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TYPODROM SCHRIFTENREIHE
Trendthema
Decoupling
Wege zu mehr Effizienz im Marketing
TYPODROM Schriftenreihe
Trendthema Decoupling
1. Auflage 2017
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der
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„Evolution ist immer
und überall.“
Niklas Luhmann (Soziologe und Systemtheoretiker)
4 | TRENDTHEMA DECOUPLING
Vorwort
Ein Modewort macht die Runde: Decoupling. Wie so oft klingt die angloamerikanische Bezeichnung gewichtiger als der
deutsche Begriff „Entkoppelung“. Gleichwohl verraten beide Termini auf den
ersten Blick nichts von ihrer Sprengwirkung. Denn was als Trennung der Agenturgewerke in Kreations- und Umsetzungsleistung, in Ideation und Realisation, in
Strategie und Exekution oder in Entwicklung und Lieferung beschrieben wird, hat
für die gesamte Kommunikationsbranche
eine evolutionäre Triebkraft sondergleichen. Für Agenturen, für werbetreibende
Unternehmen, für den Arbeitsmarkt
Werbung.
5
Decoupling dürfte zu ähnlich weitreichenden Umwäl-
In diesem ersten Heft aus der TYPODROM Schriftenreihe
zungen führen, wie sie seinerzeit Kai Hiemstra mit der
zum Thema Decoupling wollen wir interessierten Lese-
Gründung der Hiemstra Mediaberatung Service (HMS)
rinnen und Lesern aus Marketing, Einkauf, den Fach-
in Gang setzte. Als Hiemstra zu Beginn der Siebziger-
medien oder Agenturen Antworten auf die zentralen
jahre die erste Mediaagentur in Deutschland gründete,
Fragen geben: Was ist Decoupling? Welche Formen von
zweifelte so mancher am Erfolg der Geschäftsidee des
Decoupling gibt es? Wie sieht der Markt für Decoupling
Berliner Visionärs. Aus Sicht der Branche waren die
in Deutschland aus? Welche Vorteile bietet Decoupling
Disposition von Werbeträgern und die Erstellung von
für Werbetreibende? Was bedeutet Decoupling für
Werbemitteln untrennbar miteinander verbunden und
die Agenturlandschaft und worin unterscheiden sich
gehörten daher in eine Hand. Der Einkauf von Media
Decoupling-Agenturen von herkömmlichen Agenturen?
wurde innerhalb der Full-Service-Agenturen mitgeleistet. Hiemstra selbst war jahrelang Mediaverantwort-
Zum Schluss geben wir einen kurzen Überblick über
licher bei großen Agenturen wie Lintas, DDB und
die notwendigen Prozessschritte für ein erfolgreiches
McCann gewesen. Retrospektiv betrachtet ist die
Decoupling. Eine detaillierte Beschreibung zum prozes-
Trennung des Mediageschäfts vom Kreativgeschäft ein
sualen Vorgehen soll aber dem zweiten Heft vorbe-
systemtheoretisch nachvollziehbarer Schritt. Denn nicht
halten bleiben.
erst mit der zunehmenden Fragmentierung der Medienlandschaft, die spätestens mit dem Aufkommen der
Zum Thema Decoupling gibt es nur wenig Literatur. Für
Privatsender und einer explosionsartigen Titelentwick-
diesen ersten Band haben wir ohne Anspruch auf Voll-
lung im Printbereich ihren Lauf nahm, wuchs auch die
ständigkeit die relevanten Quellen aus dem angloame-
Komplexität der Mediadisziplin und damit die Notwen-
rikanischen und dem deutschsprachigen Raum gesich-
digkeit für eine explizite Mediaexpertise. Die „Zellteilung“
tet und ausgewertet. Zudem beziehen wir uns auch auf
war also ein ebenso logischer wie goldrichtiger Schritt.
unsere eigene, nicht repräsentative Untersuchung zum
Nur wenige Jahre später schon verwaltete die HMS
Thema aus dem Jahr 2015. Wir haben die Ansichten
Mediabudgets in Millionenhöhe.
der Marketingverantwortlichen u. a. in führenden DAXUnternehmen ebenso berücksichtigt wie unsere eigenen
In einer ganz ähnlichen Situation befinden sich die Full-
Erfahrungen und die unserer Agenturkollegen.
Service-Agenturen heute wieder. Die Trennung der Werbemittel-Konzeption von der Werbemittel-Umsetzung
Sinn und Zweck dieses ersten Bands ist es auch, eine
dürfte vor dem Hintergrund der nicht zuletzt durch die
Diskussion zum Thema Decoupling in Deutschland an-
digitalen Möglichkeiten enorm gestiegenen Komplexi-
zuregen. Insofern wünschen wir Ihnen nicht nur viel
tät in beiden Prozessen die nächste Mitose auslösen.
Spaß bei der Lektüre. Wir freuen uns auch auf Ihre
Zuschriften, Kommentare, Meinungen und Anregungen
Was im angloamerikanischen Raum längst Realität ist,
zum „Game-Changer“ Decoupling.
wird bald auch zu uns „über den Teich“ schwappen.
Aus gutem Grund, denn in der Trennung der Gewerke
Berlin und Frankfurt am Main, im Januar 2017
Kreation und Umsetzung liegt erhebliches Potenzial für
mehr Effizienz im Marketing.
Kai Löhde
Geschäftsführer
TYPODROM WERBEAGENTUR GMBH
6 | TRENDTHEMA DECOUPLING
TRENDTHEMA DECOUPLING | 7
Was ist Decoupling?
Der Begriff „Decoupling“ für Entkoppelung findet in einer Vielzahl von Disziplinen
Anwendung. Er wird in den Finanz- oder Sozialwissenschaften genauso bemüht
wie in der Meteorologie, der Elektrotechnik oder eben der Kommunikationsbranche.
Was letzteren Bereich betrifft, scheint der Begriff nur unzureichend abgegrenzt
zu sein. Oftmals existiert nur eine diffuse Vorstellung davon, was sich hinter
Decoupling eigentlich verbirgt.
Im Zusammenhang mit Marketing und Kommunikation
einer Decoupling-Agentur ist demnach die Realisation
bezeichnete der Begriff „Decoupling“ ursprünglich den
oder Produktion der Kommunikationsmaßnahmen, nicht
Erwerb einer Dienstleistung, wie beispielsweise den
aber die Entwicklung der dazugehörigen kreativen Ideen.
Druck oder die Programmierung eines Werbemittels,
durch die Einkaufsabteilung eines Werbetreibenden
Im angloamerikanischen Sprachraum manifestiert sich
direkt bei einem entsprechenden Anbieter und nicht
diese Trennung der Gewerke auch sprachlich – beispiels-
über eine Werbeagentur, die für oder im Namen des Kun-
weise als „Garden and Factory“ oder „Magic and Logic“.2
den tätig wurde. Der Ankauf wird damit aus der Zustän-
Dabei zielt die semantische Trennung unglücklicher-
digkeit dieser Agentur „entkoppelt“ und in der Hoffnung
weise auf vermeintlich unterschiedliche Arbeitsweisen
auf bessere Konditionen vom Unternehmen selbst vor-
in den jeweiligen Gewerken. Unglücklich deshalb, weil
genommen. Decoupling ist seinem Ursprung nach also
das Inspirative dem Mechanistischen entgegengesetzt
zunächst einmal eine Marketing-Sourcing-Strategie.
wird – das kreative Ideenmanagement einem monotonen Taylorschen Funktionsmeisterprinzip.
„Decoupling, in advertising, occurs when services that
were previously subcontracted by advertising agencies
Eine solche Trennung hat eine Auswirkung auf das gene-
are purchased directly from suppliers. Decoupling is part
relle Verständnis und den Umgang mit Decoupling.
of the unbundling of the services previously provided by
Indem hier zwischen „Quality“ und „Commodity“ unter-
traditional full service advertising agencies, which origi-
schieden wird, ergibt sich eine irreführende Wertung, in
nally began with the creation of standalone media
deren Folge akzeptiert wird, dass die geistige Arbeit nur
buying agencies such as Zenith from Saatchi & Saatchi
von wenigen, gut ausgebildeten und hoch bezahlten
Group in the 1980s and Mindshare from WPP Group in
Kräften vorgenommen, indes die handwerkliche Arbeit
the 1990s. For the same reasons as media (focus, econo-
von minderqualifizierten Kräften vornehmlich in Billig-
mies of scale and dedicated software), press production
lohnländern erbracht werden könne.
and digital production are now increasingly handled by
standalone production agencies, which trade directly
Diese Sichtweise versperrt – intendiert oder unabsicht-
with advertisers and not through their advertising
lich – den Blick auf die zahlreichen Möglichkeiten und
agencies.“
die großen Chancen, welche sich den Werbetreiben-
1
den, aber auch den Werbern durch Entkoppelung bieMittlerweile wird der Begriff aber weitreichender ver-
ten. Denn erfolgreiches Decoupling beschränkt sich –
wendet. Mit ihm wird üblicherweise die Entkoppelung
wie wir im Folgenden sehen werden – keineswegs auf
des Agenturprozesses der Ideenfindung von dem der
die Separation der kreativen von der handwerklichen
Ideenumsetzung beschrieben. Das Geschäftsmodell
Arbeit.
8 | TRENDTHEMA DECOUPLING
Formen
des Decouplings
So etymologisch unsauber der Begriff „Decoupling“ benutzt
beziehungsweise missbraucht wird, so wenig hilfreich ist er
auch, um die vielen unterschiedlichen Arten der „Entkoppelung“
abzubilden, die sich im Laufe der letzten Dekaden herausgebildet haben.
Zunächst wurde mit Decoupling die Beauftragung einer zumeist spezialisierten oder
kostengünstigeren Agentur mit der Erstellung von Abformaten im Rahmen bereits
bestehender Kampagnen verstanden. Dann aber hat sich die Grenzlinie entlang des
Workflows von Ideenfindung über Gestaltung bis hin zur Umsetzung immer weiter
nach vorn verschoben. Mittlerweile dienen Agenturen den gesamten Erstellungsprozess gleich nach der Ideenentwicklung an. „Wir entkoppeln nicht allein, weil wir Geld
sparen wollen“, wird Peter Isaia, Category Director Global Procurement bei Diageo,
zitiert.3 Das Decoupling-Modell erlaube den Kreativagenturen, sich auf das zu konzentrieren, was sie am besten können – nämlich Ideen zu entwickeln. Für alles andere
zeichne bei Diageo eine „Decoupling-Agentur“ verantwortlich.
Eine gute Möglichkeit, trennschärfer kategorisieren zu können, bieten die Schnittstellen,
an denen „entkoppelt“ wird. Eine solche Sichtweise erlaubt die Unterscheidung von
drei verschiedenen Decoupling-Arten.
1.
Decoupling
Adaption oder Versionierung meint die Erstellung neuer Versionen aus einer Vielzahl
fertig abgestimmter Werbemittel, wie beispielsweise Ländervarianten von Produktbroschüren oder Katalogen.
als Adaption oder
Versionierung
So dürften Sitzheizungen als Bestandteile erfolgreicher Ausstattungsangebote von
Automobilherstellern in Mittel- und Nordeuropa möglicherweise auf Nachfrage stoßen.
In den südlicher gelegenen Ländern wären sie sicher Ladenhüter, weshalb hier unterschiedliche, nationale Katalogversionen sinnvoll sind.
Diese (ursprünglichste) Art des Decouplings setzt am Ende des Erstellungsprozesses
eines Werbemittels an. Die jeweiligen Adaptionsagenturen zeichnen häufig nicht nur
für die Erstellung der Versionen, sondern auch für deren Administration und Koordination verantwortlich. Hier kommt der Versionslogistik eine zentrale Bedeutung zu. In
diesem Decoupling-Segment bewegen sich demzufolge nicht nur global agierende
Adaptionsagenturen, sondern vor allem auch Systemhäuser mit sehr komplexen
Media-Asset-Management-Lösungen.
TRENDTHEMA DECOUPLING | 9
2.
Beim Decoupling im Sinne der Realisation greift die Umsetzungsagentur früher in den
Decoupling
Werbemittel. So entwickelt die Kreativagentur beispielsweise eine Anzeigenidee,
als Realisation
erstellt ein Masterlayout und gibt dieses nach Freigabe durch den Kunden schließlich
Prozess ein. Sie übernimmt den Workflow ab Freigabe abgestimmter Master für neue
an die Decoupling-Agentur. Diese realisiert unterschiedliche Anzeigenformate und
übernimmt die weitere Druckvorstufe bis hin zur Datenanlieferung bei den Verlagen.
Decoupling als Realisation findet sich aber nicht nur im Printbereich. Weit häufiger
werden die Erstellung digitaler Werbemittel und einfachere Programmierungsarbeiten an Decoupling-Agenturen vergeben und dann in Billiglohnländer transferiert.
Die Ogilvy-Umsetzungsagentur RedWorks soll vor ihrer Umbenennung in H&O die
meisten ihrer Mitarbeiter in Indien oder China beschäftigt haben.4
Die lukrativen Arbitrage-Modelle stoßen allerdings dort an ihre Grenzen, wo die Anforderungen an die Decoupling-Agentur steigen. Beispielsweise infolge der Ausdehnung
der digitalen Infrastruktur über Desktop und Smartphone hinaus und der damit verbundenen, wachsenden technologischen Diversifikation. Oder aufgrund der Übernahme zentraler Aufgaben entlang der Wertschöpfungskette durch die Decoupling-Agentur, die ebenfalls eine besondere Qualifikation voraussetzen, wie beispielsweise die als
Wächter des Corporate Designs oder als General Vendor für den Einkauf.
3.
In diesen Fällen wird eine Decoupling-Agentur kurz nach der Ideenentwicklung tätig
Decoupling
onsidee kreativ in die vorgesehenen Formate und Kanäle. Diese Art des Decouplings
als Transkreation
und erweckt grob beschriebene Ideen zum Leben. Sie überträgt eine Kommunikatierfordert ein ausgeprägtes Verständnis für Kreation und Idee.
Das umfassende Leistungsportfolio dieser Decoupling-Agenturen, eine internationale
Aufstellung und Verständnis für Kreation und Idee erlauben es den Werbetreibenden,
kleinere und meistens auch günstigere Kreativagenturen mit der Ideenfindung zu
beauftragen. Deren fehlende Ressourcen für die internationale Koordination und
Umsetzung sind hier nicht länger ein Ausschlusskriterium bei der Wahl des Kreativpartners. Schließlich kann die Transkreationsagentur diese Aufgaben effizienter und
sicherer übernehmen.
10 | TRENDTHEMA DECOUPLING
Der Decoupling-Markt
Die exakte Quantifizierung des Decoupling-Marktes ist bis heute
nicht möglich. Sie lässt sich vor dem Hintergrund fehlenden
Datenmaterials kaum vornehmen. Schließlich beherrschen noch
die Kreativagenturen diesen Markt und diese melden ihre
Umsätze natürlich nicht gesplittet nach den Gewerken kreative
Ideenfindung und Umsetzung. Gleichwohl kommen plausible
Schätzungen auf durchaus relevante Marktgrößen.
Die Angaben zur Größe des Marktes schwanken nicht zuletzt gerade wegen der
Begriffsauslegung von Decoupling. So existieren Schätzungen aus dem Jahr 2013,
nach denen der reine Produktionsmarkt in den USA und im Vereinigten Königreich
zusammen bei nur etwa 1,3 Mrd. US-Dollar liegen soll. Diese Schätzungen erscheinen
zu konservativ. Schließlich weist der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft
ZAW allein für Deutschland im Jahre 2014 bereits einen Betrag von 1,025 Mrd. Euro
für die Druck- und Medienvorstufe aus.5
Bei 25,27 Mrd. Euro Gesamtwerbeausgaben 2014 entfielen 15,22 Mrd. Euro auf
Media und 9,87 Mrd. Euro auf Agenturleistungen. Bei der maßvollen Annahme, dass
etwa 60 % der hierfür verwendeten Budgets auf Umsetzung im weitesten Sinne
entfallen, ergäbe sich abzüglich der bereits ausgewiesenen Druck- und Medienvorstufen-Umsätze ein Marktpotenzial für Decoupling-Agenturen in Deutschland von
etwa 5,3 Mrd. Euro.
Allokation der Gesamtwerbeausgaben 2014 (in Mrd. Euro)
5,42
1,02
15,22
3,61
Media
Kreativleistungen
Quelle: ZAW-Jahrbuch Werbung 2015,
eigene Berechnungen
Druck, Druckvorstufe
Umsetzung
TRENDTHEMA DECOUPLING | 11
Werbetreibende Unternehmen mit Decoupling-Agenturen
BASF
Coca-Cola
Mini
Seat
Bayer
Diageo
Nescafé
Staples
BMW
Dior
Net-A-Porter
Deutsche Telekom
Bosch
General Mills
Orange
Toyota
BP
Intel
P&G
Unilever
Cadillac
Johnson & Johnson
Ray-Ban
Verizon
Canon
L’Oréal
Reebok
Volkswagen
Carrefour
Lancôme
Renault
Walmart
Cartier
Land Rover
Samsung
Woolworths
Abbildung 1: Decoupling in Unternehmen
Sanofi
Zurich
Ein solches Marktvolumen erklärt, warum die großen
für diese verhaltene Beauftragung von Adaptions-, Pro-
international tätigen Netzwerke in Deutschland längst
duktions- oder Transkreationsagenturen mag auch in
Umsetzungsagenturen in ihren Reihen wissen. Und
deren Bekanntheit liegen.6 In einer Untersuchung aus
während sich inhabergeführte Decoupling- oder Tages-
dem Jahr 2014 gaben hierzulande etwas mehr als die
geschäftsagenturen schon vor geraumer Zeit fast un-
Hälfte der Befragten an, eine ungefähre Vorstellung von
merklich unter die Top 50 der größten Agenturen in
den Vorteilen von Decoupling zu haben.7 Nur knapp ein
Deutschland geschoben haben, erwägen auch unabhän-
Drittel davon arbeitet bereits mit einer Decoupling-
gige Full-Service-Agenturen ein eigenes „Recoupling“,
Agentur. Hinsichtlich des vermuteten Leistungsport-
bevor sie selbst „entkoppelt“ werden können.
folios nannten die Marketingverantwortlichen ganz
Citroën
Microsoft
überwiegend die klassischen „Umsetzungsarbeiten“ wie
Die Liste der Werbetreibenden, die weltweit bereits auf
DTP, Bildbearbeitung, Entwicklung und Umsetzung von
irgendeine der beschriebenen Formen des Decouplings
Standardkommunikation (bspw. Preislisten, Materiallis-
setzen, ist beeindruckend. In Deutschland dagegen
ten, Gebrauchsanweisungen, Spezifikationen), Modifi-
sind es aber erst relativ wenige Unternehmen. Ein Grund
kationen und Lektorat.
12 | TRENDTHEMA DECOUPLING
TRENDTHEMA DECOUPLING | 13
Die Vorteile
von Decoupling
Das Motto der viel beschriebenen Post-Wachstumsphase für
werbetreibende Unternehmen lautet, wertvoller zu werden,
ohne zu wachsen. CMOs werden an den gleichen KPIs wie die
CFOs und CEOs gemessen. Sie sollen möglichst schnell Return
on Investment entlang der gesamten Wertschöpfungskette
in der Marketingkommunikation erzielen.
Die Wertschöpfungskette ist in einer digitalen Infrastruktur deutlich komplexer
geworden. Eine immer größere Anzahl von immer individuelleren Touchpoints verlangt
nach mehr personalisierten Inhalten und Versionen. Markenführung ist damit nicht
länger nur eine inhaltliche und budgetäre, sondern auch zu einer koordinativen und
logistischen Herausforderung geworden.
Über alldem schwebt die Notwendigkeit, größtmögliche Effizienz zu erzielen,
weshalb Decoupling insbesondere auch aufseiten des Procurements Fürsprecher
findet. Einkäufer erhoffen sich eine Erhöhung der Economies of Scale ebenso wie
mehr Transparenz in den multiplen Mark-up-Modellen ihrer Dienst- und deren
Drittdienstleister. Bedenkt man, dass zwischen 60 % und 80 % der Budgets für die
Kommunikationserstellung in die Umsetzung von analogen und digitalen Kommunikationsmitteln fließen, liegt hier ein kraftvoller Hebel.
Die Motive des Marketingeinkaufs liegen naturgemäß vor allem auf der Kostenseite.
Aber es gibt durchaus noch weitere Faktoren wie Qualitätssicherung, Kontrolle, Zeitersparnis, Effizienz und mehr Raum für Kreativität, die eine wichtige Rolle bei der
Entscheidung für Decoupling spielen können.
14 | TRENDTHEMA DECOUPLING
1.
Um das Phänomen des Decouplings besser verstehen
Transparenz
Genese der Agenturhonorare werfen. In den Sechziger-
und Kosten
und Siebzigerjahren fungierten Werbeagenturen vor
zu können, müssen wir zunächst einen Blick auf die
allem als „Reseller“ von Werbeträgern. Konzepte und
Ideen wurden den Kunden nicht gesondert in Rechnung
gestellt. Die Agenturen finanzierten sich aus den Mediakommissionen, welche sie bei der Buchung der Werbeträger für ihre Kunden einstrichen. Die auch heute
noch übliche Bezeichnung „AE“ steht für „AnnoncenExpedition“.
Mit der „Entkoppelung“ des Mediageschäfts aus dem
Beispiele für
Agenturhonorarmodelle:
Portfolio der Werbeagenturen wanderte die AE zunächst in die Taschen der Mediaagenturen, von wo sie
dann im Verlaufe der Jahre zu immer größeren Teilen an
Full-Time Employee Fees: Die für die Betreuung
die Kunden zurückgeführt wurde. Die Kreativagenturen
des Kunden notwendigen Personen werden in
ihrerseits wurden daher gezwungen, für die Entwicklung
Manntagen (FTE) veranschlagt.
und Umsetzung ihrer Werbeideen künftig ein Agenturhonorar von den Kunden zu fordern.
Delivery-based Fees: Ein Kernteam wird mittels
Retainer abgedeckt. Übersteigende Aufwände
So haben sich unterschiedliche, neue Honorarmodelle
werden zusätzlich kalkuliert.
entwickelt, die je nach Auftragsbeschaffenheit und
Kunde zur Anwendung kommen.
Scale Fees + Win Bonus: Ein Grundhonorar
wird vereinbart und mit erfolgsbasierten Boni
All diesen Modellen aber blieb die Usance gemeinsam,
angereichert.
auf Rechnungen von Drittdienstleistern, deren Leistungen die Full-Service-Agenturen im Namen des Kunden
Project Fees: Einzelne Projekte werden anhand
oder für den Kunden einkauften, eine Handling-Fee zu
einer vereinbarten Preisliste kalkuliert und
erheben. Die Höhe dieser Fee schwankte üblicherweise
abgerechnet.
je nach Agentur, Dienstleistung oder Kunde zwischen
3 % und 15 %. Dieses Mark-up-Modell leistete und leistet
Profit Sharing: Die Agenturen werden auf Basis
einen nicht unerheblichen Beitrag zur Profitabilität
ihrer messbaren Kontribution direkt am Gewinn
einer Agentur. Es eignet sich aber per se nicht dazu,
des Kunden beteiligt.
um die Kostendisziplin der Agentur beim Einkauf von
Fremddienstleistungen zu fördern.8
TRENDTHEMA DECOUPLING | 15
So geriet dieses Mark-up auf Fremddienstleistungen
Letzteres dürfte sich eher schwer durchsetzen lassen.
sehr bald in den Fokus der Decoupling-Strategen aus
Denn die bisherigen Honorarmodelle haben dafür ge-
dem Einkauf, die eine größere Transparenz bei der Ver-
sorgt, dass überwiegend tangible Arbeitsergebnisse –
wendung der Mittel und Ressourcen verlangten. Im
sei es in Form von Websites, Druckwerken oder Filmen –
Zuge dieser Bemühungen sind derartige Aufschläge
honoriert werden, nicht aber die kreative Idee als
mehr und mehr aus der Geschäftspraxis verschwunden.
solche. Die zunehmend einkaufsgetriebene Werbewirt-
So sehen beispielsweise die Corporate Policies der
schaft kennt heute den Wert einer guten Idee nicht
großen Networks in Übereinstimmung mit dem
mehr, wohl aber deren Preis.9 Und so wird dieses
Sarbanes-Oxley Act (SOX) vor, dass ihre Agenturen
wertvollste Gut einer Kreativagentur allenfalls noch in
Provisionen oder Rabatte vollständig an ihre Kunden
der Anzahl der zur Generierung der Idee benötigten
weitergeben und nicht mehr ohne Weiteres offene
Stunden bewertet.
oder versteckte Handling-Fees auf Drittleistungen aufschlagen dürfen.
Die Agenturen haben ihren Teil dazu gleichfalls beigetragen. Kostenlose Pitch-Teilnahmen, die sogenannten
Mittlerweile sind aber nicht nur die interprozessualen
Goldideen und anderweitiges Verramschen der Ergeb-
Beziehungen der Agenturen in das Blickfeld der Ein-
nisse eines aufwendigen Kreativprozesses haben die
kaufsoptimierer gerückt. Auch intraprozessual werden
Entwicklung noch verstärkt.
Agenturen mehr und mehr auditiert. Diese Transparenz,
die bei allen agenturinternen Arbeitsschritten gefor-
Die Angaben zum Kosteneinsparpotenzial durch Decoup-
dert wird, bringt schließlich die Mischkalkulation zu-
ling differieren substanziell zwischen 21 % und 40 %10
tage, mit der manche Agentur rechnen muss. Verhält-
und im Bereich Digital Decoupling sogar zwischen
nismäßig teure Talente für die Ideenfindung (und nicht
30 % und 60 %.11 Die ISBA (Incorporated Society of
selten auch mondäne Niederlassungen) werden aus
British Advertisers) spricht von Einsparungen durch
weniger kostenintensiven Umsetzungsarbeiten quer-
Decoupling in Höhe von 35 %.12 In jedem Fall aber
finanziert.
bleiben zweistellige Optimierungsraten ein verlockendes
und lohnendes Ziel für die werbetreibende Industrie.
Entziehen die Kunden ihren Etathaltern aber das Umset-
Transparenz und Kostenreduzierung dürften daher auch
zungsgeschäft, um es an günstigere Spezialisten zu
in Zukunft die stärksten Treiber für Decoupling sein.
geben, entfallen diese Einnahmequellen. Um in der
Gewinnzone wirtschaften zu können, werden diese
Agenturen entweder ihre Strukturen ändern oder aber
ein höheres Honorar für Ideenentwicklung verlangen
müssen.
16 | TRENDTHEMA DECOUPLING
2.
Durch die Trennung der Gewerke lassen sich die Kam-
Zeitersparnis
Die daraus resultierende Zeitersparnis ist ein weiteres
pagnenzyklen der Werbetreibenden wirksam verkürzen.
Argument für Decoupling.
Sie ergibt sich vor allem aus drei wesentlichen Faktoren.
Erstens übernehmen in den Decoupling-Agenturen
erfahrene Spezialisten die Finalisierung der Kommunikationsmittel. Sie arbeiten nach festen Routinen oder
zumeist entlang standardisierter Prozessketten.
Zweitens verfügen gut aufgestellte Decoupling-Agenturen über die gesamte Expertise der einzelnen Glieder
der Wertschöpfungskette wie beispielsweise eine interne
Bildbearbeitung/Lithografie oder ein eigenes Lektorat/
Korrektorat.
Welche Vorteile würden Sie sich von der Zusammenarbeit
mit einer Realisations- bzw. Umsetzungsagentur versprechen?
(Mehrfachnennungen möglich)
Persönliche Arbeitserleichterung
(weniger Koordinations- und Managementaufwand)
33,3 %
Zeitgewinn („Time-to-Market“)
61,9 %
Kostenvorteile
85,7 %
Bessere Qualitätssicherung der Endergebnisse
47,6 %
Keine
9,5 %
Andere, nämlich
4,8 %
Quelle: TYPODROM WERBEAGENTUR GMBH, „Was fehlt?“: Ergebnisse einer Befragung zum Thema Umsetzungsagenturen, 2014
TRENDTHEMA DECOUPLING | 17
Und drittens bedienen sich moderne Decoupling-Agen-
Das gewonnene Zeitvolumen wird umso größer, je
turen digitaler Kollaborationstechnologien und setzen
besser es gelingt, den Umsetzungspart anderer Agen-
gerade im Bereich der digitalen Produktion eine Viel-
turen bei einer einzigen Decoupling-Agentur zu bündeln
zahl von Tools und Plattformen ein. Durch die zentrale
und ihr die Koordination dieser komplexen Gewerke zu
Verwaltung der Assets werden Redundanzen sichtbar.
übertragen.
Kommunikationsmittel für ein und denselben Kanal mit
ein und derselben Botschaft werden tatsächlich nur ein-
Mit der Entkoppelung des Umsetzungsprozesses von
mal erstellt. Die Verhinderung doppelter Aufwände,
dem der Entwicklung können auch die Arbeitsbelastun-
wie sie in vielschichtigen Agenturkonglomeraten immer
gen der eigenen Mitarbeiter im Marketing verringert
wieder vorkommen, oder die planvolle Wiederverwer-
werden. Die Koordination freigegebener Werbemittel
tung bereits angelegter Werbemittel bzw. Formate,
und Werbeträger durch professionelle Key Accounts in
spart den Werbetreibenden auch nicht nur Geld,
den Decoupling-Agenturen spart ihnen erheblichen
sondern ebenfalls Zeit.
Aufwand, sodass sie sich auf ihre eigentlichen Aufgaben
in der Markenführung, der Vertriebsunterstützung oder
Die erzielbare Zeitersparnis ist teilweise frappant.
ganz auf ihre Kunden konzentrieren können.
Nach einer Fallstudie von Mindtree konnte die „Time-toMarket“ in der digitalen Kommunikation im konkreten
Der Vorteil der Zeitersparnis ist allerdings nicht für alle
Fall eines großen FMCG-Herstellers um 50 % verkürzt
Verantwortlichen im Marketing offenkundig. Die bereits
werden.
zitierte Untersuchung zeigt, dass etwa ein Drittel sogar
13
einen höheren Koordinationsaufwand durch die Hinzunahme einer weiteren Agentur befürchtet.14 Bis vor
Kurzem ging der Trend sogar dahin, die Anzahl der
beschäftigten Agenturen eher zu reduzieren, als umgekehrt eine zusätzliche Agenturkategorie zu besetzen.15
18 | TRENDTHEMA DECOUPLING
3.
Durch Bündelung der Umsetzungsprozesse bei einem
Kontrolle
keit einer wirksamen Kontrolle über alle seine Kommu-
Koordinator erhält der Auftraggeber auch die Möglichnikationsmittel im Sinne der Markenkonsistenz im
Außenauftritt.
Die Zeiten nämlich, in denen die CD-Agentur oder
die Leadagentur als Wächter des Corporate Designs
fungierte, sind durch die Professionalisierung der
Decoupling-Agenturen vorbei. Längst verfügen gute
Decoupling-Agenturen über die nötigen Fachkräfte,
denen bestehende CD-Manuals nicht nur bestens
bekannt sind. Professionelle Umsetzungsagenturen ent-
Ko
ste
n
wickeln solche CD-Manuals sogar schlüssig weiter und
definieren dabei auch kleinste Einzelfälle ihrer Anwendung. Schließlich manifestiert sich der korrekte Einsatz
des Corporate Designs ja gerade erst in der filigranen
Umsetzungsarbeit.
Das magische Dreieck des Projektmanagements
Kosten
Lösung:
Decoupling
Timing
Qualität
TRENDTHEMA DECOUPLING | 19
Eine solche Markenwächter-Funktion erfüllen moderne
Kosten- und Zeitersparnis bei gleichzeitiger Qualitäts-
Decoupling-Agenturen auch mithilfe innovativer Tech-
sicherung – wer sich die drei Dimensionen des Pro-
nologien. So stellen sie sicher, dass ausschließlich vom
jektmanagements vergegenwärtigt, erkennt schnell,
Kunden freigegebene Assets von allen Akteuren für die
dass durch die Hinzunahme einer Decoupling-Agentur
interne wie externe Kommunikation verwendet werden
substanzielle Verbesserungen erzielt werden können.
und stets die aktuellsten Versionen im Umlauf sind.
Angesichts dieser Vorteile erscheint die jahrelange
Decoupling-Agenturen übernehmen zudem auch das
Zurückhaltung der Verantwortlichen in den deutschen
Rechtemanagement an Bildern und bewahren ihre Auf-
Procurement- und Marketingabteilungen umso unver-
traggeber vor Nachforderungen oder Strafzahlungen.
ständlicher.
Spürbar wirkt sich die professionell wahrgenommene
Die Sorge mancher von ihnen, es sich mit den bisherigen
Kontrollfunktion der Decoupling-Agentur im B2B-Bereich
Etathaltern zu verscherzen, wenn man den Umset-
bei Investitionsgütern oder Industrieanlagen aus. Die
zungsteil herausschneidet, ist nachweislich unbegrün-
Sicherstellung fachlich korrekter Produktbeschreibungen
det. In der zitierten WFA-Studie geben 75 % der Befragten
ist hier von besonders großer Bedeutung, denn ihr
an, dass ihre Agenturbeziehung nicht darunter gelitten
unrichtiger Einsatz kann zu hohen Schadenersatz-
hätte.16
forderungen führen. Marketingverantwortliche kennen
die Konflikte, welche sich durch das Vorhandensein
ebenso vieler Versionen von Produktbeschreibungen
wie Rechnern innerhalb eines global agierenden Unternehmens ergeben. Decoupling-Agenturen sorgen hier
mit ihren intelligent eingesetzten Data-Asset-Management-Systemen für erheblich mehr Sicherheit.
20 | TRENDTHEMA DECOUPLING
Die DecouplingAgentur
Der Unterschied zwischen der Decoupling-Agentur und einer
Kreativagentur manifestiert sich nicht allein im Aufgabenspektrum
bzw. im Leistungsportfolio, sondern in logischer Folge auch in
den Personal- und Organisationsstrukturen.
1.
Professionelle Decoupling-Agenturen beschäftigen im
Primat der
Grafikdesigner, wobei der Anteil der gelernten Medien-
Mediengestaltung
gestalter gegenüber denjenigen Mitarbeitern, die ein
Gestaltungsbereich neben den Mediengestaltern auch
Grafik- oder Designstudium absolviert haben, zumeist
überwiegt. Die Mischung der unterschiedlich qualifizierten Fachkräfte ist aber eines der Erfolgsgeheimnisse
guter Decoupling-Agenturen. Die Mediengestalter verfügen über die handwerkliche Exzellenz und Akkuratesse, mit der sie die Qualität der umzusetzenden Werbemittel in kürzester Zeit sicherstellen. Die Grafikdesigner
verfügen zudem über das Verständnis für das Corporate
Design eines Auftraggebers und können so die Markenwächter-Funktion an zentraler Stelle – nämlich dort,
wohin alle Werbemittel zur Umsetzung gelangen – einnehmen. Zeit- und kostenintensive „CI-Checks“ bei der
Leadagentur werden dadurch obsolet.
Im Gegensatz zu reinen DTP-Häusern achten professionelle Decoupling-Agenturen darauf, dass ihre Mitarbeiter zudem über ein ausgeprägtes Maß an Kreationsverständnis verfügen. Erst das Verständnis für Kommunikationsideen nämlich ermöglicht es ihnen, eine
kreative Idee als solche zu erkennen und sie schlüssig
in allen Kanälen unter Berücksichtigung der kanalspezifischen Anforderungen durchzudeklinieren. In der Praxis
kommt es zudem nicht selten vor, dass Kunden bei ihren
Decoupling-Agenturen auch kleinere Kreativaufgaben
einbriefen. Nämlich immer dann, wenn die Budgets
oder die Timings die Lösung der Aufgaben durch ihre
Leadagentur nicht gestatten.
TRENDTHEMA DECOUPLING | 21
Es ist diese Kombination aus Handwerk und
Kreationsverständnis, welche den Kunden der
Decoupling-Agentur Zeit und Geld spart.
Werbetreibende können schließlich kleine kreative
Schnellboote oder gar Freelancer ausschließlich
mit der Ideenfindung beauftragen. Die Umsetzung
derselben erfolgt dann durch die preiswertere
und schnellere Decoupling-Agentur.
22 | TRENDTHEMA DECOUPLING
2.
Merkmal einer guten Decoupling-Agentur ist zudem der hohe Grad der Seniorität in
Erfahrene Berater
erfahrung der Mitarbeiter ist hier häufig höher als in Kreativagenturen.17 Solche
und Prozessmanager
erfahrenen Berater antizipieren mögliche Fallstricke und behalten auch in kritischen
der Beratung bzw. im Projektmanagement. Das Durchschnittsalter bzw. die Berufs-
Situationen einen kühlen Kopf. Dieser Umstand wird von den werbetreibenden
Kunden goutiert. Schließlich gehört es zu den wesentlichen Kritikpunkten der
Agenturkunden, dass sie im Tagesgeschäft zunehmend mit unerfahrenen Beratern
oder Praktikanten zu tun hätten.
Weil saubere Prozesse eine entscheidende Rolle beim Decoupling spielen, verfügen
die Berater in Decoupling-Agenturen häufig über ein gutes Verständnis von Prozessen,
erkennen die Strukturierungsanforderungen an Prozesse bzw. die Schwachstellen in
Prozessen und ermitteln den entsprechenden Handlungsbedarf.
3.
Digitale Plattformen
Noch überlassen viele Werbetreibende die Kreation und Produktion der digitalen
Kommunikation ihren jeweiligen Agenturpartnern. Was die Kreativseite angeht, ist die
Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern auch weniger problematisch.
Erst aus der Umsetzungsperspektive lassen sich die Ineffizienzen erkennen, die ein
solcher Ansatz spätestens dann mit sich bringt, wenn es über die einfache Bannergestaltung, die HTML-Programmierung oder das E-Mail-Marketing hinausgeht. Bei
komplexeren Front-End- oder Back-End-Technologien wird die Orchestrierung der
digitalen Kommunikationsmaßnahmen in verschiedenen Händen zunehmend schwerer.
Erst die Bündelung der digitalen Produktion bei einer Decoupling-Agentur erlaubt
einen höheren Standardisierungs- und Kollaborationsgrad und vermeidet Redundanzen und Inkonsistenzen.
Die Schaffung einer einheitlichen technischen Plattform für digitale Kommunikationsmaßnahmen ist aber zumeist ein kostenintensives Investitionsrisiko, welches zu tragen
die Kreativpartner im hochvolatilen Projektgeschäft verständlicherweise kaum bereit
sein dürften. Eine zentral operierende Decoupling-Agentur aber ist vor dem Hintergrund der gebündelten Auftragsvolumina viel eher imstande und willens, dieses
langfristige Investment in Personal und Technik für einen Kunden vorzunehmen.
TRENDTHEMA DECOUPLING | 23
4.
Eine professionelle Decoupling-Agentur bildet die Gewerke entlang der Wertschöp-
Interne Service-Stellen
Bildbearbeitung, Lithografie, Lektorat oder Korrektorat – die kürzeren Wege zu den
fungskette im Werbemittel-Erstellungsprozess nahezu vollständig ab. Elektronische
einzelnen Service-Stellen verkürzen auch die Dauer eines Projektes und tragen in der
Gesamtheit zu mehr Effizienz bei.
Vor dem Hintergrund wachsender Aufgabenumfänge für Decoupling-Agenturen werden in besonders progressiven Kooperationsmodellen sogar Procurement-Services
durch die Agentur angedacht. Nämlich überall dort, wo die Agentur zum „General
Vendor“ wird, der an konkreten Einkaufsersparniszielen gemessen werden kann. Es
kann durchaus Sinn machen, eine Decoupling-Agentur zum Treuhänder der Kundenbudgets zu machen. Berücksichtigt man diese Verantwortung auch bei der Vertragslegung und Honorargestaltung wird die Agentur ein besonders hohes Interesse
haben, Produktions- oder Drittdienstleistungen so günstig wie möglich einzukaufen.
Damit gewinnt der Marketingeinkauf einen wichtigen Verbündeten bei der Optimierung der Wertschöpfungskette. Im Spannungsfeld solcher Effizienzparameter lassen
sich gemeinsame, für beide Seiten vorteilhafte Arbeits- und Personalmodelle
entwickeln.
Wie wichtig sind Ihnen die folgenden Eigenschaften einer Realisationsbzw. Umsetzungsagentur? (Mehrfachnennungen möglich)
Mir sind sehr wichtig bzw. wichtig:
Termintreue
100 %
Prozesssicherheit
98,5 %
Schnelligkeit
90,8 %
Kollaborationsfähigkeit (auch mit anderen Agenturen)
81,5 %
Besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als die Kreativagentur
78,3 %
Kreativität für „kreative Schnellschüsse“
48,0 %
24/7-Erreichbarkeit
29,1 %
Leidenschaft
21,4 %
Proaktivität
24,6 %
Quelle: TYPODROM WERBEAGENTUR GMBH, „Was fehlt?“: Ergebnisse einer Befragung zum Thema Umsetzungsagenturen, 2014
24 | TRENDTHEMA DECOUPLING
5.
Professionelle Decoupling-Agenturen arbeiten in flachen Hierarchien, oftmals mit
Organisation
Forderung nach Schnelligkeit und Flexibilität geschuldet und lässt sich vor dem Hinter-
und Struktur
grund der Arbeitsinhalte einfacher verwirklichen als in großen Netzwerken oder
einer ausgesprochenen „Hands-on“-Mentalität. Die Organisationsstruktur ist der
Kreativagenturen.
Dabei hat sich auch hier das Key-Account-Prinzip als überlegen erwiesen. Dem Kunden
ist ein zentraler Ansprechpartner zugeordnet, der die vollständige Abwicklung der
Kommunikationsmaßnahmen steuert. Diesem zentralen Ansprechpartner kommt die
Rolle eines Schnittstellenmanagers zu.
Agentur
Netzwerk
Altavia
Altavia Group
Craft
Interpublic Group
efficientM
DDB
eg+ worldwide
TBWA
Gutenberg Networks
DDB
Hangar Seven
Hangar Seven
Hogarth Worldwide
WPP
ICP
ICP
kapacht
DDB
Loveurope
Loveurope Group
Oestreicher+Wagner
inhabergeführt
Prodigious
Publicis Groupe
RedWorks (H&O)
WPP
Serviceplan Solutions
Serviceplan
Tag Worldwide
Tag Worldwide Group
TYPODROM
inhabergeführt
Wellcom Worldwide
Wellcom Group
Decoupling-Agenturen, Stand: 05/2016
TRENDTHEMA DECOUPLING | 25
Dazu halten manche Kunden für ihren Key Account sogar einen Arbeitsplatz in ihrem
Betrieb vor und der Key Account arbeitet direkt vor Ort. Professionelle Decoupling-Agenturen verfügen deswegen in der Regel auch über die gesetzlich geforderte
Genehmigung zur sogenannten Arbeitnehmerüberlassung, die es ihnen in besonders
kritischen Phasen ermöglicht, ganze Gewerke vor Ort beim Kunden zu installieren.
Decoupling-Agenturen, die sich in ihren Strukturen so sehr an den Bedürfnissen ihrer
Kunden ausrichten, müssen sich, je feiner sie mit den Prozessen der Kunden verwoben
sind, zunehmend mehr Mitbestimmung in ihrer Organisation gefallen lassen. Das
beginnt bei der Definition des gewünschten Leistungsportfolios, berührt häufig die
technische Infrastruktur und erstreckt sich nicht selten auch auf einzelne Personalentscheidungen. Schließlich fungieren sie quasi als „Inhouse“-Agentur des Kunden.
Weil aber gerade das Umsetzungsgeschäft bei Weitem nicht so volatil ist wie das
Ideengeschäft, in welchem Kreativagenturen in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden, sind Decoupling-Agenturen viel eher bereit, diese Mitbestimmung
zu akzeptieren.
Kundenorientierung und Wandlungsfähigkeit der Agentur sind maßgebliche Faktoren,
welche die Dauer der Zusammenarbeit beim Decoupling bestimmen. Die Geschäftsbeziehungen zwischen den Kunden und ihrer Decoupling-Agentur überdauert daher
nicht selten mehrere Dekaden.18 In ihrer Fähigkeit, auf individuelle Anforderungen
ihrer Kunden reagieren zu können, liegt das Potenzial einer Decoupling-Agentur und
die Chance für ihre Kunden.
26 | TRENDTHEMA DECOUPLING
Zur Einführung
von Decoupling
Obwohl Decoupling für erhebliche Effizienzgewinne bei
gleichzeitiger Qualitätsoptimierung sorgen kann, eignet es
sich für jeden Werbetreibenden dennoch nicht gleichermaßen.
Wer auf Decoupling setzen möchte, sollte vorab Szenarien
entwickeln und die Sinnhaftigkeit auf dieser Basis bewerten.
Zur Vorgehensweise wollen wir nachfolgend nur einen
groben Überblick geben.
1.
Der erste Schritt ist eine umfassende Analyse der Prozesse, der Aufwände und der
Analyse
gewonnene Gewohnheiten, Routinen und abgesteckte Claims nur unzureichend
Budgets. Es empfiehlt sich, hier eine externe Beratung hinzuzuziehen, da sonst lieb
beleuchtet werden würden. Idealerweise mandatiert man für die Budgetanalyse
Berater, welche die Marketingsprache genauso sprechen wie die des Einkaufs. Auf
diese Weise lässt sich nicht nur schnell herausfinden, welche Synergien mit welchen
Märkten und Bereichen erzielbar sind. Auch werden die unsichtbaren Kosten im
Kunde-Agentur-Workflow ermittelt.
Analyse
Effizienzpotenzial
Audit der Prozesse
(Organisation und IT)
Analyze
Decoupling-Prozess
Definition der
Trennstellen
Entwicklung
entsprechender Prozesse
(Organisation und IT)
Decouple and Reconnect
TRENDTHEMA DECOUPLING | 27
2.
Ist das Optimierungspotenzial sichtbar geworden, wird ermittelt, an welchen Stellen
Entkoppeln und
sprechende Entkoppelungsszenarien entwickelt und schließlich die Trennung bzw. die
wieder verbinden
Neukoppelung (Reconnection) vereinbart. Gerade weil derartige Veränderungen zu
eine Entkoppelung Sinn machen könnte und an welchen nicht. Dann erst werden ent-
Friktionen, Widerständen und Regelungsbedarf führen, empfiehlt sich die Erstellung
eines „Playbooks“, in welchem die gewünschten Verhaltensweisen der Akteure, deren
Rechte und Pflichten fixiert und kommuniziert werden.
3.
Hat man sich für ein Decoupling-Szenario entschieden, geht es im nächsten Schritt an
Umsetzung
um Kostenziele handeln. Geschwindigkeit oder Fehlerquoten im Entwicklungsprozess
die Umsetzung. Ziele müssen vorab klar kommuniziert werden. Es muss sich nicht nur
können weitere Messkriterien sein. Dabei sollte ein Scheitern an der einen oder anderen
Stelle ganz bewusst in Kauf genommen und keinesfalls sofort sanktioniert werden.
Erst durch das Zulassen von Fehlern und den offenen Umgang mit ihnen können wichtige Erkenntnisse gewonnen und möglicherweise weiteres Optimierungspotenzial
identifiziert und gefährliche Bruchstellen lokalisiert werden.
Decoupling bedeutet keinesfalls, gleich zu Beginn einen die ganze Organisation
umfassenden Transformationsprozess anzustoßen. Im Gegenteil – es kann durchaus
Sinn machen, in kleinen Schritten vorzugehen und einzelne Gewerke in Form einer
Transition zu überführen. Weil aber Decoupling immer auch ein Eingriff in die gelebte
Unternehmenspraxis bzw. dessen Kultur ist, kann es weder allein top-down noch
buttom-up implementiert werden. Decoupling sollte als ein laufender Prozess verstanden werden, der nur ganzheitlich erfolgreich eingeführt werden kann.
Erstellung Playbook
Implementierung
KPI Tracking
Deploy
Double Loop Learning
28 | TRENDTHEMA DECOUPLING
Nachwort
Kein Zweifel – das Modell wird auch in Deutschland zu einem „Game-Changer“
werden und alle Beteiligten an diesem Spiel sind gut beraten, sich damit intensiver
zu befassen.
Für die werbetreibenden Unternehmen eröffnen sich durch Decoupling neue Möglichkeiten der Effizienzsteigerung. Auch haben Marketer mit der Hinzunahme einer
Transkreationsagentur den direkten Zugriff auf die Instrumente und Tools einer
Werbeagentur. Sie können mitunter leichter ihre eigenen Ideen umsetzen lassen. Das
kreative Eigenpotenzial der Werbetreibenden, die in der Regel ihre Produkte, Märkte
und Käuferschichten besonders gut kennen, sollte nicht unterschätzt werden.
Dennoch wird Decoupling deswegen nicht zum Totengräber der herkömmlichen
Werbeagentur werden. Die Chance aus der disruptiven Kraft der Entkoppelung liegt in
der Rückbesinnung der Kreativagenturen auf ihre Kerndienstleistung. Solange sie
noch als Gralshüter der großen Kampagnenideen gelten, sind die Agenturchefs
aufgerufen, neue Strukturen und Prozesse zu schaffen, in denen sich eine reine und
professionelle Ideenkultur entwickeln kann. Das erfordert einen neuen Typus von
Agenturmanagern. Gefragt ist nicht länger nur der „Zahlenmeister“, der die Shareholder diesseits und jenseits des Atlantiks ruhig schlafen lässt. Viel wichtiger wird der
„Ideenmanager“, der unterschiedliche Teams in flachen Hierarchien und losen Netzwerken zu kreativen Höchstleistungen bringt und profitabel einzusetzen weiß.
Es wäre wünschenswert, wenn die Trennung der Gewerke in Idee und Umsetzung
am Ende dazu beitragen würde, dass sich der Wert einer guten kreativen Idee nicht
allein danach bemisst, ob sie mit einem Preis ausgezeichnet wird, sondern gleichermaßen danach, ob ein angemessener Preis für sie gezahlt wird.
TRENDTHEMA DECOUPLING | 29
30
Fußnoten:
URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Decoupling_(advertising), 30.05.2014.
Vgl. Ignition Consulting Group, Agencies decoupled: threat or opportunity?,
URL: http://www.ignitiongroup.com/propulsion-blog-post/agencies-decoupled-threat-opportunity, 2014;
vgl. Williams, Tim, Professional Firm, Decouple Thyself, URL: http://verasage.com/blog/professional-firm-decouple-thyself, 2014.
 3
Vgl. Lee, Michael, Forbes CMO Network, How Decoupling Is Changing The Way Marketers Advertise,
URL: www.forbes.com/sites/onmarketing/2013/04/18/how-decoupling-is-changing-the-way-marketers-advertise/#32e4cfb1e5a4, 18.04.2013.
 4
Vgl. Ignition Consulting Group, Agencies decoupled: threat or opportunity?,
URL: http://www.ignitiongroup.com/propulsion-blog-post/agencies-decoupled-threat-opportunity, 2014.
 5
Vgl. ZAW-Jahrbuch Werbung 2015, S. 147 ff.
 6
Vgl. Löhde, Kai, Zu wenig bekannt, in: HORIZONT 5/2015 vom 29.01.2015.
 7
Vgl. TYPODROM WERBEAGENTUR GMBH, „Was fehlt?“: Ergebnisse einer Befragung zum Thema Umsetzungsagenturen, Frankfurt am Main, 2014.
 8
Vgl. Smith, Peter, Decoupling Creative and Production Procurement – Handle with Care, in: Spend Matters UK/Europe, 2014.
 9
Vgl. Löhde, Kai, Decoupling – eine ganze Branche wird sich verändern, in: new business 13/2015 vom 23.03.2015, S. 23 ff.
10
Vgl. Lee, Michael, Forbes CMO Network, How Decoupling Is Changing The Way Marketers Advertise,
URL: www.forbes.com/sites/onmarketing/2013/04/18/how-decoupling-is-changing-the-way-marketers-advertise/#32e4cfb1e5a4, 18.04.2013;
vgl. Hangar Seven, The Whitepaper Series – Decoupling, 2014;
vgl. Joseph, Denny, Decoupling Creative and Production Services … for effective brand communication,
URL: http://www.afaqs.com/news/story/45253_Guest-Article-Denny-Joseph-Decoupling-Creative-and-Production-Services, 13.08.2015;
vgl. Smith, Dean, Decoupling: What is it and how could it work for your business?, in: Professional Outsourcing,
URL: http://www.professionaloutsourcingmagazine.net/insight/decoupling-what-is-it-and-how-could-it-work-for-your-business, 2014;
vgl. World Federation of Advertisers, WFA online member survey, 2013.
11
Vgl. Accenture Interactive – Point of View Series, Digital Decoupling – A Capability Multiplier in the Marketing Equation, 2013;
vgl. Mindtree Viewpoint, Divide and Conquer: Decoupling is Digital Marketing’s New Best Practice, 2014.
12
Zitiert nach Banner Managed Communication, Realities of Decoupling Marketing Services: Could decoupling work for your business?, 2014.
13
Vgl. Mindtree Viewpoint, Divide and Conquer: Decoupling is Digital Marketing’s New Best Practice, 2014.
14
Vgl. TYPODROM WERBEAGENTUR GMBH, „Was fehlt?“: Ergebnisse einer Befragung zum Thema Umsetzungsagenturen, Frankfurt am Main, 2014.
15
Vgl. Nanji, Ayaz, Brands Are Using Fewer Marketing Agencies,
URL: www.marketingprofs.com/charts/2015/26909/brands-are-using-fewer-marketing-agencies#ixzz4Bddnj4ww, 2015.
16
Vgl. World Federation of Advertisers, WFA online member survey, 2013.
17
Das Durchschnittsalter der Beratungsabteilung in der Tagesgeschäftsagentur TYPODROM liegt beispielsweise bei 39,7 Jahren.
18
So blickt die Tagesgeschäftsagentur TYPODROM in Frankfurt am Main auf teilweise 30-jährige Kundenbeziehungen zurück.
ICP in London arbeitet seit mehr als 25 Jahren für Diageo und Estée Lauder.
 1
 2
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Bisher sind in der TYPODROM Schriftenreihe erschienen:
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