Anhang

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Fakultät für Mathematik
Fachgebiet Mathematische Informatik
Anhang
Lineare Algebra I
Heinz H. G ONSKA, Maria D. R USU, Michael W OZNICZKA
Wintersemester 2009/10
A Relationen
Definition A.1. Seien X, Y beliebige Mengen. Eine Teilmenge R ⊂ X × Y heißt
Relation zwischen X und Y. Im Fall X = Y sprechen wir von einer Relation in X.
Für ( x, y) ∈ R schreiben wir auch x R y und sagen, x steht in Relation zu y. Statt
x R y schreiben wir auch y R x. Steht x nicht in Relation zu y, so verwenden wir
auch die Bezeichnungen x 6 R y oder y 6R x.
Bemerkung A.2. Sei B := {W, F} die Menge der Wahrheitswerte der klassischen Logik. (Hierbei steht W für wahr und F für falsch.) Durch jede Relation R ⊂ X × Y ist
eine Abbildung
W ,xRy
∈B
ρ R : X × Y 3 ( x, y) 7→
F , x 6R y
gegeben. Umgekehrt liefert jede Abbildung ρ : X × Y → B eine Relation
Rρ = {( x, y) ∈ X × Y : ρ( x, y) = W} .
Definition A.3. Eine Relation R ⊂ X × X heißt
(a) reflexiv, falls (∀ x ∈ X )( x R x ),
(b) symmetrisch, falls (∀ x, y ∈ X )( x R y ⇒ y R x ),
(c) antisymmetrisch, falls (∀ x, y ∈ X )( x R y ∧ y R x ⇒ x = y),
(d) transitiv, falls (∀ x, y, z ∈ X )( x R y ∧ y R z ⇒ x R z).
Definition A.4. Unter einer Äquivalenzrelation verstehen wir eine reflexive, symmetrische und transitive Relation R ⊂ X × X. Für jedes Element x ∈ X bezeichnen wir
die Menge
E( x; R) := {y ∈ X : x R y}
1
A Relationen
als Äquivalenzklasse von x bezüglich R. Die Elemente einer Äquivalenzklasse heißen
ihre Repräsentanten. Die Menge
X/R := { E( x; R) : x ∈ X }
nennen wir Faktormenge von X nach R.
Satz A.5. Sei R ⊂ X × X eine Äquivalenzrelation. Dann gilt
(a) (∀ x ∈ X )( E( x; R) 6= ∅),
(b) (∀ x, y ∈ X )(y ∈ E( x; R) ⇒ x ∈ E(y; R)),
(c) (∀ x, y ∈ X )( E( x; R) = E(y; R) ∨ E( x; R) ∩ E(y; R) = ∅).
Beweis.
(a) Für alle x ∈ R ist x ∈ E( x; R), denn R ist reflexiv.
(b) Seien x, y ∈ X mit y ∈ E( x; R). Nach Definition der Äquivalenzklasse ist x R y.
Wegen der Symmetrie von R gilt auch y R x. Folglich ist x ∈ E(y; R).
(c) Seien x, y ∈ X.
Wir betrachten zunächst den Fall x R y. Für z ∈ E( x; R) haben wir x R z und
z R x. Wegen der Transitivität von R erhalten wir z R y und damit y R z.
Folglich ist z ∈ E(y; R), also E( x; R) ⊂ E(y; R). Wegen der Symmetrie von R
erhalten wir analog E(y; R) ⊂ E( x; R), also E( x; R) = E(y; R).
Für x 6 R y ist E( x; R) ∩ E(y; R) = ∅. Sonst gäbe es ein z ∈ E( x; R) ∩ E(y; R), das
heißt x R z und y R z, also auch z R y und damit x R y, im Widerspruch zur
Annahme.
Beispiel A.6.
(a) Sei X eine beliebige Menge. Dann ist
R := {( x, y) ∈ X × X : x = y}
eine Äquivalenzrelation in X. Sie beschreibt die Gleichheit von Elementen. Jede
Äquivalenzklasse enthält genau ein Element. Die Faktormenge X/R lässt sich
mit X identifizieren.
(b) Sei X := Z × (Z \ {0}). Dann ist
R := {(( x1 , x2 ), (y1 , y2 )) ∈ X × X : x1 y2 = y1 x2 }
eine Äquivalenzrelation in X. Sie beschreibt die Wertgleichheit von Brüchen. Als
Äquivalenzklassen ergeben sich die rationalen Zahlen, als ihre Repräsentanten
alle Brüche gleichen Wertes. Die Faktormenge X/R bezeichnen wir mit Q.
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B Logik
Definition B.1. Unter einer Aussage verstehen wir ein sprachliches, grammatisches
Gebilde von dem feststeht, dass es entweder wahr (W) oder falsch (F) ist (selbst
wenn niemand darüber entscheiden kann).
Aussagen lassen sich mit Hilfe von Abbildungen zu neuen Aussagen verknüpfen.
Definition B.2. Sei n ∈ N. Eine Abbildung von Bn in B nennen wir (n-stellige)
logische Verknüpfung.
n
Bemerkung B.3. Es gibt genau 2(2 ) verschiedene n-stellige logische Verknüpfungen.
Die einzig nicht-triviale unter den vier einstelligen logischen Verknüpfungen ist die
Negation ¬ (»Nicht«), die einer Aussage A ihr Gegenteil zuordnet:
A
W
F
¬A
F
W
Von den insgesamt 16 zweistelligen logischen Verknüpfungen für uns besonders
wichtig sind die Konjunktion ∧ (»Und«), die Disjunktion ∨ (»Oder«) sowie die Implikation ⇒ (»Folgerung«) und die Äquivalenz ⇔ (»Gleichwertigkeit«), wie sie in der
Wahrheitstafel
A B A∧B A∨B A ⇒ B A ⇔ B
W W
W
W
W
W
W F
F
W
F
F
F W
F
W
W
F
F
F
W
W
F F
aufgeführt sind. Jede logische Verknüpfung lässt sich auf ∧, ∨ und ¬ zurückführen.
Beispielsweise ist A ⇒ B = ¬ A ∨ B und A ⇔ B = ( A ∧ B) ∨ (¬ A ∧ ¬ B).
Zur Einsparung von Klammern treffen wir
Vereinbarung B.4. Die Zeichen ∧ und ∨ binden stärker als ⇒ und ⇔.
Satz B.5 (Einige logische Identitäten). Für beliebige Aussagen A, B und C gilt
(a) A ∧ ( B ∧ C ) = ( A ∧ B) ∧ C,
A ∨ ( B ∨ C ) = ( A ∨ B) ∨ C,
(b) A ∧ B = B ∧ A,
A ∨ B = B ∨ A,
(c) A ∧ ( A ∨ B) = A,
A ∨ ( A ∧ B) = A,
(d) A ∧ ( B ∨ C ) = ( A ∧ B) ∨ ( A ∧ C ),
A ∨ ( B ∧ C ) = ( A ∨ B ) ∧ ( A ∨ C ),
(e) ¬(¬ A) = A,
(Assoziativität)
(Kommutativität)
(Absorption)
(Distributivität)
(Involutivität)
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B Logik
(f) ¬( A ∧ B) = ¬ A ∨ ¬ B,
¬( A ∨ B) = ¬ A ∧ ¬ B,
(de Morgansche Regeln)
(g) A ⇒ B = ¬ B ⇒ ¬ A,
(Kontraposition)
(h) (¬ A ⇒ B) ∧ (¬ A ⇒ ¬ B) = A.
(Reductio ad absurdum)
Beweisskizze. Alle Gleichungen lassen sich mit Hilfe von Wahrheitstafeln nachweisen. Beispielsweise überzeugen wir uns durch
A
W
F
¬ A ¬(¬ A)
F
W
W
F
von der Involutivität der Negation und durch
A B
W W
W F
F W
F F
A ∧ B ¬( A ∧ B) ¬ A ¬ B ¬ A ∨ ¬ B
W
F
F
F
F
F
W
F
W
W
F
W
W
F
W
F
W
W W
W
von der Gültigkeit der ersten de Morganschen Regel. Die zweite Formel von de
Morgan erhalten wir alternativ durch direkte Anwendung der zuvor gezeigten
Identitäten
¬( A ∨ B) = ¬(¬(¬ A) ∨ ¬(¬ B))
= ¬(¬(¬ A ∧ ¬ B))
= ¬ A ∧ ¬ B.
Bemerkung B.6. Wegen Satz B.5 (a)–(d) und
• A ∧ ¬ A = F,
A ∨ ¬A = W
(Komplementärregeln)
nennt man (B, ∧, ∨) auch einen Booleschen Verband. Außerdem gilt
• A ∧ A = A,
A ∨ A = A,
(Idempotenz)
• A ∧ W = A,
A ∨ F = A,
(Neutralität)
• A ∧ F = F,
A ∨ W = W.
(Beschränktheit)
Bemerkung B.7.
(a) Nach Bemerkung A.2 ist durch eine zweistellige logische Verknüpfung eine
Relation in B gegeben. Insbesondere die Symbole ⇒ und ⇔ werden häufig
sowohl als Verknüpfung zweier Aussagen zu einer neuen Aussage, als auch
als Beziehung zwischen zwei Aussagen aufgefasst.
4
(b) Seien A und B Aussagen mit A ⇒ B. Dann sagen wir auch:
•
•
•
•
•
•
•
•
»Aus A folgt B«,
»B folgt aus A«,
»A impliziert B«,
»(Schon) wenn A gilt, so gilt B«,
»B gilt (schon) dann, wenn A gilt«,
»A gilt nur dann, wenn B gilt«,
»A ist hinreichend für B«,
»B ist notwendig für A«.
(c) Gilt für zwei Aussagen A und B die Beziehung A ⇔ B, so sagen wir auch:
•
•
•
•
•
»A ist äquivalent zu B«,
»A und B sind gleichwertig«,
»A gilt genau dann, wenn B gilt«,
»A gilt dann und nur dann, wenn B gilt«,
»A ist notwendig und hinreichend für B«.
(d) Ein mathematischer Satz ist eine wahre Aussage (über einen mathematischen
Sachverhalt). Mathematische Sätze können von sehr verschiedener sprachlicher Gestalt sein. Häufig kann man sie in der Form »Wenn . . . , dann . . . « aussprechen. Den Inhalt des Wenn-Satzes nennt man Voraussetzung, den Inhalt des
Dann-Satzes Behauptung.
(e) Als Beweis eines mathematischen Satzes bezeichnet man einen durch logisches
Schließen erhaltenen Nachweis, dass dieser Satz wahr ist.
Satz B.8 (Einige logische Schlussregeln). Für beliebige Aussagen A, B und C gilt
(a) A ∧ ( A ⇒ B) ⇒ B,
(Direkter Schluss)
(b) A ∧ (¬ B ⇒ ¬ A) ⇒ B,
(Indirekter Schluss)
(c) ( A ⇒ B) ∧ ( B ⇒ C ) ⇒ ( A ⇒ C ),
(Kettenschluss)
(d) A ∧ B ⇒ B,
(Separationsschluss)
(e) A ⇒ A ∨ B,
(Adjunktionsschluss)
(f) ( A ∨ B) ∧ ( A ⇒ C ) ∧ ( B ⇒ C ) ⇒ C.
(Fallunterscheidung)
Beweisskizze. Alle aufgeführten Schlussregeln lassen sich mit Hilfe von Wahrheitstafeln nachweisen. So liefert
A B
W W
W F
F W
F F
A⇒B
W
F
W
W
A ∧ ( A ⇒ B)
W
F
F
F
A ∧ ( A ⇒ B) ⇒ B
W
W
W
W
5
B Logik
beispielsweise die Korrektheit des direkten Schlusses. Durch Kontraposition können wir daraus die indirekte Schlussregel
A ∧ (¬ B ⇒ ¬ A) ⇒ B
ableiten, auch ohne eine Wahrheitstafel aufzustellen.
Beispiel B.9 (Einige grundlegende Beweistechniken).
(a) Wenn eine Zahl n ∈ N0 gerade ist, dann ist auch ihr Quadrat n2 gerade.
Direkter Beweis. Eine Zahl n ∈ N0 ist genau dann gerade, wenn ein k ∈ N0
existiert mit n = 2k. Für gerades n ∈ N0 gilt also
n2 = (2k )2 = 4k2 = 2(2k2 ).
Folglich ist mit n auch n2 gerade.
(b) Wenn das Quadrat n2 einer Zahl n ∈ N0 gerade ist, so ist auch n gerade.
Indirekter Beweis (Widerspruchsbeweis). Sei n ∈ N0 und n2 gerade. Angenommen, n ist ungerade. Dann existiert ein k ∈ N0 mit n = 2k + 1, und es gilt
n2 = (2k + 1)2 = 4k2 + 4k + 1 = 2(2k2 + 2k ) + 1.
Demnach ist n2 ungerade, im Widerspruch zur Voraussetzung. Also ist die getroffene Annahme falsch. Das heißt, n ist gerade.
(c) Seien X und Y Mengen. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
(i) Y ⊂ X,
(ii) X ∪ Y = X,
(iii) X ∩ Y = Y.
Beweis durch Ringschluss. Wir zeigen (i) ⇒ (ii), (ii) ⇒ (iii) und (iii) ⇒ (i).
• Sei Y ⊂ X. Zunächst gilt X ⊂ X ∪ Y, denn für alle x ist
x ∈ X ⇒ ( x ∈ X ) ∨ ( x ∈ Y ) ⇒ x ∈ X ∪ Y.
Sei nun x ∈ X ∪ Y. Dann gilt x ∈ X oder x ∈ Y. Ist x ∈ Y, so ist x nach
Voraussetzung ebenfalls ein Element von X. Also ist X ∪ Y ⊂ X und damit
X ∪ Y = X.
• Sei X ∪ Y = X. Für alle y ist dann
y ∈ X ∩ Y ⇔ y ∈ ( X ∪ Y ) ∩ Y ⇔ (y ∈ X ∨ y ∈ Y ) ∧ (y ∈ Y ) ⇔ y ∈ Y.
• Sei X ∩ Y = Y. Für alle y gilt dann
y ∈ Y ⇔ y ∈ X ∩ Y ⇔ (y ∈ X ) ∧ (y ∈ Y ) ⇒ y ∈ X.
Also ist Y ⊂ X.
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(d) Für alle natürlichen Zahlen n ∈ N ist n2 − n + 41 eine Primzahl.
Widerlegung durch Gegenbeispiel. Für n = 41 ist n2 − n + 41 = 412 , also zusammengesetzt und damit nicht prim.
Definition B.10. Sei X eine Menge. Unter einer Aussageform über X verstehen wir
eine Abbildung, die jedem Element der Grundmenge X eine Aussage zuordnet.
Bemerkung B.11. Durch Quantifizierung gehen Aussageformen in Aussagen über. Sei
X eine Menge und A eine Aussageform über X. Wir benutzen folgende Quantoren
und Sprechweisen:
(a) Allquantor
•
•
•
•
•
•
»(∀ x ∈ X ) A( x )«,
»Für alle Elemente x von X gilt A( x )«,
»Für jedes Element x von X gilt A( x )«,
»Für ein beliebiges Element x von X gilt A( x )«,
»Ist x ∈ X, so gilt A( x )«,
»Sei x ∈ X. Dann gilt A( x )«,
(b) Existenzquantor
•
•
•
•
»(∃ x ∈ X ) A( x )«,
»Es existiert (mindestens) ein Element x von X, so dass A( x )«,
»Es gibt (zumindest) ein Element x von X mit A( x )«,
»Für (wenigstens) ein Element x von X gilt A( x )«,
(c) Existenz- und Eindeutigkeitsquantor
•
•
•
•
»(∃!x ∈ X ) A( x )«,
»Es existiert ein eindeutiges Element x von X, so dass A( x )«,
»Es gibt genau ein Element x von X mit A( x )«,
»Für genau ein Element x von X gilt A( x )«.
Satz B.12 (Einige Quantifizierungsregeln). Seien A und B jeweils Aussageformen über
geeigneten Grundmengen. Dann gilt
(a) ¬(∀ x ) A( x ) = (∃ x )¬ A( x ),
¬(∃ x ) A( x ) = (∀ x )¬ A( x ),
|
{z
}
(de Morgansche Regeln)
=:(@x ) A( x )
(b) (∀ x )(∀y) A( x, y) = (∀y)(∀ x ) A( x, y) = (∀ x, y) A( x, y),
(∀ x )(∃y) A( x, y) ⇐ (∃y)(∀ x ) A( x, y),
(∃ x )(∃y) A( x, y) = (∃y)(∃ x ) A( x, y) = (∃ x, y) A( x, y),
(c) (∀ x ) A( x ) ∧ (∀ x ) B( x )
(∀ x ) A( x ) ∨ (∀ x ) B( x )
(∃ x ) A( x ) ∧ (∃ x ) B( x )
(∃ x ) A( x ) ∨ (∃ x ) B( x )
= (∀ x )( A( x ) ∧ B( x )),
⇒ (∀ x )( A( x ) ∨ B( x )),
⇐ (∃ x )( A( x ) ∧ B( x )),
= (∃ x )( A( x ) ∨ B( x )).
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