminus, der im Zusammenhang mit langfristigen, meist global wirkenden Trends verwendet wird, ist der Begriff des „Megatrends“; Beispiele hierfür sind Schlagwörter wie Gesundheit, Globalisierung oder auch demographischer Wandel. Diese Trends sorgen dafür, dass sich langfristig neue Lebensstile, Konsummuster, Bedürfnisse und Werthaltungen der Menschen herausbilden (vgl. Naisbitt/Aburdene 1990: 9 f.; Naisbitt 1984: 22 f.). Neben den gesellschaftlichen Auswirkungen haben diese Trends somit auch einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft. Sie beeinflussen eine Gesellschaft in ihrer Tiefenstruktur und bilden sich meist langsam, aber wenn sie einmal wirken, kann ihr Einfluss jahrzehntelang anhalten (vgl. Froehlich 2010: 11). Bei jedem Megatrend stehen dabei der Mensch und seine Art zu leben im Fokus. Es geht um die Art, wie er aktuell und zukünftig isst, welche Medikamente, Kleidung und Statussymbole er kauft, wie er wohnt, wie er arbeitet und wo er all das tut. Gelingt es, solche Megatrends zu erkennen und zu bewerten, so kann ein enormer wirtschaftlicher Nutzen in verschiedenen Funktionsbereichen eines Unternehmens generiert werden. Denkbar sind hierbei die Bereiche Investition, Finanzierung, Produktentwicklung sowie das Marketing. Die Kenntnis von langfristigen Trends bildet dabei die Grundlage von diversen strategischen Fragestellungen, wie die Konzentration von Unternehmensaktivitäten auf neue Produktgruppen, neue Konsumentengruppen, neue Ländermärkte, strategische Kooperationen sowie auch Beteiligungen an Unternehmen, bei denen mit einer wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklung zu rechnen ist. Bevor dieser Nutzen jedoch erzeugt werden kann, sind zwei zentrale Fragestellungen zu klären: 1. Wie kann ein Megatrend identifiziert und hinsichtlich seiner Bedeutung überprüft werden? 2. Welcher Megatrend führt zu welchen Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft? 5 Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs Es ist demnach zunächst entscheidend, dass ein artikulierter Megatrend auch tatsächlich einen solchen darstellt. Das bedeutet, er sollte grundsätzlich die Eigenschaften eines Megatrends aufweisen. Des Weiteren handelt es sich bei Megatrends um sehr unspezifisch ausgedrückte Strömungen, die zu definieren sind, und in weniger allgemeingehaltene Entwicklungen in der Gesellschaft heruntergebrochen werden müssen. Dies ist erforderlich, um in einem zweiten Schritt konkrete Wirtschaftsbereiche zu erkennen, welche mit dem Megatrend eine korrelierende Entwicklung aufweisen. Vor diesem Hintergrund wurde ein Framework erstellt, welches sowohl die Identifikation und Bewertung eines Megatrends ermöglicht, als auch die Ableitung von Wachstumsmärkten in geografischer und thematischer Hinsicht unterstützt. Was ist ein Megatrend? Bei der Definition des Begriffs Megatrend sind die Dimensionen Zeit, Wirkungsstärke, Reichweite sowie Entstehung und Entfaltung zu berücksichtigen. Zur Identifikation eines Megatrends ist in erster Linie zu hinterfragen, was einen Megatrend grundsätzlich ausmacht, bzw. wie ein solcher zu definieren ist. Bei der Erarbeitung einer geeigneten Definition wurden die Beschreibungen verschiedener Akteure untersucht, die an der öffentlichen Diskussion von Megatrends teilhaben. Hierbei handelt es sich um Autoren, Wissenschaftler und verschiedene Institutionen im Bereich der Zukunftsforschung. Diese haben z. T. sehr unterschiedliche und unscharfe Definitionen für den Begriff Megatrend. Durch eine Analyse und einen anschließenden Vergleich der verschiedenen Definitionen konnten dennoch zahlreiche Gemeinsamkeiten aufgedeckt und relevante Dimensionen identifiziert werden, durch welche der Begriff beschrieben wird. Als relevante Dimension wurden hierbei Zeit, Wirkungsstärke, Reichweite sowie Entstehung und Entfaltung des Trends festgelegt. Des Weiteren wurden für jede der vier Dimensionen Ausprägungen bestimmt, welche ein untersuchter Trend zeigen muss, um als Megatrend eingeordnet zu werden. Dimension 1 Dimension 2 Zeit Wirkungsstärke Dimension 3 Dimension 4 Reichweite Entstehung/ thematisch Ausprägung Mind. 10 – 20 Jahre Große Veränderungen mit einem Einfluss auf Tiefenstruktur, Verhaltensweisen, Lebensweisen und Wertesystem in einer Gesellschaft. Regional oft verschieden stark ausgeprägt Gesellschaft geografisch Globaler Einfluss Wirtschaft Politik Tab. 1: Relevante Dimensionen und Ausprägungen bei der Definition von Megatrends, Quelle: Eigene Darstellung 6 Entfaltung Langsame Bildung und rückschlagresistente Entfaltung Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten Tab. 1 zeigt die benannten Dimensionen und deren jeweilige Ausprägung. Auf dieser Basis wurde die Definition für den Begriff Megatrend wie folgt formuliert: „Megatrends sind die großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen unserer Zeit. Sie haben einen prägenden Einfluss auf Tiefenstruktur, Verhaltensweisen, Lebensweisen und Wertesysteme in einer Gesellschaft. Sie bilden und entfalten sich langsam, aber wenn sie wirken, kann von einem globalen rückschlagresistenten Einfluss von min. zehn bis zwanzig Jahren ausgegangen werden, auch wenn ihre Wirkungsstärke regional sehr unterschiedlich ausfallen kann.“ Erfüllt ein Trend alle genannten Dimensionen und die jeweiligen Ausprägungen, so ist er nach dem Verständnis der Autoren als Megatrend einzustufen. Um jedoch beurteilen zu können, ob ein Megatrend diese Ausprägungen tatsächlich erfüllt, ist er zunächst zu analysieren und detailliert zu beschreiben. Megatrends beschreiben und bewerten Das nachfolgend vorgestellte Analysemodell ermöglicht diese detaillierte Beschreibung, die darauf aufbauende Prüfung des Megatrends, sowie die Ableitung von primär beeinflussten Bereichen in Gesellschaft und Wirtschaft. Das Modell basiert auf einem strukturierten dreiphasigen Prozess. Phase I beschäftigt sich mit der Vorauswahl und Analyse einzelner Megatrends. Hierbei steht das Vorgehen bei der Auswahl von Subtrends und der Ableitung geeigneter Indikatoren im Mittelpunkt. In Phase II finden eine geografische Lokalisation und eine Prüfung des Megatrends statt. Hierzu wird für jeden identifizierten Subtrend ein Ländercluster gebildet, in welchem eine besonders starke Entwicklung des Subtrends festgestellt werden kann. Der durch diese Prozessschritte analysierte und lokalisierte Trend kann im Anschluss systematisch auf seine Konformität, hinsichtlich der zuvor beschriebenen Definition, geprüft werden. Ergibt die Art der Subtrends in Verbindung mit der Entwicklung der abgeleiteten Indikatoren ein Bild, welches der Definition entspricht, kann der Megatrend als bestätigt angesehen werden. Bestätigte Megatrends sind nachfolgend hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Einflusses zu analysieren. Hierzu wird in Phase III untersucht, welche Produktsegmente von einem Megatrend primär beeinflusst werden. In diesem Zusammenhang wird ein Schema vorgestellt, welches es ermöglicht, einzelne megatrendspezifische Entwicklungen einzuordnen und daraus primär beeinflusste Produktsegmente abzuleiten. Für eine bessere Übersicht wird der zuvor beschriebene Analyseprozess in Abb.1 zusammengefasst. Die einzelnen Phasen des Prozesses werden im Anschluss detailliert beschrieben und als umfassendes und möglichst allgemeingültiges Analysemodell dargestellt: Das Analysemodell ermöglicht neben der Lokalisierung und Prüfung eines Megatrends, auch die Ableitung von voraussichtlich primär beeinflussten Wirtschaftsbereichen. 7 Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs Phase I: Vorauswahl und Analyse 1. Vorauswahl potentieller Megatrends 2. Definition von Subtrends 3. Ableitung von Indikatoren Phase II: Lokalisation und Prüfung 1. Clusterbildung für Subtrends 2. Prüfung des potentiellen Megatrends Phase III: Ableitung beinflusster Bereiche 1. Einfluss auf Bedürfnisse 2. Einfluss auf Produktgruppen 3. Einfluss auf Unternehmen Abb. 1: Phasen des Analyseprozesses, eigene Darstellung Megatrends beschreiben und bewerten Die Identifikation von Subtrends und Indikatoren ermöglicht die detaillierte Beschreibung von Megatrends. 8 Da die detaillierte Analyse eines Megatrends sehr zeitintensiv sein kann, sollte ein Anwender des Analysemodells zunächst eine Vorauswahl von aktuellen Megatrends treffen, bevor er zu einer detaillierten Untersuchung einzelner Trends übergeht. Dies ermöglicht den gezielten Einsatz seiner Ressourcen auf die für ihn bedeutendsten Entwicklungen. Eine Möglichkeit zur ersten Selektion besteht in einem groben Screening von Fachliteratur und Publikationen, von Autoren und Dienstleistern im Bereich Zukunftsforschung. Hierbei kann geprüft werden, welche Megatrends von den einzelnen Autoren und Institutionen am häufigsten genannt werden, bzw. welche für den Modellanwender und seine wirtschaftliche Situation eine besondere Bedeutung aufweisen. Im Anschluss sind der oder die ausgewählte(n) Megatrend(s) im Detail zu analysieren und zu beschreiben. Ein Megatrend kann dabei in einzelne Subtrends aufgegliedert werden, welche die Entwicklungen innerhalb des jeweiligen Themengebietes aufzeigen. Informationen zu diesen Subtrends liefern verschiedene Autoren, Institutionen und Dienstleister im Bereich Zukunftsforschung1. Entscheidend bei der Identifikation von Subtrends ist, dass diese einen gemeinsamen Treiber aufweisen und dadurch miteinander in Verbindung stehen. Im Bereich Gesundheit könnte ein gemeinsamer Treiber z.B. das grundlegende Bedürfnis der Menschen nach einem langen Leben, in Verbindung mit dem dafür notwendigen medizinischen Fortschritt und den erforderlichen finanziellen Möglichkeiten sein. Von Subtrends, welche mit diesem Treiber in einem engen Zusammenhang stehen, ist 1 Empfohlene Quellen in Bezug auf die Beschreibung von Subtrends sind: Das Handbuch Zukunft 2010 - Focus-Magazin Verlag, die Megatrend Dokumentation der Zukunftsinstitut GmbH und die Website der Z_punkt GmbH. Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten zu erwarten, dass sie eine korrelierende Entwicklung mit den Faktoren des Treibers zeigen. D.h. bei wachsendem medizinischen Fortschritt oder zunehmenden finanziellen Möglichkeiten einer Gesellschaft, wäre auch mit einer Entwicklung der jeweiligen Subtrends zu rechnen. Auf dieser Basis lässt sich der Megatrend Gesundheit bspw. in folgende Subtrends gliedern: Steigende Gesundheitsausgaben, bessere Gesundheit und Gesundheitsvorsorge, veränderte Einstellung zu Gesundheit, Vorsorge und Lebensqualität sowie eine Bedrohung der Finanzierbarkeit von Gesundheitssystemen (vgl. Burmeister/Glockner 2009: 68 ff.; Organization for Economic Co-operation and Development 2011: 10). Nach der Ableitung von Subtrends sind Indikatoren zu identifizieren, mit welchen die jeweiligen Subtrends quantitativ abgebildet werden können. Mögliche Indikatoren zu den Subtrends des Megatrends Gesundheit könnten sein: • Gesundheitsausgaben pro Kopf • Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Verhältnis zu Gesundheitsausgaben • Lebenserwartung • Kindersterblichkeit • Altenquotient einer Gesellschaft etc. Das Ergebnis von Phase I ist somit die detaillierte Beschreibung eines Megatrends durch die Identifikation von Subtrends sowie geeigneter Indikatoren zur quantitativen Beschreibung dieser. Analysemodell Phase II – Lokalisation und Prüfung Da die Wirkungsstärke von Megatrends regional sehr unterschiedlich ausfallen kann, wird in Phase II untersucht, wo ein Subtrend primär wirkt. Ziel ist es, dabei ein Cluster zu definieren, in welchem sich ein Subtrend zum einen homogen entwickelt und zum anderen eine starke Auswirkung zeigt. Abhängig von der Art der Segmentierung können dabei homogene Ländercluster, aber auch Cluster von homogenen Bevölkerungsgruppen im Fokus stehen. Bei der Suche nach homogenen Bevölkerungsgruppen wird von einer integralen Marktsegmentierung gesprochen. Im Bereich des internationalen Marketings wird hierbei die Welt als Gesamtmarkt betrachtet und versucht, weltweit homogene Zielgruppen bzw. Konsumentengruppen zu identifizieren. Bei einer Fokussierung auf homogene Ländercluster wird hingegen von einer internationalen Marktsegmentierung oder Ländersegmentierung gesprochen. Die Komplexität der integralen Marktsegmentierung ist als weit höher einzustufen als die der Ländersegmentierung (vgl. Meffert et al. 2010: 169 ff.). Des Weiteren ist auch Eine Definition von homogenen Länderclustern ermöglicht die globale Lokalisation von Megatrends. 9 Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs davon auszugehen, dass sich ein Megatrend besonders innerhalb eines Landes homogen entwickelt, weshalb beim hier vorgestellten Modell eine Segmentierung auf Länderebene verfolgt wird. Der Ablauf bei einer internationalen Marktsegmentierung bzw. einer Ländersegmentierung im Bereich des internationalen Marketings kann in drei Schritte gegliedert werden (vgl. Berndt 2005: 121): 1. Auswahl relevanter Segmentierungsmerkmale 2. Feststellung der Merkmalsausprägung in einem Land 3. Gruppenbildung Übertragen auf die Anwendung des vorgestellten Analysemodells, stellen diese drei Schritte ebenfalls ein geeignetes Vorgehen zur Bildung von Ländercluster dar. Beim ersten Schritt, der Auswahl von relevanten Segmentierungsmerkmalen, sind primär die identifizierten Indikatoren für einen Subtrend zu berücksichtigen. Durch die Feststellung der Ausprägung dieser Indikatoren in verschiedenen Ländern (Schritt 2) können Länder identifiziert werden, in welchen ein Subtrend eine ähnlich starke Entwicklung zeigt. Diese Länder sind dann zu einem Ländercluster zusammenzufassen (Schritt 3). Output der Segmentierungs- und Lokalisationsphase ist ein Ländercluster für jeweils einen Subtrend. Je nach Art des Subtrends, kann ein solches Ländercluster einige wenige Länder oder auch im Extremfall alle Länder der Welt umfassen. Nachdem ein potenzieller Megatrend analysiert und seine Wirkung lokalisiert wurde, ist es möglich zu prüfen, ob dieser tatsächlich als ein Megatrend anzusehen ist. Hierzu sind die analysierten Subtrends und die Ausprägung der davon abgeleiteten Indikatoren mit der zuvor beschriebenen Definition systematisch abzugleichen. Dabei ist zu untersuchen, ob alle Dimensionen (Zeit, Wirkungsstärke, Reichweite, Entstehung und Entfaltung) der Definition erfüllt werden. Aus der Art der Subtrends und ihrer Bildung können Aussagen über die Entstehung und Reichweite des Megatrends getroffen werden. Die Darstellung der Entwicklung verschiedener Indikatoren in der Vergangenheit sowie eine Prognose für die Zukunft liefern Informationen bezüglich des Zeithorizonts, der Entfaltung und der Wirkungsstärke eines Trends. Ergibt sich aus diesen Informationen ein Bild des potenziellen Megatrends, welches der Definition nicht entspricht, so ist dieser vorläufig abzulehnen. Es sollte jedoch eine kontinuierliche Prüfung der entsprechenden Subtrends und Indikatoren des Trends erfolgen, um diesen ggf. zu einem späteren Zeitpunkt bestätigen zu können. Megatrends, welche eine Konformität hinsichtlich der erarbeiteten Definition aufweisen, werden als bestätigt angesehen. Derartige Megatrends sind hinsichtlich ihres Einflusses auf Gesellschaft und Wirtschaft zu analysieren. Ein Schema für eine solche Analyse wird nachfolgend vorgestellt. Für eine bessere Übersicht werden in Abb. 2 die Phasen I und II des Analysemodells zuvor nochmals grafisch dargestellt: 10 Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten Megatrends Vorauswahl Megatrend 1 von n Analyse Kontinuierliche Prüfung Subtrend 1 Subtrend 2 Subtrend n Indikator 1 ... Indikator n Indikator 1 ... Indikator n Indikator 1 ... Indikator n Cluster I Land A,B,C Cluster II Welt Cluster n Land A,D,E Überprüfung des Megatrends hinsichtilich: Zeit Wirkungsstärke Reichweite Entstehung und Entfaltung Ablehnung des Megatrends Bestätigung des Megatrends Abb. 2: Phase I und II des Analysemodells, eigene Darstellung Analysemodell Phase III – Ableitung beeinflusster Bereiche In der dritten Phase des Analysemodells sollen megatrendspezifische Einflussbereiche in Gesellschaft und Wirtschaft dargestellt werden. Des Weiteren wird aufgezeigt, wie diese Einflussbereiche über eine logische kausale Wirkungskette miteinander in Verbindung stehen. Hierbei wird ein Schema entwickelt, welches die Analyse, Strukturierung und Abbildung verschiedener Subtrends eines Megatrends erleichtert. Durch dieses Schema (im weiteren Verlauf „Impact-Schema“ genannt) wird somit die Suche nach besonders beeinflussten Produktgruppen und Wirtschaftsbereichen unterstützt Die Einflussanalyse eines Megatrends erfolgt über die Ableitung eines kausalen Zusammenhangs zwischen gesellschaftlicher Entwicklung, Bedürfnis und Konsum. 11 Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs Die jeweiligen Einflüsse eines Megatrends auf Individuen, Gesellschaft und Wirtschaft werden dabei auf drei Ebenen dargestellt. Ebene eins zeigt den potenziellen Einfluss eines Megatrends auf die Bedürfnisse von Individuen einer Gesellschaft. Auf der zweiten Ebene werden Konsumbereiche (bestimmte Produkte und Dienstleistungen) abgeleitet, auf welche die veränderten Bedürfnisse eine Auswirkung haben können. Auf Ebene drei werden die hieraus primär betroffenen Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen innerhalb des für einen Subtrend definierten Clusters abgeleitet. Neben den Autoren John NAISBITT und Patricia ABURDENE sprechen auch Bob FROEHLICH und Matthias HORX von großen gesellschaftlichen Veränderungen als Grundlage von Megatrends. (vgl. Froehlich 2010: 11; Horx 2011; Naisbitt/ Aburdene 1990: 9 f.) Für das vorgestellte Schema wurde die Annahme getroffen, dass sich besagte gesellschaftliche Veränderungen hauptsächlich in veränderten Bedürfnissen von Individuen widerspiegeln. Dies stellt daher im erarbeiteten Impact-Schema die primär beeinflusste Ebene dar. Weiter wird davon ausgegangen, dass veränderte Bedürfnisse kurz- bis mittelfristig zu verändertem Konsumverhalten führen. Besonders die Unternehmensberatung Z_PUNKT GMBH und auch bspw. Bob FROEHLICH gehen bei ihren Definitionen auf einen solchen Einfluss eines Megatrends auf das Konsumverhalten einer Gesellschaft ein (vgl. Froehlich 2010: 11; Z_punkt o.J.). Der aus den Bedürfnissen abgeleitete Einfluss auf Konsumbereiche stellt deshalb die sekundäre Ebene dar. Gegenstand der tertiären Ebene sind Wirtschaftsbereiche, welche voraussichtlich durch die Veränderung der Nachfrage in einzelnen Konsumbereichen positiv beeinflusst werden. Unter „Wirtschaftsbereiche“ werden in diesem Zusammenhang Unternehmen in den Kategorien „Produzenten“, „Dienstleister“ und „Händler“ verstanden, welche mit den entsprechenden Produktsegmenten in Verbindung stehen. Abb. 3 zeigt das erarbeitete Impact-Schema mit einer Auswahl von Kategorien auf den drei genannten Ebenen. Bei Verwendung des Schemas ist zu beachten, dass dieses lediglich einen groben und möglichst allgemeingültigen Rahmen für die Einordung und Abbildung der Einflüsse von Megatrends darstellt. Ziel der Phase III ist es jedoch, möglichst spezielle und klar abgegrenzte Produktgruppen und Wirtschaftsbereiche zu finden, welche von einem Megatrend besonders beeinflusst werden. Für die Vorgehensweise bei der Anwendung des Schemas werden deshalb folgende Empfehlungen gegeben: • Auswahl einiger stark beeinflusster Bedürfnisbereiche je Megatrend. • Suche und Auswahl von klar abgegrenzten und primär beeinflussten Produktgruppen in den verschiedenen Konsumkategorien. • Suche und Auswahl primär beeinflusster Wirtschaftsbereiche. Die Anzahl der ausgewählten Bedürfnisbereiche ist dabei möglichst gering zu halten, um die Fokussierung der primären Einflüsse eines Megatrends zu 12 Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten Grundbedürfnisse gewährleisten. Davon abgeleitet sollten innerhalb der genannten Kategorien im Konsumbereich wiederum nur Produktgruppen berücksichtigt werden, welche speziell von den veränderten Bedürfnissen betroffen sind. Ebenso sollten auf der tertiären Ebene lediglich Wirtschaftsbereiche bestimmt werden, welche direkt von den Veränderungen im Konsumbereich beeinflusst werden. Primär-Ebene Sekundär-Ebene Tertiär-Ebene Bedürfnisdimensionen Konsumkategorien Wirtschaftsbereiche Ableitung spezieller Produktsegmente Ableitung spezieller Witschaftsbereiche 1. Nahrung Essen Trinken Produzenten Händler Dienstleister 2. Wohnung Immobilien Einrichtung Produzenten Händler Dienstleister Arbeitskleidung Freizeitkleidung Funktionskleidung Produzenten Händler Dienstleister Arztbesuche Krankenhausbesuche Medikamente Medizintechnik Produzenten Händler Dienstleister Elektrische Energie Wärme Rohstoffe Produzenten Händler Dienstleister Verkehrsmittel Verkehrsinfrastruktur Treibstoffe Produzenten Händler Dienstleister Netze Hardware Software Produzenten Händler Dienstleister Urlaub Sport Kultur Unterhaltung Produzenten Händler Dienstleister Energiemix umweltfreundliche / effiziente Produkte und Technologien Produzenten Händler Dienstleister Statussymbole Qualitätsprodukte Designprodukte Produzenten Händler Dienstleister 3. Kleidung Erweiterte Grundbedürfnisse 4. Ärztliche Versorgung und Vorsorge 5. Energie 6. Mobilität 7. Sozialer Austausch/ Vernetzung Zusatzbedürfnisse 8. Freizeitgestaltug 9. Umwelt- und Energieverantwortung 10. Prestige und Luxus Abb. 3: Impact-Schema zur Darstellung von Einflussbereichen von Megatrends, Quelle: Eigene Darstellung 13 Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs Zur Verdeutlichung der vorgestellten Systematik wird nachfolgend ein Beispiel gegeben. Angenommen, der Megatrend Gesundheit wird in den Phasen I und II analysiert, beschrieben und hinsichtlich seiner Bedeutung als gesichert bewertet. In Phase III wäre nun zu hinterfragen, welche Bedürfnisse von einzelnen Subtrends dieses Megatrends beeinflusst werden (Primäre Ebene). Neben dem Bedürfnis „Ärztliche Versorgung und Vorsorge“ (Position 4 Abb. 3), könnte auch die Bedürfnisdimension „Nahrung“ beeinflusst werden (Position 1 Abb. 3). Für die Dimension „Nahrung“ zeigt Abb. 4 die Konsumkategorien „Essen“ und „Trinken“. In einer oder auch in beiden dieser Kategorien wären nun spezielle Produktgruppen zu suchen, welche aufgrund des Megatrends einen deutlichen Nachfragezuwachs erwarten lassen. In den Kategorien „Essen“ und „Trinken“ könnte eine solche Produktgruppe bspw. Bioprodukte sein. Im Rahmen der Tertiär-Ebene sind dann spezielle Wirtschaftsbereiche zu identifizieren, welche primär von einer gesteigerten Nachfrage nach Bionahrung profitieren werden. Beispiele hierfür können besonders in den Bereichen „Produzenten“ und „Handel“ gesehen werden. Sowohl Produzenten von Bioprodukten als auch Unternehmen im Groß- und Einzelhandel sind hier zu nennen. Die gleiche Vorgehensweise wäre nachfolgend für die Bedürfnisdimension „Ärztliche Versorgung und Vorsorge“ anzuwenden. Nachfolgend wird die in Phase III beschriebene Vorgehensweise grafisch dar gestellt (siehe Abb. 4). Bestätigter Megatrend Subtrend 2 in Ländercluster II Subtrend 1 in Ländercluster I Subtrend n in Ländercluster n Ableitung beeinflusster Bereiche Einfluss Subtrend 1 Wirtschaftsbereiche Konsumbereiche Bedürfnisse Einfluss Subtrend 2 Produktsegment 1 Produktsegment 2 Produzenten Händler Dienstleister Produzenten Händler Dienstleister Rohstoff 1 Einfluss Subtrend n Rohstoff 2 Abb. 4: Phase III des Analysemodells, Quelle: Eigene Darstellung 14 Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten Ergebnisse und Fazit Die durch das zuvor beschriebene Vorgehen identifizierten Produktsegmente und Wirtschaftsbereiche bilden die Grundlage zur Auswahl von Märkten und Unternehmen, welche durch einen Megatrend voraussichtlich langfristig positiv beeinflusst werden. Neben verschiedenen Unternehmen besteht zusätzlich auch die Möglichkeit der Identifikation von positiv beeinflussten Gütern im Rohstoffbereich. Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass die positive Entwicklung von Unternehmen und Rohstoffen allein auf einer Nachfragesteigerung in den verschiedenen Produktbereichen begründet ist. Neben einer Veränderung der Nachfrage gibt es jedoch zahlreiche weitere Faktoren, welche auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sowie die Preisentwicklung von Rohstoffen einen Einfluss haben. Beispiele hierfür sind konjunkturelle Faktoren oder auch die Veränderung von Förderquoten bei Rohstoffen. Geht man jedoch davon aus, dass die Nachfrageentwicklung einen primären Einfluss auf Märkte, Unternehmen und Rohstoffe ausübt, so ist festzuhalten, dass durch das dargestellte Vorgehen konkrete Informationen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung verschiedener Produktgruppen, Rohstoffe und Unternehmen gewonnen werden können. Die jeweiligen Informationen beziehen sich dabei auf ein definiertes Ländercluster und zeigen somit die Auswirkungen eines Megatrends in wirtschaftlicher und geografischer Hinsicht. Die Kombination dieser beiden Datensätze ermöglicht es einem Unternehmen, seine Aktivitäten sowohl geografisch als auch thematisch auszurichten. Hierbei kann die Strategie eines Unternehmens auf bestimmte Bevölkerungsgruppen, bestimmte Ländermärkte oder auch bestimmte Produktgruppen mit einem zukünftig großen Potenzial ausgerichtet werden. Konkrete Beispiele hierfür sind die Erschließung neuer Absatzmärkte, die Definition neuer Zielgruppen sowie auch die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, um diese Zielgruppen adäquat zu bedienen. Ferner kann die Identifikation von Unternehmen mit einer zukünftig attraktiven Position bei der Auswahl strategischer Kooperationen sowie bei Investitionensentscheidungen einen hohen Nutzen generieren. Das vorgestellte Modell bietet somit ein transparentes und strukturiertes Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten auf der Basis von Megatrends. Der besonders langfristige und rückschlagresistente Charakter dieser Trends unterstützt zum einen die Planungssicherheit eines Unternehmens und generiert zum anderen die Möglichkeit, an zukünftigen Entwicklungen überdurchschnittlich zu partizipieren. Diese beiden Aspekte sollten bei der strategischen Planung stets eine zentrale Rolle einnehmen und machen das vorgestellte Modell deshalb nicht unbedingt zum Garant, aber sicher zu einem adäquaten Tool für eine langfristig erfolgreiche Ausrichtung eines Unternehmens. 15 Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs Quellen BERNDT, R. (2005): Internationales Marketing-Management. 3. Auflage. Berlin: Springer Verlag BURMEISTER, K.; GLOCKNER, H. (2009): Handbuch Zukunft 2010. Trends, Herausforderungen, Chancen. München: Focus-Magazin-Verlag FROEHLICH, R.J. (2010): Investment-Megatrends. Profitieren Sie von den grossen Veränderungen unserer Zeit!. Kulmbach: Börsenmedien Verlag Horx.com (o.J.): „Vortragsthemen – Die Macht der Megatrends“. <http://www.horx. com/Reden/Macht-der-Megatrends.aspx>. [Stand: k.A. Zugriff: 10.08.2011] MEFFERT, H.; BECKER, C.; BURMANN, C. (2010): Internationales MarketingManagement. Ein markenorientierter Ansatz. 4. Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag NAISBITT, J. (1984): Megatrends. 10 Perspektiven die unser Leben verändern werden. Bayreuth: Hestia Verlag NAISBITT, J.; ABURDENE, P. (1990): Megatrends 2000. Zehn Perspektiven für den Weg ins nächste Jahrtausend. Düsseldorf, Wien, New York: Econ-Verlag Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) (2011): Health at a Glance 2011. OECD Indicators. <http://www.worldcat.org/oclc/778434306>. [Stand: 2011. Zugriff 17.04.2012] Z_punkt.de: Die 20 wichtigsten Megatrends. <http://www.z-punkt.de/fileadmin/ be_user/D_Publikationen/D_Arbeitspapiere/Die_20_wichtigsten_Megatrends_x. pdf > [Stand: k.A. zuletzt geprüft am 12.09.2011] Zukunftsinstitut.de: Megatrend Dokumentation. <http://www.zukunftsinstitut.de/ verlag/studien_detail.php?nr=88 >. [Stand: k.A. Zugriff: 10.08.2011] 16 Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie Kurzfassung Abstract Obwohl die Begriffe „Key Account“ und „Key Account Management“ seit Jahrzehnten in der Theorie und Praxis verbreitet sind, gibt es bis heute in der wissenschaftlichen Literatur keine einheitliche Definition. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es deshalb, beide Begriffe für Unternehmen im Industriegütersektor zu definieren. Darüber hinaus werden Aspekte des Key Account Managements (KAM) aufgezeigt, die den Kern und das Wesen dieses Konzeptes beschreiben. Da die Basis eines erfolgreichen Key Account Managements die Identifikation der Key Accounts darstellt, werden einige Verfahren vorgestellt, die eine umfassende Kundenbewertung und Identifikation der Key Accounts ermöglichen. Although the terms “Key Account” (KA) and “Key Account Management” (KAM) have been used in theory and practice for decades, there is yet no uniform definition in scientific literature. It is the objective of this thesis to define both terms for enterprises in the industrial goods sector. Furthermore, aspects of KAM are pointed out describing the essence of this concept. As the identification of key accounts is the basis for successful implementation and execution of KAM, this thesis introduces a number of procedures that enable a comprehensive assessment and identification of the key accounts. Schlüsselwörter: Key Account, Key Account Management, Industriegütersektor, B2B, Identifikation von Key Accounts, Kundenbewertungsmethoden Keywords: Key Account, Key Account Manager, Industrial Goods Sector, Businessto-business, Identification of Key Accounts, Customer Value Methods Prof. Dr. Marion Murzin ist Professorin an der Hochschule Karlsruhe für die Fachgebiete Marketing und Vertrieb. Ihre Forschungsgebiete liegen im Bereich Serviceleistungen bei technischen Produkten und im persönlichen Verkauf. Kontakt: [email protected] Vanessa Reiser, Absolventin des Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen 17 Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser Die Gründe dafür, dass KAM heute in Marketing, Vertrieb und der ganzen Unternehmensstruktur so wichtig geworden ist, sind die folgenden branchenübergreifenden Megatrends (Abb. 1): Professionalisierung auf Angebotsseite Globalisierung Gestiegene Erwartungen Konzentrationsprozess KAM Abb. 1: Branchenübergreifende Megatrends (eigene Darstellung in Anlehnung an Reinhold 2008: 7) Erläuterungen zu den einzelnen Punkten: Gestiegene Erwartungen: Die steigenden Erwartungen an die Zulieferseite zeigen sich beispielsweise an der Forderung, dass die Struktur des Zulieferers die Kundenstruktur widerspiegeln soll. Professionalisierung auf Angebotsseite wird notwendig: Der zunehmend höher qualifizierte und strategisch, professionell agierende Einkauf auf Kundenseite (beispielsweise in Form von „Buying Centern“) erfordert eine entsprechende Struktur auf Anbieterseite. Kundenkonzentration: Die Anzahl an aktuellen und potenziellen Kunden ist tendenziell rückläufig, dafür werden sie bezüglich ihrer Anzahl und ihren Zielen immer größer und komplexer. Ein Beispiel für den Konsolidierungsprozess in den letzten Jahrzehnten stellt die deutsche Automobilindustrie dar, bei der die Anzahl der Automobilhersteller ab 1950 innerhalb von knapp 60 Jahren um über 70 % abnahm, d. h. von elf auf drei selbstständige Hersteller. Durch diese Entwicklung wird 18 Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie eine professionelle und angemessene Kundenbetreuungsform, wie das KAM, notwendig, um dem Wettbewerbsdruck standzuhalten und den Ansprüchen gerecht zu werden. Globalisierung: Eine Vielzahl von Unternehmen hat sich mittlerweile eine weltweite Präsenz aufgebaut und erwartet nun standardisierte Produkte und konsistente Einkaufsbedingungen weltweit. Dabei werden die Einkaufsentscheidungen zunehmend zentralisiert (Reinhold 2008: 7). Was sind Key Accounts (“Schlüsselkunden”) Die Analyse zahlreicher Definitionsansätze sowohl aus englisch- wie auch deutschsprachiger Literatur ergibt, dass sich charakteristische Eigenschaften von KA in sechs thematische Kategorien einordnen lassen (Abb. 2). Die Größe der Ellipsen in dieser Abbildung entspricht der Häufigkeit, mit der die jeweiligen Inhalte in der untersuchten Literatur erwähnt wurden. Key Accounts Globale Präsenz des Kunden „Wichtige“ Kunden, ohne Konkretisierung Know-howTransfer Strategisch wichtige Kunden Kunden mit hohem Anteil an Umsatz und Ergebnis (aktuell und potenziell) Unersetzliche Kunden (aktuell und potenziell) Abb. 2: Inhalte der Definition von Key Accounts 19 Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser Wirtschaftlich bedeutende Kunden. Key Accounts werden in der Literatur gerne allgemein als „wichtig“ beschrieben. Dabei kann es sich um unterschiedliche Typen von Wichtigkeit handeln: Es können Kunden sein, die von großer wirtschaftlicher Bedeutung für das Unternehmen sind. Laut der KAM-Studie der Universität St. Gallen (European KAM Studie 2004 der Universität St. Gallen) ist der potenzielle und der aktuelle Umsatz für 76 % der Befragten jeweils ein relevantes Kriterium für die Selektion (Boles 1999: 264 ff.) und somit spielt die wirtschaftliche Bedeutung in den meisten Fällen die größte Rolle bei der Identifikation von Key Accounts. Es muss zwischen der aktuellen und der potenziellen wirtschaftlichen Bedeutung für das Anbieterunternehmen unterschieden werden. Ein Kunde kann auch dann ein KA sein, wenn er nur potenziell einen hohen Umsatzanteil haben könnte, momentan aber die Ware von der Konkurrenz bezieht. Allein das Potenzial und die Chance diese Marktanteile für sich zu gewinnen, macht ihn zu einem potenziellen Schlüsselkunden. Strategisch bedeutende Kunden. Strategisch bedeutende Kunden haben einen langfristigen Einfluss auf das Unternehmen. Dabei kann es sich um verschiedene Aspekte handeln, wie z. B. sein technologisches Entwicklungspotenzial oder seine möglichen Wachstumschancen bzw. die Wachstumsraten des Marktes, in dem der Kunde agiert (Boles 1999: 264 ff.). Ein Kunde wird damit zum Key Account, auch wenn er zum heutigen Zeitpunkt vielleicht noch nicht umsatzstark ist, sich aber beispielsweise in eine Richtung entwickelt, in der sich das Anbieterunternehmen auch zukünftig etablieren möchte oder die Wachstumsaussichten auf dem Markt gut sind. Globale Präsenz. Die globale Präsenz ist in einer Zeit, in der die Globalisierung stark vorangeschritten ist, sowohl auf Kunden- als auch auf Anbieterseite für erfolgreiches Wirtschaften zunehmend erforderlich. Es ist jedoch nicht jeder globale Kunde auch automatisch ein „Global Key Account“. Dies kann jedoch erforderlich werden, wenn der Kunde beispielsweise eine weltweit einheitliche Betreuung wünscht oder fordert (vgl. Zupancic 2000: 2). Der globale Kunde zeichnet sich durch zwei Aspekte aus: 1. Es besteht ein stärker internationalisierter Einkauf. 2. Der Einfluss der Zentrale auf die Einkaufsentscheidung, im Sinne einer Koordination, ist erhöht (Yip 1996a: 54). Dadurch kann es auf Seite des Zulieferers notwendig sein, eine Organisation in Form von KAM aufzubauen, die der Kundenstruktur gerecht wird und den Anforderungen des globalen Kunden entspricht. Unersetzbarkeit. 20 Die Unersetzbarkeit eines Kunden soll als Teilaspekt zur Definition von Key Accounts ausdrücken, dass ein Schlüsselkunde in einem bestimmten Bereich für das Unternehmen einen sehr starken Einfluss hat oder zukünftig haben kann, den Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie kein anderer Kunde ohne weiteres ersetzen könnte. In diesem Zusammenhang sind sowohl eine finanzielle als auch eine strategische Abhängigkeit des Zulieferers denkbar. Ein weiteres Kriterium dafür einen Kunden als Key Account zu bezeichnen, kann seine Rolle als Know-how-Potenzialträger für das Anbieterunternehmen sein. Dies ist der Fall, wenn der Kunde beispielsweise aufgrund seines Innovationspotenzials (Know-hows) eine besondere Rolle spielt, und sich eine Lernpartnerschaft mit dem Anbieterunternehmen entwickelt (Homburg 2008: 312;Winkelmann 2008b: 550). Know-how-Potenzialträger. Key Account Management Für ein erstes Verständnis von KAM werden nachfolgend drei Definitionsansätze im Rahmen dieses Artikels vorgestellt: Der Key Account Manager. strategisch wichtige Schlüsselkunden konzentriert durch hochqualifizierte Verkaufsmitarbeiter zu betreuen, um mit diesen Schlüsselkunden ins Geschäft zu kommen […], eine möglichst hohe Potenzialausschöpfung zu erreichen […] und die Geschäftsbeziehung langfristig zu sichern.“ (Winkelmann 2008a: 355) „[…] die Zusammenfassung aller die Kundenbeziehung betreffenden Tätigkeiten unter eine einheitliche Verantwortung.“ (Bruhn, 2002: 69 f.) „[…] ein ganzheitlicher, methodischer Ansatz in der strategischen Kundenbindungsentwicklung.“ (Kühn 2010: 3) Aus den Definitionen von WINKELMANN und BRUHN wird deutlich, dass es für das KAM einen Key Account Manager geben muss (evtl. mit einem zugeordneten KA-Team), der die Verantwortung für die gesamten Tätigkeiten und Beziehungen mit dem ihm zugeteilten KA trägt. Da diese Verantwortung für die Kunden, die ein Unternehmen meist umsatztechnisch tragen, groß ist, handelt es sich bei den KA-Managern i. d. R. um hochqualifizierte Vertriebsmitarbeiter (vgl. Winkelmann 2008a: 355). Ziel der Geschäftsbeziehungen mit den Schlüsselkunden des Unternehmens ist eine Sicherung bzw. die Ausschöpfung der potenziellen Umsätze (bzw. Gewinne) und der Aufbau einer partnerschaftlichen, dauerhaften Beziehung (Rau 1994: 39; Kühn 2010: 3). Wichtig ist zu beachten, dass sich das KAM jedoch nicht nur auf operative Tätigkeiten im Vertrieb beschränkt, sondern dass es für eine erfolgreiche Umsetzung mehr als das bedarf (vgl. Belz 2008: 200). KÜHN deutet dies mit dem Hinweis auf einen „ganzheitlichen“ Ansatz an, demnach es einer speziellen Infrastruktur rund um den Manager bedarf, die auf den KA ausgerichtet ist (Kühn 2010: 3). Der ganzheitliche Ansatz. 21 Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser KAM ist mehr als ein Vertriebskonzept. In erster Linie betreffen die „Geschäftsbeziehungen zum Kunden“ im Anbieterunternehmen den Vertrieb und das Marketing. Dadurch könnte die Annahme entstehen, dass es sich bei KAM ausschließlich um ein Vertriebsoder Marketingkonzept handelt. Allerdings ist KAM nach Meinung zahlreicher Wissenschaftler (s. Lockau, 2000; Winkelmann, 2008b; Belz et al., 2008; Peymani, 2012) deutlich mehr als das. Es soll sich hierbei um einen das ganze Unternehmen betreffenden Ansatz handeln, der „sich nicht einfach zu den vielfältigen Marketingaktivitäten hinzuzählen“ lässt (Peymani 2012: 49). Das KAM umfasst die individuelle und spezielle Kundenbetreuung, die Auswirkung auf die Organisationsstrukturen des Anbieterunternehmens hat (Biesel 2002: 17; Backhaus 2007: 186). Besonders die Entwicklung hin zu cross-funktionalen Key Account Teams, mit i. d. R. drei bis sechs qualifizierten Mitarbeitern (vgl. Sidow 2007: 121), als Antwort auf die Buying-Center, zeigt die Tragweite des Konzeptes zur Kundenbetreuung. Verankerung des KAM-Konzeptes. BELZ (2008), Mitbegründer des St. Galler KAM-Konzeptes, geht noch einen Schritt weiter und sieht den Grund für das häufige Scheitern von KAM-Ansätzen in der Praxis darin, dass die Bedeutung der wichtigsten Kunden nicht beim ganzen Unternehmen, inklusive der Geschäftsleitung, angekommen ist. Laut dem St. Galler KAM-Konzept soll das Unternehmen, das eine erfolgreiche „strategische Verankerung“ von KAM durchführen möchte, KAM als Teil der Unternehmensstrategie sehen. Hierbei sollte sich auch das Topmanagement engagieren und Unterstützung bei der ganzheitlichen Integration und der Ausrichtung auf die wichtigsten Kunden, die das Unternehmen tragen, zeigen. Abgrenzung des KAM vom „klassischen Vertrieb“ Besondere Prioritäten und Vorteile für Key Accounts. KAM unterscheidet sich deutlich vom „herkömmlichen“ Vertrieb. Laut WINKELMANN (2008) wird folgende Differenzierung zwischen KAM und anderen „klassischen Vertriebsarten“ gemacht: Von KAM sollte „nur dann gesprochen werden, wenn die Vertriebsleitung den Schlüsselkunden spezielle Prioritäten und Vorteile einräumt. Im Vergleich zu Nicht-Schlüsselkunden müssen für die Key Account Betreuung andere, i. d. R. höhere Budgets eingeräumt sein“ (Winkelmann 2008b: 548). Eine detaillierte Gegenüberstellung zwischen dem „klassischen Vertrieb“ und dem Key Account Management beinhaltet Tab. 1: 22 Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie Klassischer Verkauf Key Account Management Auf der Kundenseite befinden sich meist Einkäufer, die sich auf Materialeinstandspreise, Produktqualität und Lieferpräzision konzentrieren. Kunden optimieren die Prozesskosten; multiples Kontaktmanagement bei Kunden und Kundenkoordination. Verkauft werden Produkte und Mengen; Know-how wird vor allem produktbezogen gebraucht; Verkaufsleistung steht im Vordergrund. Verkauft werden Wirtschaftlichkeit (Prozesskosten), Problemlösung, Erfolgsbeitrag; notwendig ist Know-how über die jeweilige Kundenbranche, das Unternehmen des Kunden und über seine Produkte; im Vordergrund steht die Leistung für den Kunden. Einzelkämpfer/Individualisten, die tendenziell auf schnellen Erfolg abzielen. Meist ist hierbei nicht der Kunde, sondern das eigene Angebot im Fokus und der Ausgangspunkt der Verkaufsverhandlungen. Die Verkäufer „besitzen“ ihre Kunden. Der KA-Manager wird zur „Spinne im Netz“, er muss zwischen den verschiedenen Bereichen des eigenen Unternehmens und denen des Kunden die Fäden ziehen und die Aktivitäten koordinieren. „Key Accounts sind kein „Privatbesitz“ einzelner Verkäufer, sondern externe Unternehmensressourcen, die systematisch von Teams betreut werden müssen“ (Rentzsch 2008: 194). Die Arbeitsaufteilung erfolgt nach geographischen Gebieten; „Gemischtverkauf“ von Generalisten. Die Verkaufsaktivitäten werden auf die Kunden abgestimmt und global koordiniert; dem Kunden soll eine präzise Leistung geliefert werden. Tab. 1: Gegenüberstellung: „klassischer Verkauf“ vs. KAM (Belz 2008: 34) „Missbrauch“ des Begriffes KAM in der Praxis Den Kunden als KA zu bezeichnen, ohne die Aufgabenstellung des Außendienstmitarbeiters darauf auszurichten, wird in der Literatur auch „PseudoKAM“ genannt (vgl. Rentzsch 2008: 194). „Key Account“ werden lediglich deshalb gebildet, damit die betreuenden Mitarbeiter diesen mehr Aufmerksamkeit widmen. Allerdings entspricht dies nicht dem korrekt verstandenenKonzept des Key Account Managements, vor allem dann, wenn diese viele Kunden betreuen. Die Mitarbeiter kümmern sich im Rahmen der regulären Verkaufsarbeiten um diese „Key Accounts“, ohne dass eine dem Verständnis des KAM entsprechende Kundenwidmung erfolgt (Winkelmann 2008b: 548). Pseudo-KAM. 23 Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser Wichtigkeit des Key Account-Identifikationsprozesses: Unterschiede zwischen Theorie und Praxis KA-Wahl nach Bauchgefühl? Obwohl eine sorgfältige Identifikation der Key Accounts selbstverständlich erscheinen mag, können viele Unternehmen auf Nachfrage die Wahl, warum ein gewisser Kunde zum Schlüsselkunden gewachsen ist, nicht begründen. Oftmals ist es ein schleichender Prozess, in dem der Kunde „vor sich hin“ wächst, bis er irgendwann zum Key Account wird (vgl. Miller 1992: 32). Kundenprioritäten werden in dem Fall, ohne dass eine systematische Kundenqualifizierung durchgeführt wird, eher nach Bauchgefühl und Gespür verteilt. Jedoch kann unüberlegtes und fehlerhaftes Kundenpriorisieren gefährlich für die Wirtschaftlichkeit und den Erfolg einer Unternehmung werden, weil die verfügbaren Ressourcen möglichweise nicht auf die wichtigsten Kunden konzentriert werden (vgl. Winkelmann 2008a: 315). Einer Praxisuntersuchung zufolge führt nur jedes sechste Unternehmen der Industriegüterbranche eine regelmäßige und systematische Kundenbeurteilung durch (Deppermann 1998: 142 ff.), obwohl „[…] der Erfolg eines AccountManagement unmittelbar von der Auswahl der in ein entsprechendes Programm einzubeziehenden Kunden abhängt“ (Lockau 2000: 20). Theorie vs. Praxis. Es bestehen große Unterschiede zwischen den theoretischen Erkenntnissen und den Umsetzungen in der Praxis. Folgendes Zitat verdeutlicht die Kritik, die die Literatur an den Unternehmen verübt: „Die immer noch dominierende Umsatzorientierung bei der Identifizierung der Key Accounts sollte dringend erweitert werden. Dabei bieten sich solche Verfahren an, die sowohl quantitative als […] auch qualitative Kriterien berücksichtigen können. […] Angesichts der hohen Investitionen, die ein KAM verlangt, muss durch ein geeignetes Auswahlverfahren sichergestellt werden, dass die „richtigen“ Kunden selektiert werden“ (Bieberstein 2006: 4 f.). Die theoretischen Ansätze vertreten die Ansicht, dass zur Identifikation der Key Accounts mehr gehört, als nur eine umsatzbezogene ABC-Analyse. Demnach müssen zum einen zusätzliche Kriterien untersucht, zum anderen auch die Regelmäßigkeit der Überprüfung beachtet werden. Methoden zur Identifikation von Key Accounts Kriterien zur Identifikation von Key Accounts. 24 Eine Kundenbewertung oder -qualifizierung dient der Beantwortung der Frage, wer die wichtigen und wer die unwichtigeren Kunden eines Unternehmens sind. Im Rahmen dieser Arbeit handelt es sich jedoch nicht um eine „klassische Kundenbewertung“. Ziel ist vielmehr die Identifikation der Key Accounts. Die Erfassung des Kundenwerts anhand quantitativer und qualitativer Aspekte lässt sich mit den aufgestellten Kriterien zur Definition der Key Accounts verbinden (Abb. 3): Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie Ökonomischer Kundenwert Informationswert des Kunden Aspekt der Globalität Strategischer Kundenwert Aspekt der Unersetzbarkeit Abb. 3: Aspekte des Kundenwerts für Key Accounts (eigene Darstellung in Anlehnung an Winkelmann 2008b: 317) Mögliche Identifikationsmethoden Grundsätzlich lassen sich die Methoden zur Kundenbewertung in ein- oder mehrdimensionale Verfahren unterteilen (Abb. 4): ABC-Analyse Kundenerfolgs -rechnung Eindimensional Customer Lifetime Analyse Kundenbewertungsmethoden Scoring-Modelle Mehrdimensional Portfolio-Analyse Abb. 4: Kundenbewertungsmodelle im Überblick (eigene Darstellung in Anlehnung an Cornelsen 2000: 91) 25 Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser Eindimensionale Verfahren betrachten eine wichtige Größe, die sowohl monetär als auch nicht-monetär sein kann. Anhand dieser Größe wird die Bewertung durchgeführt. Mehrdimensionale Verfahren bieten eine umfassendere Betrachtung des Kunden, da mehrere Kriterien beachtet werden können. Die ABC-Analyse Die beliebteste Methode in der Praxis. Die ABC-Analyse ist das in der Praxis am häufigsten eingesetzte Kundenbewertungsverfahren (vgl. Winkelmann 2008a: 319). Laut einer Studie der Hochschule Niederrhein beträgt der Anteil dieser Methode 83 % aller in der Praxis eingesetzten Bewertungsverfahren (Bieberstein 2006: 13 f.). Ziel ist es, eine Rangfolge der Kunden, z. B nach dem Ist-Umsatz oder dem Ergebnis, zu erstellen. Die Kunden, die als A-Kunden identifiziert wurden, können Schlüsselkunden sein. Dies kann beispielsweise anhand des Pareto-Verhältnisses entschieden werden, bei dem die 20 % der Kunden, die zusammen 80 % des gesamten Umsatzes bilden, zu A-Kunden und dementsprechend zu Key Accounts zugerechnet werden. Die Abgrenzung der aktuellen Schlüsselkunden, deren Potenziale unbedingt zu sichern sind, ist i. d. R. problemlos. Ebenso wichtig ist jedoch die Identifikation der potenziellen Key Accounts. Dabei handelt es sich beispielsweise um mittelgroße B-Kunden, die ein den A-Kunden vergleichbares Ertragspotenzial aufweisen, nur ist dieses vom Anbieterunternehmen noch nicht ausreichend ausgeschöpft (Winkelmann 2008a: 364 f.). Für diese „Entwicklungs“-B-Kunden kann es sinnvoll sein, rechtzeitig Betreuungsprioritäten einzuräumen und ein KAM-Programm aufzubauen. Vorteile der ABC-Analyse sind die leicht verständliche Vorgehensweise und die Identifikation der umsatz-/ bzw. gewinntreibenden Kunden. Nachteile sind, dass es sich um ein statisches Berechnungsmodell handelt, das lediglich Vergangenheitswerte einbezieht, womit sich keine Entwicklungspotenziale von Kunden erfassen lassen. Customer-Lifetime-Value-Analyse (CLVA) Ein dynamisches Verfahren. Bei der Customer-Lifetime-Value-Analyse handelt es sich um eine dynamische Methode der Kundenqualifizierung. Dadurch werden die bisher aufgezeigten Schwachstellen von statischen Analysen, d. h. die rückblickenden Momentaufnahmen, behoben. Der Unterschied ist, dass neben den aktuellen Daten nun auch die zukünftig zu erwartenden Umsätze und betrachtet werden (vgl. Kumar 2008: 5). Der CLVA beschreibt den Gewinn, der über die Dauer der Kundenbeziehung erwartet wird. Er wird auf den Gegenwartszeitpunkt mittels Potenzialfaktor diskontiert und ergibt den Kapitalwert (vgl. Winkelmann 2008b: 350): Kundenwert = Vergangenheitswert + (Zukunftswert * Potenzialfaktor) 26 Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie Vorteile der CLVA sind der dynamische Aspekt der Berechnungsmethode, da auch zukünftige Daten mit einbezogen werden können, sowie die Möglichkeit auch nichtmonetäre Aspekte, wie den Imagewert eines Kunden, einzubinden (vgl. Winkelmann 2008b: 350). Nachteile sind die Unsicherheit bei der Prognostizierung von Zukunftswerten und die damit einhergehende Subjektivität der Schätzung. Die Qualität der Ergebnisse hängt somit stark von den Kundenkenntnissen ab (vgl. Nufer 2012: 8 f.). Das Chancenpotenzial-Portfolio Diese Methode dient dem Erkennen potenzialstarker Kunden, die bisher noch unausgeschöpfte Lieferanteile vorweisen. Hierzu werden in dem sog. Chancenpotenzial-Portfolio die Einkaufsbudgets der Kunden (Nominalwerte) den eigenen Lieferanteilen bei den Kunden (in Prozent) gegenübergestellt. Die Kunden, die sowohl ein hohes Einkaufsvolumen besitzen, als auch bereits einen hohen Anteil vom Anbieterunternehmen beziehen, stellen die aktuellen Key Accounts dar. Diese Kunden sind weiterhin mittels KAM zu sichern. Die Kunden, die über ein hohes Einkaufsbudget verfügen, und noch ein hohes unausgeschöpftes Umsatzpotenzial für den Zulieferer bieten, sind im Sinne des KAM die potenziellen bzw. zukünftigen Schlüsselkunden, auf die bereits heute besonders Wert gelegt werden muss. Sie sind „mit höchster Priorität zu akquirieren“ und mittels KAM zu betreuen bzw. auszubauen (vgl. Winkelmann 2008b: 344). Identifikation von unausgeschöpften Potenzialen. Vorteile: Diese Methode ist eine gute Ergänzung zur Umsatz-ABC-Analyse, da auch die potenziellen KA identifiziert werden können, und es sich um eine mehrdimensionale Methode handelt, die zwei Aspekte zur Bewertung kombiniert (Murzin 2012: 78). Nachteile: Es handelt sich um eine statische Analyse die keine Zukunftswerte einbezieht (vgl. Murzin 2012: 79). Scoring-Modelle Ein Scoring-Modell ist ein gewichtetes Punkte-Bewertungsverfahren, das eine Verfeinerung der Portfolio-Analyse darstellt (vgl. Murzin 2012: 79). Mit dem Scoring-Modell können verschiedene Eigenschaften sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur beurteilt und mit Bewertungspunkten versehen werden. Am Ende ergibt sich ein Gesamtscore. Je höher dieser ist, desto wertvoller ist der Kunde für den Anbieter (vgl. Weiber 2000: 493). Dieses Ergebnis ist sehr interessant für die Identifikation der Key Accounts, da dies die „wertvollen“ Kunden sind, „die zu verlieren sich das Unternehmen nicht leisten kann“ (Miller 1992: 27). Bewertung sowohl qualitativer als auch quantitativer Kriterien. Vorteile: Es lassen sich qualitative und quantitative Bestimmungsfaktoren zu einer umfassenden Kundenbewertung kombinieren. Die Methode ist einfach durchzuführen (vgl. Homburg 1999: 14). 27 Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser Nachteile: Es handelt sich bei der Bewertung um eine subjektive Einschätzung der Punktewerte und der Gewichtungsfaktoren, wodurch die Ergebnisse schnell manipulierbar werden. Die Wahl der Kriterien ist ebenfalls subjektiv. Eine zu große Anzahl kann das Resultat undurchsichtig machen (vgl. Murzin 2012: 79). Kombination von Identifikationsmethoden und KA-Kriterien Nachfolgende Tab. 2 weist den genannten Aspekten zur Identifikation von Key Accounts geeignete Kundenbewertungsmethoden zu: Zu untersuchendes Kriterium Mögliche Kundenbewertungs-Methode Informationswert Customer Lifetime Value-Analyse Strategischer Kundenwert Customer Lifetime Value-Analyse Portfolio-Analyse Scoring-Modelle Ökonomischer Kundenwert ABC-Analyse nach Umsätzen und Deckungsbeiträgen der Kunden Customer Lifetime Value-Analyse Chancenpotenzial-Portfolio für die Erfassung von potenziellen Key Accounts Portfolio-Analyse Scoring-Modelle Globalität Keine spezielle Methode geeignet Unersetzbarkeit Kann bei monetärem Hintergrund mittels der Betrachtung der Ergebnisse der Umsatz- oder Ergebnis-ABC-Analyse erfolgen. Customer Lifetime Value-Analyse Scoring-Modelle Tab. 2: KA-Kriterien und ihre möglichen Bewertungsmethoden 28 Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie Fazit Im Sinne dieser Ausarbeitung können „Key Accounts“ anhand von sechs Kriterien charakterisiert werden. Bei „Key Account Management“ handelt es sich um einen das ganze Unternehmen betreffenden Ansatz, der sich nicht nur mit dem Vertrieb und der Vermarktung von Produkten beschäftigt, sondern eine individuelle, intensive Kundenbetreuung beinhaltet. Die Basis der Implementierung eines KAMKonzeptes stellt die Identifikation der Key Accounts dar. Dieser Schritt erscheint selbstverständlich, wird jedoch in zahlreichen Unternehmen nicht umfassend genug und regelmäßig durchgeführt. Hierbei unterscheiden sich die Praxis und Theorie erheblich voneinander. Die Literatur stellt die Forderung, dass zur Identifizierung der wichtigsten Kunden eines Unternehmens mehr gehört als eine umsatzbezogene ABC-Analyse, die sich in der Praxis größter Beliebtheit erfreut. Es wurden deshalb im Rahmen dieser Arbeit einige andere Verfahren vorgestellt, wie z.B. die CLVA oder das Scoring-Modell, um mehr Entscheidungskriterien für KAs in die Bewertung mit einfließen lassen zu können. Quellen BACKHAUS, K.; VOETH, M. (2007): Industriegütermarketing. 8. Aufl. München: Verlag Franz Vahlen BELZ, C. et al. (2008): Spitzenleistungen im Key-Account-Management, 2. Auflage, München: FinanzBuch Verlag BIEBERSTEIN, I. (2006); Vergossen, H.: Key Account Management in der Praxis, Kompetenzzentrum für angewandtes Marketing an der Hochschule Niederrhein BIESEL, H. (2002): Key Account Management erfolgreich planen und umsetzen. Mehrwert-Konzept für Ihre Top-Kunden, Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler BOLES, J. et al. (1999): „The Selection and Organization of National Accounts: A North American Perspective“, In: Journal of Business and Industrial Marketing 14 (4) BRUHN, M. (2002): Integrierte Kundenorientierung, Wiesbaden: Gabler-Verlag CORNELSEN, J. (2002): Kundenwertanalysen im Beziehungsmarketing: Theoretische Grundlagen und Ergebnisse einer empirischen Studie im Automobilbereich, Nürnberg DEPPERMANN, K.; MARZIAN, S. (1998): Win-Win, das Ziel aller Vertriebsprozesse, Absatzwirtschaft, Sondernummer Oktober 1998 29 Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser HOMBURG, C. et al. (2008): Sales Excellence. 5. Auflage. Wiesbaden: Gabler-Verlag KÜHN, R.; SIEBERT, T. (2010): Key Account Management in global tätigen Logistikkonzernen. Köln: Josef Eul Verlag LOCKAU, I. (2000): Organisation des Global-Account-Management Industriegütersektor. Berlin: Erich Schmidt Verlag im MILLER, R. et al. (1992): Schlüsselkunden-Management. Verlag Moderne Industrie MURZIN, M. (2012): Vertriebsmanagement, Vorlesungsskript, Hochschule Karlsruhe PEYMANI, B. (2010): „Gemeinsam Geschäfte machen“. In: Fachzeitschrift ‚acquisa‘,. Ausgabe 10 RAU, H. (1994): Key Account Management: Beziehungsmanagement. Wiesbaden: Gabler-Verlag Konzepte für wirksames REINHOLD, M. (2008): Key Account Management und Management von Geschäftsbeziehungen. Intensivseminar B2B-Marketing und Verkauf der Universität St. Gallen RENTZSCH, P. (2008): Kundenorientiert Verkaufen im Technischen Vertrieb: Erfolgreiches Beziehungsmanagement im Business-to-Business. 4. Auflage. Wiesbaden: Gabler-Verlag SIDOW, H. (2007): Key Account Management: Geschäftsausweitung durch kundenbezogene Strategie. 8. Auflage. Landsberg am Lech: mi-Fachverlag WENGLER, S. (2006): Key Account Management in Business-to-Business Markets: An Assessment of its Economic Value. Deutscher Universitätsverlag WINKELMANN, P. (2008a): Marketing und Vertrieb. 6. Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag WINKELMANN, P. (2008b): Vertriebskonzeption und Vertriebssteuerung. 4. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen YIP, G. (1996): Die globale Wettbewerbsstrategie: weltweit erfolgreiche Geschäfte,. Wiesbaden: Gabler-Verlag ZUPANCIC, D.; SENN, C. (2000): Global Account Management: Bestandsaufnahme in Wissenschaft & Praxis. Thexis, St. Gallen 30 Eine Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing Kurzfassung Abstract In der Master-Thesis werden aktuelle, in der wissenschaftlichen Forschung anerkannte und in der Praxis eingesetzte Methoden zur Preisbildung ermittelt und hinsichtlich des Einsatzes in der Automobilindustrie bewertet. Das in dieser Arbeit entwickelte Modell verbessert identifizierte Probleme der Preisbildung und trägt zur konsistenten und transparenten Preisbildung in einem konkreten Unternehmen bei. Die Preisbildung wird segmentspezifisch auf Preiseinflussfaktoren aufgebaut, welche zuvor im Rahmen einer Preiseinflussfaktorenforschung ermittelt wurden. Das Modell zeichnet sich durch synergieerzeugende Integration im Preismanagementprozess aus. Die Eignung des Modells zur Preisbildung wird abschließend in einem Unternehmen der Nutzfahrzeugindustrie unter Beweis gestellt. This master-thesis determines current methods for automotive pricing, established in scientific research and used by the industry. The pricing model developed here improves existing pricing problems and contributes to consistent and transparent pricing in a specific company. Pricing is established on segment specific price factors that had previously been determined by researching price influencing factors. The pricing model is characterized by a synergy generating integration into the price management process. The suitability of the pricing model will then be tested in the commercial vehicle industry. Schlüsselwörter: Preisbildung, Preiseinflussfaktor, Preispsychologie, Preismanagement, Marktsegment, Adoptionsprozess, Automobilindustrie Keywords: pricing model, price influencing factor, psychology of pricing, price management, market segments, adoption process, automobile industry Prof. Reinhold König ist Professor für Industriegütermarketing an der Hochschule Karlsruhe und Leiter des Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen. Außerdem leitet er das „Steinbeis Transferzentrum Technischer Vertrieb und Management“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Competitive Intelligence und Key Account Management. Kontakt: [email protected] Ingo Bertsche, Absolvent des Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen 31 Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche Vorwort Senkt kostenorientierte Preisbildung die Unternehmesprofitabilität? Eine einseitig auf Kosten fokussierte Preisbildung kann dazu führen, dass die Profitabilität des Geschäfts leidet. Dabei sind besonders zwei Fälle hervorzuheben: 1. Die kostenorientierte Preisbildung führt zu einem Preis, der unterhalb der Zahlungsbereitschaft der Kunden liegt. In diesem Fall gehen Deckungsbeitragspotentiale pro abgesetzter Produkteinheit verloren. 2. Die kostenorientierte Preisbildung führt zu einem Preis, der oberhalb der Zahlungsbereitschaft der Kunden liegt. In diesem Fall gehen Marktanteile verloren und der gesamte Deckungsbeitrag über alle Einheiten eines abgesetzten Produktes wird reduziert, da nicht mehr alle Absatzmöglichkeiten genutzt werden. Zur Lösung dieser Problematik wurden als Ausgangspunkt der Master-Thesis in der wissenschaftlichen Forschung anerkannte und in der Praxis angewandte Methoden zur Preisbildung ermittelt. Diese Methoden konnten mit Hilfe von Experteninterviews, aktuellen Studien, aktuellen Forschungsartikeln, sowie in Zusammenarbeit mit der Vocatus AG – einem deutschen Beratungs- und Marktforschungsunternehmen – und auf Grundlage der Analyse der derzeitigen Situation in Unternehmen der Automobilindustrie auf deren Eignung für den Einsatz in der Automobilindustrie bewertet werden. Dadurch wurden Probleme bei der Durchführung der Preisbildung in Unternehmen identifiziert, sowie Forderungen an das zu entwickelnde Modell zur Preisbildung definiert. Das Modell zur Preisbildung zeichnet sich durch seine starke Segmentorientierung, die Anlehnung an die Diffusionstheorie und am Produktlebenszyklus, sowie durch die Orientierung am Bedürfniszyklus aus. Durch die hohe Segmentorientierung wird der zunehmenden Wettbewerbsdynamik Rechnung getragen und sichergestellt, dass die individuellen, segmentspezifischen Kundenanforderungen preislich verarbeitet werden können. Durch die Anlehnung an die Diffusionstheorie und den Produktlebenszyklus wird die dynamische Sichtweise zur Preisbildung abgebildet. Die Orientierung am Bedürfniszyklus stellt sicher, dass die Preisbildung die im Marktsegment vorliegenden Bedürfnisse berücksichtigt. Die im Rahmen der empirischen Preiseinflussfaktorenforschung ermittelten Faktoren bilden die Grundlage des Modells zur Preisbildung. Die Preiseinflussfaktorenforschung konnte in der Praxis wenig angewandte oder in vielen Systematiken fehlende Preiseinflussfaktoren aus den relevanten Bereichen zur Preisbildung (Nachfrage, Markt-, Wettbewerbs- und Kostenstruktur) ermitteln und erläutern. Zudem werden Methoden zur Ermittlung dieser Preiseinflussfaktoren aufgezeigt, welche Unternehmen im Rahmen des Modells anwenden können. Innerhalb des Modells ist die marktgerechte Verteilung der Gemeinkosten ein wichtiger Ansatzpunkt zur Definition einer marktgerechten Kostenstruktur.Die marktgerechte Kostenstruktur bildet die Grundlage, um eine marktgerechte Preisstruktur zu definieren. 32 Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing Desweiteren wurde gewährleistet, dass das Modell zur Preisbildung im Rahmen des Preismanagements implementiert werden kann und zu einem in sich konsistenten Gesamtprozess vervollständigt wird. Mit dem Modell zur Preisbildung entsteht daher ein konsistentes, transparentes und synergieerzeugendes Konzept zur marktgerechten Preisbildung. Das Modell zur Preisbildung wurde außerdem bei einem OEM der Nutzfahrzeugindustrie erfolgreich implementiert. Im Unternehmen konnten einige Probleme identifiziert und durch das Modell zur Preisbildung beseitigt werden. Außerdem wurde zu einer transparenten und flexiblen Preisbildung beigetragen, die Synergien zwischen Abteilungen und im Hinblick auf bereits bestehende Prozesse erzeugt. Auf dieser Basis werden in der nachfolgenden Darstellung die Herausforderungen im Automobil-Pricing aufgezeigt und mögliche Lösungsansätze dargestellt. Herausforderungen im Automobil-Pricing Die Strukturen innerhalb der Automobilindustrie sind global ausgerichtet. Die gesamte Wertschöpfungskette heutiger Automobilunternehmen hat sich an die zunehmende Internationalisierung angepasst. Dies führt zu einem Verdrängungswettbewerb. Neben diesen Entwicklungen ist die Verkürzung der Fahrzeuglebenszyklen zu erkennen. Fahrzeuggenerationen werden in kürzer werdenden Zeitspannen durch Modellpflegen oder Nachfolgegenerationen an die geänderte Bedürfnisstruktur am Markt angepasst. Hinzu kommen die anstehenden Veränderungen in der Automobilentwicklung. Eingeleitet durch gesetzliche Vorgaben werden in naher Zukunft die konventionellen Antriebe durch alternative Antriebe ersetzt. Dies wird einen gewaltigen Wandel innerhalb der Bedürfnisstruktur nach sich ziehen (Ebel/ Hofer/Al-Sibai 2003: 14 ff.). Auf diesen Strukturwandel müssen Unternehmen im Rahmen der Preisbildung vorbereitet sein. HOFER et al. sehen in der aktuellen Marktentwicklung eine zunehmende Individualisierung der Kundenwünsche (Ebel/Hofer/Al-Sibai 2003: 14 ff.). Nachfrager zeichnen sich in der Automobilindustrie durch hohe Kundenanforderungen aus, die die Entwicklung von individuellen Fahrzeugen fordern. Insbesondere in der Nutzfahrzeugindustrie sind Fahrzeuge, die einen individuellen Einsatz ermöglichen, von höchster Bedeutung. Dadurch entsteht eine verstärkte Fragmentierung von Märkten. Deshalb ist in der Automobilindustrie die Notwendigkeit einer Segmentorientierung zu erkennen (Ebel/Hofer/Al-Sibai 2003: 14 ff.). Neben der Fragmentierung der Märkte, der Individualisierung der Kundenwünsche und der zunehmenden Polarisierung der Einkommensverhältnisse ist zu beobachten, dass die Preis- und Kaufentscheidung der Nachfrage nicht nur rationalem Verhalten unterliegt. Die Preis- und Kaufentscheidung spiegelt einen Es treten ständig neue internationale Wettbewerber auf. 33 Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche Nachfrager wider, der sich durch eine sinkende Markenloyalität und eine wachsende Preissensibilität auszeichnet (Ebel/Hofer/Al-Sibai 2003: 14 ff.). Das entwickelte Modell ermöglicht Fahrzeuge preislich optimal am Markt zu positionieren. Grundproblem von Unternehmen im Rahmen der Preisbildung ist eine starke Tagesorientierung, welche zu Lasten einer lebenszyklusorientierten, strategischen Preisbildung geht. Dies zeigt sich darin, dass sich preispolitische Aspekte selten in Geschäftsplanungen wiederfinden. Die Rabattpolitik von Unternehmen ist nicht immer systematisch. Damit besitzen Rabatte keinen strategischen Charakter. Die Rabattstrukturen in Unternehmen sind oft historisch gewachsen, repräsentieren also kaum noch die aktuelle Marktsituation (Homburg/Jensen/Schuppar 2004: 2 f.). Dies ist wiederholt auch bei unternehmensintern definierten Prozessen zur Preisbildung zu erkennen. In vielen Fällen sind diese Prozesse zu bürokratisch definiert, aber vor allem sind sie zu unflexibel. Für den Vertrieb wird es dadurch schwer, kundenindividuelle Rabatte zu gewähren oder die Rabattpolitik auf das Verhalten der Kunden abzustimmen. Dies führt nicht nur zu einer suboptimalen Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft, sondern auch zu einer Demotivation der Vertriebsmitarbeiter. Daher kann in diesen Fällen von einer zielgerichteten Ansprache der Kunden keine Rede sein. In Unternehmen werden die Preisentscheidungen mitunter ohne Berücksichtigung der Konsequenzen am Markt durchgeführt. Erst im Nachhinein werden die Auswirkungen erkannt und dann mit ad-hoc Preisentscheidungen reagiert. Dies kann zu unerwünschten Preiskämpfen mit Wettbewerbern führen. Besonders in der Automobilindustrie ist diese Orientierung am Markt bzw. an den Wettbewerbern wichtig, da sich das Wettbewerbsumfeld zunehmend verschärft und intensiviert (Diez 2006: 24 f.). Dies führte dazu, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Anzahl an OEM in der Automobilindustrie mehr als halbiert hat. Wenn die Unternehmen zudem die Preise nicht aktiv steuern und den Anforderungen über den Produktlebenszyklus anpassen, besteht die Gefahr, dass wichtige Preiseinflussfaktoren nicht beachtet werden. Häufig haben Intuition und Improvisation Daten und Fakten abgelöst. Es kommt auch vor, dass keine Transparenz bzgl. der Verantwortlichkeit der Preisbildung im Unternehmen besteht (Homburg/Jensen/Schuppar 2004: 2 f.). Da bei der Preisbildung verschiedene Abteilungen beteiligt sind, können divergierende Ziele auftreten. NAGLE et al. halten fest, dass die erfolgreiche Preispolitik eines Unternehmens mit der Methode, wie Preise festgesetzt werden, steht und fällt (Nagle/Holden/Larsen 1998: 1 ff.). Die vorliegende Arbeit zeigt eine Systematik auf, wie die für die jeweilige Unternehmenssituation relevanten Preiseinflussfaktoren ermittelt, analysiert und für eine Preisbildung verwendet werden können. 34 Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing Bewältigung der Herausforderungen im Unternehmen Auf Basis einer durchgeführten Prozessanalyse im Unternehmen wurde festgestellt, dass der Gesamtprozess zur Preisbildung in der OEM AG diverse Probleme aufweist, wovon die Hauptprobleme im Folgenden kurz erläutert werden: Neben den allgemeinen Herausforderungen im Automobil-Pricing war im Unternehmen festzustellen, dass die Hauptverantwortung für Preisbildung im Controlling lag. Dies hat zur Folge, dass die Preisbildung kostenorientiert ist und die Preise durch eine Zuschlagskalkulation gebildet werden. Dies ist zwar vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Nutzfahrzeugindustrie (verschiedenste Fahrzeugkombinationen) einerseits gerechtfertigt, vor dem Hintergrund der immer preisbewusster werdenden Nachfrager und der zunehmenden Wettbewerbsintensivierung aber als alleinige Ausrichtung nicht mehr tragbar. Eine starke Orientierung am Markt ist unerlässlich. Um dies umsetzen zu können, sind Analysemethoden nötig, mit denen die über den Produktlebenszyklus variierende Nachfragestruktur qualitativ und quantitativ beschrieben werden kann. Im Folgenden sind die wichtigsten Maßnahmen dargestellt, die zur Berücksichtigung einer marktgerechten Preisbildung entwickelt und im Unternehmen integriert wurden. Die im Unternehmen durchgeführte Produktpositionierung sollte um die Analyse von Markerelementen erweitert werden, um die Nachfragestruktur entsprechend der Marktsituation abbilden und durch die Produktpositionierung auf die Situation im Produktlebenszyklus anpassen zu können. Markerelemente sind einzelne Produkte oder Produktbestandteile, deren Preis der Kunde genau zu kennen glaubt und die er als Basis für die Preiseinschätzung eines Gesamtproduktes oder einer gesamten Produktpalette verwendet (Vocatus AG 2002: 5). Damit haben Markerelemente eine Signalwirkung für das Fahrzeug bzw. für das ganze Sortiment oder die gesamte Marke. Markerelemente sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Nachfrager eine hohe Schätzsicherheit für sie angibt, weil er den Preis exakt zu kennen glaubt und deshalb Rückschlüsse auf die Preisgünstigkeit des gesamten Fahrzeugs zieht (Vocatus AG 2002: 5). Für Unternehmen sind Markerelemente wichtig, da mit deren Kenntnis die Zahlungsbereitschaft maximal abgeschöpft bzw. vermieden werden kann, dass Preise über dem Erwartungsniveau liegen. Im bestehenden Prozess zur Preisbildung der OEM AG fließen die Analysen der Markerelemente jedoch bisher nicht ein. Mit dieser Analyse könnte die Nachfrage mit Hilfe quantitativer Elemente eingeschätzt werden und die Preisbildung würde stärker auf Orientierungsgrößen der Märkte beruhen. Markerelemente sind Orientierungsgrößen für die Preisbildung. Um eine marktgerechte Preisstruktur zu definieren, muss neben den Markerelementen, die Informationen über das Preiswissen vermitteln, auch das Preisinteresse und die Preisbewertung der Nachfrager ermittelt werden. Diese Komponenten geben ein qualitatives Bild über die Zahlungsbereitschaft und stellen die Basis einer marktgerechten Preisgestaltung dar. 35 Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche Durch die Ermittlung des Preisinteresses im relevanten Marktsegment lässt sich im Rahmen der Vermarktung den Nachfragern genau die Quantität und Qualität an Information zur Verfügung stellen, die sie in ihrem Entscheidungsprozess zur Adoption benötigen. Daher können den Zielgruppen im Rahmen der Vermarktung gezielte Informationen bereitgestellt werden. Außerdem ist die Intensität des Preisinteresses ausschlaggebend für den Grad des Preiswissens. Schließlich führen Nachfrager mit hohem Preisinteresse ihre Kaufentscheidung auf umfangreiche Informationen zurück. Nachfragern mit geringem Preisinteresse hingegen müssen weitaus weniger Informationen zur Verfügung gestellt werden, da sie diese zur Kaufentscheidung nicht nutzen. In diesem Fall sollte die Marke im Vordergrund der Vermarktung stehen. Markerelement N Bruttopreis für kundenindividuelles Fahrzeug Sonderausstattung Markerelement B Markerelement A Markerelemente des Grundfahrzeugs Bruttopreis für Grundfahrzeug Markerelement ... Sonder ausstattung N Sonder ausstattung ... Sonder ausstattung B Sonder ausstattung A marktspezifische Rabatte Serienausstattung Nettopreis für Grundfahrzeug Grundfahrzeug Gewinnspanne marktgerechte Gemeinkostenverteilung Kosten Abb. 1: Preisbildung im Controlling mithilfe der Markerelemente (eigene Darstellung) 36 Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing Wie in Abb. 1 zu erkennen ist, kalkuliert das Controlling das Fahrzeug bzw. die Fahrzeugausstattungen auf Basis der zugrundeliegenden Kosten. An dieser Stelle sollte die Ermittlung der kostenorientierten Preiseinflussfaktoren abgeschlossen sein. Durch die ermittelten nachfrager-, markt-, wettbewerbs-, und kostenorientierten Preiseinflussfaktoren kann eine marktgerechte Kosten- und Preisstruktur definiert werden. Dabei spielt die marktgerechte Gemeinkostenverteilung eine wichtige Rolle (s. Abb. 2). An dieser Stelle werden die Informationen des Vertriebs bzw. des Marketings für eine marktgerechte Gemeinkostenverteilung benötigt, um eine marktgerechte Kostenstruktur zu definieren. Daher muss der Vertrieb bzw. das Marketing auf Basis der Preiseinflussfaktoren dem Controlling Informationen liefern, welche Fahrzeuge aufgrund der Nachfrage-, Markt- und Wettbewerbsstruktur mehr Gemeinkosten tragen können. Ferner sind dem Controlling die Preisbausteine mitzuteilen, an denen der Nachfrager die Preisgünstigkeit für das Gesamtfahrzeug festmacht. Dadurch wird es möglich, die Gemeinkosten zwischen den Fahrzeugen marktgerecht zu verteilen und den Nachfrager optimal hinsichtlich seiner Preiseinschätzung auf das gesamte Fahrzeug zu beeinflussen. Ziel ist die Definition einer marktgerechten Preisstruktur auf Basis einer marktgerechten Kostenstruktur. Fahrzeug A Kosten, Preis Zahlungsbereitschaft Preisbewertung + Preiswissen + Preisinteresse Gewinnspanne Fahrzeug B Kosten, Preis Zahlungsbereitschaft Preisbewertung + Preiswissen + Preisinteresse Eine marktgerechte Preisbildung wird durch eine Verteilung der Gemeinkosten nicht der Tragfähigkeit der einzelnen Produktgruppen erreicht. Fahrzeug C Kosten, Preis Zahlungsbereitschaft Preisbewertung + Preiswissen + Preisinteresse Gewinnspanne Gemeinkosten Gemeinkosten Gemeinkosten Einzelkosten Einzelkosten Einzelkosten Abb. 2: Marktgerechte Verteilung der Gemeinkosten (eigene Darstellung) 37 Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche Mit diesen Informationen kann das Controlling eine marktgerechte Kostenstruktur definieren. Dies erfolgt auf Basis einer marktgerechten Gemeinkostenverteilung im Rahmen der Kostenrechnung. Schließlich werden die Gemeinkosten im Rahmen der Kostenrechnung nach gewissen Schlüsseln nicht verursachungsgerecht verteilt. Mit den Informationen über das Preisinteresse, Preiswissen und der Preisbewertung ist ein Unternehmen in der Lage, die Gemeinkosten so auf die Fahrzeuge zu verteilen, dass ein marktgerechter Preis entsprechend der Marktsituation bestimmt wird. Schließlich wird sich die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager, das Preiswissen oder das Preisinteresse im Verlaufe des Produktlebenszyklus oder entsprechend der Markt- und Wettbewerbssituation verändern. Auf diese Veränderungen kann das Unternehmen durch das aufgebaute Know-How flexibel reagieren. Nutzen für das Unternehmen Aufgrund der Implementierung des entwickelten Modells zur Preisbildung im Unternehmen konnten bestehende Prozesse verbessert werden. Der durch das Modell gestiftete Nutzen wird im Folgenden dargestellt. Die Orientierung an der Diffusionstheorie hilft, die Nachfrager über den Produktlebenszyklus charakterisieren zu können. Zusammen mit dem Produktlebenszyklus besitzt die OEM AG die Möglichkeit, die geeigneten, am Markt nachgefragten und vom Wettbewerb differenzierten Fahrzeugausstattungen, zu definieren. Da die Preiseinflussfaktoren dauerhaft über den Produktlebenszyklus ermittelt werden, können neue Fahrzeugausstattungen auch während des Produktlebenszyklus‘ bestimmt werden. Davon abgeleitet können Modellpflegen und Nachfolgegenerationen eingeführt werden. Schließlich ändert sich die Marktund Nachfragestruktur im Zeitverlauf. Wettbewerber führen neue Fahrzeuge ein, verbessern bestehende Fahrzeuge durch Modellpflegen oder die Bedürfnisse der Nachfrager verändern sich. Auf diese Veränderungen muss ein Unternehmen jederzeit reagieren können. 38 Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing Nutzen des Modells zur Preisbildung im Beispielunternehmen Verantwortliche Abteilung im Unternehmen • Verbesserte Zusammenarbeit zwischen Marketing, Vertrieb, Controlling und Entwicklung (transparente Daten). • alle • Quantitative Identifikation der Nachfrager-, Markt- und Wettbewerbsstruktur (Forderung des Vertriebs/Marketings sind Daten und Fakten). • Vertrieb/Marketing • Gezielte Positionierung möglich (Identifikation benötigter Fahrzeugeigenschaften über PLZ). • alle • Identifikation des richtigen Zeitpunktes für Modellpflegen und/oder Nachfolgegenerationen. • Vertrieb/Marketing • Marktgerechte Kosten- und Preisstruktur wird auf Basis von Daten und Fakten (PEF) ermittelt. • alle •Bereitstellung von Informationen für eine marktgerechte Gemeinkostenverteilung (Welche Fahrzeuge können mehr/weniger Gemeinkosten tragen?). • Vertrieb/Marketing • Definition einer marktgerechten Kostenstruktur durch eine marktgerechte Gemeinkostenverteilung. • Controlling • Definition einer marktgerechten Preisstruktur durch eine marktgerechte Kostenstruktur und durch die Ermittlung von Preisinteresse, Preiswissen und Preisbeurteilung. • Vertrieb/Marketing • Gezielte Anspache der Nachfrager im Rahmen der Vermarktung auf Basis einer marktgerechten Preisstruktur. • Vertrieb/Marketing Abb. 3: Nutzen des Modells zur Preisbildung in der OEM AG (eigene Darstellung) Vertrieb und Marketing können mit Hilfe der Preiseinflussfaktoren Fahrzeugeigenschaften, Fahrzeugausstattungen oder die geforderte preisliche Positionierung des Fahrzeugs durch Daten und Fakten hinterlegen. Da zunächst die Nachfragestruktur mithilfe von Preisbewertung, Preisinteresse und Preiswissen ermittelt wird, kann eine optimale Abschöpfung der Zahlungsbereitschaften der Nachfrager über den Produktlebenszyklus im Zusammenspiel zwischen Kosten, Markt und Wettbewerber erfolgen. Diese Daten und Fakten, welche durch die nachfrager-, markt- und wettbewerbsorientierten Preiseinflussfaktoren geschaffen werden, sind besonders für eine marktgerechte Gemeinkostenverteilung zur Definition einer marktgerechten Preisstruktur nötig. Der Vertrieb bzw. das Marketing kann dem Controlling durch belastbare Daten mitteilen, welche Fahrzeuge aufgrund der Marktsituation mehr bzw. weniger Gemeinkosten tragen müssen. Dadurch wird dem Controlling die Grundlage für eine marktgerechte Preisstruktur zur Verfügung gestellt. …möglich den veränderten Wettbewerbsbedingungen und zunehmendem Preisdruck mit Struktur und Transparenz zu begegnen. Durch die Implementierung des Modells zur Preisbildung in die bestehende Unternehmens- und Prozessstruktur konnten der OEM AG hilfreiche Informationen zur aktuell anstehenden Preisgestaltung bzgl. der Markteinführung geliefert werden. Zudem wurde der Fokus des Unternehmens über die Erstpreispositionierung hinaus auf anstehende Preisentscheidungen im Zeitverlauf (beispielsweise im Rahmen einer Modellpflege oder einer Nachfolgegeneration) gelegt. Die Situation 39 Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche der unklaren Verantwortlichkeiten wird durch einen transparenten und systematisch aufgebauten Prozess zur Preisbildung mit klar definierten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Rahmen der Preisbildung ersetzt. Die OEM AG verfügt nun über einen Prozess zur Preisbildung, welcher am bestehenden Prozess im Unternehmen angelehnt ist und die verschiedenen Tätigkeiten in den Abteilungen verbindet. Dadurch lassen sich einige Synergien nicht nur innerhalb von Abteilungen, sondern auch abteilungsübergreifend erzeugen. Mit dem entwickelten Modell zur Preisbildung ist es also möglich, den veränderten Wettbewerbsbedingungen und dem zunehmendem Preisbewusstsein der Nachfrager mit Struktur und Transparenz zu begegnen. Quellen DIEZ, W. (2006): Automobil-Marketing: Navigationssystem für neue Absatzstrategien. 5. Auflage. Landsberg am Lech: mi-Fachverlag, Redline GmbH EBEL, B.; HOFER, M.B.; AL-SIBAI, J. (2003): „Trends in der Automobilindustrie: Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit zwischen Zulieferer, Hersteller und Händler“. In: Automotive Management: Strategie und Marketing in der Automobilwirtschaft. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag, S.13-38 HOMBURG, C.; JENSEN, O.; SCHUPPAR, B. (2004): Pricing Excellence – Wegweiser für ein professionelles Preismanagement. Institut für Marktorientierte Unternehmensführung an der Universität Mannheim. Reihe: Management KnowHow Nr. M90 NAGLE, T.T.; HOLDEN, R.K.; LARSEN, G.M. (1998): Pricing – Praxis der optimalen Preisfindung. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag VOCATUS AG (2002): „Psychologische Preisoptimierung“. In VOCATUS AG, “Feedback”. Jg 3. Ausg 4. München: Verlag StrukturPlan – http://www.vocatus.de/publikationen/feedback.php, abgerufen am 05.08.2012 – VOCATUS AG: Marktforschung & Beratung 40 Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel Kurzfassung Abstract Der E-Commerce spielt in der Zukunft des Einzelhandels eine entscheidende Rolle. Ein weltweites Umsatzvolumen von mehr als einer Billion US-Dollar, welches stetig zweistellig wächst, bietet Platz für neue Absatzkonzepte und Vertriebswege. Dies offenbart großartige Chancen für den stationären Einzelhandel. Trotzdem wird mehr als ein Drittel des Marktes von den so genannten Internet Pure Playern besetzt, obwohl aus Studien ersichtlich wird, dass Multichannel-Konzepte immer wichtiger werden. Obwohl das Onlineshopping einen entscheidenden Stellenwert bei der Internetnutzung hat, fällt es dem stationären Handel schwer, den Weg in den E-Commerce zu finden. Dieser Artikel gibt einen ersten Einblick zur Situation des E-Commerce sowie den Herausforderungen denen Händler gegenüberstehen. Des Weiteren werden Sortimentsbereiche mit Potenzial sowie Positionierungsstrategien und Möglichkeiten zum Ausstieg aus der sich abwärts drehenden Preisspirale vorgestellt. E-commerce is going to play a crucial role in the future of retailing. The global sales of more than one trillion US dollars is constantly increasing by double digits. This fact offers many possibilities for new sales concepts and channels as well as great opportunities for retail. However, more than a third of the market is occupied by so called pure players, although it became apparent by a number of studies that multichannel concepts are getting more and more important. Although online shopping has a decisive role in Internet use, it seems difficult for traditional retailers to find their way into e-commerce. This article provides an insight into the current situation of e-commerce and the challenges retailers face. Furthermore products with potential as well as positioning strategies and options are presented to avoid the downward price spiral. Schlüsselwörter: E-Commerce, Webshops, Onlineshops, Internetkonsumverhalten, Suchtrends, Internethandel, Distanzhandel, Interaktiver Handel, Multichannel, Preisstrategien Keywords: E-Commerce, webshops, online shops, internet consumer behavior, search trends, internet trade, distance trade, interactive trade concepts, multichannel trade, pricing strategies Prof. Christoph Ewert ist Professor für Marketing und Unternehmensstrategie an der Hochschule Karlsruhe. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Konsumgütermarketing, wobei er sich besonders für die Themen Personality Marketing und Kundenorientierung interessiert. Kontakt: [email protected] Klaus Kallenbrunnen, Absolvent des Bachelorstudiengangs International Management 41 Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen Entwicklung des E-Commerce Der Onlinehandel in Deutschland wächst seit Jahren durchweg zweistellig. Der E-Commerce, auch interaktiver Handel, spielt in der Zukunft des gesamten Einzelhandels eine tragende Rolle. Der E-Commerce zeichnet sich dadurch aus, dass Waren elektronisch im Internet abgebildet werden, und der Kunde seinen Kauf per Fernübertragung über das Internet tätigt. Die steigende Bedeutung des E-Commerce wird unter anderem durch die nahezu flächendeckende Verbreitung des Internets und das sich ändernde Medienkonsumverhalten begünstigt. 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 E-Mails senden / empfangen Surfen im Internet Onlineshopping Videos im Internet ansehen Community, Social Networks Onlinebanking Onlineauktionen Chatten Software-Downloads Zeitungen / Zeitschriften online 14 bis 49 Jahre ab 50 Jahre Abb. 1: Die häufigsten Elemente der Internetnutzung in Deutschland (Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich) (Paperlein 2013: 19) Wie ersichtlich wird, ist Onlineshopping bereits der dritthäufigste Grund der Internetnutzung. Deutlich wird dies nicht nur an beachtlichen Umsatzzahlen, sondern auch am kontinuierlichen Wachstum der Branche. Der Onlinehandel in Deutschland ist eine Wachstumsbranche, die sich seit Jahren durchweg mit zweistelligen Wachstumsraten entwickelt. Laut Zahlen des IFH-Branchenreports Online-Handel setzte der Onlinehandel 2012 fast 33 Milliarden Euro über das Internet in Deutschland um. Dies entspricht einem Wachstum von nahezu 15 % Prozent im Vergleich zu 2011. Der Anteil am stationären Einzelhandel ist dabei mit 7,7 %(2007: 3%) noch relativ gering. Wenn jedoch das stagnierende Wachstum im stationären Einzelhandel herangezogen wird, so ist es nur eine Frage der Zeit, bis der E-Commerce bedeutendere Marktanteile einnimmt. Wenn dann FMCG (FastMoving Consumer Goods/Schnelldrehende Produkte), wie Körperpflegeprodukte oder Nahrungsmittel aus dem Umsatz des stationären Einzelhandels und dem des E-Commerce herausgerechnet werden, so steigt der Marktanteil des E-Commerce auf 14,2 % vom gesamten Einzelhandel. Die wachstumsstärksten Marktteilnehmer im 42 Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel E-Commerce sind dabei die Unternehmen, die ihren Handel ausschließlich über das Internet abwickeln. Diese Internet Pure Player nehmen laut Expertenschätzungen einen Marktanteil von mehr als einem Drittel aller E-Commerce-Unternehmen ein (Internet World Business, Neue E-Commerce-Zahlen). Die rasante Entwicklung der Internet Pure Player zeigt, dass der stationäre Handel noch nicht die Potenziale des E-Commerce für sich entdeckt hat. Ein möglicher Indikator dafür könnte sein, dass die Branche sich zu rasant weiterentwickelt. Innovationen und neue Möglichkeiten der Interaktion erfinden sich stetig von selbst neu. Viele stationäre Händler sind mit ihrem Tagesgeschäft ausreichend beschäftigt und können den Trends oftmals nicht folgen. Florian HEINEMANN, profunder Kenner der deutschen E-Commerce-Szene, rät in diesem Zusammenhang: „Wenn ich ein mittelständisches Handelsunternehmen wäre, dann würde ich mir den cleversten 26-Jährigen suchen, den ich finden kann, ihm viel Verantwortung geben und mich darauf beschränken, zu schauen, dass er mit meinem Geld keinen Unfug macht […]“. HEINEMANN führt weiter aus: „Das Medienkonsumverhalten von Leuten wandert unaufhaltbar ins Internet und Richtung Mobile.“ Oftmals sind die Onlinesparten von E-Commerce-Händlern, welche ihr stationäres Geschäft um einen Vertriebskanal erweitern, deshalb unrentabel, weil es an Skaleneffekten mangelt. Dies basiert darauf, dass die Onlinesparten von Multichannelunternehmen oftmals „stiefmütterlich“ behandelt und in den meisten Fällen nahezu komplett outgesourced werden. In der Regel wollen sich die Unternehmen auf das eigene stationäre Kerngeschäft konzentrieren, da hier eine solide Basis vorhanden ist. Dabei vernachlässigen diese Unternehmen den schnell wachsenden E-Commerce. Dieser Umstand erschwert den Aufbau und das Verständnis für einen produktiven neuen Absatzkanal. Daraus folgt, dass sich keine Lerneffekte einstellen und der Aufbau von Wissen im Bereich der branchenbegleitenden Betätigungsfelder nicht stattfinden kann (Zimmer 2013:5). Diese Probleme stellen aber vermutlich nur eine Momentaufnahme dar, denn laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Forrester Research im Bereich „Online“ wird der Umsatz in Westeuropa, gemäß Ergebnissen der Studie im Bereich B2C, von 112 auf 191 Milliarden Euro im Jahr 2017 steigen. Die durchschnittliche jährliche Steigerungsrate (CAGR) für den Onlinehandel wird auf 11 Prozent geschätzt (vgl. Kemper 2013: 1). Einordung des E-Commerce Durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien haben sich auch die Betriebsformen im Einzelhandel weiterentwickelt. Besonders das Internet hat zur Verbreitung neuer Technologien maßgeblich beigetragen und schafft eine neue Grundlage für Geschäftsbereiche die mittlerweile als Electronic Business bekannt sind. Das Electronic Business nutzt die Realtime-Kommunikation für Das Internet hat zur Verbreitung neuer Technologien beigetragen und schafft Geschäftsbereiche. 43 Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen geschäftliche Transaktionen über das Internet nahezu ohne zeitliche Verzögerung. Der Leistungsaustauschprozess durch elektronische Netze ist hierbei als konstitutives Merkmal gesetzt. Der Transfer zum Handel ist dahingehend gegeben, dass vor allem im Distanzhandel auf diese Art der Kommunikation zurückgegriffen wird (vgl. Olderog 2003: 2 f.) Die folgende Abb. 2 zeigt die Einordnung der Betriebsform E-Commerce (OnlineShopping) innerhalb des Electronic Business und unterhalb des Versandhandels. Neben dem Versandhandel wird innerhalb der Abb. 2 die Nähe zum stationären Handel illustriert, da die Verbindung zwischen stationär und online beidseitig immer wichtiger wird und immer größere Bedeutung erlangt. Diese Verbindung wird als Multichannel bezeichnet: Einzelhandel / Detailhandel Versand- / Distanzhandel Sonstiges Universalversand Tankstelle Kiosk Automaten Spezialversand Electronic Business Telefonverkauf Teleshopping Infomercials Online-Shopping E-Mails Stationärer Handel Ladengeschäfte Fachgeschäft Spezialgeschäft Warenhaus Verbrauchermarkt Fachmarkt Ambulanter Handel Straßenhandel Markthalle Wanderhandel Verkaufsschiff / Butterfahrten Kaffee-Fahrten Direkt- und Strukturvertrieb Legende: Multichannel (potentielle) Kanäle für Onlineshops Abb. 2: Betriebsformen im Einzelhandel, jeweils mit einzelnen Ausprägungen (eigene Darstellung angelehnt an Kotzab & Madlberger2002: 119) Herausforderungen, Anreize und Erfolgskriterien beim Gang ins Internet Google Trends ermöglicht durch normalisierte Nachfrageentwicklungen im Internet Rückschlüsse auf Markt- und Produktentwicklungen. 44 Die Anreize, den Schritt in den E-Commerce zu wagen, sind sehr hoch. Fast täglich starten neue Onlineshops ihre Webpräsenzen. Anderseits ist der Weg auch mit Risiken verbunden. Ein Einstieg muss strategisch sinnvoll geplant sein und auf eine zuvor geplante, langfristige Entwicklung und Ausrichtung fixiert sein. Gerade im Einzelhandel ist es wichtig, dass Produktpotenziale richtig eingeschätzt werden. Deshalb ist zu überprüfen, ob das zur Verfügung stehende oder geplante Produktportfolio im Internet nachgefragt wird. Hierbei helfen Tools wie das von Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel Google kostenfrei zur Verfügung stehende Google Trends. Hieraus können normalisierte Nachfrageentwicklungen im Internet auf Basis von Suchanfragen abgeleitet werden. Zur Illustration wird in Abb. 3 die Suchanfrage „Schuhe online“ mit der Suchanfrage „Schuhe Zalando“ verglichen: 100 80 60 40 20 2005 2007 2009 2011 2013 Abb. 3: Google Trends Analyse für die Suchanfrage „Schuhe online“ (grün) und „Schuhe Zalando“ (schwarz), Interesse im zeitlichen Verlauf von 2004 bis Juli 2013 (Google Inc. 2013) Daten sind normalisiert; 100 kennzeichnet das höchste Suchvolumen Es wird deutlich, dass die Nachfrage nach Schuhen ihre maximale Nachfrage zwischen 2010 und 2011 erhalten hat (in diesem Zeitraum startete auch Zalando). Derzeit ist der Trend für „Schuhe online“ eher rückläufig. Wenn man allerdings die Entwicklung im Zusammenhang mit „Schuhe Zalando“ betrachtet, liegt die Vermutung nahe, dass die generische (allgemeine) Suchanfrage für „Schuhe Online“ durch die Eingabe „Schuhe Zalando“ ersetzt wurde. Hieraus kann noch keine Kausalität abgeleitet werden, jedoch ist dies ein erstes Indiz und soll illustrieren, wie man die Nachfrage des Marktes bzw. die Stärke von Wettbewerbern im Internet nachfragebedingt beurteilen kann. Auch wenn dieses Werkzeug trivial erscheint, sollte es mit Bedacht genutzt werden. Besonders beim Rückschluss von Suchanfragen auf Marktbedürfnisse kann es zu großen Missverständnissen bzw. potenziellen Fehlinterpretationen kommen. Schließlich ist nicht das Ziel, das Suchvolumen innerhalb einer Suchmaschine für einen generischen Begriff zu evaluieren, sondern Suchanfragen, die speziell auf einen Onlinekauf abzielen, zu analysieren und dieses Potenzial zu identifizieren. Zusätzlich muss vor dem Einstieg im E-Commerce beachtet werden, dass es im Internet sehr schnell zu einer ausgeprägten Konkurrenzsituation kommen kann. Durch die fortschreitende Entwicklung der Informationstechnologie im E-Commerce wird es immer einfacher, einen Onlineshop zu eröffnen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass der eigene Shop sich deutlich vom Wettbewerb abhebt. Eine Möglichkeit 45 Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen der Differenzierung ist beispielsweise der Preis, welcher im Internet hohem Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Die Preistransparenz ist deutlich höher als die des stationären Handels. Deshalb gilt es zu Beginn, die eigene Preissituation sowie die Einkaufskonditionen intensiv zu prüfen. Sollte trotz schwieriger Preissituation entschieden werden, den Weg ins E-Commerce zu gehen, so muss Mehrwert für den Nutzer bzw. Käufer innerhalb des Shops geschaffen werden. Ein Mehrwert kann beispielsweise schon eine sehr gute Lieferfähigkeit oder auch eine ausführliche und nutzenorientierte Produktbeschreibung sowie Zusatzleistung am Produkt sein. Durch die Anonymität im Internet, geht es vor allem darum, Vertrauen auf Seiten der Käufer aufzubauen. Neben Vertrauenssiegeln von unabhängigen Instituten bzw. Anbietern können auch diverse Bezahlmöglichkeiten (bspw. Rechnungskauf) zur Vertrauensbildung und zur Differenzierung beitragen. Damit sich der Webshop vom Wettbewerb abheben kann, müssen Konsumenten ein Erlebnis während des Einkaufens erfahren, welches sie bei anderen Shops im Internet und der gleichen Branche nicht finden. Eine hohe Produktvielfalt kombiniert mit einer sinnvollen Navigation, sowie einer akribischen Aufbereitung und Darstellung der Produkte, kann hier maßgeblich zum Erfolg beitragen. Ein kompetenter und gut verfügbarer Kundenservice mit Fachberatern unterstützt das Shoppingerlebnis (Internet World Business online 2013). Zur Überprüfung der eigenen Positionierung im Vergleich zum Wettbewerb eignet sich besonders die Erfassung und Bewertung von Qualitätsmerkmalen anhand einer 10-Punkteskala. Die Ergebnisse werden dann in ein Spinnwebdiagramm übertragen. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, Positionierungsmerkmale, welche vom Markt noch nicht besetzt sind, zu identifizieren. Diese Strategie bietet sich unter anderem auch zur Nischenfindung an. 46 Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel Abb. 4: Beispiel zur Illustration von Differenzierungs- und Positionierungsmerkmalen verschiedener Onlineshops, dargestellt sind Ergebnisse einer Mini-Studie der Fachhochschule Wedel, (Emamifard 2012) Länder mit Potenzial Ist die Entscheidung für den Weg ins E-Commerce gefallen, stellt sich die Frage nach der Ausrichtung des Verkaufs über das Internet. Ein globaler Start scheidet in der Regel aufgrund der Komplexität bezüglich Logistik, rechtlicher Rahmenbedingungen und auch der Aufbereitung der Inhalte, vor allem in Bezug auf Mehrsprachigkeit und Lokalisierung, aus. Somit bietet sich in der Folge eine länder- oder auch sprachenspezifische Ausrichtung an. Vorteilhaft ist auch das Nutzen von Freihandelszonen wie beispielsweise die EU, NAFTA oder Mercosur. Die USA, China und Japan sind hier die umsatzstärksten Länder, wobei in Deutschland die Käuferpenetration sehr hoch ist. Eine Statistik des Marktforschungsunternehmens eMarketer schätzt, dass das Umsatzvolumen im E-Commerce 2013 weltweit ungefähr 1.200 Milliarden US-Dollar umfassen wird, was einer Steigerung von ungefähr 17 % zum Vorjahr weltweit entspricht. Vor allem die USA, China und Japan sind hier die umsatzstärksten Länder. Interessant ist, dass Deutschland nach dem Vereinigten Königreich die höchste Käuferpenetration innerhalb der Internetnutzer hat. 80,8 % der Internetnutzer in Deutschland haben demnach schon mindestens einmal im Internet etwas eingekauft (vgl. Abb. 5). 47 Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen 0 100 200 400 395,3 USA China 181,6 118,6 Japan 99,2 Vereinigtes Königreich 53,0 Deutschland Frankreich 300 37,0 Australien 26,8 Kanada 24,3 Spanien 21,6 Italien 19,8 Abb. 5: Top eCommerce Länder nach Umsatzvolumen weltweit (Angaben in Mrd. US-Dollar) (eigene Darstellung, angelehnt an emarketer 2013) Es wird deutlich, dass vor allem der europäische Raum mit Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Spanien und Italien mit zusammen 230,6 Milliarden US-Dollar Umsatzvolumen (Dies sind bereits mehr als 58 Prozent des Umsatzvolumens der USA im E-Commerce.), sehr lukrativ ist. Begünstigt wird dies durch die gemeinsame Freihandelszone. Nachfrageorientierte Sortimentswahl Kleidung, Schuhe, Bücher, Zeitungen, Reisen, Tickets, Computer und Software sind die gefragtesten Sortimentsbereiche bei Internetnutzern. 48 Das IFH Köln veröffentlichte in seinem Branchenreport Online-Handel 2013 eine Statistik, in der Sortimentsbereiche mit dem stärksten Wachstum zwischen 2007 und 2012 illustriert wurden. Hieraus wird deutlich, welche Sortimentsbereiche mit Potenzial noch zur Verfügung stehen und nicht ausreichend besetzt sind (vgl. Abb. 6): Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel Entwicklung verschiedener Sortimentsbereiche im Zeitverlauf 20 15 10 5 0 Fashion & Access. Schmuck & Uhren CE/Elektro 2007 4,9 4,1 8 2012 16,8 9,7 17 Heimwerk & Garten Wohnen & Einrichten Büro & Schreibw. Freizeit & Hobby 1 2,7 5,2 9,2 0,5 3,9 3 2,6 7,4 15,1 15,8 0,8 9,3 7,7 FMCG Health & Wellness Einzelhand. el i.e.S. Abb. 6: Anteil Online-Handel am Gesamtumsatz einzelner Sortimentsbereiche in Deutschland (in Prozent) (eigene Darstellung angelehnt an IFH Köln 2013: 11) Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Entwicklungen der Bereiche Fashion & Accessoires sowie Schmuck. Gemeinsam setzen die beiden Sortimentsbereiche mehr als ein Viertel des gesamten E-Commerce-Umsatzes um, was auch ein Anzeichen für die Verschärfung des Wettbewerbs in diesem Bereich ist. Eine ergänzende Nielsen-Studie zeigt, dass Kleidung, Schuhe, Bücher, Zeitungen, Reisen, Tickets, Computer und Software die gefragtesten Sortimentsbereiche bei Internetnutzern sind. Welche Produkte planen Sie in den nächsten drei bis sechs Monaten online zu kaufen? 11 11 11 7 10 7 39 29 15 16 28 16 26 17 17 19 24 Kleidung / Schuhe Bücher / Zeitungen Reisen Tickets Computer / Software Haushaltsgeräte Videos / Musik Kosmetik Computer / Hardware Möbel, Dekoartikel Spielzeug / Blumen Mobiltelefon Gesundheitsprodukte Heimtierbedarf Auto / Zubehör Lebensmittel Reinigungsmittel Abb. 7: Was Kunden online kaufen wollen (Deutschland, Mehrfachnennungen möglich, in Prozent) (eigene Darstellung, angelehnt an etailment 2013: 13) 49 Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen Abschließend wird deutlich, dass es im Internet durchaus noch einige Nischen mit Potenzial für die Zukunft gibt, in denen man sich als Händler strategisch gut positionieren kann. Wichtig ist die marktseitige Nachfrage korrekt zu bestimmen, und die Preissituation sowie den eigenen Standpunkt realistisch zu beurteilen. Strategische Positionierung und Sortiment Die richtige Positionierung im Markt, sowie eine passende Sortimentsausrichtung entscheiden über Erfolg oder Misserfolg. Damit der Webshop vom Markt wahrgenommen wird, ist es notwendig, eine Positionierungsstrategie zu wählen. Die Positionierung ist eine Grundsatzentscheidung und dient in der Regel zur Differenzierung vom Wettbewerb (Ausnahme: Nachahmer). Das Ziel der Positionierung ist es, einen strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Wettbewerb zu verwirklichen, sodass hieraus ein Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition) entsteht. Dafür muss zwischen vier Positionierungsstrategien entschieden werden. Ob Qualitätsführer, Nachahmer, Kostenführer oder Nischenfokus muss unternehmens- und situationsabhängig entschieden werden (vgl. Abb. 8). Qu ft ha ) c rs ip re inz h fü -Pr en ger t s li Ko (Bil Ni (K sch on en ze st nt rat ra eg tio ie n) a (B litä es tsf se üh r-P re rin rsc zi ha p) ft Wettbewerbsstrategien Markt ) er eter m i h b ha van c i Na nat r lte (A Abb. 8: Erweiterte Wettbewerbsstrategien orientiert an Porter (eigene Darstellung und Erweiterung, angelehnt an Pfaff 2004: 151) 50 Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel Neben der grundsätzlichen Positionierung der Unternehmung im Wettbewerb muss entschieden werden, wie das Produktportfolio ausgerichtet werden soll. Es gilt zwischen einem diversifizierten oder spezialisierten Portfolio zu entscheiden. Diese Entscheidung wirkt sich dann auch maßgeblich auf die Gestaltung und den Aufbau des Webshops aus. Ein sehr stark diversifiziertes und breites Produktportfolio, wenig Varianten aber viele Warengruppen, findet sich beispielsweise auf Marktplätzen, wie Amazon oder eBay. Das Problem dabei ist, dass dem Konsumenten keine gute Orientierung und wertvolle Beratung über die vielen verschiedenen Sortimentsbereiche geboten werden kann. Dem gegenüber steht die Spezialisierungsstrategie, die sich in einem fokussierten Produktspektrum und einer hohen Sortimentstiefe äußert. Diese Ausrichtung des Sortiments wird meist in Kombination mit einer Nischenstrategie erfolgversprechend umgesetzt. Das Aufgabenfeld von Webshops mit spezialisierten tieferen Sortimenten deckt zwar nur einen kleinen Bereich (die Nische) ab, bedient diese aber effizienter als dies andere Wettbewerber könnten. Im Idealfall lässt sich eine Monopolstellung entwickeln und anschließend weiter ausbauen. Entwicklung des stationären Handels Wie wichtig das Thema online für den stationären Handel ist und wird, zeigt eine Studie von de facto Research, wonach der Kaufprozess von onlineaffinen Menschen analysiert wurde. Hiernach informieren sich 30 % der potenziellen Käufer primär online am Computer und 26 % im Kaufhaus. Die Entscheidung, dass ein Kaufprozess stattfinden wird, fällt bei 24 % der Kunden stationär in der Filiale, jedoch wird der Kauf letztendlich immer mehr im Internet durchgeführt. Dieses Ergebnis zeigt, dass das Cross-Channel-Marketing immer bedeutsamer wird. Wichtig dabei ist, dass man nicht die Augen gegenüber dem Medium online verschließt, sondern sich dort bewegt, wo der Konsument bevorzugt unterwegs ist (Thommes 2013: 30). Der Multichannelvertrieb ist von entscheidender Bedeutung und ermöglicht dem stationären Handel die Nutzung von Synergien. Das Problem des Internets in Zusammenhang mit dem stationären Handel sind negative Preisspiralen. Viele stationäre Unternehmen nutzen mangelnde regionale Preistransparenz aus, was im Multichannel nicht funktionieren kann. Das Strategieberatungsunternehmen OC&C sieht das Problem vor allem im Bereich der Branche Elektronik. Elektronikhändler sind in der Regel regionale Preissetzer. Doch wie kann der Spagat zwischen stationär und online, bzw. die Abwärtsspirale der Preise im Internet gestoppt werden, um dem Billig-Trend entgegenzuwirken? Hierbei ist primär entscheidend, in welcher Branche man sich befindet. Im Regelfall wird zwischen drei großen Branchen im E-Commerce unterschieden. Zum einen gibt es preisunproblematische Branchen wie Bücher, die der Preisbindung gesetzlich unterworfen sind. Die zweite Branche ist die Fashionbranche. Hier ist der Preiskampf im Regelfall auch nicht gegeben, da dieser Markt oft marken- und herstellerdominiert ist, was für Preisstabilität sorgt. Anders ist es im dritten Bereich, nämlich der Elektronik. Hier gibt es sehr viele Substitute und die Produkte sind einfach miteinander zu vergleichen. Eine Lösung, sich dem zu entziehen, ist der Vergleichbarkeit 51 Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen aus dem Weg zu gehen. Möglich wird dies, indem man Eigenmarken etabliert oder einfache Produkte zu konfigurierbaren individuellen Produkten umwandelt. Derartige Ansätze finden sich immer mehr im E-Commerce. Der FashionVersandhändler Zalando versucht unter einer eigenen Marke namens „Kiomi“ seine Margen- und Ertragssituation zu verbessern. Eine andere Möglichkeit, dem aggressiven Preiskampf zu entgehen, ist den Fokus auf Kundenbindung und Mehrwert des Shops zu legen. Ziel muss es sein, Anbieter des Vertrauens zu werden. Der Fokus liegt dann nicht mehr auf dem Preis, sondern auf dem Service und der Identifikation des Kunden mit dem Produkt, der Marke oder dem Shop. Strategien gegen den Preisverfall Dem Preisverfall kann durch mehrere Strategien ausgewichen werden. Derzeit gibt es im Online-Bereich vier verschiedene Ansätze, dem Preisverfall zu entgehen. Erstens bietet die Entkoppelung von stationär zu online einen ersten Ansatz. Die zweite Möglichkeit ist, dass auf eine High-Low-Preisstrategie gesetzt wird. Dies bedeutet nichts anderes, als dass mit Toppreisen geworben wird, welche nur eine geringe bis keine Marge aufweisen. Hierdurch werden Konsumenten auf das Unternehmen aufmerksam gemacht. Durch Crossselling sollen dann weitere margenstärkere Produkte (beispielsweise Zubehör) veräußert werden. Der Strategie liegt eine Mischkalkulation zu Grunde, die mit Zusatzkäufen ergänzend zum Kauf des Billigprodukts eine akzeptable Durchschnittsmarge zum Ziel hat. Eine dritte Möglichkeit ist, das klassische Handelsgeschäftsmodell durch ein breites Servicespektrum zu erweitern. Diese Serviceleistungen müssen dann mögliche Umsatzverluste bzw. Margenlöcher des Handelsgeschäfts kompensieren. Eine vierte denkbare Strategie ist die Etablierung von Eigenmarken. Hierdurch ist es möglich, die eigenen Produkte dem aggressiven Preiskampf im Internet komplett zu entziehen (vgl. Goetz 2013: 28 f.). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kunde unter bestimmten Umständen bereit ist, höhere Preise zu bezahlen, jedoch muss dies klar und deutlich kommuniziert und die Vorteile einer Akzeptanz höherer Preise deutlich in den Vordergrund gerückt werden. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Umsetzen erhöhter Preise kann mit dem Zusatzservice einer schnellen Lieferung erfolgen. Positives Beispiel dafür ist Amazon mit seinem Prime Sortiment. Hier sind die Preise in der Regel bis zu 20 % höher, dafür wird die Lieferung oftmals innerhalb 24 h garantiert. Eine weitere Möglichkeit ist, dass das eigene Sortiment so angepasst wird, dass keine ähnlichen Sortimentszusammenstellungen oder Produkte im Internet zu finden sind. Ziel ist es, durch Spezialisierung Beratungskompetenz zu vermitteln und dadurch einen Mehrwert zu suggerieren, der einen erhöhten Preis rechtfertigt. 52 Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel Fazit Der E-Commerce ist ein noch sehr junger Absatzkanal, welcher dem stationären Handel die Möglichkeit offeriert das eigene Geschäftsfeld zu erweitern und ungenutzte Umsatzpotenziale zu erschließen. Durch die Identifikation des passenden Produktportfolios in Kombination mit der richtigen Positionierung und eines angemessenen Spezialisierungsgrads kann relativ schnell am Branchenwachstum partizipiert werden. Entscheidend ist, sich mit diesem technologielastigen Thema auseinanderzusetzen und das eigene Vertriebskonzept zu diversifizieren. Quellen EMAMIFARD, I. (2012): Mini-Studie: Vergleich von Top-Shops hinsichtlich Differenzierungsmerkmalen. Abgerufen am 6. Juli 2013 von webzapper.de: http://www.webzapper.de/2012/11/14/mini-studie-vergleich-von-top-shops-hinsichtlich-differenzierungsmerkmalen/ emarketer (2013): B2C Ecommerce Climbs Worldwide. Abgerufen am 6. Juli 2013 von emarketer.com: http://www.emarketer.com/Article/B2C-Ecommerce-ClimbsWorldwide-Emerging-Markets-Drive-Sales-Higher/1010004 etailment (2013): So steht es um den E-Commerce. etailment map - Trends und Analysen im E-Commerce. Frankfurt am Main: Deutscher Fachverlag GmbH GOETZ, S. (2013): „Der Preis ist heiß“. In: Internet World Business . Ausgabe 6 Google Inc. (2013): Google Trends. Abgerufen am 6. Juli 2013 von Interesse im zeitlichen Verlauf: http://www.google.de/trends/explore?q=schuhe+online+kaufen#q =schuhe%20online%2C%20schuhe%20zalando&geo=DE&cmpt=q IFH Köln (2013): Branchenreport Online-Handel. Köln: IFH Internet World Business (2013): Neue E-Commerce-Zahlen. Abgerufen am 26. Mai 2013 von internetworld.de: http://www.internetworld.de/Nachrichten/ECommerce/Zahlen-Studien/Neue-E-Commerce-Zahlen-Online-Handel-legt-um-15Prozent-zu-76102.html Internet World Business online (2013): Der Weg ins Netz. Abgerufen am 6. Juli 2013 von internetworld.de: http://www.internetworld.de/Nachrichten/E-Commerce/ Praxistipps/Fuenf-Tipps-zum-Einstieg-in-den-E-Commerce-Der-Weg-ins-Netz KEMPER, F. (2013): „Online- vor Stationärhandel“. In: Internet World Business. Ausgabe 6 53 Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen KOTZAB, H., & MADLBERGER, M. (2002): Internet-basierte Distribution im stationären Handel. Frankfurt am Main: Deutscher Fachverlag MICHEL, S. (2011): Marketingkonzept 3. Aufl. Zürich: Compendio Bildungsmedien OLDEROG, T. (2003): Faktoren des Markterfolgs im Online-Handel. Frankfurt a. M.: Gabler PAPERLEIN, J. (2013): „Screen-Medien legen zu“. In: HORIZONT. Ausgabe 1-2 PFAFF, D. (2004): Praxishandbuch Marketing. Frankfurt: Campus Verlag THOMMES, J. (2013): Online berührt. HORIZONT Ausgabe 17 ZIMMER, D. (2013): Interview mit Florian Heimann: „Abwarten ist Quatsch“. In: Internet World Business. Ausgabe 6 54 Mediadaten markeZin Die Marketing-Fachgruppe der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Karlsruhe plant die sechste reguläre Ausgabe der Karlsruher Marketing-Fachschrift „markeZin“ im Februar 2015. Darin enthalten sind Artikel zu aktuellen Marketing-Themen aus den Bereichen Forschung und Praxis. Die fachlichen Schwerpunkte sollen hier praxisnahen Bezug finden. 146 x 195 mm Vorschau Cover Satzspiegel 185 x 240 mm plus Anschnitt 1/1 Seite Zielgruppe: Fach- und Führungskräfte aus der Region Karlsruhe, Marketinginteressierte, Professoren, Studenten Anzeigenschluss: 15. Oktober 2014 Auflage:3.000 Stück Erscheinungsdatum: 15. Februar 2015 Anzeigenpreis: € 500, -- (zzgl. 19% Mehrwertsteuer)* 1/1 Seite: Vierfarbdruck oder schwarz/weiß Format: 185 x 240 mm (plus 3 mm Anschnitt) Satzspiegel: 146 x 195 mm *Die Finanzierung der Versandkosten erfolgt über die Anzeigen. Ein Gewinn ist mit der Herausgabe der Marketing-Fachschrift nicht verbunden. Bitte per E-Mail an [email protected] oder per Fax an 0721 / 925 1947 zurücksenden: Ja, wir möchten eine Anzeige schalten! Firma: Ansprechpartner: Adresse: E-Mail-Adresse: Unterschrift: Besuchen Sie uns auch gerne auf unserer Internetseite www.markeZin.de Dort finden Sie weitere interessante Informationen rund um das Thema Marketing, die Vollversionen der Artikel dieser Ausgabe, sowie alle bisher herausgegebenen Ausgaben der Marketing-Fachschrift markeZin. Sie kennen weitere Interessenten für diese Fachschrift oder möchten Ihr Exemplar bequem nach hause geliefert bekommen? Bitte senden Sie eine E-Mail (Betreff „Interessent markeZin“) mit dem Namen und der vollständigen Adresse an [email protected], damit wir Sie oder den Interessenten in unsere Datenbank aufnehmen können. Sie haben Fragen, Kritik oder Anregungen zu unserer Marketing-Fachschrift markeZin? Bitte kontaktieren Sie uns unter Telefon 0721/925 1935 oder senden Sie eine E-Mail an [email protected]. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung. Impressum Herausgeber: Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Moltkestr. 30 76133 Karlsruhe Verantwortlicher: Christoph Ewert, [email protected] Redaktion: Christoph Ewert (W), Reinhold König (W), Dr. Christian Seiter (W), Dr. Marion Murzin (W), Sabine Stein (W), Katja Volova (IMM) Konzeption, Layout, Anzeigen: Sabine Stein, Katja Volova Korrektur/Lektorat: Dr. Michael Tewes, Sabine Stein, Katja Volova Titelbild: Urheber: Fotolia Druck: E&B engelhardt und bauer Auflage: 3.000 Stück, einmal jährlich Copyright: Abdruck nur nach vorheriger Genehmigung durch die Redaktion. Erscheinungsjahr/Erscheinungsort: 2014/Karlsruhe ISSN 1869-9820 Hier wird Software gemacht! Du hast in Karlsruhe viel vor? Wunderbar! Dann komm zu BrandMaker. 1999 gegründet, ist BrandMaker heute Europas führender Anbieter von Marketing-Software. Modern, innovativ und vor allem aus der IT-Region Karlsruhe, ist die softwarebasierte Unterstützung des Marketings unser Thema. 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