Thema des Monats Mehrgeschossiger Holzbau P 2 Bürogebäude Nachhaltig in die Höhe Thomas Knapp / Architekten Hermann Kaufmann / Cree Hochhäuser und Nachhaltigkeit erschienen bisher als Widerspruch. Das ist nun anders. In Dornbirn entstand ein Achtgeschosser in Holzbauweise mit Passivhausstandard. 20 mikado 7.2012 Projekt 2 LifeCycle Tower (LCT) One Z In Dornbirn entstand ein achtgeschossiger Prototyp des wohl zur Zeit ambitioniertesten Holzbausystems der Welt. wei große Megatrends bestimmen das künftige Baugeschehen maßgeblich: die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz und der Trend zur Urbanisierung. Bei genauem Hinsehen ist die Urbanisierung ebenfalls eine Konsequenz aus dem ersten Megatrend, denn je dichter die Menschen zusammenrücken, desto mehr Wege lassen sich zu Fuß bewältigen und desto effizienter wird ein öffentliches Nahverkehrssystem. Der österreichische Baukonzern Rhomberg, der bis vor wenigen Jahren mit dem Holzbau nicht viel am Hut hatte, stellte sich diesen Tatsachen und entwickelte zusammen mit einem hochkarätig besetzten Team ein ambitioniertes Bausystem, das er weltweit vermarkten und realisieren will: den LifeCycle Tower (LCT). Für bis zu 30 Geschosse ist er konzipiert. Im vorarlbergischen Dornbirn entstand in der ersten Jahreshälfte 2012 der erste achtgeschossige Prototyp: der LCT One. www.mikado-online.de 20 Steckbrief 23 Brandschutz: Sprinklern statt Kapseln 24 Wachstumsmarkt Stadt: Zwei Fliegen mit einer Klappe 26 Unternehmenskonzept: Gewinn durch Serienproduktion 28 Fazit: Eine neue Holzbau-Dimension öffnet sich 29 das verschiedene Gebäudegrundformen und Bauhöhen bis zu 100 m ermöglicht. Prof. Hermann Kaufmann nahm bei der Entwurfsplanung Bezug auf einen frühen Holzbaupionier des 20. Jahrhunderts: Konrad Wachsmann. Der suchte zeitlebens nach einer effizienten, industriell vorgefertigten Systembauweise aus Holz. Er konzipierte standardisierte Paneelsysteme, ersann bautechnisch ausgeklügelte Vorkehrungen und reformierte die Skelettbauweise durch neue Berechnungsmethoden. Wachsmanns Kunst bestand darin, trotz der Limitation im vordefinierten Baukasten Integraler Forschungs- und Planungsprozess Für die Entwicklung, Realisierung und Vermarktung des LCT gründete Rhomberg extra ein Tochterunternehmen: die Cree GmbH. Der Name verweist zum einen auf den nordamerikanischen Indianerstamm Cree, der für seinen respektvollen Umgang mit der Natur bekannt ist, zum anderen ist er eine Abkürzung für „Creative Resource & Energy Efficiency“. 2009 initiierte die Cree das Forschungsprojekt und engagierte dabei ein interdisziplinär zusammengesetztes Expertenteam: die Rhomberg Bau GmbH selbst, die Architekten Hermann Kaufmann ZT GmbH, das Ingenieurbüro Arup GmbH, das Holzbauunternehmen Wiehag GmbH und die Technische Universität Graz. Wegen seines hochinnovativen Charakters erhielt das Projekt zudem staatliche Fördergelder. In einem integralen Planungs- und Forschungsprozess entstand ein holzbasiertes, systematisiertes Baukastensystem, Bürogebäude: Nachhaltig in die Höhe eine hohe Varietät am einzelnen Bauobjekt möglich zu machen. Dieses Konzept verfolgt auch der LCT. Seine Entwicklung erfolgte in verschiedenen technischen Varianten. Ziel war dabei ein möglichst geringer Materialeinsatz und eine möglichst hohe Funktionalität und Flexibilität. Es zeigte sich, dass Holz-BetonVerbundlösungen reinen Holz-Lösungen überlegen sind – ein Resultat aus den hohen Brandschutzund Schallschutzanforderungen bei Mehrgeschossern. Deshalb besteht die Decke aus einer schmalen Stahlbeton-Platte mit unterseitigen Brettschichtholz-Rippen. ▸▸An den vorher errichteten Stahlbeton-Kern (links) sind die Holz-BetonVerbunddecken angedockt. Die Fassadenelemente tragen die Lasten ab. Der Innenraum bleibt stützenfrei, die Holzoberflächen sichtbar 21 Darko Todorovic Photography / Cree Thema des Monats Mehrgeschossiger Holzbau Achtgeschosser als Prototyp für Hochhäuser Die Genehmigungsbehörden reagierten auf das Bauvorhaben zunächst zurückhaltend. Im Verlauf der Planungs- und Testphase, insbesondere durch die Brandversuche an den Deckenelementen, wuchs das Vertrauen. Um später einmal „echte“ Hochhäuser bauen zu dürfen, war es „diplomatisch klug“, erst einmal das achtgeschossige „Fast-Hochhaus“ LCT One zu errichten. Wenn da alles klappt, dann ist der Schritt über die Hochhausgrenze nicht mehr ganz so groß und leichter zu vermitteln. Die Hochhausgrenze liegt bei 22 m. Gemeint ist damit die Höhe der Fußbodenoberkante des obersten Geschosses im Verhältnis zur Geländeoberkante. Bis zu dieser Höhe ist das Equipment der Feuerwehr ausgelegt. Bei Höhen darüber sind zusätzliche Fluchttreppenhäuser und andere Sicherheitsmaßnahmen notwendig, um im Brandfall Menschen aus den höher gelegenen Geschossen retten zu können. 1. Tag 22 Die gesamte Planungsphase des LCT One dauerte vom Entwurf bis zum fertigen Genehmigungsplan vier Wochen. Die Werksplanung beanspruchte weitere sechs Wochen, wobei in dieser Zeit bereits mit der Baustellenvorbereitung und den Erdarbeiten begonnen wurde. Im September 2011 ging es mit den Rohbauarbeiten los, im Juli 2012 soll das Gebäude bezugsfertig sein. Die spektakulärste Phase war natürlich der Holzrohbau im April 2012. Ausgeklügeltes Bausystem mit hoher Flexibilität Der LCT One steht auf einer Grundfläche von 24 × 13 m. Sein Fundament besteht aus einer wasserundurchlässigen Stahlbeton-Bodenplatte. Darauf entstand zuerst ein Erschließungskern aus 30 cm dicken Stahlbeton-Wänden mit Anschlussbewehrungen für die Geschossdecken. Die acht Vollgeschosse ruhen auf 42 Brettschichtholz-Doppelstützen, die in einem Abstand von 2,70 m in der Fassadenebene liegen. 2. Tag 3. Tag mikado 7.2012 ◂◂Die Deckenelemente sind mit den tragenden Außenwandelementen nur über ein simples RohrDorn-Stecksystem verbunden ▴▴Durch ausgeklügelte Bauund Zeitpläne dauerte der gesamte Holzrohbau nur zehn Arbeitstage Die Stützen haben gelenkige Verbindungen, die Geschossdecken agieren als schubfest verbundene Scheiben und der Erschließungskern nimmt die Horizontallasten auf. Mit den Deckenelementen verbunden sind die Doppelstützen ausschließlich über ein simples Rohr-Dorn-Stecksystem. Durch eine präzise Planung und Vorfertigung und einen ausgeklügelten Bauteil- und Zeitplan erfolgte der Aufbau zügig. Pro Tag entstanden bis zu zwei Geschosse, sodass der wetterfeste Holzrohbau in zehn Tagen fertig war. In konventioneller Stahlund Stahlbeton-Bauweise hätte es etwa sieben Wochen gedauert. Holz-Beton-Verbund löst Brand- und Schallschutz Ein Spezifikum des LCT sind die Holz-Beton-Verbund-Rippendecken. Sie bestehen aus BrettschichtholzTrägern und einer 80 mm dünnen Betonschicht. Wie bei den Fassadenstützen blieb auch hier das Holz sichtbar. Zwischen den Rippen ist die Haus- und Systemtechnik integriert: 4. Tag Thema des Monats Mehrgeschossiger Holzbau Steckbrief Bauprojekt: Heiz- und Kühlmodule, Lüftungs-, Sprinkler- und Beleuchtungssysteme. Die Geschosse selbst sind stützen- und wandfrei, sodass sich jedes mit Trockenbausystemen individuell aufteilen lässt. Aus Brandschutzgründen sind die einzelnen Geschossebenen systemisch voneinander getrennt. Ein Stahlbeton-Randbalken der Decken unterbricht die BrettschichtholzFassadenstützen auf jeder Etage. Das verhindert, dass sich bei einem Brand das Feuer über die hölzernen Stützen in das nächste Stockwerk rauf- oder runterfressen kann. Die Befestigung der Hybriddecken am Erschließungskern erfolgt mit Stahlkonsolen, die durch Gipskarton-Feuerschutzplatten brandsicher gekapselt sind. Der Außenwandaufbau mit dem innen sichtbaren Holztragwerk hat eine Stärke von 48 cm und einen U-Wert von 0,12 W/(m2K). Innen ist die gedämmte Konstruktion mit OSB-Platten verkleidet, die auch als Dampfsperre dienen, außen mit einer zementgebundenen-Holzfaserplatte, auf ihr eine Unterkonstruktion zur Hinterlüftung und als Wetterschutz recyceltes Aluminium. Die Fenster – über 50 Prozent der Fassade, sind öffenbar und dreifachverglast. So erreicht das Bauwerk Passivhausstandard. Beim energetischen Versorgungskonzept setzt der LCT auf einen flexiblen, modularen Aufbau, der sich an die lokalen Besonderheiten anpassen lässt. So ist der LCT One ans Nahwärmenetz Dornbirns angeschlossen, das von einem Blockheizkraftwerk gespeist wird. Die Jalousien werden automatisch gesteuert und schützen das Innere vor Überhitzung und die Arbeitsplätze vor störender Strahlung. Eine vollautomatisierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und permanenter CO2-Messung zur Volumenstromregelung komplettiert die Haussystemtechnik. Gute Bilanzen bei CO2, Energie, Zeit und Lkw-Verkehr LifeCycle Tower One A-6850 Dornbirn www.cree.at Bauherr: Cree GmbH A-6900 Bregenz www.creebyrhomberg.com Bauweise: Mischbauweise Brettschichtholz/Beton Besonderheit: Sichtbare Holzoberflächen Bauzeit: September 2011 bis Juli 2012 Bebaute Fläche: Die effiziente Verwendung von Energie-, Material- und Arbeitseinsatz führte beim LCT zu einer Verbesserung der CO2-Bilanz im Vergleich zu konventionellen Stahlbeton-Hochbauten um rund 90 Prozent. Darin enthalten sind die Emissionen, die durch Herstellung, Transport, Einbau und Unterhalt in der mit 50 Jahren angesetzten Nutzungsdauer inklusive Demontage und Entsorgung der Materialien der Rohbaukonstruktion verursacht werden. Die verbaute Holzmenge von 280 m3 hat maßgeblich zu dieser guten Bilanz beigetragen. Weitere Vorteile ergeben sich aus dem Bausystem und hohen Vorfertigungsgrad: Die Bauzeit ist deutlich kürzer und damit auch die Zeitspanne zwischen Grundstückskauf und Nutzbarkeit des darauf errichteten Gebäudes: zwischen Investition und Rendite. Zudem reduziert sich die Belastung der Nachbarschaft mit Lärm und Staub – und: die Belastung der Straßen, denn es sind weniger Transporte notwendig. Umbauter Raum: 8074 m3 Bruttogeschossfläche: 2319 m2 Nettonutzfläche: 1765 m2 Baukosten: 2,5 Mio. Euro 1417 Euro/m2 Heizenergiebedarf: 13 kWh/(m2a) Architektur: Architekten Hermann Kaufmann ZT GmbH A-6858 Schwarzach www.hermann-kaufmann.at Tragwerk: merz kley partner ZT GmbH A-6850 Dornbirn www.mkp-ing.com Holzbau: Sohm Holzbautechnik GesmbH A-6861 Alberschwende www.sohm-holzbau.at Holz-Beton-Verbunddecken: Goldbeck Prefabeton S.R.O. CZ-28571 Vrdy www.prefabeton.cz Cree Marc Wilhelm Lennartz, Polch-Ruitsch ▪ 305 m2 5. Tag 6. Tag www.mikado-online.de 7. Tag 8. Tag 23 Thema des Monats Mehrgeschossiger Holzbau P 2 ▴▴Die Decken bestehen aus Brettschichtholz-Trägern und einer 80 mm starken Betonplatte. Zwischen den Trägern ist die Haustechnik integriert Brandschutz Sprinkeln statt Kapseln Bei Mehrgeschossern ist der Brandschutz ein zentrales Thema. Meist müssen die Holzoberflächen eingekapselt werden. Nicht beim LifeCycle Tower One, da blieben sie sichtbar. Eine Sprinkleranlage sorgt für die notwendige Sicherheit. J e höher ein Gebäude, desto wichtiger ist das Thema Brandschutz. Denn je höher die obersten Geschosse liegen, desto schwieriger ist es im Brandfall, die sich dort aufhaltenden Menschen zu retten und das Feuer zu löschen. Weil es in vergangenen Jahrhunderten immer wieder verheerende Stadtbrände gab, war Holz für mehrgeschossige Bauwerke lange verboten. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Vorschriften orientieren sich heute nicht mehr an einem angstgeprägten Bauchgefühl, sondern zunehmend am Stand von Forschung und Technik. Trotzdem ist der Brandschutz bei mehrgeschossigen Bauten das zen- 24 mikado 7.2012 trale Thema. Nach wie vor herrschen in den Genehmigungsbehörden Skepsis und Vorsicht. In der Regel werden deshalb bei Mehrgeschossern die Holzoberflächen tragender Bauteile komplett eingekapselt. Nicht so beim achtgeschossigen LifeCycle Tower (LCT) One in Dornbirn. Dort blieben die Holzoberflächen sichtbar. Das sparte Zeit und Geld. Und das Gebäude behielt seinen holzbautypischen Charme. Brandschutztechnisch ist die Verbauung nicht-gekapselten Holzes in tragenden Bauteilen differenziert zu betrachten. Es werden besondere Vorkehrungen in der Konstruktion, in der Haustechnik, bei den Fluchtwegen und bei den Warnsystemen notwendig. Andererseits existiert dann keine Gefahr versteckter Brände in Hohlräumen oder hinter den Kapselungen. Gefahrenpotenzial Beton In einem Testlabor fanden fünf Testreihen zum Brandwiderstand statt. Die Holz-Beton-Verbund-Rippendecken wurden nach Eurocode 4 bemessen. Als Ergebnis erhielten vier der in unterschiedlichen Varianten konzipierten Hybriddecken Prüfzeugnisse in den Feuerwiderstandsklassen REI 90 und REI 120. Das sind Sprinkler geben Sicherheit Der LCT One fällt gemäß der österreichischen OIB-Richtlinie in die Gebäudeklasse 5, da der Fußboden des obersten Geschosses mit 21,95 m über dem Außengelände noch unter der Hochhausgrenze von 22 m liegt. Die Verwendung von nicht-gekapseltem Holz im Tragwerk stellt eine immobile Brandlast und ein erhöhtes Brandrisiko dar. Darauf reagiert das Gebäude mit Sprinkleranlagen. Die sind zwar im mitteleuropäischen Raum unüblich, doch der LCT ist auch für die internationalen Märkte entwickelt. Die Sprinkler wurden in allen Büros und Flurbereichen eingebaut. Ihre Auslösetemperatur liegt bei 68 °C Raumlufttemperatur, was Zigarettenoder Kerzenqualm als Ursache ausscheiden lässt. Die Feuerwehr kann erkennen, welche Sprinklergruppe www.mikado-online.de ▸▸Randbalken aus Stahlbeton unterbrechen die Brettschichtholz-Stützen auf jeder Etage und verhindern, dass sich bei einem Brand das Feuer in vertikaler Richtung ausbreitet Thomas Knapp / Architekten Hermann Kaufmann / Cree Klassifizierungsprotokolle des Feuerwiderstands, die den Verlauf und das Ergebnis der Brandversuche dokumentieren. Die geprüften Varianten unterschieden sich durch die Dicke der Betonschicht und eine unterseitig integrierte Dämmung. Die Betonschichten waren mit 8 bzw. 10 cm hinsichtlich Schallschutz und Statik nur so dick wie nötig. Als das Feuer 10 min auf die Betonschicht eingewirkt hatte, platzten plötzlich einzelne Teile ab und schleuderten mit hoher Geschwindigkeit durch den Versuchsraum. Solche Betonabsprengungen sind bei Brandschutzexperten gefürchtet, denn sie stellen eine große Gefahr für die Feuerwehrleute dar. Als Reaktion wurde die Betonrezeptur verbessert, sodass keine Absprengungen mehr auftreten. Der Querschnitt der Brettschichtholzträger verringerte sich bei den Brandversuchen erwartungsgemäß mit einer Abbrandgeschwindigkeit von 0,65 mm/min. Die Norm geht von 0,7 mm/min aus. Der nach den Brandversuchen verbliebene Restquerschnitt verfügte noch über eine ausreichende Tragfähigkeit. Sämtliche getesteten Hybriddecken hielten den statischen Belastungen stand. in Gang gesetzt wurde, und so den Brandherd sofort orten. Falls ein Brand einen Alarm auslöst, ergießen sich eine Stunde lang pro Minute 5 l/m2 Wasser auf den entsprechenden Bereich. Dann schaltet sich das System automatisch ab. Das Löschwasser lässt sich nach dem Einsatz kontrolliert abführen. Danach können einzelne Holzbauteile repariert oder ausgetauscht werden. Alternative Maßnahmen möglich Generell lässt sich das erhöhte Brand­ risiko auch durch die Verbesserung anderer Sicherheitsmaßnahmen kompensieren, z. B. durch zusätzliche und kürzere Fluchtwege, ein druckbelüftetes Fluchttreppenhaus, einen im Brandfall benutzbaren Aufzug oder eine Brandmeldeanlage. Je nach Staat und Bundesland sind die zu erfüllenden Anforderungen verschieden. Und auch ihre Ermessensspielräume interpretieren die jeweiligen Behörden unterschiedlich. Momentan verfügen die meisten Behörden noch über zu wenig Erfahrungswerte zur Brandsicherheit von Holz- und Hybrid-Mehrgeschossern. Die gilt es nun peu a peu durch eine enge Abstimmung und frühzeitige Integration in den Planungsprozess aufzubauen. Brettschichtholz für Erschließungskern Die LCT-Studie zeigte, dass auch Erschließungskerne aus massivem Holz bis zu einer Höhe von 20 Geschossen möglich wären. Künftig sollen aber nur höhere Gebäude mit einem Fluchtniveau über 22 Metern einen Erschließungskern aus Stahlbeton erhalten, niedrigere Gebäude dagegen einen aus Holz. Genauer gesagt: aus senkrecht stehenden Brettschichtholzwänden. Das hat statische Gründe: Im Kern arbeiten vornehmlich Vertikallasten. Brettschichtholz eignet sich im Vergleich zu Brettsperrholz deutlich besser dafür, weil die Holzfaserrichtung dann durchweg vertikal verläuft. Eine Brettschichtholzwand muss 40 cm dick sein, eine Brettsperrholzwand 60 bis 80 cm. Die Effizienzen von Grundflächenausnutzung, Ressourcen und Energie würden sich verschlechtern. Marc Wilhelm Lennartz, Polch-Ruitsch ▪ 25 Thema des Monats Mehrgeschossiger Holzbau Architekten Hermann Kaufmann / Cree P 2 ▴▴In den großen Metropolen sollen LCT mit 20 Geschossen entstehen Wachstumsmarkt Stadt Zwei Fliegen mit einer Klappe Die Urbanisierung ist keine vorübergehende Mode, sondern eine notwendige Entwicklung und ein Ausdruck von Sparsamkeit. Hier setzt der LifeCycle Tower (LCT) an: Er verbindet nachhaltige Siedlungsstrukturen mit einer nachhaltigen Bauweise. W eltweit leben heute bereits die Hälfte aller Menschen in Städten, in Deutschland drei Viertel. Der Trend wird sich fortsetzen, als Folge der zunehmenden Spezialisierung in der Arbeitswelt, vor allem aber als Folge der Ölverknappung und -verteuerung. Denn in dicht bebauten Siedlungsstrukturen lassen sich deutlich mehr Wege zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen als in ländlichen Gegenden. Dort sind die Bewohner meist auf das Auto angewiesen, weil die zurückzulegenden Entfernungen wesentlich größer sind. Angesichts steigender Benzinpreise werden sich das Autofahren aber in Zukunft immer weniger Menschen leisten wollen. 26 mikado 7.2012 Hohe Bebauungsdichten schonen Ressourcen Bisher war es so, dass durch eine zunehmende Automobilisierung die räumliche Nähe immer mehr an Bedeutung verlor. Die Entfernungen zwischen Wohnungen, Arbeitsplätzen, Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen wuchsen. Das führte zur Zersiedelung des ländlichen Raums. Die Grundstücke und Immobilien sind dort billiger und können entsprechend großzügiger ausfallen. Durch einen moderaten Benzinpreis und eine steuerliche Absetzbarkeit des Wegs in die Arbeit überwogen unterm Strich die finanziellen Vorteile. Bei steigenden Benzinpreisen dreht sich diese Entwicklung nun um. Immer mehr Menschen wollen vom Land zurück in die Stadt. Viele Menschen meinen, dünn besiedelte Gebiete seien „ökologischer“ als die „Betonwüsten“ der Stadt. Das Gegenteil ist der Fall: Der Pro-KopfVerbrauch an Verkehrsfläche ist in ländlichen Gemeinden um ein Vielfaches höher als in Städten, ebenso der Aufwand für die Versorgung mit Abwasserkanälen, Trinkwasserrohren, Strom- und anderen Leitungen. Hohe Bebauungsdichten bedeuten einen geringeren Verbrauch an Ressourcen und an Bodenfläche. Sie sind ein Ausdruck von Sparsamkeit. Je dichter die Menschen zusammenrücken, desto mehr unbebaute Landschaft bleibt außerhalb der Siedlungsgebiete übrig und desto weniger Autoverkehr entsteht. Momentan hat der Autoverkehr in Deutschland einen Anteil von 30 Prozent am Gesamtenergieverbrauch. Hohe Bebauungsdichten sind nachhaltig. Und Holz ist nachhaltig. Der LifeCycle Tower (LCT) führt beide Strategien zusammen. Und dadurch, dass in seinem Inneren die Holzoberflächen sichtbar bleiben, erhält der Bautyp „Hochhaus“ nun auch eine ganz neue Raumqualität, wodurch sich die Nutzerakzeptanz deutlich erhöhen wird. Zudem sind beim LCT die Systembauteile und die Energieversorgung so konzipiert, dass sie sich an die lokalen Verfügbarkeiten anpassen können. Die Flächenheizsysteme kommen mit geringen Vorlauftemperaturen aus, was ideal ist für die Nutzung regenerativer Energien. Der LCT wurde entwickelt, weil dafür heute und erst recht in naher Zukunft eine hohe Nachfrage zu erwarten ist, aber auch, weil heute die technischen Möglichkeiten für so ein ambitioniertes Holzbauprojekt bestehen. Dank CAD-Planung und IT-gesteuerten Abbundanlagen ist eine bis vor wenigen Jahren nicht gekannte Präzision möglich. Holz erweist sich zunehmend als Hightech-Werkstoff. Wohl nur weil er im Überfluss vorhanden ist, wird er oft noch gering geschätzt. Gerade für den weltweiten Vertrieb des LCT ist das Vorhandensein des Baumaterials vor Ort jedoch ein wesentlicher Pluspunkt, denn das hält die Herstellungskosten niedrig. Thomas Knapp / Architekten Hermann Kaufmann / Cree Holz gibt Hochhäusern eine neue Qualität ▴▴Durch die sichtbaren Holzoberflächen erhält der LCT einen besonderen Charme, was auch die Nutzerakzeptanz steigen lassen dürfte Variantenvielfalt mit einfachen Bauelementen Innerhalb des Bausystems sind zahlreiche Variationen möglich. Investoren und Bauherren können zwischen Büros, Wohnungen und anderen Nutzungen wählen, ebenso zwischen verschiedenen Energiestandards: Je nach Klimazone und Budget kann ein Bauherr zwischen Niedrigenergie-, Passivhaus- und Plusenergiestandard wählen. Diese Vielfalt an Möglichkeiten macht den LCT für verschiedenste Standorte auf der ganzen Welt interessant. Exportieren möchte Cree dabei vor allem das Know-how. Die Bauelemente selbst sollen nach Möglichkeit vor Ort entstehen. So kann dann auch die lokale und regionale Wirt- schaft davon profitieren – was vor allem bei staatlichen oder staatlich geförderten Bauprojekten ein wichtiges Entscheidungskriterium ist. Und natürlich wird die Herstellung in Ländern mit niedrigerem Lohnniveau auch kostengünstiger, als das in Österreich der Fall wäre. Das Bausystem ist deshalb relativ einfach gehalten. Die Herstellung der einzelnen Elemente dürfte deshalb im Normalfall kein Problem darstellen. Nur in Ausnahmefällen – in waldarmen Gegenden ohne Holzbaukultur – würde Cree auch die Bauelemente liefern. Die Stärke des LCT liegt vor allem darin, dass die Details nicht kompliziert, jedoch intelligent und sorgfältig aufeinander abgestimmt sind. Marc Wilhelm Lennartz, Polch-Ruitsch/gh ▪ LIGNOConsult Fachgesellschaf t für Beratung, Information und Innovation im Holzbau www.mikado-online.de 27 Thema des Monats Mehrgeschossiger Holzbau P 2 Unternehmenskonzept Gewinn durch Serienproduktion Der Entwicklungsaufwand für den LifeCycle Tower (LCT) war hoch. Damit sich das Projekt zum lohnenden Geschäft entwickelt, müssen die Baukosten selbst relativ niedrig sein, um sich gegen konventionelle Bauweisen durchzusetzen. D ie Attraktivität des LifeCycle Tower (LCT) beruht auf der Vielfalt seiner Varianten. So kann sich das Gebäude gut an verschiedene Klimabedingungen und unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten der Bauherren anpassen. Das Bausystem ermöglicht Büros, Wohnungen und andere Nutzungen. Je nach Klimazone und Budget lässt es sich in Niedrigenergie-, Passivhaus- oder Plusenergiestandard ausführen. Die Vielfalt ist ein wesentlicher Bestandteil der Vermarktungsstrategie. Aus dem Vorarlberger Piloten LCT One soll das globale Serienprodukt LCT entstehen, das lokalen Ansprüchen Rechnung trägt und die länderspezifischen Baurechtsvorgaben – vor allem auch beim Brandschutz – erfüllt. Schwarze Zahlen nach fünf bis sieben Projekten Der hohe Grad der Vorfertigung und die konsequente Systematisierung des Bauprozesses ermöglichen eine serielle Produktion der Einzelmodule mit hohen Stückzahlen. Dadurch entstehen betriebswirtschaftliche Skaleneffekte, die es ermöglichen, den LCT mittelfristig am internationalen Baumarkt konkurrenzfähig zu platzieren. Über die Vervielfachung des LCT-Konzeptes in einem kalkulierten Zeitraum lassen sich Renditen erzielen. Nach Auskunft des MarketingLeiters Michael Zangerl rechnet Cree mit schwarzen Zahlen innerhalb von zwei bis drei Jahren. Das setzt allerdings voraus, dass das Unternehmen in diesem Zeitraum fünf bis sieben LCTs realisiert. 28 mikado 7.2012 Das Geschäftsmodell der Cree ist klar und ehrgeizig. Es lautet: den LCT als flexibel ausführbares Serienprodukt möglichst oft in die Ballungsräume der ganzen Welt verkaufen. Interessant daran ist, dass das Konzept dabei eine wesentliche Komponente nachhaltiger Wirtschaft erfüllt: Hergestellt wird weitgehend vor Ort. So entstehen nicht unerhebliche Wohlfahrtseffekte in den Regionen, aus denen das Holz stammt und in denen die einzelnen Arbeitsleistungen erbracht werden. Das steigert die Akzeptanz vor allem bei staatlichen und staatlich geförderten Bauprojekten. Export des Bausystems, nicht der Bauteile Cree will im Normalfall nur das Bausystem exportieren, nicht die Bauteile. Das Unternehmen tritt dabei entweder als Generalübernehmer auf, um das planerisch-konstruktive Knowhow einzubringen und den gesamten Bauprozess vor Ort zu steuern, oder als Teil-Übernehmer, um dann nur für den Rohbau verantwortlich zu sein und den Innenausbau anderen Planern zu überlassen. Die Herstellung der LCT-Elemente soll nach Plänen und unter der Aufsicht von Cree in der Nähe des jeweiligen Bauplatzes durch lokale Bauunternehmen erfolgen. Das Bauwerk ist deshalb so konzipiert, dass sich seine Einzelteile auch auf internationaler Ebene – was meist ein niedrigeres Qualitätsniveau bedeutet – vergleichsweise einfach reproduzieren lassen. Durch die exakten Vorgaben lassen sich Kosten und Qualität sicher kalkulieren. zeigten, dass hier die besten Absatzchancen bestehen. Cree überlässt hier nichts dem Zufall und entwickelte schon im Vorfeld des LCT One eine eigene Marketing- und Kommunikationsstrategie, um die breite Öffentlichkeit und die Fachwelt über die Vorzüge des Projekts zu informieren und aufzuklären. Der LCT One in Dornbirn wird größtenteils Büros beherbergen, zugleich aber als wichtiges Referenzund Besichtigungsobjekt dienen. Ins Erdgeschoss kommt deshalb konsequenterweise: ein „Zukunftsmuseum Architektur“. Als erstes Folgeprojekt errichtet die Cree mit Hermann Kaufmann seit dem Frühjahr 2012 das neue Wasserkraft-Kompetenzzentrum der Vorarlberger Illwerke AG in Vandans. Dabei handelt es sich allerdings um ein „gekipptes Hochhaus“: nur sechs Geschosse hoch, aber 120 m lang. Der Bürobau mit einer Bruttogeschossfläche von über 10 000 m2 soll im August 2013 fertig sein und ist dann eines der größten Holz-Hybrid-Gebäude der Welt. Aktive Auftragsakquise in Europa und Nordamerika Der LCT kann somit weltweit als Blaupause für zukünftigen Städtebau dienen. Die vom hauseigenen Sales-Team adressierten Zielkunden interessieren sich für nachhaltige, gesunde Gebäude mit kurzen Bauzeiten: Investoren, Projektentwickler, Architekten, aber auch private und öffentliche Bauherren. Als Zielkontinente fokussiert Cree zunächst Europa und Nordamerika. Studien Marc Wilhelm Lennartz, Polch-Ruitsch ▪ Projekt 2 Fazit Architekten Hermann Kaufmann / Cree Mit der Entwicklung und Realisierung des LifeCycle Tower (LCT) öffnet sich für den Holzbau eine neue Dimension. www.mikado-online.de Mit dem LifeCycle Tower (LCT) wurde ein Holzbausystem entwickelt, das mit einer nachhaltige Bauweise nachhaltige Siedlungsstrukturen ermöglicht. Der Entwicklungsaufwand war zwar hoch, trotzdem ist es ein vielversprechendes Projekt, denn im Vergleich zu konventionellen Bauweisen ist der LCT wesentlich schneller — ein in dicht bebauten Strukturen mit hohen Grundstückspreisen und sensibler Nachbarschaft ganz wichtiger Aspekt. Durch den Variantenreichtum des Bausystems dürften sich viele Bauherren dafür begeistern. 29