Rückblick Salon de Débat_29032015

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Rückblick 29. März 2015:
Salon de Débat zum Thema «Gut und Schlecht»
Das „Gute“ gebrauchen wir in unserer Alltagssprache relativ sorglos, es ist allgegenwärtig.
Wir bewerten Gegenstände genauso als „gut“ wie Menschen, Handlungsweisen, das Wetter
oder Nahrungsmittel. Doch wir sind vorsichtig, etwas als „böse“ zu bezeichnen. Stattdessen
nutzen wir lieber Ausdrücke wie „schlecht“ oder „falsch“. Auf den ersten Blick scheint es, als
könnten die beiden Kategorien unterschiedlicher nicht sein, als wäre nur ein Entweder-oder
möglich. Doch was meinen die beiden Kategorien genau und woher nehmen wir den
Massstab für unsere Evaluierung? Diese Fragen beschäftigen den Menschen seit jeher.
Und das nicht nur in der Philosophie. Auch Wilhelm Busch reflektierte in seiner
Bildergeschichte Die fromme Helene über die beiden Gegenpole indem Onkel Nolte spricht:
«Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, was man lässt.» Was aber als „gut“ und
was als „böse“ gilt, bleibt hier ebenso ungeklärt, wie das Grundproblem der Theodizee; der
Frage, warum es trotz eines allmächtigen, allwissenden, gütigen Gottes so viel Böses auf der
Welt gibt. Der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz versuchte diese Frage zu beantworten,
indem er das gegenwärtig Existierende als das Optimum pries: «Wir leben in der besten aller
möglichen Welten.» Voltaire dagegen kritisiert diese optimistische Weltanschauung von
Leibniz in seiner Satire Candide. Er charakterisiert den Menschen als ein unverbesserliches,
im Grunde schlechtes Wesen. Doch gleichgültig, wie böse die Welt zu sein scheint, wir
müssen unseren Garten bestellen («il faut cultiver notre jardin»): «Lasst uns arbeiten ohne
nachzudenken, das ist das einzige Mittel, das Leben erträglich zu machen». Auch für
Nietzsche ist es unmöglich, das Gute zu finden, wie er in seinem Werk Jenseits von Gut und
Böse darstellt. Denn jegliche moralischen Werte sind subjektiver Natur, weshalb „gut“ und
„böse“ lediglich Vorurteile sind, die sich nicht begründen lassen. Sie sind das Resultat der
individuellen gesellschaftlichen Zusammenhänge.
Die Frage nach der Entstehung dieser moralischen Urteile beantwortete Lawrence Kohlberg
mit seinem Stufenmodell, das auf dem Modell der kognitiven Entwicklung von Jean Piaget
beruht. Kohlberg nimmt an, dass der Mensch ohne Moralorientierung geboren wird und er
sein Moralbewusstsein stufenweise im Laufe seines Lebens entwickelt. Das klingt zunächst
simpel und einleuchtend. Doch: Worauf stützen wir uns in Entscheidungssituationen? Und
was tun wir, wenn uns die Zeit fehlt, um unsere Entscheidungen sorgfältig abzuwägen?
Verlassen wir uns dann nicht intuitiv auf unser Bauchgefühl und versuchen zu legitimieren,
dass wir stehlen dürfen, um das Leben eines geliebten Menschen zu retten oder lügen
dürfen, wenn dadurch ein Unheil verhindert werden kann? Oder stützen wir uns kategorisch
auf Prinzipien, die unabhängig von der Situation zu befolgen sind? Für die schottische
Moralphilosophie ist Moralität Handeln in Übereinstimmung mit unseren Gefühlen, weshalb
der angeborene moralische Sinn intuitiv über „gut“ und „böse“ entscheidet. Aber wenn
individuell und situationsspezifisch abgewogen wird, ist dann nicht alles relativ? Wie wird
man dann einer ausgeglichenen Bewertungsgerechtigkeit gerecht? Oder wird dann das
Gefühl zum Prinzip?
Am 29. März trafen sich rund 35 Interessierte im St.Galler Kult-Bau, um sich über diese und
ähnliche Fragen auszutauschen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass wir weder auf
Prinzipien noch auf die Intuition verzichten können. Prinzipien dienen der Orientierung. Aber
sich nur auf sie zu stützen scheint genauso undenkbar, wie ein Gefühl zum Prinzip zu
machen. Schlussendlich braucht es die gesunde Urteilskraft, um situationsspezifisch nach
bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden. Und auch dann können wir nicht garantieren,
dass aus gutem Willen Gutes entsteht und das Böse vermieden werden kann. Die Frage
nach Gut und Böse vermag also weder die Pflichten- noch die Situationsethik befriedigend
zu beantworten. Denn schlussendlich ist und bleibt sie oft ein Dilemma und macht die
eigentliche Frage der Moral aus.
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