morpholog. Veränderungen - Userpage

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Die Wirkung radioaktiver Strahlung auf die
Tier- und Pflanzenwelt der Tschernobylregion
und Deutschlands
Rudolf K. Achazi
Freie Universität Berlin –Ökotoxikologie-
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Kiev
Ghosttown
Wolvestown
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Schätzung der Anzahl von Nuklearunfällen von
1944 bis 2005
Anzahl
Forschung/Entwicklung/
Industrie/AKW
71
Militär
(Raketen, Flugzeug, Schiff)
70
Weltraum
6
bekannte Gesamtzahl
147
Durchschnittliche Anzahl
der Nuklearunfälle pro
Jahr: 2,25 !!
Verseuchung der Erde durch
Kernwaffenversuche und das
Chernobyl-Desaster
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Verteilung der Radioaktivität über Europa auf Grund der
Wetterbedingungen zwischen dem 26. April und 4. Mai 1986
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
137Cs Deposition in Europa
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Anzahl der betroffenen Siedlungen (Sied.) und Menschen
(Men) in der Ukraine, Russland und Weißrussland (1989)
137Cs-
Weißrussland
Russland
Ukraine
937
413
202
267200
113100
204200
330
167
67
95700
80900
29700
70
26
23
9700
4600
19200
Belastung
(Ci/km²)
Siedlungen
5 - 15
Menschen
Siedlungen
15 - 40
Menschen
Siedlungen
Menschen
> 40
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
1. Wie verändert ionisierende Strahlung das
Ökosystem Wald ?
Wissenschaftliche Untersuchungen auf Long Island (USA) und
in Süd-Ost-Manitoba (Kanada)
2. Wie veränderte der AKW-Unfall in Chernobyl das
Waldökosystem im unmittelbaren Umkreis des
Kernkraftwerks ?
Wirkung auf die Organismen des Ökosystems zwischen 1986
und 2005
Wirkung der ionisierenden Strahlung auf molekularbiologischem,
molekularbiologischem
zellulärem, morphologischem und verhaltensbiologischem Niveau
der Organismen
3. Die Fernwirkung des Chernobyl-Desasters
Belastung von Lebensmittel, Wildpflanzen und
Wildtieren in Deutschland
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Wie verändert ionisierende Strahlung das Ökosystem
Wald ?
Wirkung von ionisierender Strahlung unter kontrollierten
Bedingungen im Freiland bei langanhaltender Bestrahlung eines
Eichen-Buchen-Waldes mit einem Gamma (137Cs)-Strahler
a. Untersuchung auf Long Island (USA)
b. Untersuchung in Süd-Ost-Manitoba (Kanada)
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Freilanduntersuchungen zur Exposition mit radioaktiver Strahlung
A: Untersuchungen mit 137Cs-Strahlen in einem Eichen-KiefernWald auf Long Island
Seit 1961 chronische Exposition der Waldökosystems durch Punktquelle
mit 9500 Ci/20h/Ta. Die Strahlung nimmt mit der Entfernung
geometrisch ab. Schon nach 6 Monaten wurde durch die Dosis von >345
Röntgen eine sterile Zone geschaffen, nach 15 Jahren war die innere
Zone tot.
nach 6 Monaten
nach 15 Jahren
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Einfluss der 137Cs-Strahlung auf die Biodiversität der
Ökosystems Eichen-Kiefernwald in konzentrischen Kreisen um die
Strahlungsquelle auf Long Island (USA)
sterile Zone
Zone 1:
> 345 R/Tag
Zone 2:
> 200 R/Tag
Zone 3:
<200 - >150 R/Tag
Zone 4:
<150 - >40 R/Tag
Zone 5:
<40 - >16 R/Tag
Zone 6:
<2R/Tag
zentrale gestörte Zone ohne Gefäßpflanzen;
nur Moose und Flechten; dominant: Cladonia cristatella
Seggenzone;
dominant: Carex pensivania
Strauchzone; dominant: Heidekrautarten (Vaccinium
angustifolium, V. heterophyllum, Gaylusaccis baccata)
und kurzstämmigen Eichen (Quercus ilicifolia)
Eichenzone; dominant: hochwachsende Eichen
(Quercus alba, Q. coccinata)
Eichen-Kiefern-Wald mit geringen akuten Schäden, aber
keiner Mortalität; dominant: Pinus rigida
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Field-Irradiator Gamma
(Kanada 1973 ->??)
Ausgangs
-zustand
Eichen-Kiefern-Wald
Expositionsphase
Strahler:
137Cäsium (370 TBq)
Belastung der Zone:
65 – 0,0005 mGy/h (19h/Tag)
Baumarten:
Jack Pine, Black Spurce,Balsam Fir
>>> Willow, Aspen, Alder; Birch
Sträucher:
Blaubeere, Haselnuss, Kirsche
Kräuter:
Erdbeere, Bunchbeere, Solidago
Seggen:
Typha, Carex,
Erholungsphase:
Wiederbesiedlung mit
Kräutern, Sträuchern, Bäumen
nach 1
J.
nach 5
J.
nach
10 J.
nach 14 J.
Bestrahlung &
5 J. Erholung
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Die Ökosysteme
und Tiergruppen
zeigen eine sehr
unterschiedliche
Strahlungsempfindlichkeit.
Zu den sensitivsten Ökosystemen
zählt der
Nadelwald,
zu den sensitivsten
Tiergruppen
Säugetiere und
Vögel.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Wie veränderte der AKW-Unfall in Chernobyl das
Waldökosystem im unmittelbaren Umkreis des
Kernkraftwerks ?
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Expositionsraten am
26.4.1986 (R/h)
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Unterschiede zwischen wissenschaftlichen Untersuchungen und
Tschernobyl-Desaster
Projekt
Long Island (USA),
FIG (Kanada)
Dauer
> 14 Jahre
konstante
Bestrahlung
ca. 10 Tage; Isotope in die Luft entlassen,
mit Wind und Regen verbreitet, Belastung
klingt ab
Isotope
137
Cäsium,
fest montierter,
punktförmiger
Strahler
kurzlebige Nukleotide: 133Xe, 129+132Te,
131+133I, 239 Np, 89Sr, u.a.
langlebige Nukleitide: 85Kr, 137Cs, 242Cm
38+239+240+241+242Pu, u.a.
betroffene
Fläche
radial, mit
Gradienten,
ca. 0,025 km²
mehrere 100000 km² betroffen: gesamt
Osteuropa, Skandinavien, England,
Spanien, Italien
besonders stark betroffen: Weißrussland,
Ukraine, Russland
betroffene
Eichen-KiefernÖkosysteme Wald
Tschernobyl
(Ukraine)
Wald, Ackerland, Siedlungen,
Flusssysteme, Süß- und Salzwasserseen,
Arktis (Biotransport)
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Hauptspeicher und Fluxe
der Radionukleotide im
Waldökosystem und deren
Aufnahme in die Pflanzen
Verteilung der Radioaktivität in
Sandboden
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Verteilung von
137Cs
und 90Sr im lehmig-sandigen Boden in den
Jahren 1987 und 2000
Fixierte,
extrahierbare
und austauschbare Anteile
der Nukleotide
im lehmigen
Sand
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Transfer der
Radionukleotide
im
terrestrischem
Ökosystem
Kreislauf
innerhalb
der
Nahrungskette !
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Wege der Radioaktivität im/aus dem Ökosystem
Naturfernes Ökosystem:
Naturnahes Ökosystem:
Hohe Dauerbelastung, da es
zu einem Dauerkreislauf der
radioaktiven Teilchen kommt
und der Export durch
Entnahme von Organismen
gering ist.
Im landwirtschaftlich
genutzten Ökosystem wird
die Radioaktivität im
gesamtem Pflughorizont
verteilt, durch das K+ und
Ca2+ des Düngers verdünnt
und mit den Nutzpflanzen
exportiert.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Die zeitliche Dynamik der Strahlenexposition
Phase1
26. April bis Mitte Mai
1986
Phase 2
Sommer und Herbst
1986
Phase 3
Winter 1986 bis >
2005
akute Exposition
durch hohe Mengen
an kurzlebigen
Radionukleotiden
auf Pflanzen- und
Bodenoberfläche
vor allem langlebigere
Isotope wirksam,
Dosis auf Oberfläche ca.
10% des Ausgangswerts; Verlagerung der
Radioaktivität in Streu
und Boden,
Bioakkumulation in
Pflanzen und Pilze
chronische
Exposition durch
Bioakkumulation ()
bei Transfer in die
Tiere durch
Aufnahme von
Pflanzen- und
Bodenmaterial
131J, 129Tm, 89Sr,141,144Ce,
137Cs
99Mo, 132Te/I, 133Xe,
131J, 140Ba/La
, 131J,
129Tm, 89Sr,141,144Ce,
137Cs
,
90Sr, 238-242Pu
γ>β
137Cs
, 90Sr, 238-242Pu
, 90Sr, 238-242Pu
β>γ
β≈γ
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Phase 1
roter Wald:
Durch trockene Deposition von 60 -90% der kurz- und langlebigen Nukleotide
wurden die Nadeln und Blätter der Bäume im Umkreis von 7 km extrem stark
verstrahlt (5 mGy/h*w, absorbierte Dosis: 80-100 Gy): Bäume sterben und
werden braunrot.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Phase 2
Die Radioaktivität wurde vom oberen
Teil der Pflanze auf die unteren
Zweige gewaschen, dort sekundär
deponiert (nasse Deposition).
Schädigung
durch trockene
Deposition
Phase 3
1987: Auftreten erhöhter Mutationsraten;
führt zu morphologischen Abnormalitäten bei Pflanzen ( ungewöhnl.
Stammverzweigungen, Racemverdopplung, Hexenbesen, Farb- und Größenveränderung bei Blättern und Blüten)
Nadelgigantismus
ungeschädigte
Mitte
Schädigung
durch sek.
Deposition
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Schadenszone des Nadelwaldes rund um Tschernobyl
Extern.
γ- Dosis
[Gy]
Luftbelastung
[mGy/h]
Intern. Dosis
Nadeln [Gy]
> 80-100
>4
>100
Nadelbäume: tot
Laubbäume: teilgeschädigt
Subletalzone
(38 km²)
10-20
2-4
50-100
Vegetationspunkte: tot
Nadelbäume: teilweise tot
Laubbäume: morphologisch
verändert
Zone
mittlerer
Schäden
(120 km²)
4-5
0,4-2
20-50
Reproduktionspotential:
reduziert
Nadeln: vertrocknet
morpholog. Veränderungen
Zone
geringer
Schäden
0,5-1,2
<0,2
<10
Nadelbäume: Störungen von
Wachstum, Reproduktion
und Morphologie
Todeszone:
(4km²)
Schadensbild
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Effekte der radioaktiven Strahlung auf den Nadelwald rund um
Tschernobyl: zeitliche Veränderungen
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Veränderung der Populationsdichte der Meso- und Makrofauna
in Kiefernwald der Tschernobylregion(Tiere pro Flächeneinheit)
12 Monate nach dem Unfall
3 Monate nach dem Unfall
700
18
16
600
Anzahl der Tiere
400
300
200
12
10
8
6
4
100
2
0
0
3 km
17 km
3 km
70 km
17km
70 km
Entfernung zum AKW
Entfernung zum AKW
18 Monate nach dem Unfall
50
40
Anzahl der Tiere
Anzahl der Tiere
14
500
30
20
10
0
3 km
17 km
70 km
Entfernung vom AKW
Populationsdichte der Makrofauna auf dem
belastetem Standort und einem Kartoffelacker
(Kontrolle) und deren Biomasse in Abhängigkeit von
der Entfernung vom AKW
6 Monate nach dem Unfall
Biomasse (g/m²)
alle Tiere
Käfer-Larven
3 km
70 km
Käfer
Myrapoden
Diplopoden
Rw-Kokons
Regenwurm
0
20
40
60
80
100
120
Anzahl der Tiere
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Effekt der Strahlung bei Nutz und Wildtieren
Pflanzenfressende Wildtiere (Elche, Hirsche, Rehe,
Wildschweine) und Haustiere (Rinder, Ziegen,
Schafe, Schweine) nehmen hohe Mengen an radiaaktivbelastetem Pflanzenmaterial auf.
Eine Kuh z.B. frisst pro Tag 30% des Grases einer 150 m²Weide.
Belastet werden: Darm, Schilddrüse (Jod-Akkumulation) & innere
andere Organe (Leber, Milz, Blut)
Anzahl der belasteten Haustiere
Rinder: >>100
Pferde: ca. 300
Schafe: ca. 2000
außerdem Ziegen, Hunde, Hühner, z.T. freilaufend
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Folgen für die belasteten Haustiere
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
einige Tiere sterben; reduzierte Kondition; starkes Abmagern
erniedrigte Körpertemperatur
Kreislaufstörungen
Oedeme
gestörtes Blutbildes (Leukopänie, Erythropänie,
Thrombocytopänie Eosinophilie)
erhöhter Blutzucker (1,5 – 2fach)
reduzierte Immunantwort
Unterdrückung der Schilddrüsenfunktion (50 Gy -> 69%; 280
Gy -> 82%) bis totaler Verlust der Schilddrüse, Thyroxin
unter Nachweisgrenze
Fortpflanzungsprobleme
Nachkommen von exponierten Müttern zeigen (a) reduziertes
Geburtsgewicht, (b) reduzierte Gewichtszunahme, (c)
Zwergwuchs
Felldicke halbiert (Schafe)
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Wo wirkt sich die Belastung stärker aus: bei Kollektivhaltung oder
bei Privathaltung im Freiland?
Beispiel: 137Cs-Konzentration in Kuhmilch von Tieren aus
Privathaltung im „Hausgarten“ oder Kollektivhaltung (Kolchose).
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Folgen für im Sperrgebiet verbliebene,
freilaufende Hunde und Hühner
Nach 5-6 Monaten zeigte die Autopsie typische
Syndrome der Strahlenkrankheit:
¾ reduziertes Körpergewicht
¾ reduzierte Fettreserven
¾ vergrößerte Lymphknoten
¾ vergrößerte Leber und Milz
¾ Hämatome in Leber und Milz
¾ verdickte Auskleidung des Dünndarms
¾ keine Eier in Nest oder in Ovarien.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Folgen für die Wildtiere
Ergebnisse in der 10 km Zone nach 4 Monaten
Vögel
5 Arten nachweisbar
(Artenzahl in Ukraine 344, d.h. 98,5% in Chernobyl nicht nachweisbar)
keine toten Vögel aufindbar!
Schwalben und Spatzen hatten normalen Nachwuchs
Säugetiere
45 Arten aus 6 Ordnungen nachweisbar
(Artenzahl in Europa 137, d.h. 67% in Chernobyl nicht nachweisbar)
keine Auffälligkeiten in Aussehen und Verhalten nachweisbar
Kleine Nagetiere
Herbst 1986: Reduktion der Populationsdichte auf 50% bis 10%
1986 und 1987: Anzahl der toten Embryonen vor der
Präimplantation steigt auf 200 bis 300% im Vergleich zu Kontrollen
mehr Embryonen werden resorbiert
aber die Nachkommenzahl pro Weibchen bleibt normal
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Effekte auf die Wassertiere, spez. Fische
Die Gewässer der Umgebung wurden
extensiv radioaktiv verseucht, z.B.
Kühlteich des AKW, Pripyat-Fluß,
Kiew-Reseroir, Djeper, Schwarzes
Meer, aber auch Gewässer in
Westeuropa. Besonders gefährdet
sind abgeschlossene Kleinseen.
Veränderungen der Belastung des Kühlteichwassers
(1986-2002)
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen
induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Bioakkumulation und Biomagnifikation bei
Wassertieren
137Cs
Belastung von Wasser,
Kleinkrebsen und Raubfisch (Hecht)
im Vorsee (Deutschland) im Jahr
2002
137Cs-belastung
von
Fried- und Raubfischen
aus dem Kiew-Reservoir
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Wirkung der ionisierenden Strahlung auf
verhaltensbiologischem, morphologischem,
zellulärem, molekularbiologischem Niveau der
Organismen
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Genetische Effekte bei Pflanzen
(1987) Schafgarbe, Mäusehirse & kanadisches Berufskraut: erhöhte
Mutationsraten und morphologische Abnormalitäten (ungewöhnliche
Verzweigung, Verdoppelung von Razemen, abnorme Farbe u. Größe von
Blättern und Blüten).
(1986-1990) Kiefer: Hexenbesenbildung; Ausbildung schmalerer
Jahresringe
(1986/87) Löwenzahn u.Ackerschmalwand (Arabinopsis): DNSStragbrüche; red. Reparaturrate, Absterben von Embryonen
Vergrößerte Nadeln
bei Fichten
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Wirkung der radioaktiven Strahlung auf die
Erbinformation: Ausbildung von Strangbrüchen in
den Doppelsträngen der Desoxyribonukleinsäure
Art/Jahr
Dosis (µS/h)
(Population)
DNSStrangbrüche
Reparatureffizienz
Löwenzahn /
1986
0,2 (Kontrolle)
70
300
7,8 ± 0,4
8,1 ± 0,5
10,8 ± 1,2
90 ± 6
94 ± 6
100 ± 6
Ackerschmalwand / 1986
0,2 (Kontrolle)
2500
7,3 ± 0,4
6,8 ± 0,4
95 ± 6
70 ± 10
Ackerschmalwand / 1987
0,2 (Kontrolle)
100
600
5,5 ± 0,8
27,5 ± 4,0
33,1 ± 5,2
100 ± 4
94 ± 4
100 ± 11
Anzahl der DNS-Stragbrüche nimmt bei Bestrahlung z.T. signifikant zu. Das Reparatursystem ist aber in der Regel in der Lage,
die Schäden zu beheben.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Morphologisch-histologische Veränderungen von Kiefern durch
den Tschernobyl Unfall
Die Strahlenbelastung beeinflusst u. a. die Ausbildung der Jahresringe
und der Harzgänge
A. geringe. Belastung ( 31.8.1986: γ=0,09Gy,
β=0,5) Baume zeigen keine äußeren Anormalitäten:
regelmäßige Tracheiden, normale Dicke der Jahresringe in Folgejahren, einige Bäume weisen
unregelmäßige Übergänge vom Früh- zum Spätholz
auf
B. mittlere Belastung (31.8.1986: γ=0,15Gy,
β=1,6), Holz zeigt Schädigung (Radiärstruktur und
tertiäres Dickenwachstum der Tracheide gestört),
normale Dicke der Jahresringe in Folgejahren,
C. hohe Strahlenbelastung (31.8.1986: γ=0,26Gy,
β=3,7), alle Bäume durch AKW-Unfall geschädigt,
stark gestörte Radiärstruktur, tertiäres Dickenwachstum fällt in Folgejahren aus, Dicke der
Jahresringe nimmt in Folgejahren ab.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Tiere: Auswirkungen auf die fluktuierende Asymmetrie
Fluktuierende Asymmetrie bezeichnet geringe zufällige Abweichungen
von der perfekten bilateralen Symmetrie paariger Strukturen von
Tieren. Die fluktuierende Symmetrie kann für die Bioindikation in der
Umweltforschung eingesetzt werden.
Nach dem Tschernobyl Desaster wurden im Rahmen von
Vergleichsunter-suchungen wurden bei 15 Arten (4 Pflanzenarten, 4
Insektenarten, 2 Fischarten, 1 Amphibienart, 1 Vogelart und 4
Säugetierarten) eine signifikant erhöhte fluktuierende Symmetrie
oder eine Abweichung im Phänotyp bei Organismen der hochbelasteten Standorte um das AKW Tschernobyl nachgewiesen.
Beobachtungen
bei Chironomidenlarven aus dem
Kühlteich von
Chernobyl
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Beispiele für fluktuierende Asymmetrie:
a. Hirschkäfer: Geweihmorphologie der Männchen
b. 3 Blattkäfer-Arten (Chrysomelida): Phaenotyp von Elytrenfarbe
und –muster
c. Rauchschwalbe: Längenveränderung der Schwanzspieße
Hirschkäfer (Lucanus cervus)
Verglichen wurden die Männchen der
Hirschkäferpopulationen der Standorte
Kanev (Kontrolle) und Chernobyl (300500µR) auf:
a. Geweihlänge/Thoraxlänge und
Geweihlänge
b. fluktuierende Asymmetrie
c. Beziehung der fluktuierenden
Asymmetrie der Geweihe zur
Verpaarung mit Weibchen
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Hirschkäfer (Lucanus cervus)
Keine Unterschiede im Längenverhältnis
Geweih / Thorax bei den Männchen
der beiden Standorte
Keine signifikanten Unterschiede zwschen den Geweihlängen von verpaarten
(grau) und unverpaarten Männchen
Signifikant größere Unterschiede zwischen
der fluktuierenden Asymmetrie der Geweihe der unverpaarten Männchen des
hochbelasteten
Standorts
20 Jahre Tschernobyl:
Strahlen induzierte
Hypothese: Männchen mit
unsymmetrischen Geweihen
haben einen Nachteil beim
Kampf um die Weibchen.
Die Strahlenbelastung wirkt
sich also im Konkurenzkampf
um die Weitergabe der Gene
negativ aus!
Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Rauchschwalbe (Hirudo rustica):
Einfluss der ionisierenden Strahlung auf Populationsentwicklung, Asymmetrie
der Schwanzspieße von Männchen, partiellen Albinismus, Rotfärbung von
Stirn und Kehle, das Immunsystem und die Mutationshäufigkeit der
Keimbahn-DNS
Für diese Vergleichsuntersuchungen wurden
Schwalben aus
Chernobyl mit denen aus
Kanev (minimal
belasteter Standort in
Weißrussland) und
Dänemark bzw. Italien
herangezogen
a. Populationsveränderung zwischen 1991 und 1996
Brutpaare 1991
Brutpaare 1996
Abnahme
Kanev (6 Dörfer)
202
162
19,8%
Chernobyl (9 Dörfer)
292
76
74,0%
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
b. Partieller Albinismus (%) bei adulten Rauchschwalben
vor 1986
1991
1996
Mailand (It)
0,0 (n=66)
n. b.
1,7 (n=180)
Kanev (WR)
0,0 (n=24)
0,0 (n=141)
1,9 (n=51)
Chernobyl (U)
0,0 (n=17)
15,2 (n=99)
13,3 (n=75)
c. Häufigkeit von Keimbahnmutationen in den Mikrosatelliten Loci HrU6
und HrU9
HrU6
Mutation in %
HrU9
Mutation in %
HrU6 + HrU9
Mutation in %
Mailand (It)
0,5 (n=1065)
3,6 (n=937)
2,0 (n=2002)
Kanev (WR)
0,0 (n=69)
8,0 (n=62)
3,8 (n=131)
Chernobyl (U)
5,6 (n=72)
9,1 (n=66)
7,2 (n=138)
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
d. Wirkung auf das Immunsystem
Gewicht der Milz [mg]
Immunoglobuline [%]
Karghede (Dn)
33,6 ± 4,7 (n=16)
15,2 ± 0,8 (n=16)
Kanev (WR)
29,9 ± 3,9 (n=15)
16,8 ± 0,8 (n=15)
Chernobyl (U)
20,0 ± 3,2 (n=17)
12,3 ± 0,5 (n=17)
e. Beziehung zwischen der Länge der Schwanzspieße und der Färbung
von Stirn und Kehle mit Carotinoide
Bei Schwalben von wenig oder unbelasteten Stadorten zeigt sich eine
deutliche Korrelation zwischen
Färbung von Stirn und Kehle und der
Länge der Schwanzspieße. Diese fehlt
bei Chernobyl-Schwalben. Dies weist
auf die Belastung mit Radikalen hin,
die durch die Karotine abgefangen
werden können.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Wildtiere: positive Folgen des Desasters: Chernobyl-Wolfsland
Ab Frühjahr 1987: Zunahme der Populationsdichte von
Großtieren durch Zuwanderung, da durch die Evakurierung der
Bewohner (ca. 135000 Menschen) ein „Naturschutzgebiet“
entstanden ist.
Wildschweine: 800%
Elche: 200%
Wiederbesiedlung durch
Adler, Kraniche, Schwarzstorch
Erhöhte Populationsdichte von
Rehen, Wölfen, Füchsen, Ottern, Nagetieren
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Die Fernwirkung des Chernobyl-Desasters
Belastung von Lebensmittel, Wildpflanzen und Wildtieren
in Deutschland (spez. Bayern)
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Deutschland
Die radioaktive Wolke
erreichte Westeuropa
Anfang Mai. Besonders hoch
waren die Belastungen in
Bulgarien, Österreich und
Bayern.
Mittlere Belastung mit 137Cs
1986
Österreich: 22 kBq/m²
Bayern:
20 kBq/m²
2005
Südbayern: 15 kBq/m²
Die Anfangsbelastung war
auf Grund des Anteils von
kurzlebigen Radionukleotiden
höher.
(max. Belastung in München am 1.
Mai 1986: 1100 Nanogrey/h)
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Abnahme der Strahlenbelastung
Fütterung mit
belastetem Heu
Die Abnahme in den drei
Monaten nach dem
Desaster beruht auf der
kurzen Halbwertszeit
vieler Nukleotide
In der späteren Jahren wird die
Belastung vor allem durch 137Cs und
90Sr verursacht.Auch die Belastung
der anderen Nahrung-smittel nahm
1987 um 90 – 95 % ab.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Kontamination von Rohmilch in Bayern
Kernwaffenversuche
Tschernobyl
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Belastung auf bewirtschafteten Flächen (Ackern) und nicht
bewirtschafteten Flächen (Wald)
Auf Grund der langen Halbwertszeit von Cs, Sr und Pu klingt die
Belastung des Bodens aus physikalischen Gründen nur geringfügig ab.
Bewirtschaftete Flächen: Bei Bearbeitung des Bodens durch Pflügen,
Grubbern und Eggen verteilt sich die Radioaktivität relativ gleichmäßig
im Bearbeitungshorizont.
Unbewirtschaftete Flächen, bes. Wald: Mit der radioaktiven Wolke
gelangen die Nukleotide auf die Pflanzenoberflächen (Blätter, Äste,
Stämme) und die Streuauflage und werden anschließend durch den
Regen in die Streuauflage eingewaschen. Zusätzlich landen die
belasteten Blätter und Nadeln nach dem Blattfall auf der Streu. Durch
die Humusbildung gelangen die Nukleotide anschließend in den obersten
Bodenschichten. Die Verlagerung in die Tiefe erfolgt sehr langsam.
Über Pilze und Pflanzen werden die radioaktiven Stoffe in den
Nahrungskreislauf aufgenommen und entlang der Nahrungskette
weitergereicht..
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Streu Vermoderung
U
n
t
e
r
b
o
d
e
n
}
Humushorizonte
137Cs-Verteilung
in
einem Waldboden
(7,3 kBq/m²)
Geschlossener Stoffkreilauf des Waldes und
die Belastungspfade bis
zum Menschen. Die
radioaktiven bleiben in
der Nahrungskette.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Belastung von Landwirtschaft- und Waldprodukten in Bayern (2000)
(rot: Mittelwerte, grün-gelb: Spannweite der Belastung)
Weizen (45)
Roggen (44)
landwirtschaftliche
Produkte
Gerste (14)
Kartoffeln (43)
Gemüse (54)
Blattgemüse (53)
Schweinefleisch (123)
Rindfleisch (161)
Milch (358)
0,01
0,1
137
1
10
Mittelwerte für Nutzpflanzen
Cs Bq/kg Frischgewicht
mean
min
max
Preiselbeeren (11)
Heidelbeeren (34)
Steinpilze (46)
Waldprodukte
Maronenröhrling (103)
Wildblätterpilze (48)
Leisten-& Trompetenpilze (18)
0,1
1
137
10
100
Cs Bq/kg Frischgewicht
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
1000
Belastung von Wildpflanzen
Unterschiedliche Belastung von
Pflanzen und Pilzen
Pflanzen leben überwiegend
oberir-disch, sind autotroph und
syntheti-sieren ihre Baustoffe mit
Hilfe des Sonnenlichts und aus
niedermoleku-laren Baustoffen.
Pilze leben mit Ausnahme ihrer
Fruchtkörper im Boden, sind
heterotroph und nehmen ihre
Baustoffe aus de radioaktiv
belasteten Humushorizonten auf.
Die Saprophyten unter den Pilzen (z.B.
Morcheln) leben von toter organischer
Substanz, während die Symbioten
(z.B. Röhrenpilze) nur in der Lebensgemeinschaft mit Bäumen Fruchtkörper
und Sporen bilden. Parasiten befallen
lebende Wirtsorganismen.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Belastung von Steinpilz und Maronenröhrling
Veränderung der Cs-Belastung von
Maronenröhrlingen im Raum München
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Belastung von Wildtieren in Bayern im Jahr 2000
mittlere Belastung des Fleischs von Nutztieren
Wildschwein (106)
Reh (85)
Hirsch (16)
mean
min
max
0,1
1
10
100
1000
137Cs Bq/kg Frischgewicht
Die mittlere Belastung von Reh und Hirsch entspricht etwa der mittleren
Wildpflanzenbelastung. Die Belastung von Wildschweinfleich liegt bis zu 500x
höher. Gründe: Reh und Hirsch äßen vor allem wesentlich geringere belastetes Gras auf Freilächen außerhalb des Waldes sowie Knospen und Blätter
von Sträu-chern, während Wildschweine nicht landwirtschaftlich genutztes
Gelände bevorzugen und Nahrung direkt aus dem Boden aufnehmen.
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
137Cs-Belastung
Oberschwaben
der Rehe in
Belastung im Jahreszyklus
Veränderung der Cs-Belastung
zwischen 1986 und 2004
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Verringerung der radioaktiven Belastung von Beeren, Fleisch
und Pilzen bei der Zubereitung
20 Jahre Tschernobyl: Strahlen induzierte Effekte auf Tier- und Pflanzenwelt
Im Durchschnitt gibt es 2,3 Nuklearunfälle pro
Jahr:
A n z a h l d e r b e k a n n t g e w o r d e n e n N u k u le a r u n f ä lle
Anzahl der Nuklearunfälle
10
8
6
4
2
0
1940
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2010
Z e it r a u m ( 1 9 4 4 b is 2 0 0 5 )
Wann kommt der nächste Kernkraftunfall?
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