Kongenitale multiple disseminierte Glomustumoren

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Kongenitale multiple disseminierte Glomustumoren
S. Hummel, H. Kurzen, B. Kahle
Hautklinik der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. D. Petzoldt)
Schlüsselwörter
Keywords
Multiple disseminierte kongenitale Glomustumoren,
Histologie, Immunhistologie, Therapie
Multiple disseminated congenital glomus tumors,
histopathology, immunhistopathology, treatment
Zusammenfassung
Summary
Glomangiome sind benigne Gefäßtumoren, welche
vom neuromyoarteriellen Anteil der Glomuskörperchen
abstammen. Glomustumoren treten zumeist solitär als
schmerzhafte Knoten auf, können aber auch segmental
oder am gesamten Integument disseminiert vorkommen.
In der Regel manifestieren sich diese Tumoren in der
Kindheit. Kongenitale multiple Glomustumoren sind als
Rarität einzustufen und wurden bisher nur in Einzelfällen
publiziert.
Wir berichten über einen 20-jährigen Patienten mit
multiplen, disseminierten, kongenitalen Glomangiomen.
Neben den histologischen und immunhistologischen
Befunden werden die verschiedenen Therapiemöglichkeiten wie Exzision, Sklerosierung, Kontaktkryotherapie
und Lasertherapie dargestellt und die Differenzialdiagnose
dieses seltenen Krankheitsbildes diskutiert.
Glomus tumors are benign vascular neoplasms which
originate from the neuromyoarterial part of the glomus
bodies. Glomus tumors usually are solitary, painful
nodules but also multiple glomus tumors can occur with
segmental localisation or disseminated all over the body.
The onset of glomus tumors is mostly during childhood.
Congenital glomus tumors are very rare and only a few
cases are reported in the literature.
We report a 20 years old male with multiple, disseminated, congenital glomus tumors. Beside the histopathologic and immunhistological findings we describe the
various types of treatment like surgery, sclerotherapy,
cryosurgery and laser therapy and demonstrate the
differential diagnosis of this very rare disease.
Mots clés
Tumeurs glomiques congénitales multiples et
disséminées, histologie, immunhistologie, thérapie
Résumé
Les tumeurs glomiques sont des tumeurs vasculaires
bénignes. Elles apparaissent pour la plupart solitaires
comme des nodules douloureux, mais peuvent aussi
apparaître segmentaires ou disséminées. Normalement,
ces tumeurs se manifestent pendant l’enfance. Une
apparition congénitale de ces tumeurs est considérée
comme une rareté. Seulement quelques cas sont
publiés dans la littérature. Nous rapportons un cas de
tumeurs glomiques congénitales et disséminées chez
un patient de 20 ans. Nous présentons les observations
histologiques et immunohistologiques. Les différentes
possibilités d’une thérapie comme l’ablation chirurgicale,
la sclerothérapie, la cryochirurgie et le laser sont
discutées.
Tumeurs glomiques congénitales multiples
et disséminées
Congenital multiple glomus tumors
Phlebologie 2001; 30: 150–3
G
lomustumoren stammen aus
dem neuromyoarteriellen Teil der
Glomuskörperchen ab. Sie treten
zumeist solitär auf, sind an den Extremitäten lokalisiert und regelmäßig stark
schmerzhaft. Multiple Glomustumoren
sind wesentlich seltener und treten entweder segmental, in einer Körperregion
lokalisiert oder disseminiert am gesamten
Integument auf. Eine kongenitale Manifestation von multiplen, disseminierten
Glomustumoren stellt eine Rarität dar.
In der Literatur wurde bisher nur vereinzelt über kongenitale, multiple Glomustumoren berichtet. Anhand einer Fallbeobachtung wird dieses Krankheitsbild vorgestellt.
Phlebologie 6/2001
Kasuistik
Anamnese
Bei dem 20-jährigen Patienten bestehen
seit der Geburt bläuliche, knötchenartige,
teils kissenartige Hauttumoren an der
rechten Ferse, am linken Arm, thorakal
links und im Nacken (Abb. 1, 2). Innerhalb
der ersten Lebenswochen sei es zu einer
raschen Größenprogredienz der Hautveränderungen gekommen, danach habe der
Patient nur noch eine langsame Größenzunahme bemerkt. Seit 3 Jahren bestünden
nun auch bläuliche Hautveränderungen an
der Oberlippe rechts und an der Helix des
rechten Ohres.
Der Patient gibt Schmerzen an den
Hautveränderungen, vor allem bei tangentialem Druck, an. Vor allem die Hautveränderungen an der rechten Ferse seien beim
Laufen stark schmerzhaft. Vor 4 Jahren
sei bereits ein Glomangiom am Oberarm
rechts exzidiert worden. Gastrointestinale
Symptome bestehen nicht. Die Familienanamnese hinsichtlich Hauttumoren ist
negativ.
Dermatologischer Befund
An der rechten Ferse findet sich ein ovalärer, 4 cm großer, livider plaqueförmiger
Herd, welcher sich aus multiplen 1-3 mm
Eingegangen: 3. Mai 2001; angenommen nach Revision: 12. Juli 2001
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Kongenitale multiple disseminierte Glomustumoren
Abb. 1 Glomustumoren an der rechten Ferse vor Therapie. Schmerzhafte, livide Knötchen
großen bläulichen Knötchen zusammensetzt. Am lateralen Fußrand bestehen zwei
weiche, kissenartig imponierende 4 bzw.
3 cm große Knoten. Weitere bläuliche
Knoten bis zu 1 cm Durchmesser finden
sich am Penisschaft, im Sulcus coronarius
und im Fingerzwischenraum I/II rechts.
Thorakal links, am Oberarm links, im
Nacken, am Daumenballen rechts und
am Handrücken rechts finden sich multi-
Abb. 3 Glomustumor, HE-Färbung. Konvolute von weitgestellten, erythrozytengefüllten,
dünnwandigen Blutgefäßen im Korium. Vom Endothel ausgehende mehrschichtige Lage von
Glomuszellen
ple, 1-5 mm große rötlich-livide Knötchen,
welche plaqueartig konfluieren.
An der Oberlippe rechts zeigt sich ein
7 6 mm großes, livides Knötchen, an der
Ohrhelix links eine ca. 5 mm große livide
Macula.
Die Hautveränderungen, vor allem an
der rechten Ferse, sind druckschmerzhaft.
Apparative Untersuchungen
sen die Glomuszellen ein Mosaikmuster
auf. Mit Ki-67 als Proliferationsmarker
ließen sich die Glomuszellen nicht markieren.
Therapie und Verlauf
Zuerst erfolgte die Exzision der schmerzhaften Glomangiome am lateralen Fußrand rechts mit primärem Wundverschluss.
Die Routinelaborparameter sowie eine
internistische und neurologische Durchuntersuchung inklusive einer Gastro- und
Koloskopie sowie einer Oberbauchsonographie waren unauffällig. Eine Dopplerund Duplexsonographie zeigte keine Zeichen einer pathologischen Vaskularisation.
Histologische Untersuchung
Abb. 2 Glomustumoren am Rücken thorakal links
Unter einem unaufälligen Epithel zeigen sich im gesamten Korium Konvolute
weitgestellter, erythrozytengefüllter, dünnwandiger Blutgefäße. Vom Endothel ausgehend, finden sich epitheloide, monomorphe Zellverbände, einer meist mehrschichtigen Lage von Glomuszellen entsprechend
(Abb. 3).
Immunhistochemisch ließen sich die
Glomustumoren mit Smooth-muscle-Actin
(SmA) und Vimentin-Antikörpern markieren (Abb. 4). Mit Desmin-Antikörpern wie-
Abb. 4 Immunhistologie: Markierung der Glomuszellen
mit Alpha-Smooth-Muscle-Actin
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Phlebologie 6/2001
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Hummel et al.
Abb. 5
Glomustumoren an der
rechten Ferse nach Exzision,
Sklerosierung und Kontaktkryotherapie
Anschließend wurde eine Kontaktkryotherapie an der Ferse durchgeführt (Kontaktzeit 12 sec). Diese wurde nach 1 und 2 Wochen wiederholt und auf insgesamt 12 weitere Lokalisationen ausgedehnt. An der
Oberlippe erfolgte eine Therapie mit dem
gepulsten Farbstofflaser (6 J/cm2). Es resultierte eine Abblassung und eine Verkleinerung der Glomangiome am Fuß und an der
Oberlippe innerhalb von 4 Wochen.
Einige therapieresistente Glomangiome
wurden mit 1% Aethoxysklerol® (jeweils
ca. 0,2 ml) sklerosiert, worunter sie sich gut
zurückbildeten (Abb. 5).
Ein Jahr später erfolgte die weitere Exzision von kosmetisch störenden Herden
am Penisschaft und Sulcus coronarius
sowie eines schmerzenden Glomangioms
an der 4. Zehe.
Im Verlauf von 2 Jahren Nachbeobachtungszeit zeigten sich an den behandelten
Stellen keine Hinweise auf ein Rezidiv der
Glomangiome. Der Patient ist beschwerdefrei.
Diskussion
Glomustumoren sind gutartige Tumore,
welche aus dem neuromyoarteriellen Glomus abstammen. Erstmals beschrieben
wurden sie 1924 von Masson (9). Sie lassen
sich klinisch in solitäre und multiple Formen klassifizieren. Die häufigeren solitären
Glomustumoren sind meist subungual
lokalisiert, typischerweise schmerzhaft und
Phlebologie 6/2001
treten häufig zwischen dem dritten und
vierten Lebensjahrzehnt auf. Multiple Glomustumoren sind eine Rarität und machen
weniger als 10% der Glomustumoren aus.
Sie sind entweder segmental lokalisiert
oder treten disseminiert auf. Für die disseminierten multiplen Glomustumore ist ein
autosomal-dominanter Erbgang mit unterschiedlicher Penetranz bekannt (1, 2, 13).
In unserem Fall war die Familienanamnese
negativ. In einer Literaturübersicht von
Yoon et al. 1999 (21) war nur bei 4 von
12 Patienten mit kongenitalen multiplen
Glomustumoren eine positive Familienanamnese festzustellen.
Multiple Glomustumore manifestieren
sich, im Gegensatz zu den solitären, meist
schon während der Kindheit oder in der
Adoleszenz. Es gibt nur vereinzelt Fallbeschreibungen von kongenitalen multiplen
Glomustumoren (2, 4, 7, 8, 20, 21). In einer
Studie von 731 Kindern mit Glomustumoren waren die Hautveränderungen nur bei
6 Patienten von Geburt an vorhanden. Nur
bei einem dieser 6 Kinder handelte es sich
tatsächlich um multiple Glomustumore (3).
Plaqueförmig imponierende multiple Glomustumore scheinen häufiger kongenital
aufzutreten (20). So waren in einer Literaturübersicht von Tomasini et al. von den
7 beschriebenen plaqueförmigen, multiplen
Glomustumoren 4 bereits bei Geburt vorhanden (16). Auch bei der 1996 von Jacobi
und Härtel vorgestellten Patientin waren
die bei Geburt vorhandenen multiplen
Glomustumoren plaqueförmig angeordnet
(4). In dem vorliegenden Fall waren ebenso
einige der Glomustumoren plaqueförmig
konfiguriert.
Während solitäre Glomustumore regelhaft Schmerzen verursachen, trifft dies bei
den multiplen nur in 33-42% der Fälle
zu (8, 21). Auch unser Patient berichtete
über zum Teil starke Schmerzen vor allem
bei tangentialer Druckeinwirkung auf die
Hautveränderungen.
Histologisch finden sich bei multiplen
Glomustumoren in der Subkutis oder dem
Korium kavernöse, von einem einschichtigen Endothel ausgekleidete Hohlräume.
Diese sind von kuboiden Zellen mit
eosinophilem Zytoplasma, den Glomuszellen, umgeben (8, 17). Im Vergleich zu
den solitären weisen die multiplen Glomustumore keine Kapsel auf, besitzen meist
weniger Glomuszellen, und häufig sind
keine oder nur wenige Nervenfasern nachzuweisen (14, 17). Ein Zusammenhang
zwischen der Anzahl der Glomuszellen und
der Schmerzhaftigkeit der Tumoren wird
angenommen (17).
Glomustumoren lassen sich immunhistochemisch mit Smooth-muscle-Actin
(SmA-) und Vimentin-Antikörpern markieren. Auch bei unserem Patienten waren
die Glomustumoren SmA- und Vimentinpositiv. Die Reaktion mit Desmin-Antikörpern wird in der Literatur unterschiedlich
angegeben (12, 15). In unserem Fall fand
sich mit Desmin-Antikörpern ein mosaikförmiges Reaktionsmuster. Ki-67 war als
Proliferationsmarker negativ, was den
benignen Charakter der multiplen Glomustumoren unterstreicht. Elektronenmikroskopisch finden sich Ähnlichkeiten zwischen Glomuszellen und glatten Gefäßmuskelzellen, wie zum Beispiel kontraktile
Elemente (8, 10, 19). Diese immunhistochemischen und elektronenmikroskopischen
Untersuchungsergebnisse unterstützen die
These einer mesenchymalen Abstammung
der Glomustumore.
In die differenzialdiagnostischen Überlegungen müssen in erster Linie mit multiplen Hämangiomen assoziierte Syndrome
einbezogen werden. Im Gegensatz zu den
multiplen Glomustumoren findet sich
bei diesen Syndromen häufig eine gastrointestinale Beteiligung. Neben dem
Blue-rubber-bleb-naevus-Syndrom, dem
Maffucci- bzw. Maffucci-Kast-Syndrom
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Kongenitale multiple disseminierte Glomustumoren
und den multiplen progressiven Angiomen
Darier kommen auch das Kasabach-Merritt-Syndrom und multiple Leiomyome in
Betracht.
Zur Behandlung multipler disseminierter Glomustumore steht eine Reihe verschiedener Therapieverfahren zur Verfügung, wenngleich eine kausale Behandlung nicht möglich ist. Die Exzision kosmetisch störender oder schmerzhafter
Glomustumore steht an erster Stelle der
Therapie. Neben der Lasertherapie mit
dem gepulsten Farbstofflaser, dem Neodym-YAG- oder dem Argonlaser können
die Glomustumore auch mittels einer
Kontaktkryotherapie behandelt werden.
Eine Sklerosierung von Glomustumoren
ist möglich, jedoch wird dieses Therapieverfahren als recht schmerzhaft in der Literatur beschrieben (5, 6, 18). In einem Fall
führte die Bestrahlung von Glomustumoren mit Elektronen zu einer Regression der
Tumoren und einem Verlust der Schmerzhaftigkeit (11).
Da eine maligne Entartung von multiplen Glomustumoren nicht beschrieben ist,
aufgrund der multiplen Lokalisationen und
der teils flächenhaften Ausbreitung eine
umfassende Therapie nicht möglich ist, und
auch in einem Fall von einer partiellen
Involution berichtet wird, sollte die Aufklärung des Patienten über die Harmlosigkeit seiner Erkrankung an erster Stelle
stehen. Schmerzhafte, blutende oder
kosmetisch besonders störende Glomustumore können mit den genannten ver-
schiedenen Therapieverfahren behandelt
werden. Oft ist, wie in dem vorliegenden
Fall, die Kombination verschiedener Verfahren notwendig, um ein für den Patienten
optimales Ergebnis zu erzielen.
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Korrespondenzadresse:
Dr. med. Steffen Hummel
Universitäts-Hautklinik
Voss-Straße 2, D-69115 Heidelberg
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