markeZin - Hochschule Karlsruhe

Werbung
n
i
Z
e
k
r
ma
hrift
c
s
h
c
a
F
g
n
i
t
e
rk
Karlsruher Ma 2014
r
Heft 5, Februa
nsch analysiere
ti
a
m
te
s
y
s
d
n
ten
erstehen u
achstumsmärk
W
n
Megatrends v
o
v
n
o
ti
a
k
zur Identifi
Ein Framework
g
der Bedeutun
e
m
h
a
n
u
Z
ie
Gründe für d
r Industrie
von KAM in de
sätze
nd Lösungsan
u
n
e
g
n
ru
e
rd
Herausfo
-Pricing
im Automobil
Einzelhandel
n
e
d
r
fü
e
rc
e
s E-Comm
Potenziale de
.de
www.markeZin
ISSN 1869-9820
präzision rauf
effizienz rauf
Die präzisionspresse
ROP –
Die neue
präzisionspresse
innovativ
Wirtschaftlich
flexibel
Haulick + roos GmbH
stanz- und umformautomaten
Eutinger Str. 115 · D-75175 Pforzheim
Telefon +49 7231 5805-0
Telefax +49 7231 5805-10
E-Mail: [email protected]
Internet: www.haulick-roos.de
Inhalt
markeZin
Karlsruher Marketing-Fachschrift, Heft 5, 2014
Editorial
Prof. Christoph Ewert.........................................................................................................S. 3
Inhalt
Megatrends verstehen und systematisch analysieren Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten
Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs.....................................................................S.4 - 16
Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie
Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser......................................................................S. 17 - 30
Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing
Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche..........................................................................S. 31 - 40
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen................................................................S. 41 - 54
1
Jeder Erfolg hat seine Geschichte.
Studenten & Absolventen gesucht!
Der Geschäftsbereich Automotive Aftermarket ist
3 Funktionsbereiche:
für das weltweite Aftermarket-Geschäft verantwort-
– Vertrieb
lich. In über 150 Ländern stellen wir unseren Kunden
– Marketing
Kfz-Ersatzteile, technische Informationen sowie Diag-
– Logistik
nostics Hard-/Software/Services zur Verfügung. Von
– Finanzen/Controlling
unserem Global Distribution Center in Karlsruhe aus
– Personal
steuern wir unsere weltweiten Aktivitäten.
– Strategy
Über 17.000 Mitarbeiter arbeiten im weltweiten Team
3 Möglichkeiten:
im Geschäftsbereich, in den Regionalgesellschaften
– Praktikum
und Auslandsvertretungen. Dies garantiert in über
– Werksstudententätigkeit
150 Ländern der Erde besten Service und Qualität für
– Pre-Master Programm
unsere Kunden – und das rund um die Uhr.
– Traineeprogramm
– Direkteinstieg
Der beste Zeitpunkt für Ihren Einstieg liegt ganz bei
Ihnen – ob für Praktikum, Abschlussarbeit oder nach
Jeder Erfolg hat seinen Anfang.
Abschluss Ihres Studiums. Als Absolvent/-in können
Hier und jetzt – starten Sie mit uns.
Sie sich für den Direkteinstieg oder eines unserer
Nachwuchsprogramme entscheiden.
Weitere Fragen beantwortet Ihnen
Clarissa Carsten
[email protected]
0721/942-2385
www.bosch-career.de
Editorial
Eines ist sicher: Die Zukunft wird anders als erwartet sein
Eine der Hauptaufgaben des Marketing-Managements ist es, das eigene Produktportfolio bzw. das
Dienstleistungsangebot so weiter zu entwickeln, damit die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gesichert ist. Die Möglichkeiten der Weiterentwicklung sind dabei umfangreich: Relaunch oder Line extension, Direktvertrieb oder Multi Channel, Push- oder Pull-Strategie, Premium oder Discount…
markeZin veröffentlicht in dieser Ausgabe wieder einige Abschlussarbeiten im Fachgebiet Marketing der
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft. Dabei
richten zwei Arbeiten den Blick in die gar nicht so ferne Zukunft und zwei weitere befassen sich mit aktuellen Herausforderungen der Marktbearbeitung:
•
Megatrends: Schon heute zu wissen, was die Zukunft bringen wird, erschließt Unternehmen einen enormen Wettbewerbsvorteil. Seriöse Zukunftsforschung beschränkt sich dabei auf die
Identifikation von sehr wahrscheinlichen Entwicklungen. Lesen Sie, wie langfristige, globale Trends
untersucht und bewertet werden können.
•
Key Account Management: Wieviel ist ein Kunde Wert? Im Business-to-Business-Geschäft hat die
Betreuung von Schlüsselkunden eine immens hohe Bedeutung. Die vorliegende Arbeit erläutert dabei verschiedene Kundenbewertungsmodelle wie „Customer-Lifetime-Value“, „Portfolio-Analyse“
und Scoring-Modelle“, um die erfolgskritischen Kriterien für die Auswahl und Führung von Key
Accounts zu identifizieren.
•
Preisbildung: Ein konsistentes Modell zur Preisbildung fehlt in vielen Unternehmen. Welche
Preiseinflussfaktoren bestimmend sind, hat unter Umständen enorme Auswirkungen auf die
Preispositionierung. Ob und wie Nachfrage-, Markt-, Wettbewerbs- oder kostenorientierte
Preisbildungsverfahren zur Anwendung kommen, diskutieren wir in dieser Arbeit.
•
E-Commerce: Der Einzelhandel steht vor einer revolutionären Systemveränderung. Offen ist nur,
mit welcher Geschwindigkeit sich in vielen Branchen der Online-Handel weiter durchsetzen wird.
Weltweit generiert E-Commerce bereits über eine Billion US-Dollar Umsatzvolumen, mit seit Jahren
zweistelligen Zuwachsraten. Wie ein erfolgreiches Online-Geschäft aufgebaut werden kann, lesen
Sie im vierten Artikel.
Alle Abschlussarbeiten können Sie auch wieder im Volltext unter www.markezin.de nachlesen.
Viele Anregungen beim Blick in die Zukunft wünscht
Christoph Ewert
3
Megatrends verstehen und systematisch analysieren Ein Framework zur Identifikation von Wachstumsmärkten
Schlüsselwörter:
Megatrend,
Trendanalyse,
Trendprognose,
Wachstumsmärkte,
Unternehmensstrategie
Keywords:
Megatrend,
Trend Analysis,
Trend Forecasting,
Emerging Markets,
Company Strategy
Kurzfassung
Abstract
Bereits heute zu wissen, was die
Zukunft bringen wird, ist eine Fähigkeit,
die allen Unternehmen einen enormen
Wettbewerbsvorteil verschaffen würde.
Doch so wertvoll solche Informationen
über die Zukunft auch sind, so unmöglich ist es, diese mit Sicherheit vorherzusagen. Verabschiedet man sich
jedoch vom Anspruch einer sicheren
Prognose der Zukunft und beschränkt
sich auf die Identifikation von sehr wahrscheinlichen Entwicklungen, so betritt
man das Gebiet der Zukunftsforschung.
Besondere Bedeutung haben hier
langfristige globale Trends, die auch
als Megatrends bezeichnet werden.
Diese weisen meist eine sehr stabile
und rückschlagresistente Entfaltung
auf, was einen enormen Vorteil für ihre
Prognosegenauigkeit verspricht (Horx
o.J.). Der vorliegende Artikel gibt einen Einblick, wie solche Megatrends
untersucht und bewertet werden
können. Dabei wird ein allgemeingültiges Modell vorgestellt, welches
die strukturierte Identifikation und
Analyse von Megatrends ermöglicht
und zeigt, wie aus solchen Trends konkrete Entwicklungen in Wirtschaft und
Gesellschaft abgeleitet werden können.
Knowing today what will happen in
the future is a skill that may give all
types of companies a huge competitive
advantage. However, whereas a
certain forecast of the future might be
extremely valuable, it is, on the other
hand, impossible to obtain. If one can
accept this fact and will instead focus
on probable developments, one enters
the field of futurology. In this field,
global long term trends, also called
megatrends, have a special significance.
Such trends usually have a very stable
and backlash resistant development,
promising a high forecast accuracy.
(Horx o.J.). The present article gives an
insight into the analysis and evaluation
of such megatrends. A universal and
comprehensive framework is presented
enabling a structured identification and
analysis of megatrends. It shows how
specific developments in the economy
and society can be derived from such
trends.
Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter (MBA) verantwortet das Lehrgebiet International
Business und Global Marketing Management an der Hochschule Karlsruhe.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Strategy,
International Business, Social Media Marketing and Competitive Intelligence.
Kontakt: [email protected]
Simon Ochs,
Absolvent des Materstudiengangs International Management
4
Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation
von Wachstumsmärkten
Megatrends als Hilfe bei strategischen Fragestellungen
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Geschwindigkeit von Veränderungsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft, wird es für Akteure in verschiedenen
Funktionsbereichen eines Unternehmens immer schwerer, langfristige globale
Entwicklungen zu erkennen und zu beurteilen. Doch genau dies ist notwendig, um
strategische Entscheidungen für ein Unternehmen treffen zu können. Es handelt
sich hierbei um Fragestellungen hinsichtlich Veränderungen im Konsumverhalten,
neuen Wachstumsmärkten sowie Veränderungen im nationalen und internationalen Wettbewerb. Zur Beurteilung dieser Fragestellungen ist zu hinterfragen, welche
der aktuell zu beobachtenden Entwicklungen auf kurzfristigen Trends beruhen und
welche Entwicklungen voraussichtlich langfristig und weitestgehend unbeeinflusst
von politischen oder wirtschaftlichen Ereignissen anhalten werden.
Die zunehmende
Geschwindigkeit
von globalen Veränderungsprozessen
macht eine zuverlässige Prognose
von Entwicklungen
immer schwerer.
Ein Terminus, der im Zusammenhang mit langfristigen, meist global wirkenden Trends verwendet wird, ist der Begriff des „Megatrends“; Beispiele hierfür sind Schlagwörter wie Gesundheit, Globalisierung oder auch demographischer Wandel. Diese Trends sorgen dafür, dass sich langfristig neue Lebensstile,
Konsummuster, Bedürfnisse und Werthaltungen der Menschen herausbilden (vgl.
Naisbitt/Aburdene 1990: 9 f.; Naisbitt 1984: 22 f.). Neben den gesellschaftlichen
Auswirkungen haben diese Trends somit auch einen erheblichen Einfluss auf die
Wirtschaft. Sie beeinflussen eine Gesellschaft in ihrer Tiefenstruktur und bilden
sich meist langsam, aber wenn sie einmal wirken, kann ihr Einfluss jahrzehntelang
anhalten (vgl. Froehlich 2010: 11). Bei jedem Megatrend stehen dabei der Mensch
und seine Art zu leben im Fokus. Es geht um die Art, wie er aktuell und zukünftig
isst, welche Medikamente, Kleidung und Statussymbole er kauft, wie er wohnt, wie
er arbeitet und wo er all das tut.
Gelingt es, solche Megatrends zu erkennen und zu bewerten, so kann ein enormer
wirtschaftlicher Nutzen in verschiedenen Funktionsbereichen eines Unternehmens
generiert werden. Denkbar sind hierbei die Bereiche Investition, Finanzierung,
Produktentwicklung sowie das Marketing. Die Kenntnis von langfristigen Trends
bildet dabei die Grundlage von diversen strategischen Fragestellungen, wie die
Konzentration von Unternehmensaktivitäten auf neue Produktgruppen, neue
Konsumentengruppen, neue Ländermärkte, strategische Kooperationen sowie
auch Beteiligungen an Unternehmen, bei denen mit einer wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklung zu rechnen ist.
Bevor dieser Nutzen jedoch erzeugt werden kann, sind zwei zentrale
Fragestellungen zu klären:
1.
Wie kann ein Megatrend identifiziert und hinsichtlich seiner Bedeutung überprüft werden?
2. Welcher Megatrend führt zu welchen Entwicklungen in Wirtschaft und
Gesellschaft?
5
Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs
Es ist demnach zunächst entscheidend, dass ein artikulierter Megatrend auch
tatsächlich einen solchen darstellt. Das bedeutet, er sollte grundsätzlich die
Eigenschaften eines Megatrends aufweisen. Des Weiteren handelt es sich bei
Megatrends um sehr unspezifisch ausgedrückte Strömungen, die zu definieren
sind, und in weniger allgemeingehaltene Entwicklungen in der Gesellschaft heruntergebrochen werden müssen. Dies ist erforderlich, um in einem zweiten Schritt
konkrete Wirtschaftsbereiche zu erkennen, welche mit dem Megatrend eine korrelierende Entwicklung aufweisen.
Vor diesem Hintergrund wurde ein Framework erstellt, welches sowohl die
Identifikation und Bewertung eines Megatrends ermöglicht, als auch die Ableitung
von Wachstumsmärkten in geografischer und thematischer Hinsicht unterstützt.
Was ist ein Megatrend?
Bei der Definition des Begriffs
Megatrend sind
die Dimensionen
Zeit, Wirkungsstärke, Reichweite
sowie Entstehung
und Entfaltung zu
berücksichtigen.
Zur Identifikation eines Megatrends ist in erster Linie zu hinterfragen, was einen
Megatrend grundsätzlich ausmacht, bzw. wie ein solcher zu definieren ist. Bei der
Erarbeitung einer geeigneten Definition wurden die Beschreibungen verschiedener Akteure untersucht, die an der öffentlichen Diskussion von Megatrends teilhaben. Hierbei handelt es sich um Autoren, Wissenschaftler und verschiedene
Institutionen im Bereich der Zukunftsforschung. Diese haben z. T. sehr unterschiedliche und unscharfe Definitionen für den Begriff Megatrend. Durch eine Analyse und
einen anschließenden Vergleich der verschiedenen Definitionen konnten dennoch
zahlreiche Gemeinsamkeiten aufgedeckt und relevante Dimensionen identifiziert
werden, durch welche der Begriff beschrieben wird.
Als relevante Dimension wurden hierbei Zeit, Wirkungsstärke, Reichweite sowie
Entstehung und Entfaltung des Trends festgelegt. Des Weiteren wurden für jede der
vier Dimensionen Ausprägungen bestimmt, welche ein untersuchter Trend zeigen
muss, um als Megatrend eingeordnet zu werden.
Dimension 1
Dimension 2
Zeit
Wirkungsstärke
Dimension 3
Dimension 4
Reichweite
Entstehung/
thematisch
Ausprägung
Mind.
10 – 20
Jahre
Große Veränderungen mit einem
Einfluss auf Tiefenstruktur,
Verhaltensweisen, Lebensweisen
und Wertesystem in einer
Gesellschaft. Regional oft
verschieden stark ausgeprägt
Gesellschaft
geografisch
Globaler
Einfluss
Wirtschaft
Politik
Tab. 1: Relevante Dimensionen und Ausprägungen bei der
Definition von Megatrends, Quelle: Eigene Darstellung
6
Entfaltung
Langsame
Bildung und
rückschlagresistente
Entfaltung
Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation
von Wachstumsmärkten
Tab. 1 zeigt die benannten Dimensionen und deren jeweilige Ausprägung. Auf dieser
Basis wurde die Definition für den Begriff Megatrend wie folgt formuliert:
„Megatrends sind die großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
politischen Veränderungen unserer Zeit. Sie haben einen prägenden Einfluss
auf Tiefenstruktur, Verhaltensweisen, Lebensweisen und Wertesysteme in einer
Gesellschaft. Sie bilden und entfalten sich langsam, aber wenn sie wirken, kann
von einem globalen rückschlagresistenten Einfluss von min. zehn bis zwanzig
Jahren ausgegangen werden, auch wenn ihre Wirkungsstärke regional sehr
unterschiedlich ausfallen kann.“
Erfüllt ein Trend alle genannten Dimensionen und die jeweiligen Ausprägungen,
so ist er nach dem Verständnis der Autoren als Megatrend einzustufen. Um jedoch
beurteilen zu können, ob ein Megatrend diese Ausprägungen tatsächlich erfüllt, ist
er zunächst zu analysieren und detailliert zu beschreiben.
Megatrends beschreiben und bewerten
Das nachfolgend vorgestellte Analysemodell ermöglicht diese detaillierte
Beschreibung, die darauf aufbauende Prüfung des Megatrends, sowie die Ableitung
von primär beeinflussten Bereichen in Gesellschaft und Wirtschaft. Das Modell basiert auf einem strukturierten dreiphasigen Prozess.
Phase I beschäftigt sich mit der Vorauswahl und Analyse einzelner Megatrends.
Hierbei steht das Vorgehen bei der Auswahl von Subtrends und der Ableitung geeigneter Indikatoren im Mittelpunkt. In Phase II finden eine geografische Lokalisation
und eine Prüfung des Megatrends statt. Hierzu wird für jeden identifizierten
Subtrend ein Ländercluster gebildet, in welchem eine besonders starke Entwicklung
des Subtrends festgestellt werden kann. Der durch diese Prozessschritte analysierte und lokalisierte Trend kann im Anschluss systematisch auf seine Konformität,
hinsichtlich der zuvor beschriebenen Definition, geprüft werden. Ergibt die Art der
Subtrends in Verbindung mit der Entwicklung der abgeleiteten Indikatoren ein Bild,
welches der Definition entspricht, kann der Megatrend als bestätigt angesehen
werden.
Bestätigte Megatrends sind nachfolgend hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Einflusses zu analysieren. Hierzu wird in Phase III untersucht, welche
Produktsegmente von einem Megatrend primär beeinflusst werden. In diesem
Zusammenhang wird ein Schema vorgestellt, welches es ermöglicht, einzelne megatrendspezifische Entwicklungen einzuordnen und daraus primär beeinflusste
Produktsegmente abzuleiten.
Für eine bessere Übersicht wird der zuvor beschriebene Analyseprozess in Abb.1
zusammengefasst. Die einzelnen Phasen des Prozesses werden im Anschluss
detailliert beschrieben und als umfassendes und möglichst allgemeingültiges
Analysemodell dargestellt:
Das Analysemodell
ermöglicht neben
der Lokalisierung
und Prüfung eines
Megatrends, auch
die Ableitung von
voraussichtlich
primär beeinflussten Wirtschaftsbereichen.
7
Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs
Phase I: Vorauswahl und Analyse
1. Vorauswahl potentieller Megatrends
2. Definition von Subtrends
3. Ableitung von Indikatoren
Phase II: Lokalisation und Prüfung
1. Clusterbildung für Subtrends
2. Prüfung des potentiellen Megatrends
Phase III: Ableitung beinflusster Bereiche
1. Einfluss auf Bedürfnisse
2. Einfluss auf Produktgruppen
3. Einfluss auf Unternehmen
Abb. 1: Phasen des Analyseprozesses, eigene Darstellung
Megatrends beschreiben und bewerten
Die Identifikation
von Subtrends und
Indikatoren ermöglicht die detaillierte
Beschreibung von
Megatrends.
8
Da die detaillierte Analyse eines Megatrends sehr zeitintensiv sein kann, sollte ein Anwender des Analysemodells zunächst eine Vorauswahl von aktuellen
Megatrends treffen, bevor er zu einer detaillierten Untersuchung einzelner Trends
übergeht. Dies ermöglicht den gezielten Einsatz seiner Ressourcen auf die für ihn
bedeutendsten Entwicklungen. Eine Möglichkeit zur ersten Selektion besteht in
einem groben Screening von Fachliteratur und Publikationen, von Autoren und
Dienstleistern im Bereich Zukunftsforschung. Hierbei kann geprüft werden, welche
Megatrends von den einzelnen Autoren und Institutionen am häufigsten genannt
werden, bzw. welche für den Modellanwender und seine wirtschaftliche Situation
eine besondere Bedeutung aufweisen.
Im Anschluss sind der oder die ausgewählte(n) Megatrend(s) im Detail zu analysieren und zu beschreiben. Ein Megatrend kann dabei in einzelne Subtrends aufgegliedert werden, welche die Entwicklungen innerhalb des jeweiligen Themengebietes
aufzeigen. Informationen zu diesen Subtrends liefern verschiedene Autoren,
Institutionen und Dienstleister im Bereich Zukunftsforschung1. Entscheidend bei
der Identifikation von Subtrends ist, dass diese einen gemeinsamen Treiber aufweisen und dadurch miteinander in Verbindung stehen. Im Bereich Gesundheit
könnte ein gemeinsamer Treiber z.B. das grundlegende Bedürfnis der Menschen
nach einem langen Leben, in Verbindung mit dem dafür notwendigen medizinischen Fortschritt und den erforderlichen finanziellen Möglichkeiten sein. Von
Subtrends, welche mit diesem Treiber in einem engen Zusammenhang stehen, ist
1 Empfohlene Quellen in Bezug auf die Beschreibung von Subtrends sind: Das Handbuch
Zukunft 2010 - Focus-Magazin Verlag, die Megatrend Dokumentation der Zukunftsinstitut
GmbH und die Website der Z_punkt GmbH.
Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation
von Wachstumsmärkten
zu erwarten, dass sie eine korrelierende Entwicklung mit den Faktoren des Treibers
zeigen. D.h. bei wachsendem medizinischen Fortschritt oder zunehmenden finanziellen Möglichkeiten einer Gesellschaft, wäre auch mit einer Entwicklung der jeweiligen Subtrends zu rechnen. Auf dieser Basis lässt sich der Megatrend Gesundheit
bspw. in folgende Subtrends gliedern: Steigende Gesundheitsausgaben, bessere Gesundheit und Gesundheitsvorsorge, veränderte Einstellung zu Gesundheit,
Vorsorge und Lebensqualität sowie eine Bedrohung der Finanzierbarkeit von
Gesundheitssystemen (vgl. Burmeister/Glockner 2009: 68 ff.; Organization for
Economic Co-operation and Development 2011: 10).
Nach der Ableitung von Subtrends sind Indikatoren zu identifizieren, mit welchen die jeweiligen Subtrends quantitativ abgebildet werden können. Mögliche
Indikatoren zu den Subtrends des Megatrends Gesundheit könnten sein:
•
Gesundheitsausgaben pro Kopf
•
Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Verhältnis zu Gesundheitsausgaben
•
Lebenserwartung
•
Kindersterblichkeit
•
Altenquotient einer Gesellschaft etc.
Das Ergebnis von Phase I ist somit die detaillierte Beschreibung eines Megatrends
durch die Identifikation von Subtrends sowie geeigneter Indikatoren zur quantitativen Beschreibung dieser.
Analysemodell Phase II – Lokalisation und Prüfung
Da die Wirkungsstärke von Megatrends regional sehr unterschiedlich ausfallen
kann, wird in Phase II untersucht, wo ein Subtrend primär wirkt. Ziel ist es, dabei
ein Cluster zu definieren, in welchem sich ein Subtrend zum einen homogen entwickelt und zum anderen eine starke Auswirkung zeigt.
Abhängig von der Art der Segmentierung können dabei homogene Ländercluster,
aber auch Cluster von homogenen Bevölkerungsgruppen im Fokus stehen. Bei
der Suche nach homogenen Bevölkerungsgruppen wird von einer integralen
Marktsegmentierung gesprochen. Im Bereich des internationalen Marketings
wird hierbei die Welt als Gesamtmarkt betrachtet und versucht, weltweit
homogene Zielgruppen bzw. Konsumentengruppen zu identifizieren. Bei einer
Fokussierung auf homogene Ländercluster wird hingegen von einer internationalen
Marktsegmentierung oder Ländersegmentierung gesprochen. Die Komplexität
der integralen Marktsegmentierung ist als weit höher einzustufen als die der
Ländersegmentierung (vgl. Meffert et al. 2010: 169 ff.). Des Weiteren ist auch
Eine Definition von
homogenen Länderclustern ermöglicht die globale
Lokalisation von
Megatrends.
9
Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs
davon auszugehen, dass sich ein Megatrend besonders innerhalb eines Landes
homogen entwickelt, weshalb beim hier vorgestellten Modell eine Segmentierung
auf Länderebene verfolgt wird.
Der Ablauf bei einer internationalen Marktsegmentierung bzw. einer
Ländersegmentierung im Bereich des internationalen Marketings kann in drei
Schritte gegliedert werden (vgl. Berndt 2005: 121):
1.
Auswahl relevanter Segmentierungsmerkmale
2. Feststellung der Merkmalsausprägung in einem Land
3. Gruppenbildung
Übertragen auf die Anwendung des vorgestellten Analysemodells, stellen diese drei
Schritte ebenfalls ein geeignetes Vorgehen zur Bildung von Ländercluster dar. Beim
ersten Schritt, der Auswahl von relevanten Segmentierungsmerkmalen, sind primär die identifizierten Indikatoren für einen Subtrend zu berücksichtigen. Durch die
Feststellung der Ausprägung dieser Indikatoren in verschiedenen Ländern (Schritt
2) können Länder identifiziert werden, in welchen ein Subtrend eine ähnlich starke
Entwicklung zeigt. Diese Länder sind dann zu einem Ländercluster zusammenzufassen (Schritt 3).
Output der Segmentierungs- und Lokalisationsphase ist ein Ländercluster für
jeweils einen Subtrend. Je nach Art des Subtrends, kann ein solches Ländercluster
einige wenige Länder oder auch im Extremfall alle Länder der Welt umfassen.
Nachdem ein potenzieller Megatrend analysiert und seine Wirkung lokalisiert wurde, ist es möglich zu prüfen, ob dieser tatsächlich als ein Megatrend anzusehen ist.
Hierzu sind die analysierten Subtrends und die Ausprägung der davon abgeleiteten Indikatoren mit der zuvor beschriebenen Definition systematisch abzugleichen.
Dabei ist zu untersuchen, ob alle Dimensionen (Zeit, Wirkungsstärke, Reichweite,
Entstehung und Entfaltung) der Definition erfüllt werden.
Aus der Art der Subtrends und ihrer Bildung können Aussagen über die Entstehung
und Reichweite des Megatrends getroffen werden. Die Darstellung der Entwicklung
verschiedener Indikatoren in der Vergangenheit sowie eine Prognose für die
Zukunft liefern Informationen bezüglich des Zeithorizonts, der Entfaltung und der
Wirkungsstärke eines Trends.
Ergibt sich aus diesen Informationen ein Bild des potenziellen Megatrends, welches
der Definition nicht entspricht, so ist dieser vorläufig abzulehnen. Es sollte jedoch
eine kontinuierliche Prüfung der entsprechenden Subtrends und Indikatoren des
Trends erfolgen, um diesen ggf. zu einem späteren Zeitpunkt bestätigen zu können.
Megatrends, welche eine Konformität hinsichtlich der erarbeiteten Definition aufweisen, werden als bestätigt angesehen. Derartige Megatrends sind hinsichtlich ihres Einflusses auf Gesellschaft und Wirtschaft zu analysieren. Ein Schema für eine
solche Analyse wird nachfolgend vorgestellt. Für eine bessere Übersicht werden in
Abb. 2 die Phasen I und II des Analysemodells zuvor nochmals grafisch dargestellt:
10
Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation
von Wachstumsmärkten
Megatrends
Vorauswahl
Megatrend 1 von n
Analyse
Kontinuierliche
Prüfung
Subtrend
1
Subtrend
2
Subtrend
n
Indikator 1
...
Indikator n
Indikator 1
...
Indikator n
Indikator 1
...
Indikator n
Cluster I
Land
A,B,C
Cluster II
Welt
Cluster n
Land
A,D,E
Überprüfung des Megatrends hinsichtilich:
Zeit
Wirkungsstärke
Reichweite
Entstehung und Entfaltung
Ablehnung des
Megatrends
Bestätigung des
Megatrends
Abb. 2: Phase I und II des Analysemodells, eigene Darstellung
Analysemodell Phase III – Ableitung beeinflusster Bereiche
In der dritten Phase des Analysemodells sollen megatrendspezifische
Einflussbereiche in Gesellschaft und Wirtschaft dargestellt werden. Des
Weiteren wird aufgezeigt, wie diese Einflussbereiche über eine logische kausale Wirkungskette miteinander in Verbindung stehen. Hierbei wird ein Schema
entwickelt, welches die Analyse, Strukturierung und Abbildung verschiedener
Subtrends eines Megatrends erleichtert. Durch dieses Schema (im weiteren Verlauf
„Impact-Schema“ genannt) wird somit die Suche nach besonders beeinflussten
Produktgruppen und Wirtschaftsbereichen unterstützt
Die Einflussanalyse
eines Megatrends
erfolgt über die
Ableitung eines
kausalen Zusammenhangs zwischen
gesellschaftlicher
Entwicklung,
Bedürfnis und
Konsum.
11
Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs
Die jeweiligen Einflüsse eines Megatrends auf Individuen, Gesellschaft und
Wirtschaft werden dabei auf drei Ebenen dargestellt. Ebene eins zeigt den potenziellen Einfluss eines Megatrends auf die Bedürfnisse von Individuen einer
Gesellschaft. Auf der zweiten Ebene werden Konsumbereiche (bestimmte Produkte
und Dienstleistungen) abgeleitet, auf welche die veränderten Bedürfnisse eine
Auswirkung haben können. Auf Ebene drei werden die hieraus primär betroffenen Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen innerhalb des für einen
Subtrend definierten Clusters abgeleitet.
Neben den Autoren John NAISBITT und Patricia ABURDENE sprechen auch Bob
FROEHLICH und Matthias HORX von großen gesellschaftlichen Veränderungen
als Grundlage von Megatrends. (vgl. Froehlich 2010: 11; Horx 2011; Naisbitt/
Aburdene 1990: 9 f.) Für das vorgestellte Schema wurde die Annahme getroffen,
dass sich besagte gesellschaftliche Veränderungen hauptsächlich in veränderten Bedürfnissen von Individuen widerspiegeln. Dies stellt daher im erarbeiteten Impact-Schema die primär beeinflusste Ebene dar. Weiter wird davon ausgegangen, dass veränderte Bedürfnisse kurz- bis mittelfristig zu verändertem
Konsumverhalten führen. Besonders die Unternehmensberatung Z_PUNKT GMBH
und auch bspw. Bob FROEHLICH gehen bei ihren Definitionen auf einen solchen
Einfluss eines Megatrends auf das Konsumverhalten einer Gesellschaft ein (vgl.
Froehlich 2010: 11; Z_punkt o.J.). Der aus den Bedürfnissen abgeleitete Einfluss auf
Konsumbereiche stellt deshalb die sekundäre Ebene dar. Gegenstand der tertiären Ebene sind Wirtschaftsbereiche, welche voraussichtlich durch die Veränderung
der Nachfrage in einzelnen Konsumbereichen positiv beeinflusst werden. Unter
„Wirtschaftsbereiche“ werden in diesem Zusammenhang Unternehmen in den
Kategorien „Produzenten“, „Dienstleister“ und „Händler“ verstanden, welche mit
den entsprechenden Produktsegmenten in Verbindung stehen.
Abb. 3 zeigt das erarbeitete Impact-Schema mit einer Auswahl von Kategorien auf
den drei genannten Ebenen. Bei Verwendung des Schemas ist zu beachten, dass
dieses lediglich einen groben und möglichst allgemeingültigen Rahmen für die
Einordung und Abbildung der Einflüsse von Megatrends darstellt. Ziel der Phase
III ist es jedoch, möglichst spezielle und klar abgegrenzte Produktgruppen und
Wirtschaftsbereiche zu finden, welche von einem Megatrend besonders beeinflusst werden. Für die Vorgehensweise bei der Anwendung des Schemas werden
deshalb folgende Empfehlungen gegeben:
•
Auswahl einiger stark beeinflusster Bedürfnisbereiche je Megatrend.
•
Suche und Auswahl von klar abgegrenzten und primär beeinflussten
Produktgruppen in den verschiedenen Konsumkategorien.
•
Suche und Auswahl primär beeinflusster Wirtschaftsbereiche.
Die Anzahl der ausgewählten Bedürfnisbereiche ist dabei möglichst gering
zu halten, um die Fokussierung der primären Einflüsse eines Megatrends zu
12
Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation
von Wachstumsmärkten
Grundbedürfnisse
gewährleisten. Davon abgeleitet sollten innerhalb der genannten Kategorien im
Konsumbereich wiederum nur Produktgruppen berücksichtigt werden, welche speziell von den veränderten Bedürfnissen betroffen sind. Ebenso sollten auf der tertiären Ebene lediglich Wirtschaftsbereiche bestimmt werden, welche direkt von den
Veränderungen im Konsumbereich beeinflusst werden.
Primär-Ebene
Sekundär-Ebene
Tertiär-Ebene
Bedürfnisdimensionen
Konsumkategorien
Wirtschaftsbereiche
Ableitung spezieller
Produktsegmente
Ableitung spezieller
Witschaftsbereiche
1. Nahrung
Essen
Trinken
Produzenten
Händler
Dienstleister
2. Wohnung
Immobilien
Einrichtung
Produzenten
Händler
Dienstleister
Arbeitskleidung
Freizeitkleidung
Funktionskleidung
Produzenten
Händler
Dienstleister
Arztbesuche
Krankenhausbesuche
Medikamente
Medizintechnik
Produzenten
Händler
Dienstleister
Elektrische Energie
Wärme
Rohstoffe
Produzenten
Händler
Dienstleister
Verkehrsmittel
Verkehrsinfrastruktur
Treibstoffe
Produzenten
Händler
Dienstleister
Netze
Hardware
Software
Produzenten
Händler
Dienstleister
Urlaub
Sport
Kultur
Unterhaltung
Produzenten
Händler
Dienstleister
Energiemix
umweltfreundliche /
effiziente Produkte und
Technologien
Produzenten
Händler
Dienstleister
Statussymbole
Qualitätsprodukte
Designprodukte
Produzenten
Händler
Dienstleister
3. Kleidung
Erweiterte Grundbedürfnisse
4. Ärztliche Versorgung
und Vorsorge
5. Energie
6. Mobilität
7. Sozialer Austausch/
Vernetzung
Zusatzbedürfnisse
8. Freizeitgestaltug
9. Umwelt- und
Energieverantwortung
10. Prestige und Luxus
Abb. 3: Impact-Schema zur Darstellung von Einflussbereichen
von Megatrends, Quelle: Eigene Darstellung
13
Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs
Zur Verdeutlichung der vorgestellten Systematik wird nachfolgend ein Beispiel
gegeben.
Angenommen, der Megatrend Gesundheit wird in den Phasen I und II analysiert,
beschrieben und hinsichtlich seiner Bedeutung als gesichert bewertet. In Phase
III wäre nun zu hinterfragen, welche Bedürfnisse von einzelnen Subtrends dieses
Megatrends beeinflusst werden (Primäre Ebene). Neben dem Bedürfnis „Ärztliche
Versorgung und Vorsorge“ (Position 4 Abb. 3), könnte auch die Bedürfnisdimension
„Nahrung“ beeinflusst werden (Position 1 Abb. 3). Für die Dimension „Nahrung“
zeigt Abb. 4 die Konsumkategorien „Essen“ und „Trinken“. In einer oder auch in
beiden dieser Kategorien wären nun spezielle Produktgruppen zu suchen, welche
aufgrund des Megatrends einen deutlichen Nachfragezuwachs erwarten lassen.
In den Kategorien „Essen“ und „Trinken“ könnte eine solche Produktgruppe
bspw. Bioprodukte sein. Im Rahmen der Tertiär-Ebene sind dann spezielle
Wirtschaftsbereiche zu identifizieren, welche primär von einer gesteigerten
Nachfrage nach Bionahrung profitieren werden. Beispiele hierfür können
besonders in den Bereichen „Produzenten“ und „Handel“ gesehen werden. Sowohl
Produzenten von Bioprodukten als auch Unternehmen im Groß- und Einzelhandel
sind hier zu nennen. Die gleiche Vorgehensweise wäre nachfolgend für die
Bedürfnisdimension „Ärztliche Versorgung und Vorsorge“ anzuwenden.
Nachfolgend wird die in Phase III beschriebene Vorgehensweise grafisch dar gestellt (siehe Abb. 4).
Bestätigter Megatrend
Subtrend 2
in
Ländercluster II
Subtrend 1
in
Ländercluster I
Subtrend n
in
Ländercluster n
Ableitung beeinflusster Bereiche
Einfluss Subtrend 1
Wirtschaftsbereiche
Konsumbereiche
Bedürfnisse
Einfluss Subtrend 2
Produktsegment 1
Produktsegment 2
Produzenten
Händler
Dienstleister
Produzenten
Händler
Dienstleister
Rohstoff 1
Einfluss Subtrend n
Rohstoff 2
Abb. 4: Phase III des Analysemodells, Quelle: Eigene Darstellung
14
Megatrends verstehen und systematisch analysieren - Ein Framework zur Identifikation
von Wachstumsmärkten
Ergebnisse und Fazit
Die durch das zuvor beschriebene Vorgehen identifizierten Produktsegmente
und Wirtschaftsbereiche bilden die Grundlage zur Auswahl von Märkten und
Unternehmen, welche durch einen Megatrend voraussichtlich langfristig positiv beeinflusst werden. Neben verschiedenen Unternehmen besteht zusätzlich auch die
Möglichkeit der Identifikation von positiv beeinflussten Gütern im Rohstoffbereich.
Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass die positive Entwicklung von
Unternehmen und Rohstoffen allein auf einer Nachfragesteigerung in den verschiedenen Produktbereichen begründet ist. Neben einer Veränderung der
Nachfrage gibt es jedoch zahlreiche weitere Faktoren, welche auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sowie die Preisentwicklung von Rohstoffen einen Einfluss haben. Beispiele hierfür sind konjunkturelle Faktoren oder auch die
Veränderung von Förderquoten bei Rohstoffen. Geht man jedoch davon aus, dass
die Nachfrageentwicklung einen primären Einfluss auf Märkte, Unternehmen
und Rohstoffe ausübt, so ist festzuhalten, dass durch das dargestellte Vorgehen
konkrete Informationen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung verschiedener
Produktgruppen, Rohstoffe und Unternehmen gewonnen werden können. Die jeweiligen Informationen beziehen sich dabei auf ein definiertes Ländercluster und
zeigen somit die Auswirkungen eines Megatrends in wirtschaftlicher und geografischer Hinsicht.
Die Kombination dieser beiden Datensätze ermöglicht es einem Unternehmen,
seine Aktivitäten sowohl geografisch als auch thematisch auszurichten. Hierbei
kann die Strategie eines Unternehmens auf bestimmte Bevölkerungsgruppen,
bestimmte Ländermärkte oder auch bestimmte Produktgruppen mit einem zukünftig großen Potenzial ausgerichtet werden. Konkrete Beispiele hierfür sind die
Erschließung neuer Absatzmärkte, die Definition neuer Zielgruppen sowie auch
die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, um diese Zielgruppen adäquat zu bedienen. Ferner kann die Identifikation von Unternehmen mit einer zukünftig attraktiven Position bei der Auswahl strategischer Kooperationen sowie bei
Investitionensentscheidungen einen hohen Nutzen generieren.
Das vorgestellte Modell bietet somit ein transparentes und strukturiertes Framework
zur Identifikation von Wachstumsmärkten auf der Basis von Megatrends. Der besonders langfristige und rückschlagresistente Charakter dieser Trends unterstützt
zum einen die Planungssicherheit eines Unternehmens und generiert zum anderen
die Möglichkeit, an zukünftigen Entwicklungen überdurchschnittlich zu partizipieren. Diese beiden Aspekte sollten bei der strategischen Planung stets eine zentrale Rolle einnehmen und machen das vorgestellte Modell deshalb nicht unbedingt
zum Garant, aber sicher zu einem adäquaten Tool für eine langfristig erfolgreiche
Ausrichtung eines Unternehmens.
15
Prof. Dr.-Ing. Christian Seiter, Simon Ochs
Quellen
BERNDT, R. (2005): Internationales Marketing-Management. 3. Auflage. Berlin:
Springer Verlag
BURMEISTER, K.; GLOCKNER, H. (2009): Handbuch Zukunft 2010. Trends,
Herausforderungen, Chancen. München: Focus-Magazin-Verlag
FROEHLICH, R.J. (2010): Investment-Megatrends. Profitieren Sie von den grossen
Veränderungen unserer Zeit!. Kulmbach: Börsenmedien Verlag
Horx.com (o.J.): „Vortragsthemen – Die Macht der Megatrends“. <http://www.horx.
com/Reden/Macht-der-Megatrends.aspx>. [Stand: k.A. Zugriff: 10.08.2011]
MEFFERT, H.; BECKER, C.; BURMANN, C. (2010): Internationales MarketingManagement. Ein markenorientierter Ansatz. 4. Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer
Verlag
NAISBITT, J. (1984): Megatrends. 10 Perspektiven die unser Leben verändern werden. Bayreuth: Hestia Verlag
NAISBITT, J.; ABURDENE, P. (1990): Megatrends 2000. Zehn Perspektiven für den
Weg ins nächste Jahrtausend. Düsseldorf, Wien, New York: Econ-Verlag
Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) (2011): Health
at a Glance 2011. OECD Indicators. <http://www.worldcat.org/oclc/778434306>.
[Stand: 2011. Zugriff 17.04.2012]
Z_punkt.de: Die 20 wichtigsten Megatrends. <http://www.z-punkt.de/fileadmin/
be_user/D_Publikationen/D_Arbeitspapiere/Die_20_wichtigsten_Megatrends_x.
pdf > [Stand: k.A. zuletzt geprüft am 12.09.2011]
Zukunftsinstitut.de: Megatrend Dokumentation. <http://www.zukunftsinstitut.de/
verlag/studien_detail.php?nr=88 >. [Stand: k.A. Zugriff: 10.08.2011]
16
Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie
Kurzfassung
Abstract
Obwohl die Begriffe „Key Account“
und „Key Account Management“ seit
Jahrzehnten in der Theorie und Praxis
verbreitet sind, gibt es bis heute in
der wissenschaftlichen Literatur keine einheitliche Definition. Ziel der
vorliegenden Arbeit ist es deshalb,
beide Begriffe für Unternehmen im
Industriegütersektor zu definieren.
Darüber hinaus werden Aspekte des
Key Account Managements (KAM) aufgezeigt, die den Kern und das Wesen
dieses Konzeptes beschreiben. Da die
Basis eines erfolgreichen Key Account
Managements
die
Identifikation
der Key Accounts darstellt, werden
einige Verfahren vorgestellt, die
eine umfassende Kundenbewertung
und Identifikation der Key Accounts
ermöglichen.
Although the terms “Key Account” (KA)
and “Key Account Management” (KAM)
have been used in theory and practice
for decades, there is yet no uniform definition in scientific literature. It is the
objective of this thesis to define both
terms for enterprises in the industrial
goods sector. Furthermore, aspects of
KAM are pointed out describing the essence of this concept. As the identification of key accounts is the basis for successful implementation and execution
of KAM, this thesis introduces a number
of procedures that enable a comprehensive assessment and identification of
the key accounts.
Schlüsselwörter:
Key Account, Key
Account Management, Industriegütersektor, B2B,
Identifikation von
Key Accounts, Kundenbewertungsmethoden
Keywords:
Key Account, Key
Account Manager,
Industrial Goods
Sector, Businessto-business,
Identification of Key
Accounts, Customer
Value Methods
Prof. Dr. Marion Murzin ist Professorin an der Hochschule Karlsruhe für die Fachgebiete Marketing und Vertrieb. Ihre Forschungsgebiete liegen im Bereich
Serviceleistungen bei technischen Produkten und im persönlichen Verkauf.
Kontakt: [email protected]
Vanessa Reiser,
Absolventin des Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen
17
Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser
Die Gründe dafür, dass KAM heute in Marketing, Vertrieb und der ganzen Unternehmensstruktur so wichtig geworden ist, sind die folgenden branchenübergreifenden Megatrends (Abb. 1):
Professionalisierung auf
Angebotsseite
Globalisierung
Gestiegene
Erwartungen
Konzentrationsprozess
KAM
Abb. 1: Branchenübergreifende Megatrends
(eigene Darstellung in Anlehnung an Reinhold 2008: 7)
Erläuterungen zu den einzelnen Punkten:
Gestiegene Erwartungen: Die steigenden Erwartungen an die Zulieferseite zeigen
sich beispielsweise an der Forderung, dass die Struktur des Zulieferers die Kundenstruktur widerspiegeln soll.
Professionalisierung auf Angebotsseite wird notwendig: Der zunehmend höher
qualifizierte und strategisch, professionell agierende Einkauf auf Kundenseite (beispielsweise in Form von „Buying Centern“) erfordert eine entsprechende Struktur
auf Anbieterseite.
Kundenkonzentration: Die Anzahl an aktuellen und potenziellen Kunden ist tendenziell rückläufig, dafür werden sie bezüglich ihrer Anzahl und ihren Zielen immer
größer und komplexer. Ein Beispiel für den Konsolidierungsprozess in den letzten Jahrzehnten stellt die deutsche Automobilindustrie dar, bei der die Anzahl der
Automobilhersteller ab 1950 innerhalb von knapp 60 Jahren um über 70 % abnahm, d. h. von elf auf drei selbstständige Hersteller. Durch diese Entwicklung wird
18
Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie
eine professionelle und angemessene Kundenbetreuungsform, wie das KAM, notwendig, um dem Wettbewerbsdruck standzuhalten und den Ansprüchen gerecht zu
werden.
Globalisierung: Eine Vielzahl von Unternehmen hat sich mittlerweile eine weltweite Präsenz aufgebaut und erwartet nun standardisierte Produkte und konsistente
Einkaufsbedingungen weltweit. Dabei werden die Einkaufsentscheidungen zunehmend zentralisiert (Reinhold 2008: 7).
Was sind Key Accounts (“Schlüsselkunden”)
Die Analyse zahlreicher Definitionsansätze sowohl aus englisch- wie auch deutschsprachiger Literatur ergibt, dass sich charakteristische Eigenschaften von KA in
sechs thematische Kategorien einordnen lassen (Abb. 2). Die Größe der Ellipsen
in dieser Abbildung entspricht der Häufigkeit, mit der die jeweiligen Inhalte in der
untersuchten Literatur erwähnt wurden.
Key Accounts
Globale Präsenz
des Kunden
„Wichtige“ Kunden,
ohne Konkretisierung
Know-howTransfer
Strategisch wichtige
Kunden
Kunden mit hohem Anteil an
Umsatz und Ergebnis
(aktuell und potenziell)
Unersetzliche Kunden
(aktuell und potenziell)
Abb. 2: Inhalte der Definition von Key Accounts
19
Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser
Wirtschaftlich bedeutende Kunden.
Key Accounts werden in der Literatur gerne allgemein als „wichtig“ beschrieben.
Dabei kann es sich um unterschiedliche Typen von Wichtigkeit handeln:
Es können Kunden sein, die von großer wirtschaftlicher Bedeutung für das
Unternehmen sind. Laut der KAM-Studie der Universität St. Gallen (European KAM
Studie 2004 der Universität St. Gallen) ist der potenzielle und der aktuelle Umsatz
für 76 % der Befragten jeweils ein relevantes Kriterium für die Selektion (Boles
1999: 264 ff.) und somit spielt die wirtschaftliche Bedeutung in den meisten Fällen
die größte Rolle bei der Identifikation von Key Accounts. Es muss zwischen der aktuellen und der potenziellen wirtschaftlichen Bedeutung für das Anbieterunternehmen
unterschieden werden. Ein Kunde kann auch dann ein KA sein, wenn er nur potenziell einen hohen Umsatzanteil haben könnte, momentan aber die Ware von der
Konkurrenz bezieht. Allein das Potenzial und die Chance diese Marktanteile für sich
zu gewinnen, macht ihn zu einem potenziellen Schlüsselkunden.
Strategisch bedeutende Kunden.
Strategisch bedeutende Kunden haben einen langfristigen Einfluss auf das
Unternehmen. Dabei kann es sich um verschiedene Aspekte handeln, wie z. B. sein
technologisches Entwicklungspotenzial oder seine möglichen Wachstumschancen
bzw. die Wachstumsraten des Marktes, in dem der Kunde agiert (Boles 1999: 264
ff.). Ein Kunde wird damit zum Key Account, auch wenn er zum heutigen Zeitpunkt
vielleicht noch nicht umsatzstark ist, sich aber beispielsweise in eine Richtung
entwickelt, in der sich das Anbieterunternehmen auch zukünftig etablieren möchte
oder die Wachstumsaussichten auf dem Markt gut sind.
Globale Präsenz.
Die globale Präsenz ist in einer Zeit, in der die Globalisierung stark vorangeschritten
ist, sowohl auf Kunden- als auch auf Anbieterseite für erfolgreiches Wirtschaften
zunehmend erforderlich. Es ist jedoch nicht jeder globale Kunde auch automatisch
ein „Global Key Account“. Dies kann jedoch erforderlich werden, wenn der Kunde
beispielsweise eine weltweit einheitliche Betreuung wünscht oder fordert (vgl.
Zupancic 2000: 2).
Der globale Kunde zeichnet sich durch zwei Aspekte aus:
1.
Es besteht ein stärker internationalisierter Einkauf.
2. Der Einfluss der Zentrale auf die Einkaufsentscheidung, im Sinne einer
Koordination, ist erhöht (Yip 1996a: 54).
Dadurch kann es auf Seite des Zulieferers notwendig sein, eine Organisation in Form
von KAM aufzubauen, die der Kundenstruktur gerecht wird und den Anforderungen
des globalen Kunden entspricht.
Unersetzbarkeit.
20
Die Unersetzbarkeit eines Kunden soll als Teilaspekt zur Definition von Key
Accounts ausdrücken, dass ein Schlüsselkunde in einem bestimmten Bereich für
das Unternehmen einen sehr starken Einfluss hat oder zukünftig haben kann, den
Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie
kein anderer Kunde ohne weiteres ersetzen könnte. In diesem Zusammenhang sind
sowohl eine finanzielle als auch eine strategische Abhängigkeit des Zulieferers
denkbar.
Ein weiteres Kriterium dafür einen Kunden als Key Account zu bezeichnen, kann
seine Rolle als Know-how-Potenzialträger für das Anbieterunternehmen sein. Dies
ist der Fall, wenn der Kunde beispielsweise aufgrund seines Innovationspotenzials
(Know-hows) eine besondere Rolle spielt, und sich eine Lernpartnerschaft mit dem
Anbieterunternehmen entwickelt (Homburg 2008: 312;Winkelmann 2008b: 550).
Know-how-Potenzialträger.
Key Account Management
Für ein erstes Verständnis von KAM werden nachfolgend drei Definitionsansätze im
Rahmen dieses Artikels vorgestellt:
Der Key Account
Manager.
strategisch wichtige Schlüsselkunden konzentriert durch hochqualifizierte
Verkaufsmitarbeiter zu betreuen, um mit diesen Schlüsselkunden ins Geschäft zu
kommen […], eine möglichst hohe Potenzialausschöpfung zu erreichen […] und
die Geschäftsbeziehung langfristig zu sichern.“ (Winkelmann 2008a: 355)
„[…] die Zusammenfassung aller die Kundenbeziehung betreffenden Tätigkeiten
unter eine einheitliche Verantwortung.“ (Bruhn, 2002: 69 f.)
„[…] ein ganzheitlicher, methodischer Ansatz in der strategischen Kundenbindungsentwicklung.“ (Kühn 2010: 3)
Aus den Definitionen von WINKELMANN und BRUHN wird deutlich, dass es für
das KAM einen Key Account Manager geben muss (evtl. mit einem zugeordneten
KA-Team), der die Verantwortung für die gesamten Tätigkeiten und Beziehungen
mit dem ihm zugeteilten KA trägt. Da diese Verantwortung für die Kunden, die ein
Unternehmen meist umsatztechnisch tragen, groß ist, handelt es sich bei den
KA-Managern i. d. R. um hochqualifizierte Vertriebsmitarbeiter (vgl. Winkelmann
2008a: 355). Ziel der Geschäftsbeziehungen mit den Schlüsselkunden des
Unternehmens ist eine Sicherung bzw. die Ausschöpfung der potenziellen Umsätze
(bzw. Gewinne) und der Aufbau einer partnerschaftlichen, dauerhaften Beziehung
(Rau 1994: 39; Kühn 2010: 3).
Wichtig ist zu beachten, dass sich das KAM jedoch nicht nur auf operative Tätigkeiten
im Vertrieb beschränkt, sondern dass es für eine erfolgreiche Umsetzung mehr
als das bedarf (vgl. Belz 2008: 200). KÜHN deutet dies mit dem Hinweis auf einen
„ganzheitlichen“ Ansatz an, demnach es einer speziellen Infrastruktur rund um den
Manager bedarf, die auf den KA ausgerichtet ist (Kühn 2010: 3).
Der ganzheitliche
Ansatz.
21
Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser
KAM ist mehr als
ein Vertriebskonzept.
In erster Linie betreffen die „Geschäftsbeziehungen zum Kunden“ im
Anbieterunternehmen den Vertrieb und das Marketing. Dadurch könnte die
Annahme entstehen, dass es sich bei KAM ausschließlich um ein Vertriebsoder Marketingkonzept handelt. Allerdings ist KAM nach Meinung zahlreicher Wissenschaftler (s. Lockau, 2000; Winkelmann, 2008b; Belz et al., 2008;
Peymani, 2012) deutlich mehr als das. Es soll sich hierbei um einen das ganze
Unternehmen betreffenden Ansatz handeln, der „sich nicht einfach zu den vielfältigen Marketingaktivitäten hinzuzählen“ lässt (Peymani 2012: 49). Das KAM
umfasst die individuelle und spezielle Kundenbetreuung, die Auswirkung auf
die Organisationsstrukturen des Anbieterunternehmens hat (Biesel 2002: 17;
Backhaus 2007: 186). Besonders die Entwicklung hin zu cross-funktionalen Key
Account Teams, mit i. d. R. drei bis sechs qualifizierten Mitarbeitern (vgl. Sidow
2007: 121), als Antwort auf die Buying-Center, zeigt die Tragweite des Konzeptes
zur Kundenbetreuung.
Verankerung des
KAM-Konzeptes.
BELZ (2008), Mitbegründer des St. Galler KAM-Konzeptes, geht noch einen Schritt
weiter und sieht den Grund für das häufige Scheitern von KAM-Ansätzen in der Praxis
darin, dass die Bedeutung der wichtigsten Kunden nicht beim ganzen Unternehmen,
inklusive der Geschäftsleitung, angekommen ist. Laut dem St. Galler KAM-Konzept
soll das Unternehmen, das eine erfolgreiche „strategische Verankerung“ von
KAM durchführen möchte, KAM als Teil der Unternehmensstrategie sehen. Hierbei
sollte sich auch das Topmanagement engagieren und Unterstützung bei der ganzheitlichen Integration und der Ausrichtung auf die wichtigsten Kunden, die das
Unternehmen tragen, zeigen.
Abgrenzung des KAM vom „klassischen Vertrieb“
Besondere Prioritäten und Vorteile für
Key Accounts.
KAM unterscheidet sich deutlich vom „herkömmlichen“ Vertrieb. Laut WINKELMANN
(2008) wird folgende Differenzierung zwischen KAM und anderen „klassischen
Vertriebsarten“ gemacht:
Von KAM sollte „nur dann gesprochen werden, wenn die Vertriebsleitung den Schlüsselkunden spezielle Prioritäten und Vorteile einräumt. Im Vergleich zu
Nicht-Schlüsselkunden müssen für die Key Account Betreuung andere, i. d. R. höhere Budgets eingeräumt sein“ (Winkelmann 2008b: 548).
Eine detaillierte Gegenüberstellung zwischen dem „klassischen Vertrieb“ und dem
Key Account Management beinhaltet Tab. 1:
22
Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie
Klassischer Verkauf
Key Account Management
Auf der Kundenseite befinden sich meist
Einkäufer, die sich auf Materialeinstandspreise, Produktqualität und Lieferpräzision konzentrieren.
Kunden optimieren die Prozesskosten;
multiples Kontaktmanagement bei
Kunden und Kundenkoordination.
Verkauft werden Produkte und Mengen;
Know-how wird vor allem produktbezogen gebraucht; Verkaufsleistung
steht im Vordergrund.
Verkauft werden Wirtschaftlichkeit
(Prozesskosten), Problemlösung, Erfolgsbeitrag; notwendig ist Know-how über die
jeweilige Kundenbranche, das
Unternehmen des Kunden und über seine
Produkte; im Vordergrund steht die
Leistung für den Kunden.
Einzelkämpfer/Individualisten, die
tendenziell auf schnellen Erfolg abzielen.
Meist ist hierbei nicht der Kunde,
sondern das eigene Angebot im Fokus und
der Ausgangspunkt der Verkaufsverhandlungen. Die Verkäufer „besitzen“
ihre Kunden.
Der KA-Manager wird zur „Spinne im Netz“,
er muss zwischen den verschiedenen
Bereichen des eigenen Unternehmens und
denen des Kunden die Fäden ziehen und
die Aktivitäten koordinieren. „Key
Accounts sind kein „Privatbesitz“ einzelner Verkäufer, sondern externe Unternehmensressourcen, die systematisch von
Teams betreut werden müssen“ (Rentzsch
2008: 194).
Die Arbeitsaufteilung erfolgt nach
geographischen Gebieten; „Gemischtverkauf“ von Generalisten.
Die Verkaufsaktivitäten werden auf die
Kunden abgestimmt und global
koordiniert; dem Kunden soll eine präzise
Leistung geliefert werden.
Tab. 1: Gegenüberstellung: „klassischer Verkauf“ vs. KAM (Belz 2008: 34)
„Missbrauch“ des Begriffes KAM in der Praxis
Den Kunden als KA zu bezeichnen, ohne die Aufgabenstellung des
Außendienstmitarbeiters darauf auszurichten, wird in der Literatur auch „PseudoKAM“ genannt (vgl. Rentzsch 2008: 194). „Key Account“ werden lediglich deshalb
gebildet, damit die betreuenden Mitarbeiter diesen mehr Aufmerksamkeit widmen.
Allerdings entspricht dies nicht dem korrekt verstandenenKonzept des Key Account
Managements, vor allem dann, wenn diese viele Kunden betreuen. Die Mitarbeiter
kümmern sich im Rahmen der regulären Verkaufsarbeiten um diese „Key Accounts“,
ohne dass eine dem Verständnis des KAM entsprechende Kundenwidmung erfolgt
(Winkelmann 2008b: 548).
Pseudo-KAM.
23
Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser
Wichtigkeit des Key Account-Identifikationsprozesses: Unterschiede zwischen Theorie und Praxis
KA-Wahl nach
Bauchgefühl?
Obwohl eine sorgfältige Identifikation der Key Accounts selbstverständlich erscheinen mag, können viele Unternehmen auf Nachfrage die Wahl, warum ein
gewisser Kunde zum Schlüsselkunden gewachsen ist, nicht begründen. Oftmals
ist es ein schleichender Prozess, in dem der Kunde „vor sich hin“ wächst, bis er
irgendwann zum Key Account wird (vgl. Miller 1992: 32). Kundenprioritäten werden in dem Fall, ohne dass eine systematische Kundenqualifizierung durchgeführt wird, eher nach Bauchgefühl und Gespür verteilt. Jedoch kann unüberlegtes
und fehlerhaftes Kundenpriorisieren gefährlich für die Wirtschaftlichkeit und den
Erfolg einer Unternehmung werden, weil die verfügbaren Ressourcen möglichweise nicht auf die wichtigsten Kunden konzentriert werden (vgl. Winkelmann 2008a:
315). Einer Praxisuntersuchung zufolge führt nur jedes sechste Unternehmen der
Industriegüterbranche eine regelmäßige und systematische Kundenbeurteilung
durch (Deppermann 1998: 142 ff.), obwohl „[…] der Erfolg eines AccountManagement unmittelbar von der Auswahl der in ein entsprechendes Programm
einzubeziehenden Kunden abhängt“ (Lockau 2000: 20).
Theorie vs. Praxis.
Es bestehen große Unterschiede zwischen den theoretischen Erkenntnissen und
den Umsetzungen in der Praxis. Folgendes Zitat verdeutlicht die Kritik, die die
Literatur an den Unternehmen verübt:
„Die immer noch dominierende Umsatzorientierung bei der Identifizierung der Key
Accounts sollte dringend erweitert werden. Dabei bieten sich solche Verfahren
an, die sowohl quantitative als […] auch qualitative Kriterien berücksichtigen können. […] Angesichts der hohen Investitionen, die ein KAM verlangt, muss durch ein
geeignetes Auswahlverfahren sichergestellt werden, dass die „richtigen“ Kunden
selektiert werden“ (Bieberstein 2006: 4 f.).
Die theoretischen Ansätze vertreten die Ansicht, dass zur Identifikation der Key
Accounts mehr gehört, als nur eine umsatzbezogene ABC-Analyse. Demnach
müssen zum einen zusätzliche Kriterien untersucht, zum anderen auch die
Regelmäßigkeit der Überprüfung beachtet werden.
Methoden zur Identifikation von Key Accounts
Kriterien zur Identifikation von Key
Accounts.
24
Eine Kundenbewertung oder -qualifizierung dient der Beantwortung der Frage,
wer die wichtigen und wer die unwichtigeren Kunden eines Unternehmens
sind. Im Rahmen dieser Arbeit handelt es sich jedoch nicht um eine „klassische
Kundenbewertung“. Ziel ist vielmehr die Identifikation der Key Accounts. Die
Erfassung des Kundenwerts anhand quantitativer und qualitativer Aspekte lässt
sich mit den aufgestellten Kriterien zur Definition der Key Accounts verbinden
(Abb. 3):
Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie
Ökonomischer
Kundenwert
Informationswert
des Kunden
Aspekt der
Globalität
Strategischer
Kundenwert
Aspekt der
Unersetzbarkeit
Abb. 3: Aspekte des Kundenwerts für Key Accounts
(eigene Darstellung in Anlehnung an Winkelmann 2008b: 317)
Mögliche Identifikationsmethoden
Grundsätzlich lassen sich die Methoden zur Kundenbewertung in ein- oder mehrdimensionale Verfahren unterteilen (Abb. 4):
ABC-Analyse
Kundenerfolgs
-rechnung
Eindimensional
Customer Lifetime
Analyse
Kundenbewertungsmethoden
Scoring-Modelle
Mehrdimensional
Portfolio-Analyse
Abb. 4: Kundenbewertungsmodelle im Überblick
(eigene Darstellung in Anlehnung an Cornelsen 2000: 91)
25
Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser
Eindimensionale Verfahren betrachten eine wichtige Größe, die sowohl monetär
als auch nicht-monetär sein kann. Anhand dieser Größe wird die Bewertung durchgeführt. Mehrdimensionale Verfahren bieten eine umfassendere Betrachtung des
Kunden, da mehrere Kriterien beachtet werden können.
Die ABC-Analyse
Die beliebteste Methode in der Praxis.
Die ABC-Analyse ist das in der Praxis am häufigsten eingesetzte
Kundenbewertungsverfahren (vgl. Winkelmann 2008a: 319). Laut einer Studie
der Hochschule Niederrhein beträgt der Anteil dieser Methode 83 % aller in der
Praxis eingesetzten Bewertungsverfahren (Bieberstein 2006: 13 f.). Ziel ist es, eine
Rangfolge der Kunden, z. B nach dem Ist-Umsatz oder dem Ergebnis, zu erstellen.
Die Kunden, die als A-Kunden identifiziert wurden, können Schlüsselkunden sein.
Dies kann beispielsweise anhand des Pareto-Verhältnisses entschieden werden,
bei dem die 20 % der Kunden, die zusammen 80 % des gesamten Umsatzes bilden, zu A-Kunden und dementsprechend zu Key Accounts zugerechnet werden.
Die Abgrenzung der aktuellen Schlüsselkunden, deren Potenziale unbedingt zu
sichern sind, ist i. d. R. problemlos. Ebenso wichtig ist jedoch die Identifikation
der potenziellen Key Accounts. Dabei handelt es sich beispielsweise um mittelgroße B-Kunden, die ein den A-Kunden vergleichbares Ertragspotenzial aufweisen,
nur ist dieses vom Anbieterunternehmen noch nicht ausreichend ausgeschöpft
(Winkelmann 2008a: 364 f.). Für diese „Entwicklungs“-B-Kunden kann es sinnvoll sein, rechtzeitig Betreuungsprioritäten einzuräumen und ein KAM-Programm
aufzubauen.
Vorteile der ABC-Analyse sind die leicht verständliche Vorgehensweise und die
Identifikation der umsatz-/ bzw. gewinntreibenden Kunden.
Nachteile sind, dass es sich um ein statisches Berechnungsmodell handelt, das lediglich Vergangenheitswerte einbezieht, womit sich keine Entwicklungspotenziale
von Kunden erfassen lassen.
Customer-Lifetime-Value-Analyse (CLVA)
Ein dynamisches
Verfahren.
Bei der Customer-Lifetime-Value-Analyse handelt es sich um eine dynamische Methode der Kundenqualifizierung. Dadurch werden die bisher aufgezeigten Schwachstellen von statischen Analysen, d. h. die rückblickenden
Momentaufnahmen, behoben. Der Unterschied ist, dass neben den aktuellen Daten
nun auch die zukünftig zu erwartenden Umsätze und betrachtet werden (vgl. Kumar
2008: 5). Der CLVA beschreibt den Gewinn, der über die Dauer der Kundenbeziehung
erwartet wird. Er wird auf den Gegenwartszeitpunkt mittels Potenzialfaktor diskontiert und ergibt den Kapitalwert (vgl. Winkelmann 2008b: 350):
Kundenwert = Vergangenheitswert + (Zukunftswert * Potenzialfaktor)
26
Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie
Vorteile der CLVA sind der dynamische Aspekt der Berechnungsmethode, da auch
zukünftige Daten mit einbezogen werden können, sowie die Möglichkeit auch nichtmonetäre Aspekte, wie den Imagewert eines Kunden, einzubinden (vgl. Winkelmann
2008b: 350).
Nachteile sind die Unsicherheit bei der Prognostizierung von Zukunftswerten und
die damit einhergehende Subjektivität der Schätzung. Die Qualität der Ergebnisse
hängt somit stark von den Kundenkenntnissen ab (vgl. Nufer 2012: 8 f.).
Das Chancenpotenzial-Portfolio
Diese Methode dient dem Erkennen potenzialstarker Kunden, die bisher
noch unausgeschöpfte Lieferanteile vorweisen. Hierzu werden in dem sog.
Chancenpotenzial-Portfolio die Einkaufsbudgets der Kunden (Nominalwerte) den
eigenen Lieferanteilen bei den Kunden (in Prozent) gegenübergestellt. Die Kunden,
die sowohl ein hohes Einkaufsvolumen besitzen, als auch bereits einen hohen
Anteil vom Anbieterunternehmen beziehen, stellen die aktuellen Key Accounts dar.
Diese Kunden sind weiterhin mittels KAM zu sichern. Die Kunden, die über ein hohes
Einkaufsbudget verfügen, und noch ein hohes unausgeschöpftes Umsatzpotenzial
für den Zulieferer bieten, sind im Sinne des KAM die potenziellen bzw. zukünftigen
Schlüsselkunden, auf die bereits heute besonders Wert gelegt werden muss. Sie
sind „mit höchster Priorität zu akquirieren“ und mittels KAM zu betreuen bzw. auszubauen (vgl. Winkelmann 2008b: 344).
Identifikation von
unausgeschöpften
Potenzialen.
Vorteile: Diese Methode ist eine gute Ergänzung zur Umsatz-ABC-Analyse, da auch
die potenziellen KA identifiziert werden können, und es sich um eine mehrdimensionale Methode handelt, die zwei Aspekte zur Bewertung kombiniert (Murzin 2012:
78).
Nachteile: Es handelt sich um eine statische Analyse die keine Zukunftswerte einbezieht (vgl. Murzin 2012: 79).
Scoring-Modelle
Ein Scoring-Modell ist ein gewichtetes Punkte-Bewertungsverfahren, das eine
Verfeinerung der Portfolio-Analyse darstellt (vgl. Murzin 2012: 79). Mit dem
Scoring-Modell können verschiedene Eigenschaften sowohl quantitativer als auch
qualitativer Natur beurteilt und mit Bewertungspunkten versehen werden. Am Ende
ergibt sich ein Gesamtscore. Je höher dieser ist, desto wertvoller ist der Kunde für
den Anbieter (vgl. Weiber 2000: 493). Dieses Ergebnis ist sehr interessant für die
Identifikation der Key Accounts, da dies die „wertvollen“ Kunden sind, „die zu verlieren sich das Unternehmen nicht leisten kann“ (Miller 1992: 27).
Bewertung sowohl
qualitativer als
auch quantitativer
Kriterien.
Vorteile: Es lassen sich qualitative und quantitative Bestimmungsfaktoren zu einer
umfassenden Kundenbewertung kombinieren. Die Methode ist einfach durchzuführen (vgl. Homburg 1999: 14).
27
Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser
Nachteile: Es handelt sich bei der Bewertung um eine subjektive Einschätzung der
Punktewerte und der Gewichtungsfaktoren, wodurch die Ergebnisse schnell manipulierbar werden. Die Wahl der Kriterien ist ebenfalls subjektiv. Eine zu große
Anzahl kann das Resultat undurchsichtig machen (vgl. Murzin 2012: 79).
Kombination von Identifikationsmethoden und KA-Kriterien
Nachfolgende Tab. 2 weist den genannten Aspekten zur Identifikation von Key
Accounts geeignete Kundenbewertungsmethoden zu:
Zu untersuchendes
Kriterium
Mögliche Kundenbewertungs-Methode
Informationswert
Customer Lifetime Value-Analyse
Strategischer
Kundenwert
Customer Lifetime Value-Analyse
Portfolio-Analyse
Scoring-Modelle
Ökonomischer
Kundenwert
ABC-Analyse nach Umsätzen und Deckungsbeiträgen
der Kunden
Customer Lifetime Value-Analyse
Chancenpotenzial-Portfolio für die Erfassung von
potenziellen Key Accounts
Portfolio-Analyse
Scoring-Modelle
Globalität
Keine spezielle Methode geeignet
Unersetzbarkeit
Kann bei monetärem Hintergrund mittels der Betrachtung
der Ergebnisse der Umsatz- oder Ergebnis-ABC-Analyse
erfolgen.
Customer Lifetime Value-Analyse
Scoring-Modelle
Tab. 2: KA-Kriterien und ihre möglichen Bewertungsmethoden
28
Gründe für die Zunahme der Bedeutung von KAM in der Industrie
Fazit
Im Sinne dieser Ausarbeitung können „Key Accounts“ anhand von sechs Kriterien
charakterisiert werden. Bei „Key Account Management“ handelt es sich um einen
das ganze Unternehmen betreffenden Ansatz, der sich nicht nur mit dem Vertrieb
und der Vermarktung von Produkten beschäftigt, sondern eine individuelle, intensive Kundenbetreuung beinhaltet. Die Basis der Implementierung eines KAMKonzeptes stellt die Identifikation der Key Accounts dar. Dieser Schritt erscheint
selbstverständlich, wird jedoch in zahlreichen Unternehmen nicht umfassend genug und regelmäßig durchgeführt. Hierbei unterscheiden sich die Praxis und Theorie
erheblich voneinander. Die Literatur stellt die Forderung, dass zur Identifizierung
der wichtigsten Kunden eines Unternehmens mehr gehört als eine umsatzbezogene
ABC-Analyse, die sich in der Praxis größter Beliebtheit erfreut. Es wurden deshalb
im Rahmen dieser Arbeit einige andere Verfahren vorgestellt, wie z.B. die CLVA oder
das Scoring-Modell, um mehr Entscheidungskriterien für KAs in die Bewertung mit
einfließen lassen zu können.
Quellen
BACKHAUS, K.; VOETH, M. (2007): Industriegütermarketing. 8. Aufl. München:
Verlag Franz Vahlen
BELZ, C. et al. (2008): Spitzenleistungen im Key-Account-Management, 2. Auflage,
München: FinanzBuch Verlag
BIEBERSTEIN, I. (2006); Vergossen, H.: Key Account Management in der Praxis,
Kompetenzzentrum für angewandtes Marketing an der Hochschule Niederrhein
BIESEL, H. (2002): Key Account Management erfolgreich planen und umsetzen.
Mehrwert-Konzept für Ihre Top-Kunden, Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher
Verlag Dr. Th. Gabler
BOLES, J. et al. (1999): „The Selection and Organization of National Accounts: A
North American Perspective“, In: Journal of Business and Industrial Marketing 14
(4)
BRUHN, M. (2002): Integrierte Kundenorientierung, Wiesbaden: Gabler-Verlag
CORNELSEN, J. (2002): Kundenwertanalysen im Beziehungsmarketing: Theoretische
Grundlagen und Ergebnisse einer empirischen Studie im Automobilbereich,
Nürnberg
DEPPERMANN, K.; MARZIAN, S. (1998): Win-Win, das Ziel aller Vertriebsprozesse,
Absatzwirtschaft, Sondernummer Oktober 1998
29
Prof. Dr. Marion Murzin, Vanessa Reiser
HOMBURG, C. et al. (2008): Sales Excellence. 5. Auflage. Wiesbaden: Gabler-Verlag
KÜHN, R.; SIEBERT, T. (2010): Key Account Management in global tätigen
Logistikkonzernen. Köln: Josef Eul Verlag
LOCKAU, I. (2000):
Organisation des Global-Account-Management
Industriegütersektor. Berlin: Erich Schmidt Verlag
im
MILLER, R. et al. (1992): Schlüsselkunden-Management. Verlag Moderne Industrie
MURZIN, M. (2012): Vertriebsmanagement, Vorlesungsskript, Hochschule Karlsruhe
PEYMANI, B. (2010): „Gemeinsam Geschäfte machen“. In: Fachzeitschrift ‚acquisa‘,.
Ausgabe 10
RAU, H. (1994): Key Account Management:
Beziehungsmanagement. Wiesbaden: Gabler-Verlag
Konzepte
für
wirksames
REINHOLD, M. (2008): Key Account Management und Management von
Geschäftsbeziehungen. Intensivseminar B2B-Marketing und Verkauf der Universität
St. Gallen
RENTZSCH, P. (2008): Kundenorientiert Verkaufen im Technischen Vertrieb:
Erfolgreiches Beziehungsmanagement im Business-to-Business. 4. Auflage.
Wiesbaden: Gabler-Verlag
SIDOW, H. (2007): Key Account Management: Geschäftsausweitung durch kundenbezogene Strategie. 8. Auflage. Landsberg am Lech: mi-Fachverlag
WENGLER, S. (2006): Key Account Management in Business-to-Business Markets:
An Assessment of its Economic Value. Deutscher Universitätsverlag
WINKELMANN, P. (2008a): Marketing und Vertrieb. 6. Auflage. München:
Oldenbourg Wissenschaftsverlag
WINKELMANN, P. (2008b): Vertriebskonzeption und Vertriebssteuerung. 4. Auflage.
München: Verlag Franz Vahlen
YIP, G. (1996): Die globale Wettbewerbsstrategie: weltweit erfolgreiche Geschäfte,.
Wiesbaden: Gabler-Verlag
ZUPANCIC, D.; SENN, C. (2000): Global Account Management:
Bestandsaufnahme in Wissenschaft & Praxis. Thexis, St. Gallen
30
Eine
Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing
Kurzfassung
Abstract
In der Master-Thesis werden aktuelle,
in der wissenschaftlichen Forschung
anerkannte und in der Praxis eingesetzte Methoden zur Preisbildung ermittelt und hinsichtlich des Einsatzes
in der Automobilindustrie bewertet.
Das in dieser Arbeit entwickelte Modell
verbessert identifizierte Probleme der
Preisbildung und trägt zur konsistenten und transparenten Preisbildung
in einem konkreten Unternehmen
bei. Die Preisbildung wird segmentspezifisch auf Preiseinflussfaktoren
aufgebaut, welche zuvor im Rahmen
einer Preiseinflussfaktorenforschung
ermittelt wurden. Das Modell zeichnet sich durch synergieerzeugende
Integration im Preismanagementprozess aus. Die Eignung des Modells
zur
Preisbildung
wird
abschließend in einem Unternehmen der
Nutzfahrzeugindustrie unter Beweis
gestellt.
This master-thesis determines current
methods for automotive pricing, established in scientific research and used
by the industry. The pricing model developed here improves existing pricing
problems and contributes to consistent and transparent pricing in a specific company. Pricing is established
on segment specific price factors that
had previously been determined by researching price influencing factors. The
pricing model is characterized by a synergy generating integration into the price management process. The suitability
of the pricing model will then be tested
in the commercial vehicle industry.
Schlüsselwörter:
Preisbildung,
Preiseinflussfaktor,
Preispsychologie,
Preismanagement,
Marktsegment,
Adoptionsprozess,
Automobilindustrie
Keywords:
pricing model,
price influencing
factor, psychology
of pricing, price management, market
segments, adoption
process, automobile industry
Prof. Reinhold König ist Professor für Industriegütermarketing an der Hochschule
Karlsruhe und Leiter des Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen.
Außerdem leitet er das „Steinbeis Transferzentrum Technischer Vertrieb und
Management“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Competitive
Intelligence und Key Account Management.
Kontakt: [email protected]
Ingo Bertsche,
Absolvent des Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen
31
Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche
Vorwort
Senkt kostenorientierte Preisbildung
die Unternehmesprofitabilität?
Eine einseitig auf Kosten fokussierte Preisbildung kann dazu führen, dass die
Profitabilität des Geschäfts leidet. Dabei sind besonders zwei Fälle hervorzuheben:
1. Die kostenorientierte Preisbildung führt zu einem Preis, der unterhalb der Zahlungsbereitschaft der Kunden liegt. In diesem Fall gehen
Deckungsbeitragspotentiale pro abgesetzter Produkteinheit verloren.
2. Die kostenorientierte Preisbildung führt zu einem Preis, der oberhalb der
Zahlungsbereitschaft der Kunden liegt. In diesem Fall gehen Marktanteile verloren
und der gesamte Deckungsbeitrag über alle Einheiten eines abgesetzten Produktes
wird reduziert, da nicht mehr alle Absatzmöglichkeiten genutzt werden.
Zur Lösung dieser Problematik wurden als Ausgangspunkt der Master-Thesis
in der wissenschaftlichen Forschung anerkannte und in der Praxis angewandte Methoden zur Preisbildung ermittelt. Diese Methoden konnten mit Hilfe
von Experteninterviews, aktuellen Studien, aktuellen Forschungsartikeln, sowie in Zusammenarbeit mit der Vocatus AG – einem deutschen Beratungs- und
Marktforschungsunternehmen – und auf Grundlage der Analyse der derzeitigen
Situation in Unternehmen der Automobilindustrie auf deren Eignung für den Einsatz
in der Automobilindustrie bewertet werden. Dadurch wurden Probleme bei der
Durchführung der Preisbildung in Unternehmen identifiziert, sowie Forderungen an
das zu entwickelnde Modell zur Preisbildung definiert.
Das Modell zur Preisbildung zeichnet sich durch seine starke Segmentorientierung,
die Anlehnung an die Diffusionstheorie und am Produktlebenszyklus, sowie durch
die Orientierung am Bedürfniszyklus aus. Durch die hohe Segmentorientierung
wird der zunehmenden Wettbewerbsdynamik Rechnung getragen und sichergestellt, dass die individuellen, segmentspezifischen Kundenanforderungen preislich
verarbeitet werden können. Durch die Anlehnung an die Diffusionstheorie und den
Produktlebenszyklus wird die dynamische Sichtweise zur Preisbildung abgebildet.
Die Orientierung am Bedürfniszyklus stellt sicher, dass die Preisbildung die im
Marktsegment vorliegenden Bedürfnisse berücksichtigt.
Die im Rahmen der empirischen Preiseinflussfaktorenforschung ermittelten Faktoren bilden die Grundlage des Modells zur Preisbildung. Die
Preiseinflussfaktorenforschung konnte in der Praxis wenig angewandte oder in vielen Systematiken fehlende Preiseinflussfaktoren aus den relevanten Bereichen zur
Preisbildung (Nachfrage, Markt-, Wettbewerbs- und Kostenstruktur) ermitteln und
erläutern. Zudem werden Methoden zur Ermittlung dieser Preiseinflussfaktoren
aufgezeigt, welche Unternehmen im Rahmen des Modells anwenden können.
Innerhalb des Modells ist die marktgerechte Verteilung der Gemeinkosten ein wichtiger Ansatzpunkt zur Definition einer marktgerechten Kostenstruktur.Die marktgerechte Kostenstruktur bildet die Grundlage, um eine marktgerechte Preisstruktur
zu definieren.
32
Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing
Desweiteren wurde gewährleistet, dass das Modell zur Preisbildung im Rahmen
des Preismanagements implementiert werden kann und zu einem in sich konsistenten Gesamtprozess vervollständigt wird. Mit dem Modell zur Preisbildung entsteht daher ein konsistentes, transparentes und synergieerzeugendes Konzept
zur marktgerechten Preisbildung.
Das Modell zur Preisbildung wurde außerdem bei einem OEM der
Nutzfahrzeugindustrie erfolgreich implementiert. Im Unternehmen konnten einige Probleme identifiziert und durch das Modell zur Preisbildung beseitigt werden.
Außerdem wurde zu einer transparenten und flexiblen Preisbildung beigetragen,
die Synergien zwischen Abteilungen und im Hinblick auf bereits bestehende
Prozesse erzeugt.
Auf dieser Basis werden in der nachfolgenden Darstellung die Herausforderungen
im Automobil-Pricing aufgezeigt und mögliche Lösungsansätze dargestellt.
Herausforderungen im Automobil-Pricing
Die Strukturen innerhalb der Automobilindustrie sind global ausgerichtet.
Die gesamte Wertschöpfungskette heutiger Automobilunternehmen hat sich
an die zunehmende Internationalisierung angepasst. Dies führt zu einem
Verdrängungswettbewerb.
Neben diesen Entwicklungen ist die Verkürzung der Fahrzeuglebenszyklen zu erkennen. Fahrzeuggenerationen werden in kürzer werdenden Zeitspannen durch
Modellpflegen oder Nachfolgegenerationen an die geänderte Bedürfnisstruktur
am Markt angepasst. Hinzu kommen die anstehenden Veränderungen in der
Automobilentwicklung. Eingeleitet durch gesetzliche Vorgaben werden in naher
Zukunft die konventionellen Antriebe durch alternative Antriebe ersetzt. Dies wird
einen gewaltigen Wandel innerhalb der Bedürfnisstruktur nach sich ziehen (Ebel/
Hofer/Al-Sibai 2003: 14 ff.). Auf diesen Strukturwandel müssen Unternehmen im
Rahmen der Preisbildung vorbereitet sein.
HOFER et al. sehen in der aktuellen Marktentwicklung eine zunehmende Individualisierung der Kundenwünsche (Ebel/Hofer/Al-Sibai 2003:
14 ff.). Nachfrager zeichnen sich in der Automobilindustrie durch hohe
Kundenanforderungen aus, die die Entwicklung von individuellen Fahrzeugen fordern. Insbesondere in der Nutzfahrzeugindustrie sind Fahrzeuge, die einen individuellen Einsatz ermöglichen, von höchster Bedeutung. Dadurch entsteht eine
verstärkte Fragmentierung von Märkten. Deshalb ist in der Automobilindustrie
die Notwendigkeit einer Segmentorientierung zu erkennen (Ebel/Hofer/Al-Sibai
2003: 14 ff.).
Neben der Fragmentierung der Märkte, der Individualisierung der Kundenwünsche
und der zunehmenden Polarisierung der Einkommensverhältnisse ist zu beobachten, dass die Preis- und Kaufentscheidung der Nachfrage nicht nur rationalem Verhalten unterliegt. Die Preis- und Kaufentscheidung spiegelt einen
Es treten ständig
neue internationale
Wettbewerber auf.
33
Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche
Nachfrager wider, der sich durch eine sinkende Markenloyalität und eine wachsende Preissensibilität auszeichnet (Ebel/Hofer/Al-Sibai 2003: 14 ff.). Das entwickelte
Modell ermöglicht Fahrzeuge preislich optimal am Markt zu positionieren.
Grundproblem von Unternehmen im Rahmen der Preisbildung ist eine starke
Tagesorientierung, welche zu Lasten einer lebenszyklusorientierten, strategischen
Preisbildung geht. Dies zeigt sich darin, dass sich preispolitische Aspekte selten
in Geschäftsplanungen wiederfinden. Die Rabattpolitik von Unternehmen ist nicht
immer systematisch. Damit besitzen Rabatte keinen strategischen Charakter. Die
Rabattstrukturen in Unternehmen sind oft historisch gewachsen, repräsentieren
also kaum noch die aktuelle Marktsituation (Homburg/Jensen/Schuppar 2004:
2 f.). Dies ist wiederholt auch bei unternehmensintern definierten Prozessen zur
Preisbildung zu erkennen. In vielen Fällen sind diese Prozesse zu bürokratisch
definiert, aber vor allem sind sie zu unflexibel. Für den Vertrieb wird es dadurch
schwer, kundenindividuelle Rabatte zu gewähren oder die Rabattpolitik auf das
Verhalten der Kunden abzustimmen. Dies führt nicht nur zu einer suboptimalen Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft, sondern auch zu einer Demotivation
der Vertriebsmitarbeiter. Daher kann in diesen Fällen von einer zielgerichteten
Ansprache der Kunden keine Rede sein.
In Unternehmen werden die Preisentscheidungen mitunter ohne Berücksichtigung
der Konsequenzen am Markt durchgeführt. Erst im Nachhinein werden die
Auswirkungen erkannt und dann mit ad-hoc Preisentscheidungen reagiert. Dies
kann zu unerwünschten Preiskämpfen mit Wettbewerbern führen. Besonders in der
Automobilindustrie ist diese Orientierung am Markt bzw. an den Wettbewerbern
wichtig, da sich das Wettbewerbsumfeld zunehmend verschärft und intensiviert
(Diez 2006: 24 f.). Dies führte dazu, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Anzahl
an OEM in der Automobilindustrie mehr als halbiert hat.
Wenn die Unternehmen zudem die Preise nicht aktiv steuern und den
Anforderungen über den Produktlebenszyklus anpassen, besteht die Gefahr,
dass wichtige Preiseinflussfaktoren nicht beachtet werden. Häufig haben Intuition
und Improvisation Daten und Fakten abgelöst. Es kommt auch vor, dass keine
Transparenz bzgl. der Verantwortlichkeit der Preisbildung im Unternehmen besteht (Homburg/Jensen/Schuppar 2004: 2 f.). Da bei der Preisbildung verschiedene
Abteilungen beteiligt sind, können divergierende Ziele auftreten. NAGLE et al. halten fest, dass die erfolgreiche Preispolitik eines Unternehmens mit der Methode,
wie Preise festgesetzt werden, steht und fällt (Nagle/Holden/Larsen 1998: 1 ff.).
Die vorliegende Arbeit zeigt eine Systematik auf, wie die für die jeweilige
Unternehmenssituation relevanten Preiseinflussfaktoren ermittelt, analysiert und
für eine Preisbildung verwendet werden können.
34
Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing
Bewältigung der Herausforderungen im Unternehmen
Auf Basis einer durchgeführten Prozessanalyse im Unternehmen wurde festgestellt, dass der Gesamtprozess zur Preisbildung in der OEM AG diverse Probleme
aufweist, wovon die Hauptprobleme im Folgenden kurz erläutert werden:
Neben den allgemeinen Herausforderungen im Automobil-Pricing war im
Unternehmen festzustellen, dass die Hauptverantwortung für Preisbildung im
Controlling lag. Dies hat zur Folge, dass die Preisbildung kostenorientiert ist
und die Preise durch eine Zuschlagskalkulation gebildet werden. Dies ist zwar
vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Nutzfahrzeugindustrie (verschiedenste Fahrzeugkombinationen) einerseits gerechtfertigt, vor dem Hintergrund
der immer preisbewusster werdenden Nachfrager und der zunehmenden
Wettbewerbsintensivierung aber als alleinige Ausrichtung nicht mehr tragbar.
Eine starke Orientierung am Markt ist unerlässlich. Um dies umsetzen zu können,
sind Analysemethoden nötig, mit denen die über den Produktlebenszyklus variierende Nachfragestruktur qualitativ und quantitativ beschrieben werden kann. Im
Folgenden sind die wichtigsten Maßnahmen dargestellt, die zur Berücksichtigung
einer marktgerechten Preisbildung entwickelt und im Unternehmen integriert
wurden.
Die im Unternehmen durchgeführte Produktpositionierung sollte um die Analyse von
Markerelementen erweitert werden, um die Nachfragestruktur entsprechend der
Marktsituation abbilden und durch die Produktpositionierung auf die Situation im
Produktlebenszyklus anpassen zu können. Markerelemente sind einzelne Produkte
oder Produktbestandteile, deren Preis der Kunde genau zu kennen glaubt und die
er als Basis für die Preiseinschätzung eines Gesamtproduktes oder einer gesamten Produktpalette verwendet (Vocatus AG 2002: 5). Damit haben Markerelemente
eine Signalwirkung für das Fahrzeug bzw. für das ganze Sortiment oder die gesamte Marke. Markerelemente sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Nachfrager
eine hohe Schätzsicherheit für sie angibt, weil er den Preis exakt zu kennen glaubt
und deshalb Rückschlüsse auf die Preisgünstigkeit des gesamten Fahrzeugs zieht
(Vocatus AG 2002: 5). Für Unternehmen sind Markerelemente wichtig, da mit deren
Kenntnis die Zahlungsbereitschaft maximal abgeschöpft bzw. vermieden werden
kann, dass Preise über dem Erwartungsniveau liegen. Im bestehenden Prozess zur
Preisbildung der OEM AG fließen die Analysen der Markerelemente jedoch bisher
nicht ein. Mit dieser Analyse könnte die Nachfrage mit Hilfe quantitativer Elemente
eingeschätzt werden und die Preisbildung würde stärker auf Orientierungsgrößen
der Märkte beruhen.
Markerelemente
sind Orientierungsgrößen für die
Preisbildung.
Um eine marktgerechte Preisstruktur zu definieren, muss neben den
Markerelementen, die Informationen über das Preiswissen vermitteln, auch das
Preisinteresse und die Preisbewertung der Nachfrager ermittelt werden. Diese
Komponenten geben ein qualitatives Bild über die Zahlungsbereitschaft und stellen
die Basis einer marktgerechten Preisgestaltung dar.
35
Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche
Durch die Ermittlung des Preisinteresses im relevanten Marktsegment lässt sich
im Rahmen der Vermarktung den Nachfragern genau die Quantität und Qualität
an Information zur Verfügung stellen, die sie in ihrem Entscheidungsprozess zur
Adoption benötigen. Daher können den Zielgruppen im Rahmen der Vermarktung
gezielte Informationen bereitgestellt werden. Außerdem ist die Intensität des
Preisinteresses ausschlaggebend für den Grad des Preiswissens.
Schließlich führen Nachfrager mit hohem Preisinteresse ihre Kaufentscheidung
auf umfangreiche Informationen zurück. Nachfragern mit geringem Preisinteresse
hingegen müssen weitaus weniger Informationen zur Verfügung gestellt werden,
da sie diese zur Kaufentscheidung nicht nutzen. In diesem Fall sollte die Marke im
Vordergrund der Vermarktung stehen.
Markerelement
N
Bruttopreis für kundenindividuelles Fahrzeug
Sonderausstattung
Markerelement
B
Markerelement
A
Markerelemente des Grundfahrzeugs
Bruttopreis für Grundfahrzeug
Markerelement
...
Sonder ausstattung N
Sonder ausstattung ...
Sonder ausstattung B
Sonder ausstattung A
marktspezifische
Rabatte
Serienausstattung
Nettopreis für Grundfahrzeug
Grundfahrzeug
Gewinnspanne
marktgerechte
Gemeinkostenverteilung
Kosten
Abb. 1: Preisbildung im Controlling mithilfe der Markerelemente (eigene Darstellung)
36
Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing
Wie in Abb. 1 zu erkennen ist, kalkuliert das Controlling das Fahrzeug bzw. die
Fahrzeugausstattungen auf Basis der zugrundeliegenden Kosten. An dieser Stelle
sollte die Ermittlung der kostenorientierten Preiseinflussfaktoren abgeschlossen
sein. Durch die ermittelten nachfrager-, markt-, wettbewerbs-, und kostenorientierten Preiseinflussfaktoren kann eine marktgerechte Kosten- und Preisstruktur
definiert werden. Dabei spielt die marktgerechte Gemeinkostenverteilung eine
wichtige Rolle (s. Abb. 2). An dieser Stelle werden die Informationen des Vertriebs
bzw. des Marketings für eine marktgerechte Gemeinkostenverteilung benötigt, um
eine marktgerechte Kostenstruktur zu definieren. Daher muss der Vertrieb bzw. das
Marketing auf Basis der Preiseinflussfaktoren dem Controlling Informationen liefern, welche Fahrzeuge aufgrund der Nachfrage-, Markt- und Wettbewerbsstruktur
mehr Gemeinkosten tragen können. Ferner sind dem Controlling die Preisbausteine
mitzuteilen, an denen der Nachfrager die Preisgünstigkeit für das Gesamtfahrzeug
festmacht. Dadurch wird es möglich, die Gemeinkosten zwischen den Fahrzeugen
marktgerecht zu verteilen und den Nachfrager optimal hinsichtlich seiner
Preiseinschätzung auf das gesamte Fahrzeug zu beeinflussen. Ziel ist die Definition
einer marktgerechten Preisstruktur auf Basis einer marktgerechten Kostenstruktur.
Fahrzeug A
Kosten,
Preis
Zahlungsbereitschaft
Preisbewertung +
Preiswissen + Preisinteresse
Gewinnspanne
Fahrzeug B
Kosten,
Preis
Zahlungsbereitschaft
Preisbewertung +
Preiswissen + Preisinteresse
Eine marktgerechte Preisbildung
wird durch eine
Verteilung der
Gemeinkosten nicht
der Tragfähigkeit
der einzelnen
Produktgruppen
erreicht.
Fahrzeug C
Kosten,
Preis
Zahlungsbereitschaft
Preisbewertung +
Preiswissen + Preisinteresse
Gewinnspanne
Gemeinkosten
Gemeinkosten
Gemeinkosten
Einzelkosten
Einzelkosten
Einzelkosten
Abb. 2: Marktgerechte Verteilung der Gemeinkosten (eigene Darstellung)
37
Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche
Mit diesen Informationen kann das Controlling eine marktgerechte Kostenstruktur
definieren. Dies erfolgt auf Basis einer marktgerechten Gemeinkostenverteilung im
Rahmen der Kostenrechnung. Schließlich werden die Gemeinkosten im Rahmen der
Kostenrechnung nach gewissen Schlüsseln nicht verursachungsgerecht verteilt. Mit
den Informationen über das Preisinteresse, Preiswissen und der Preisbewertung ist
ein Unternehmen in der Lage, die Gemeinkosten so auf die Fahrzeuge zu verteilen, dass ein marktgerechter Preis entsprechend der Marktsituation bestimmt wird.
Schließlich wird sich die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager, das Preiswissen
oder das Preisinteresse im Verlaufe des Produktlebenszyklus oder entsprechend
der Markt- und Wettbewerbssituation verändern. Auf diese Veränderungen kann
das Unternehmen durch das aufgebaute Know-How flexibel reagieren.
Nutzen für das Unternehmen
Aufgrund der Implementierung des entwickelten Modells zur Preisbildung im
Unternehmen konnten bestehende Prozesse verbessert werden. Der durch das
Modell gestiftete Nutzen wird im Folgenden dargestellt.
Die Orientierung an der Diffusionstheorie hilft, die Nachfrager über den
Produktlebenszyklus charakterisieren zu können. Zusammen mit dem
Produktlebenszyklus besitzt die OEM AG die Möglichkeit, die geeigneten, am Markt
nachgefragten und vom Wettbewerb differenzierten Fahrzeugausstattungen, zu
definieren. Da die Preiseinflussfaktoren dauerhaft über den Produktlebenszyklus
ermittelt werden, können neue Fahrzeugausstattungen auch während des
Produktlebenszyklus‘ bestimmt werden. Davon abgeleitet können Modellpflegen
und Nachfolgegenerationen eingeführt werden. Schließlich ändert sich die Marktund Nachfragestruktur im Zeitverlauf. Wettbewerber führen neue Fahrzeuge ein,
verbessern bestehende Fahrzeuge durch Modellpflegen oder die Bedürfnisse der
Nachfrager verändern sich. Auf diese Veränderungen muss ein Unternehmen jederzeit reagieren können.
38
Herausforderungen und Lösungsansätze im Automobil-Pricing
Nutzen des Modells zur Preisbildung im Beispielunternehmen
Verantwortliche Abteilung
im Unternehmen
• Verbesserte Zusammenarbeit zwischen Marketing, Vertrieb, Controlling und Entwicklung
(transparente Daten).
• alle
• Quantitative Identifikation der Nachfrager-, Markt- und Wettbewerbsstruktur (Forderung des
Vertriebs/Marketings sind Daten und Fakten).
• Vertrieb/Marketing
• Gezielte Positionierung möglich (Identifikation benötigter Fahrzeugeigenschaften über PLZ).
• alle
• Identifikation des richtigen Zeitpunktes für Modellpflegen und/oder Nachfolgegenerationen.
• Vertrieb/Marketing
• Marktgerechte Kosten- und Preisstruktur wird auf Basis von Daten und Fakten (PEF) ermittelt.
• alle
•Bereitstellung von Informationen für eine marktgerechte Gemeinkostenverteilung (Welche
Fahrzeuge können mehr/weniger Gemeinkosten tragen?).
• Vertrieb/Marketing
• Definition einer marktgerechten Kostenstruktur durch eine marktgerechte
Gemeinkostenverteilung.
• Controlling
• Definition einer marktgerechten Preisstruktur durch eine marktgerechte Kostenstruktur und
durch die Ermittlung von Preisinteresse, Preiswissen und Preisbeurteilung.
• Vertrieb/Marketing
• Gezielte Anspache der Nachfrager im Rahmen der Vermarktung auf Basis einer marktgerechten
Preisstruktur.
• Vertrieb/Marketing
Abb. 3: Nutzen des Modells zur Preisbildung in der OEM AG (eigene Darstellung)
Vertrieb und Marketing können mit Hilfe der Preiseinflussfaktoren
Fahrzeugeigenschaften, Fahrzeugausstattungen oder die geforderte preisliche
Positionierung des Fahrzeugs durch Daten und Fakten hinterlegen. Da zunächst die
Nachfragestruktur mithilfe von Preisbewertung, Preisinteresse und Preiswissen
ermittelt wird, kann eine optimale Abschöpfung der Zahlungsbereitschaften der
Nachfrager über den Produktlebenszyklus im Zusammenspiel zwischen Kosten,
Markt und Wettbewerber erfolgen.
Diese Daten und Fakten, welche durch die nachfrager-, markt- und wettbewerbsorientierten Preiseinflussfaktoren geschaffen werden, sind besonders für eine marktgerechte Gemeinkostenverteilung zur Definition einer marktgerechten Preisstruktur
nötig. Der Vertrieb bzw. das Marketing kann dem Controlling durch belastbare
Daten mitteilen, welche Fahrzeuge aufgrund der Marktsituation mehr bzw. weniger
Gemeinkosten tragen müssen. Dadurch wird dem Controlling die Grundlage für eine
marktgerechte Preisstruktur zur Verfügung gestellt.
…möglich den veränderten Wettbewerbsbedingungen
und zunehmendem Preisdruck
mit Struktur und
Transparenz zu
begegnen.
Durch die Implementierung des Modells zur Preisbildung in die bestehende
Unternehmens- und Prozessstruktur konnten der OEM AG hilfreiche Informationen
zur aktuell anstehenden Preisgestaltung bzgl. der Markteinführung geliefert werden. Zudem wurde der Fokus des Unternehmens über die Erstpreispositionierung
hinaus auf anstehende Preisentscheidungen im Zeitverlauf (beispielsweise im
Rahmen einer Modellpflege oder einer Nachfolgegeneration) gelegt. Die Situation
39
Prof. Reinhold König, Ingo Bertsche
der unklaren Verantwortlichkeiten wird durch einen transparenten und systematisch aufgebauten Prozess zur Preisbildung mit klar definierten Zuständigkeiten
und Verantwortlichkeiten im Rahmen der Preisbildung ersetzt.
Die OEM AG verfügt nun über einen Prozess zur Preisbildung, welcher am bestehenden Prozess im Unternehmen angelehnt ist und die verschiedenen Tätigkeiten in
den Abteilungen verbindet. Dadurch lassen sich einige Synergien nicht nur innerhalb von Abteilungen, sondern auch abteilungsübergreifend erzeugen.
Mit dem entwickelten Modell zur Preisbildung ist es also möglich, den veränderten Wettbewerbsbedingungen und dem zunehmendem Preisbewusstsein der
Nachfrager mit Struktur und Transparenz zu begegnen.
Quellen
DIEZ, W. (2006): Automobil-Marketing: Navigationssystem für neue
Absatzstrategien. 5. Auflage. Landsberg am Lech: mi-Fachverlag, Redline GmbH
EBEL, B.; HOFER, M.B.; AL-SIBAI, J. (2003): „Trends in der Automobilindustrie:
Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit zwischen Zulieferer, Hersteller
und Händler“. In: Automotive Management: Strategie und Marketing in der
Automobilwirtschaft. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag, S.13-38
HOMBURG, C.; JENSEN, O.; SCHUPPAR, B. (2004): Pricing Excellence – Wegweiser
für ein professionelles Preismanagement. Institut für Marktorientierte
Unternehmensführung an der Universität Mannheim. Reihe: Management KnowHow Nr. M90
NAGLE, T.T.; HOLDEN, R.K.; LARSEN, G.M. (1998): Pricing – Praxis der optimalen
Preisfindung. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag
VOCATUS AG (2002): „Psychologische Preisoptimierung“. In VOCATUS AG,
“Feedback”. Jg 3. Ausg 4. München: Verlag StrukturPlan – http://www.vocatus.de/publikationen/feedback.php, abgerufen am 05.08.2012 – VOCATUS AG:
Marktforschung & Beratung
40
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Kurzfassung
Abstract
Der E-Commerce spielt in der Zukunft
des Einzelhandels eine entscheidende
Rolle. Ein weltweites Umsatzvolumen
von mehr als einer Billion US-Dollar,
welches stetig zweistellig wächst,
bietet Platz für neue Absatzkonzepte
und Vertriebswege. Dies offenbart
großartige Chancen für den stationären Einzelhandel. Trotzdem wird mehr
als ein Drittel des Marktes von den so
genannten Internet Pure Playern besetzt, obwohl aus Studien ersichtlich
wird, dass Multichannel-Konzepte
immer wichtiger werden. Obwohl das
Onlineshopping einen entscheidenden
Stellenwert bei der Internetnutzung hat,
fällt es dem stationären Handel schwer,
den Weg in den E-Commerce zu finden.
Dieser Artikel gibt einen ersten Einblick
zur Situation des E-Commerce sowie
den Herausforderungen denen Händler
gegenüberstehen. Des Weiteren werden Sortimentsbereiche mit Potenzial
sowie Positionierungsstrategien und
Möglichkeiten zum Ausstieg aus der
sich abwärts drehenden Preisspirale
vorgestellt.
E-commerce is going to play a crucial
role in the future of retailing. The global
sales of more than one trillion US dollars is constantly increasing by double
digits. This fact offers many possibilities for new sales concepts and channels as well as great opportunities for
retail. However, more than a third of the
market is occupied by so called pure
players, although it became apparent
by a number of studies that multichannel concepts are getting more and more
important. Although online shopping
has a decisive role in Internet use, it
seems difficult for traditional retailers
to find their way into e-commerce. This
article provides an insight into the current situation of e-commerce and the
challenges retailers face. Furthermore
products with potential as well as positioning strategies and options are
presented to avoid the downward price
spiral.
Schlüsselwörter:
E-Commerce, Webshops, Onlineshops,
Internetkonsumverhalten, Suchtrends,
Internethandel,
Distanzhandel,
Interaktiver Handel,
Multichannel, Preisstrategien
Keywords:
E-Commerce, webshops, online shops,
internet consumer
behavior, search
trends, internet
trade,
distance trade,
interactive trade
concepts, multichannel trade,
pricing strategies
Prof. Christoph Ewert ist Professor für Marketing und Unternehmensstrategie an
der Hochschule Karlsruhe. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Konsumgütermarketing, wobei er sich besonders für die Themen Personality Marketing
und Kundenorientierung interessiert.
Kontakt: [email protected]
Klaus Kallenbrunnen,
Absolvent des Bachelorstudiengangs International Management
41
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen
Entwicklung des E-Commerce
Der Onlinehandel in
Deutschland wächst
seit Jahren durchweg zweistellig.
Der E-Commerce, auch interaktiver Handel, spielt in der Zukunft des gesamten
Einzelhandels eine tragende Rolle. Der E-Commerce zeichnet sich dadurch aus,
dass Waren elektronisch im Internet abgebildet werden, und der Kunde seinen Kauf
per Fernübertragung über das Internet tätigt.
Die steigende Bedeutung des E-Commerce wird unter anderem durch die nahezu flächendeckende Verbreitung des Internets und das sich ändernde
Medienkonsumverhalten begünstigt.
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
E-Mails senden / empfangen
Surfen im Internet
Onlineshopping
Videos im Internet ansehen
Community, Social Networks
Onlinebanking
Onlineauktionen
Chatten
Software-Downloads
Zeitungen / Zeitschriften online
14 bis 49 Jahre
ab 50 Jahre
Abb. 1: Die häufigsten Elemente der Internetnutzung in Deutschland
(Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich) (Paperlein 2013: 19)
Wie ersichtlich wird, ist Onlineshopping bereits der dritthäufigste Grund der
Internetnutzung. Deutlich wird dies nicht nur an beachtlichen Umsatzzahlen,
sondern auch am kontinuierlichen Wachstum der Branche. Der Onlinehandel
in Deutschland ist eine Wachstumsbranche, die sich seit Jahren durchweg mit
zweistelligen Wachstumsraten entwickelt. Laut Zahlen des IFH-Branchenreports
Online-Handel setzte der Onlinehandel 2012 fast 33 Milliarden Euro über das
Internet in Deutschland um. Dies entspricht einem Wachstum von nahezu 15 %
Prozent im Vergleich zu 2011. Der Anteil am stationären Einzelhandel ist dabei mit
7,7 %(2007: 3%) noch relativ gering. Wenn jedoch das stagnierende Wachstum im
stationären Einzelhandel herangezogen wird, so ist es nur eine Frage der Zeit, bis
der E-Commerce bedeutendere Marktanteile einnimmt. Wenn dann FMCG (FastMoving Consumer Goods/Schnelldrehende Produkte), wie Körperpflegeprodukte
oder Nahrungsmittel aus dem Umsatz des stationären Einzelhandels und dem des
E-Commerce herausgerechnet werden, so steigt der Marktanteil des E-Commerce auf
14,2 % vom gesamten Einzelhandel. Die wachstumsstärksten Marktteilnehmer im
42
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
E-Commerce sind dabei die Unternehmen, die ihren Handel ausschließlich über das
Internet abwickeln. Diese Internet Pure Player nehmen laut Expertenschätzungen
einen Marktanteil von mehr als einem Drittel aller E-Commerce-Unternehmen ein
(Internet World Business, Neue E-Commerce-Zahlen).
Die rasante Entwicklung der Internet Pure Player zeigt, dass der stationäre Handel
noch nicht die Potenziale des E-Commerce für sich entdeckt hat. Ein möglicher
Indikator dafür könnte sein, dass die Branche sich zu rasant weiterentwickelt.
Innovationen und neue Möglichkeiten der Interaktion erfinden sich stetig von
selbst neu. Viele stationäre Händler sind mit ihrem Tagesgeschäft ausreichend beschäftigt und können den Trends oftmals nicht folgen.
Florian HEINEMANN, profunder Kenner der deutschen E-Commerce-Szene, rät in
diesem Zusammenhang: „Wenn ich ein mittelständisches Handelsunternehmen
wäre, dann würde ich mir den cleversten 26-Jährigen suchen, den ich finden
kann, ihm viel Verantwortung geben und mich darauf beschränken, zu schauen,
dass er mit meinem Geld keinen Unfug macht […]“. HEINEMANN führt weiter aus:
„Das Medienkonsumverhalten von Leuten wandert unaufhaltbar ins Internet und
Richtung Mobile.“ Oftmals sind die Onlinesparten von E-Commerce-Händlern, welche ihr stationäres Geschäft um einen Vertriebskanal erweitern, deshalb unrentabel, weil es an Skaleneffekten mangelt. Dies basiert darauf, dass die Onlinesparten
von Multichannelunternehmen oftmals „stiefmütterlich“ behandelt und in den
meisten Fällen nahezu komplett outgesourced werden. In der Regel wollen sich
die Unternehmen auf das eigene stationäre Kerngeschäft konzentrieren, da hier
eine solide Basis vorhanden ist. Dabei vernachlässigen diese Unternehmen den
schnell wachsenden E-Commerce. Dieser Umstand erschwert den Aufbau und das
Verständnis für einen produktiven neuen Absatzkanal. Daraus folgt, dass sich keine Lerneffekte einstellen und der Aufbau von Wissen im Bereich der branchenbegleitenden Betätigungsfelder nicht stattfinden kann (Zimmer 2013:5).
Diese Probleme stellen aber vermutlich nur eine Momentaufnahme dar, denn laut
einer Studie des Marktforschungsunternehmens Forrester Research im Bereich
„Online“ wird der Umsatz in Westeuropa, gemäß Ergebnissen der Studie im Bereich
B2C, von 112 auf 191 Milliarden Euro im Jahr 2017 steigen. Die durchschnittliche
jährliche Steigerungsrate (CAGR) für den Onlinehandel wird auf 11 Prozent geschätzt (vgl. Kemper 2013: 1).
Einordung des E-Commerce
Durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien haben sich auch
die Betriebsformen im Einzelhandel weiterentwickelt. Besonders das Internet
hat zur Verbreitung neuer Technologien maßgeblich beigetragen und schafft eine
neue Grundlage für Geschäftsbereiche die mittlerweile als Electronic Business
bekannt sind. Das Electronic Business nutzt die Realtime-Kommunikation für
Das Internet hat zur
Verbreitung neuer
Technologien beigetragen und schafft
Geschäftsbereiche.
43
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen
geschäftliche Transaktionen über das Internet nahezu ohne zeitliche Verzögerung.
Der Leistungsaustauschprozess durch elektronische Netze ist hierbei als konstitutives Merkmal gesetzt. Der Transfer zum Handel ist dahingehend gegeben, dass vor
allem im Distanzhandel auf diese Art der Kommunikation zurückgegriffen wird (vgl.
Olderog 2003: 2 f.)
Die folgende Abb. 2 zeigt die Einordnung der Betriebsform E-Commerce (OnlineShopping) innerhalb des Electronic Business und unterhalb des Versandhandels.
Neben dem Versandhandel wird innerhalb der Abb. 2 die Nähe zum stationären
Handel illustriert, da die Verbindung zwischen stationär und online beidseitig immer wichtiger wird und immer größere Bedeutung erlangt. Diese Verbindung wird
als Multichannel bezeichnet:
Einzelhandel / Detailhandel
Versand- / Distanzhandel
Sonstiges
Universalversand
Tankstelle
Kiosk
Automaten
Spezialversand
Electronic Business
Telefonverkauf
Teleshopping
Infomercials
Online-Shopping
E-Mails
Stationärer Handel
Ladengeschäfte
Fachgeschäft
Spezialgeschäft
Warenhaus
Verbrauchermarkt
Fachmarkt
Ambulanter Handel
Straßenhandel
Markthalle
Wanderhandel
Verkaufsschiff / Butterfahrten
Kaffee-Fahrten
Direkt- und Strukturvertrieb
Legende:
Multichannel
(potentielle) Kanäle für Onlineshops
Abb. 2: Betriebsformen im Einzelhandel, jeweils mit einzelnen Ausprägungen
(eigene Darstellung angelehnt an Kotzab & Madlberger2002: 119)
Herausforderungen, Anreize und Erfolgskriterien beim Gang ins Internet
Google Trends
ermöglicht durch
normalisierte
Nachfrageentwicklungen im Internet
Rückschlüsse auf
Markt- und Produktentwicklungen.
44
Die Anreize, den Schritt in den E-Commerce zu wagen, sind sehr hoch. Fast täglich starten neue Onlineshops ihre Webpräsenzen. Anderseits ist der Weg auch
mit Risiken verbunden. Ein Einstieg muss strategisch sinnvoll geplant sein und
auf eine zuvor geplante, langfristige Entwicklung und Ausrichtung fixiert sein.
Gerade im Einzelhandel ist es wichtig, dass Produktpotenziale richtig eingeschätzt
werden. Deshalb ist zu überprüfen, ob das zur Verfügung stehende oder geplante Produktportfolio im Internet nachgefragt wird. Hierbei helfen Tools wie das von
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Google kostenfrei zur Verfügung stehende Google Trends. Hieraus können normalisierte Nachfrageentwicklungen im Internet auf Basis von Suchanfragen abgeleitet
werden. Zur Illustration wird in Abb. 3 die Suchanfrage „Schuhe online“ mit der
Suchanfrage „Schuhe Zalando“ verglichen:
100
80
60
40
20
2005
2007
2009
2011
2013
Abb. 3: Google Trends Analyse für die Suchanfrage „Schuhe online“ (grün) und „Schuhe
Zalando“ (schwarz), Interesse im zeitlichen Verlauf von 2004 bis Juli 2013 (Google Inc.
2013) Daten sind normalisiert; 100 kennzeichnet das höchste Suchvolumen
Es wird deutlich, dass die Nachfrage nach Schuhen ihre maximale Nachfrage zwischen 2010 und 2011 erhalten hat (in diesem Zeitraum startete auch Zalando).
Derzeit ist der Trend für „Schuhe online“ eher rückläufig. Wenn man allerdings
die Entwicklung im Zusammenhang mit „Schuhe Zalando“ betrachtet, liegt die
Vermutung nahe, dass die generische (allgemeine) Suchanfrage für „Schuhe
Online“ durch die Eingabe „Schuhe Zalando“ ersetzt wurde. Hieraus kann noch
keine Kausalität abgeleitet werden, jedoch ist dies ein erstes Indiz und soll illustrieren, wie man die Nachfrage des Marktes bzw. die Stärke von Wettbewerbern im
Internet nachfragebedingt beurteilen kann.
Auch wenn dieses Werkzeug trivial erscheint, sollte es mit Bedacht genutzt werden. Besonders beim Rückschluss von Suchanfragen auf Marktbedürfnisse kann
es zu großen Missverständnissen bzw. potenziellen Fehlinterpretationen kommen.
Schließlich ist nicht das Ziel, das Suchvolumen innerhalb einer Suchmaschine für
einen generischen Begriff zu evaluieren, sondern Suchanfragen, die speziell auf
einen Onlinekauf abzielen, zu analysieren und dieses Potenzial zu identifizieren.
Zusätzlich muss vor dem Einstieg im E-Commerce beachtet werden, dass es im
Internet sehr schnell zu einer ausgeprägten Konkurrenzsituation kommen kann.
Durch die fortschreitende Entwicklung der Informationstechnologie im E-Commerce
wird es immer einfacher, einen Onlineshop zu eröffnen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass der eigene Shop sich deutlich vom Wettbewerb abhebt. Eine Möglichkeit
45
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen
der Differenzierung ist beispielsweise der Preis, welcher im Internet hohem
Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Die Preistransparenz ist deutlich höher als die
des stationären Handels. Deshalb gilt es zu Beginn, die eigene Preissituation sowie
die Einkaufskonditionen intensiv zu prüfen. Sollte trotz schwieriger Preissituation
entschieden werden, den Weg ins E-Commerce zu gehen, so muss Mehrwert für den
Nutzer bzw. Käufer innerhalb des Shops geschaffen werden. Ein Mehrwert kann beispielsweise schon eine sehr gute Lieferfähigkeit oder auch eine ausführliche und
nutzenorientierte Produktbeschreibung sowie Zusatzleistung am Produkt sein.
Durch die Anonymität im Internet, geht es vor allem darum, Vertrauen auf Seiten
der Käufer aufzubauen. Neben Vertrauenssiegeln von unabhängigen Instituten
bzw. Anbietern können auch diverse Bezahlmöglichkeiten (bspw. Rechnungskauf)
zur Vertrauensbildung und zur Differenzierung beitragen. Damit sich der Webshop
vom Wettbewerb abheben kann, müssen Konsumenten ein Erlebnis während des
Einkaufens erfahren, welches sie bei anderen Shops im Internet und der gleichen
Branche nicht finden. Eine hohe Produktvielfalt kombiniert mit einer sinnvollen
Navigation, sowie einer akribischen Aufbereitung und Darstellung der Produkte,
kann hier maßgeblich zum Erfolg beitragen. Ein kompetenter und gut verfügbarer
Kundenservice mit Fachberatern unterstützt das Shoppingerlebnis (Internet World
Business online 2013).
Zur Überprüfung der eigenen Positionierung im Vergleich zum Wettbewerb eignet
sich besonders die Erfassung und Bewertung von Qualitätsmerkmalen anhand einer 10-Punkteskala. Die Ergebnisse werden dann in ein Spinnwebdiagramm übertragen. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, Positionierungsmerkmale, welche
vom Markt noch nicht besetzt sind, zu identifizieren. Diese Strategie bietet sich
unter anderem auch zur Nischenfindung an.
46
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Abb. 4: Beispiel zur Illustration von Differenzierungs- und Positionierungsmerkmalen verschiedener
Onlineshops, dargestellt sind Ergebnisse einer Mini-Studie der Fachhochschule Wedel, (Emamifard 2012)
Länder mit Potenzial
Ist die Entscheidung für den Weg ins E-Commerce gefallen, stellt sich die Frage nach
der Ausrichtung des Verkaufs über das Internet. Ein globaler Start scheidet in der
Regel aufgrund der Komplexität bezüglich Logistik, rechtlicher Rahmenbedingungen
und auch der Aufbereitung der Inhalte, vor allem in Bezug auf Mehrsprachigkeit und
Lokalisierung, aus. Somit bietet sich in der Folge eine länder- oder auch sprachenspezifische Ausrichtung an. Vorteilhaft ist auch das Nutzen von Freihandelszonen
wie beispielsweise die EU, NAFTA oder Mercosur.
Die USA, China und
Japan sind hier die
umsatzstärksten
Länder, wobei in
Deutschland die
Käuferpenetration
sehr hoch ist.
Eine Statistik des Marktforschungsunternehmens eMarketer schätzt, dass das
Umsatzvolumen im E-Commerce 2013 weltweit ungefähr 1.200 Milliarden US-Dollar
umfassen wird, was einer Steigerung von ungefähr 17 % zum Vorjahr weltweit entspricht. Vor allem die USA, China und Japan sind hier die umsatzstärksten Länder.
Interessant ist, dass Deutschland nach dem Vereinigten Königreich die höchste
Käuferpenetration innerhalb der Internetnutzer hat. 80,8 % der Internetnutzer in
Deutschland haben demnach schon mindestens einmal im Internet etwas eingekauft (vgl. Abb. 5).
47
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen
0
100
200
400
395,3
USA
China
181,6
118,6
Japan
99,2
Vereinigtes Königreich
53,0
Deutschland
Frankreich
300
37,0
Australien
26,8
Kanada
24,3
Spanien
21,6
Italien
19,8
Abb. 5: Top eCommerce Länder nach Umsatzvolumen weltweit (Angaben in Mrd. US-Dollar)
(eigene Darstellung, angelehnt an emarketer 2013)
Es wird deutlich, dass vor allem der europäische Raum mit Deutschland, dem
Vereinigten Königreich, Frankreich, Spanien und Italien mit zusammen 230,6
Milliarden US-Dollar Umsatzvolumen (Dies sind bereits mehr als 58 Prozent des
Umsatzvolumens der USA im E-Commerce.), sehr lukrativ ist. Begünstigt wird dies
durch die gemeinsame Freihandelszone.
Nachfrageorientierte Sortimentswahl
Kleidung, Schuhe,
Bücher, Zeitungen,
Reisen, Tickets,
Computer und
Software sind die
gefragtesten Sortimentsbereiche bei
Internetnutzern.
48
Das IFH Köln veröffentlichte in seinem Branchenreport Online-Handel 2013 eine
Statistik, in der Sortimentsbereiche mit dem stärksten Wachstum zwischen 2007
und 2012 illustriert wurden. Hieraus wird deutlich, welche Sortimentsbereiche
mit Potenzial noch zur Verfügung stehen und nicht ausreichend besetzt sind
(vgl. Abb. 6):
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Entwicklung verschiedener Sortimentsbereiche im Zeitverlauf
20
15
10
5
0
Fashion &
Access.
Schmuck &
Uhren
CE/Elektro
2007
4,9
4,1
8
2012
16,8
9,7
17
Heimwerk
& Garten
Wohnen &
Einrichten
Büro &
Schreibw.
Freizeit &
Hobby
1
2,7
5,2
9,2
0,5
3,9
3
2,6
7,4
15,1
15,8
0,8
9,3
7,7
FMCG
Health &
Wellness
Einzelhand.
el i.e.S.
Abb. 6: Anteil Online-Handel am Gesamtumsatz einzelner Sortimentsbereiche in
Deutschland (in Prozent) (eigene Darstellung angelehnt an IFH Köln 2013: 11)
Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Entwicklungen der
Bereiche Fashion & Accessoires sowie Schmuck. Gemeinsam setzen die beiden
Sortimentsbereiche mehr als ein Viertel des gesamten E-Commerce-Umsatzes um,
was auch ein Anzeichen für die Verschärfung des Wettbewerbs in diesem Bereich
ist.
Eine ergänzende Nielsen-Studie zeigt, dass Kleidung, Schuhe, Bücher, Zeitungen,
Reisen, Tickets, Computer und Software die gefragtesten Sortimentsbereiche bei
Internetnutzern sind.
Welche Produkte planen Sie in den nächsten drei bis sechs Monaten
online zu kaufen?
11
11
11
7
10 7
39
29
15
16
28
16
26
17
17
19
24
Kleidung / Schuhe
Bücher / Zeitungen
Reisen
Tickets
Computer / Software
Haushaltsgeräte
Videos / Musik
Kosmetik
Computer / Hardware
Möbel, Dekoartikel
Spielzeug / Blumen
Mobiltelefon
Gesundheitsprodukte
Heimtierbedarf
Auto / Zubehör
Lebensmittel
Reinigungsmittel
Abb. 7: Was Kunden online kaufen wollen (Deutschland, Mehrfachnennungen
möglich, in Prozent) (eigene Darstellung, angelehnt an etailment 2013: 13)
49
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen
Abschließend wird deutlich, dass es im Internet durchaus noch einige Nischen mit
Potenzial für die Zukunft gibt, in denen man sich als Händler strategisch gut positionieren kann. Wichtig ist die marktseitige Nachfrage korrekt zu bestimmen, und die
Preissituation sowie den eigenen Standpunkt realistisch zu beurteilen.
Strategische Positionierung und Sortiment
Die richtige Positionierung im Markt,
sowie eine passende Sortimentsausrichtung entscheiden über Erfolg
oder Misserfolg.
Damit der Webshop vom Markt wahrgenommen wird, ist es notwendig, eine Positionierungsstrategie zu wählen. Die Positionierung ist eine
Grundsatzentscheidung und dient in der Regel zur Differenzierung vom Wettbewerb
(Ausnahme: Nachahmer). Das Ziel der Positionierung ist es, einen strategischen
Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Wettbewerb zu verwirklichen, sodass hieraus ein Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition) entsteht. Dafür muss
zwischen vier Positionierungsstrategien entschieden werden. Ob Qualitätsführer,
Nachahmer, Kostenführer oder Nischenfokus muss unternehmens- und situationsabhängig entschieden werden (vgl. Abb. 8).
Qu
ft
ha )
c
rs ip
re inz
h
fü -Pr
en ger
t
s li
Ko (Bil
Ni
(K sch
on en
ze st
nt rat
ra eg
tio ie
n)
a
(B litä
es tsf
se üh
r-P re
rin rsc
zi ha
p) ft
Wettbewerbsstrategien
Markt
)
er eter
m
i
h b
ha van
c
i
Na nat
r
lte
(A
Abb. 8: Erweiterte Wettbewerbsstrategien orientiert an Porter
(eigene Darstellung und Erweiterung, angelehnt an Pfaff 2004: 151)
50
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Neben der grundsätzlichen Positionierung der Unternehmung im Wettbewerb
muss entschieden werden, wie das Produktportfolio ausgerichtet werden soll.
Es gilt zwischen einem diversifizierten oder spezialisierten Portfolio zu entscheiden. Diese Entscheidung wirkt sich dann auch maßgeblich auf die Gestaltung
und den Aufbau des Webshops aus. Ein sehr stark diversifiziertes und breites
Produktportfolio, wenig Varianten aber viele Warengruppen, findet sich beispielsweise auf Marktplätzen, wie Amazon oder eBay. Das Problem dabei ist, dass dem
Konsumenten keine gute Orientierung und wertvolle Beratung über die vielen verschiedenen Sortimentsbereiche geboten werden kann. Dem gegenüber steht die
Spezialisierungsstrategie, die sich in einem fokussierten Produktspektrum und
einer hohen Sortimentstiefe äußert. Diese Ausrichtung des Sortiments wird meist
in Kombination mit einer Nischenstrategie erfolgversprechend umgesetzt. Das
Aufgabenfeld von Webshops mit spezialisierten tieferen Sortimenten deckt zwar
nur einen kleinen Bereich (die Nische) ab, bedient diese aber effizienter als dies
andere Wettbewerber könnten. Im Idealfall lässt sich eine Monopolstellung entwickeln und anschließend weiter ausbauen.
Entwicklung des stationären Handels
Wie wichtig das Thema online für den stationären Handel ist und wird, zeigt eine
Studie von de facto Research, wonach der Kaufprozess von onlineaffinen Menschen
analysiert wurde. Hiernach informieren sich 30 % der potenziellen Käufer primär online am Computer und 26 % im Kaufhaus. Die Entscheidung, dass ein Kaufprozess
stattfinden wird, fällt bei 24 % der Kunden stationär in der Filiale, jedoch wird der
Kauf letztendlich immer mehr im Internet durchgeführt. Dieses Ergebnis zeigt, dass
das Cross-Channel-Marketing immer bedeutsamer wird. Wichtig dabei ist, dass
man nicht die Augen gegenüber dem Medium online verschließt, sondern sich dort
bewegt, wo der Konsument bevorzugt unterwegs ist (Thommes 2013: 30).
Der Multichannelvertrieb ist von
entscheidender
Bedeutung und
ermöglicht dem
stationären Handel
die Nutzung von
Synergien.
Das Problem des Internets in Zusammenhang mit dem stationären Handel sind
negative Preisspiralen. Viele stationäre Unternehmen nutzen mangelnde regionale Preistransparenz aus, was im Multichannel nicht funktionieren kann. Das
Strategieberatungsunternehmen OC&C sieht das Problem vor allem im Bereich der
Branche Elektronik. Elektronikhändler sind in der Regel regionale Preissetzer. Doch
wie kann der Spagat zwischen stationär und online, bzw. die Abwärtsspirale der
Preise im Internet gestoppt werden, um dem Billig-Trend entgegenzuwirken? Hierbei
ist primär entscheidend, in welcher Branche man sich befindet. Im Regelfall wird
zwischen drei großen Branchen im E-Commerce unterschieden. Zum einen gibt es
preisunproblematische Branchen wie Bücher, die der Preisbindung gesetzlich unterworfen sind. Die zweite Branche ist die Fashionbranche. Hier ist der Preiskampf
im Regelfall auch nicht gegeben, da dieser Markt oft marken- und herstellerdominiert ist, was für Preisstabilität sorgt. Anders ist es im dritten Bereich, nämlich der
Elektronik. Hier gibt es sehr viele Substitute und die Produkte sind einfach miteinander zu vergleichen. Eine Lösung, sich dem zu entziehen, ist der Vergleichbarkeit
51
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen
aus dem Weg zu gehen. Möglich wird dies, indem man Eigenmarken etabliert
oder einfache Produkte zu konfigurierbaren individuellen Produkten umwandelt. Derartige Ansätze finden sich immer mehr im E-Commerce. Der FashionVersandhändler Zalando versucht unter einer eigenen Marke namens „Kiomi“ seine
Margen- und Ertragssituation zu verbessern. Eine andere Möglichkeit, dem aggressiven Preiskampf zu entgehen, ist den Fokus auf Kundenbindung und Mehrwert des
Shops zu legen. Ziel muss es sein, Anbieter des Vertrauens zu werden. Der Fokus
liegt dann nicht mehr auf dem Preis, sondern auf dem Service und der Identifikation
des Kunden mit dem Produkt, der Marke oder dem Shop.
Strategien gegen den Preisverfall
Dem Preisverfall
kann durch mehrere
Strategien ausgewichen werden.
Derzeit gibt es im Online-Bereich vier verschiedene Ansätze, dem Preisverfall zu
entgehen. Erstens bietet die Entkoppelung von stationär zu online einen ersten
Ansatz. Die zweite Möglichkeit ist, dass auf eine High-Low-Preisstrategie gesetzt
wird. Dies bedeutet nichts anderes, als dass mit Toppreisen geworben wird, welche nur eine geringe bis keine Marge aufweisen. Hierdurch werden Konsumenten
auf das Unternehmen aufmerksam gemacht. Durch Crossselling sollen dann weitere margenstärkere Produkte (beispielsweise Zubehör) veräußert werden. Der
Strategie liegt eine Mischkalkulation zu Grunde, die mit Zusatzkäufen ergänzend
zum Kauf des Billigprodukts eine akzeptable Durchschnittsmarge zum Ziel hat.
Eine dritte Möglichkeit ist, das klassische Handelsgeschäftsmodell durch ein breites Servicespektrum zu erweitern. Diese Serviceleistungen müssen dann mögliche
Umsatzverluste bzw. Margenlöcher des Handelsgeschäfts kompensieren. Eine vierte denkbare Strategie ist die Etablierung von Eigenmarken. Hierdurch ist es möglich, die eigenen Produkte dem aggressiven Preiskampf im Internet komplett zu
entziehen (vgl. Goetz 2013: 28 f.).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kunde unter bestimmten Umständen
bereit ist, höhere Preise zu bezahlen, jedoch muss dies klar und deutlich kommuniziert und die Vorteile einer Akzeptanz höherer Preise deutlich in den Vordergrund
gerückt werden. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Umsetzen erhöhter Preise kann
mit dem Zusatzservice einer schnellen Lieferung erfolgen. Positives Beispiel dafür
ist Amazon mit seinem Prime Sortiment. Hier sind die Preise in der Regel bis zu
20 % höher, dafür wird die Lieferung oftmals innerhalb 24 h garantiert. Eine weitere Möglichkeit ist, dass das eigene Sortiment so angepasst wird, dass keine ähnlichen Sortimentszusammenstellungen oder Produkte im Internet zu finden sind.
Ziel ist es, durch Spezialisierung Beratungskompetenz zu vermitteln und dadurch
einen Mehrwert zu suggerieren, der einen erhöhten Preis rechtfertigt.
52
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Fazit
Der E-Commerce ist ein noch sehr junger Absatzkanal, welcher dem stationären
Handel die Möglichkeit offeriert das eigene Geschäftsfeld zu erweitern und ungenutzte Umsatzpotenziale zu erschließen. Durch die Identifikation des passenden
Produktportfolios in Kombination mit der richtigen Positionierung und eines angemessenen Spezialisierungsgrads kann relativ schnell am Branchenwachstum
partizipiert werden. Entscheidend ist, sich mit diesem technologielastigen Thema
auseinanderzusetzen und das eigene Vertriebskonzept zu diversifizieren.
Quellen
EMAMIFARD, I. (2012): Mini-Studie: Vergleich von Top-Shops hinsichtlich
Differenzierungsmerkmalen. Abgerufen am 6. Juli 2013 von webzapper.de:
http://www.webzapper.de/2012/11/14/mini-studie-vergleich-von-top-shops-hinsichtlich-differenzierungsmerkmalen/
emarketer (2013): B2C Ecommerce Climbs Worldwide. Abgerufen am 6. Juli 2013
von emarketer.com: http://www.emarketer.com/Article/B2C-Ecommerce-ClimbsWorldwide-Emerging-Markets-Drive-Sales-Higher/1010004
etailment (2013): So steht es um den E-Commerce. etailment map - Trends und
Analysen im E-Commerce. Frankfurt am Main: Deutscher Fachverlag GmbH
GOETZ, S. (2013): „Der Preis ist heiß“. In: Internet World Business . Ausgabe 6
Google Inc. (2013): Google Trends. Abgerufen am 6. Juli 2013 von Interesse im zeitlichen Verlauf: http://www.google.de/trends/explore?q=schuhe+online+kaufen#q
=schuhe%20online%2C%20schuhe%20zalando&geo=DE&cmpt=q
IFH Köln (2013): Branchenreport Online-Handel. Köln: IFH
Internet World Business (2013): Neue E-Commerce-Zahlen. Abgerufen am 26.
Mai 2013 von internetworld.de: http://www.internetworld.de/Nachrichten/ECommerce/Zahlen-Studien/Neue-E-Commerce-Zahlen-Online-Handel-legt-um-15Prozent-zu-76102.html
Internet World Business online (2013): Der Weg ins Netz. Abgerufen am 6. Juli 2013
von internetworld.de: http://www.internetworld.de/Nachrichten/E-Commerce/
Praxistipps/Fuenf-Tipps-zum-Einstieg-in-den-E-Commerce-Der-Weg-ins-Netz
KEMPER, F. (2013): „Online- vor Stationärhandel“. In: Internet World Business.
Ausgabe 6
53
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen
KOTZAB, H., & MADLBERGER, M. (2002): Internet-basierte Distribution im stationären Handel. Frankfurt am Main: Deutscher Fachverlag
MICHEL, S. (2011): Marketingkonzept 3. Aufl. Zürich: Compendio Bildungsmedien
OLDEROG, T. (2003): Faktoren des Markterfolgs im Online-Handel. Frankfurt a. M.:
Gabler
PAPERLEIN, J. (2013): „Screen-Medien legen zu“. In: HORIZONT. Ausgabe 1-2
PFAFF, D. (2004): Praxishandbuch Marketing. Frankfurt: Campus Verlag
THOMMES, J. (2013): Online berührt. HORIZONT Ausgabe 17
ZIMMER, D. (2013): Interview mit Florian Heimann: „Abwarten ist Quatsch“. In:
Internet World Business. Ausgabe 6
54
Mediadaten markeZin
Die Marketing-Fachgruppe der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Karlsruhe
plant die sechste reguläre Ausgabe der Karlsruher Marketing-Fachschrift „markeZin“ im Februar 2015.
Darin enthalten sind Artikel zu aktuellen Marketing-Themen aus den Bereichen Forschung und Praxis. Die
fachlichen Schwerpunkte sollen hier praxisnahen Bezug finden.
146 x 195 mm
Vorschau Cover
Satzspiegel
185 x 240 mm
plus Anschnitt
1/1 Seite
Zielgruppe:
Fach- und Führungskräfte aus der Region Karlsruhe, Marketinginteressierte,
Professoren, Studenten
Anzeigenschluss: 15. Oktober 2014
Auflage:3.000 Stück
Erscheinungsdatum:
15. Februar 2015
Anzeigenpreis:
€ 500, -- (zzgl. 19% Mehrwertsteuer)*
1/1 Seite:
Vierfarbdruck oder schwarz/weiß
Format:
185 x 240 mm (plus 3 mm Anschnitt)
Satzspiegel:
146 x 195 mm
*Die Finanzierung der Versandkosten erfolgt über die Anzeigen. Ein Gewinn ist mit der Herausgabe der
Marketing-Fachschrift nicht verbunden.
Bitte per E-Mail an [email protected] oder per Fax an 0721 / 925 1947
zurücksenden:
Ja, wir möchten eine Anzeige schalten!
Firma:
Ansprechpartner:
Adresse:
E-Mail-Adresse:
Unterschrift:
Besuchen Sie uns auch gerne auf unserer Internetseite www.markeZin.de
Dort finden Sie weitere interessante Informationen rund um das Thema Marketing, die Vollversionen der
Artikel dieser Ausgabe, sowie alle bisher herausgegebenen Ausgaben der Marketing-Fachschrift markeZin.
Sie kennen weitere Interessenten für diese Fachschrift oder möchten Ihr Exemplar bequem
nach hause geliefert bekommen?
Bitte senden Sie eine E-Mail (Betreff „Interessent markeZin“) mit dem Namen und der vollständigen
Adresse an [email protected], damit wir Sie oder den Interessenten in unsere Datenbank
aufnehmen können.
Sie haben Fragen, Kritik oder Anregungen zu unserer Marketing-Fachschrift markeZin?
Bitte kontaktieren Sie uns unter Telefon 0721/925 1935 oder senden Sie eine E-Mail an
[email protected]. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung.
Impressum
Herausgeber:
Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Moltkestr. 30
76133 Karlsruhe
Verantwortlicher:
Christoph Ewert,
[email protected]
Redaktion:
Christoph Ewert (W), Reinhold König (W),
Dr. Christian Seiter (W), Dr. Marion Murzin (W),
Sabine Stein (W), Katja Volova (IMM)
Konzeption, Layout, Anzeigen:
Sabine Stein, Katja Volova
Korrektur/Lektorat:
Dr. Michael Tewes, Sabine Stein, Katja Volova
Titelbild:
Urheber: Fotolia
Druck:
E&B engelhardt und bauer
Auflage:
3.000 Stück, einmal jährlich
Copyright:
Abdruck nur nach vorheriger Genehmigung durch
die Redaktion.
Erscheinungsjahr/Erscheinungsort:
2014/Karlsruhe
ISSN 1869-9820
Hier wird Software gemacht!
Du hast in Karlsruhe viel vor? Wunderbar! Dann komm zu BrandMaker. 1999 gegründet, ist BrandMaker heute
Europas führender Anbieter von Marketing-Software. Modern, innovativ und vor allem aus der IT-Region
Karlsruhe, ist die softwarebasierte Unterstützung des Marketings unser Thema. Wenn auch Du Interesse daran
hast, unseren Erfolg mitzugestalten, dann bist Du bei uns genau richtig. Wir suchen Werkstudenten und
Absolventen folgender Fachrichtungen:
Vertriebs- und Wirtschaftsingenieurwesen
Informatik
International Management
Wirtschaftsinformatik
Wir freuen uns auf Deine Initiativbewerbung
unter: [email protected]
Aktuelle Stellenangebote unter: www.brandmaker.com/jobs
Marketing
Marktforschung
Informationsvorsprung mit Gewinn
COBUS Marktforschung zeigt Ihnen:
 Was Ihre Kunden wirklich denken!
 Wie Sie die Zufriedenheit und Bindung zu Ihren Kunden erheblich steigern!
 Wie und wo Sie neue Märkte und neue Kunden finden!
 Wie Sie Ihre Umsätze durch optimale Preisstrukturen steigern!
 Wie Sie Ihre Werbung effizient und zielgruppengerecht gestalten!
Kompetenz, auf die Sie sich verlassen können.
Seit 20 Jahren arbeiten wir für namhafte Unternehmen in ganz Europa.
Ihr Ansprechpartner:
Dipl.Ing. MBM Uwe Leest
Leopoldstraße 1
76133 Karlsruhe
Tel.: 0721/16009-0
E-Mail: [email protected]
www.cobus.de
Herunterladen