E. Anmerkungen zur Mathematik im Physikalischen Praktikum 1. Exponential- und Logarithmusfunktion 1.1. Potenzausdrücke Es sei a eine positive Zahl, m und n seien natürlich Zahlen. Dann bedeutet die n-te bzw. m-te Potenz von a: n m a = a · a · a · …. · a bzw. a = a · a · a · …. · a n-mal 1 a = a. (1.1) m-mal Die Größe a nennt man die Basis, n bzw. m den Exponenten des Potenzausdrucks. Aus Gl.(1.1) folgt die Regel über die Multiplikation von Potenzausdrücken (zur gleichen Basis a): n a ·a m = (a · a · .…. · a) · (a · a · .…. · a) = (a · a · a · …. · a) , n-mal d.h. n a ·a . m m-mal = a (n + m) (n+m-mal) . (1.2) Bei der Multiplikation zweier Potenzen addieren sich die Exponenten. Wir vereinbaren nun, daß wir unter a −n = 1 an und 0 a =1 (1.3) verstehen wollen. Damit erhält man als Regel für die Division von Potenzen: an a m = a (n - m) (1.4) Bei der Division zweier Potenzen subtrahiert man die Exponenten voneinander. Beispiele: 10 5 10 2 10 2 = 10 ( 2 − 6) = 10 −4 = 0,0001 6 10 = 10 (5 − 2) = 10 3 ; n Bildet man die m-te Potenz des Potenzausdrucks a , (a ) n m = (a · a · … · a) · (a · a · ... · a) · (a · a · ... · a) · ….. · (a · a · ... · a) , n-mal n-mal n-mal m Faktoren a n-mal n so folgt aus Gln.(1.1) und (1.2): (a ) n m = a n·m . (1.5) Beim Potenzieren eines Potenzausdrucks sind die Exponenten miteinander zu multiplizieren. E. 1 1.2. Wurzelausdrücke in Potenzschreibweise Die n-te Wurzel aus einer positiven Zahl a ist diejenige Zahl, die, n-mal mit sich selbst multipliziert, wieder a ergibt: ( a) a ⇒ n n n =a Wegen dieser Eigenschaft bietet sich folgende Potenzschreibweise an: 1 a = an, n (1.6) denn wegen Gl.(1.5) folgt daraus: 1 n (a n ) =a 1 ⋅n n n an = 1 = a = a, wie es die Definition der n-ten Wurzel verlangt. Aus Gl.(1.5) und Gl.(1.6) folgt dann unmittelbar: m an = 1 m n (a ) ( ) = a m 1 n ( a) m n = = n (a )m (1.7) und entsprechend der Definition in Gl.(1.3): . a − m n = 1 m an = 1 = ( a) m n 1 n (1.7a) (a )m r Damit ist erklärt, was man unter einer Potenz a zu verstehen hat, deren Exponent eine rationale Zahl r ist. Aus unserem Beispiel wird nämlich: a 3,42 = 171 a 50 = 50 (a ) = ( a ) 1.3. Die Exponentialfunktion y = a 171 50 171 x Es gibt Zahlen, die in Dezimalbruchschreibweise unendlich viele Stellen nach dem Komma besitzen, ohne daß eine Periode auftritt. Solche Zahlen, wie etwa oder die Kreiszahl π , heißen irrationale Zahlen, d.h. es gibt für irrationale Zahlen keine Bruchdarstellung mit ganzen Zahlen. Die Gesamtheit aus irrationalen Zahlen, rationalen und ganzen Zahlen bildet die Menge der sog. reellen Zahlen. Es gilt nun, was hier nicht bewiesen werden kann, daß für jede reelle x Zahl x der Potenzausdruck a einen Sinn besitzt, womit gemeint ist, daß jeder Ausdruck a x wiederum eine reelle Zahl darstellt, und daß es Vorschriften gibt, nach denen man a berechnen kann. Es gilt also: x Wenn a eine beliebige positive und x eine beliebige reelle Zahl ist, ergibt a in eindeutiger Weise eine reelle Zahl y. Einen solchen Zusammenhang nennt man eine Funktion; im vorliegenden Fall: x y = a ; a > 0 ; x, y reell, heißt Exponentialfunktion zur Basis a E. 2 Da keine noch so große Rechenanlage Zahlen mit unendlich vielen Stellen verarbeiten kann, x wird bei jeder numerischen (= zahlenmäßigen) Berechnung von a der Exponent durch eine Zahl mit endlich vielen Stellen nach dem Komma, also durch eine rationale Zahl angenähert: p r= ; a x ≈ ar ; p, q : ganzzahlig q x Damit kann man sich a also stets als einen Wurzelausdruck nach Gln.(1.7) bzw. (1.7a) vorstellen. 1.3.1. Die Eigenschaften der Exponentialfunktion y = a x 0 Alle Exponentialfunktionen schneiden die y-Achse bei y = 1, da a = 1 ist. Exponentialfunktionen besitzen keine Nullstellen, Extremwerte oder Wendepunkte. Sie steigen für a > 1 mit wachsendem x monoton an. (Um sich eine Vorstellung von der Steilheit ihres Anstiegs zu x machen, denken wir uns das Bild der Exponentialfunktion y = 10 in ein x-y-Koordinatensystem eingezeichnet, wobei wir für die Einheit auf beiden Achsen 1 cm wählen. Dann liegt der Funktionswert für x = 5 bereits 1 Kilometer über der x-Achse. Entsprechend steil ist der Abfall der Funktion zu negativen x-Werten hin: Für x = −4 liegt der Funktionswert nur x 10 noch 1/1000 mm über der x-Achse.) x Abb.1. Qualitativer Verlauf der Exponentialfunktionen y = a und y = a x −x −x mit Basis a > 1. Betrachten wir statt y = a die Funktion y = a , so ergibt sich als Bild dieser Funktion die x Spiegelung des Bildes von a an der y-Achse. (Das gilt für jede Funktion y = f(x), wenn man x durch −x ersetzt.) E. 3 In Abb.1. ist der Verlauf beider Funktionen qualitativ dargestellt. Im übrigen gilt wegen Gl.(1.3): y=a −x 1 1 = x = a a x (1.9) x Das heißt aber, daß wir uns im weiteren auf Exponentialfunktionen a beschränken können, deren Basis a größer als 1 ist. Denn es gilt ja stets für b < 1: x y=b = 1 1 = -x b b -x mit 1 >1 b (1.9a) x Im weiteren brauchen wir noch die erste Ableitung y' der Exponentialfunktion y = a , die den Anstieg der Funktion, also die Steigung der Tangente in jedem Punkt der Kurve angibt. Es gilt für alle Exponentialfunktionen: x y=a −x y=a ⇒ ⇒ x y' = ca · a −x y' = −ca · a , (1.10) worin ca eine Konstante ist, deren Wert ausschließlich von a abhängt. Gl.(1.10) bedeutet, daß die Ableitung einer Exponentialfunktion proportional zu sich selbst ist: y' ~ y (1.10a) Unter allen möglichen Zahlenwerten für die Basis a gibt es einen einzigen, der sich dadurch auszeichnet, daß für ihn der Proportionalitätsfaktor ca genau gleich Eins wird. Die Zahl mit dieser Eigenschaft heißt EULERsche Zahl e, ihre Berechnung ist möglich e= 1+ 1 1 1 1 + + + + ......= 2,718....... , 2 2 ⋅3 2 ⋅ 3⋅ 4 2 ⋅ 3⋅ 4 ⋅ 5 (1.11) Die Exponentialfunktion zur Basis e wird häufig schlechthin als die Exponentialfunktion oder e-Funktion bezeichnet. Für ihre Ableitung folgt wegen ce = 1 aus Gl.(1.10): x y=e −x y=e ⇒ ⇒ x y' = e = y −x y' = −e = −y , (1.12) x Für die Anwendung von y = e im Praktikum brauchen wir eine Erweiterung von Gl.(1.12) in der Form: k·x −k · x und y = y0 · e (1.13) y = y0 · e In Gl.(1.13) sind y0 und k Konstanten und y0 ist der Funktionswert für x = 0. Die erste Ableitung dieser erweiterten Funktion in Gl.(1.13) folgt aus der Regel über die Ableitung mittelbarer Funktionen, der sog. Kettenregel: k·x y = y0 · e −k · x y = y0 · e ⇒ ⇒ k·x y' = k · y0 · e = k·y −k·x y' = −k · y0 · e = −k · y , (1.14) Die Exponentialfunktionen der Form (1.13) mit ihren ersten Ableitungen (1.14) spielen überall dort in den Naturwissenschaften eine Rolle, wo Prozesse natürlichen Wachstums oder Zerfalls wie auch der Absorption und Extinktion durch einen mathematischen Ausdruck beschrieben werden sollen. E. 4 1.3.2. Die Beschreibung von Wachstums- und Zerfallsvorgängen Wir betrachten eine Zahl N von Individuen - das können Menschen, Meerschweinchen, Bäume oder Mikroorganismen sein -, und fragen nach der Zunahme ∆N der Zahl N dieser Individuen innerhalb eines kleinen Zeitraums ∆t unter der Voraussetzung, daß keine wesentlichen, dem Wachstum entgegenwirkenden Umstände vorliegen. Dann ist es plausibel, folgende zwei Annahmen zu machen: 1.) Die Zunahme ∆N der Zahl der Individuen, N, wird umso stärker sein, je größer die Zahl N der in unsere Beobachtung einbezogenen Individuen ist: ∆N ~ N , (1.15a) in Worten: ∆N ist proportional zu N. 2.) Die Zunahme ∆N wird umso größer sein, je länger der Zeitraum ∆t ist, währenddessen man die Zunahme ∆N beobachtet: ∆N ~ ∆t . (1.15b) Die Voraussetzung kleiner Zeitraum ∆t soll heißen, daß die Zunahme ∆N immer sehr klein gegenüber N ist. Aus der Zusammenfassung der Proportionalitäten (V.15a) und (V.15b) folgt: ∆N ~ N · ∆t (1.15c) Aus einer solchen Proportionalität läßt sich durch Hinzunahme einer sog. Proportionalitätskonstanten eine Gleichung erzeugen. Das ist eine bei der Herleitung physikalischer Zusammenhänge häufig angewendete Prozedur. Wir schreiben also: ∆N = w · N · ∆t (1.15) Die Konstante w bezeichnet man als Wachstumskonstante des beobachteten Vorgangs. Ihre Dimension ist nach Gl.(1.15) offensichtlich gleich 1/Zeit. Die Größe w ist im allgemeinen nicht von vornherein bekannt, sondern wird erst aus der Untersuchung des Wachstumsvorgangs experimentell bestimmt. Wir schreiben Gl.(1.15) um: ∆N = w·N ∆t (1.16) Die Frage lautet nun: Wie hängt die Zahl N der Individuen von der Zeit t ab, wenn die Voraussetzungen (1.15a) und (1.15b), die zu Gl.(1.16) geführt haben, gültig sind? In anderen Worten: Welche Form hat die Funktion N = N(t), wenn Gl.(1.16) gilt? Die erste Ableitung y′ = (x) einer Funktion y = f(x) nach x ist wie folgt definiert: y ′ = f ′(x) = f ( x + ∆x ) − f ( x ) ∆y dy = lim = lim ∆x →0 ∆x dx ∆x →0 ∆x . (1.17) Die Definition (1.17) läßt sich im Fall unserer Funktion N(t) also ∆[N( t )] ∆N = lim ∆x →0 ∆x →0 ∆t ∆t N ′(t) = lim E. 5 schreiben. (1.17a) Damit erhält man aus Gl.(1.16) durch einen Grenzübergang, bei dem der Differenzenquotient ∆Ν/∆t in den Differentialquotienten, also in die erste Ableitung von N(t) nach der Zeit t übergeht, eine Beziehung zwischen der ersten Ableitung N'(t) unserer gesuchten Funktion und der Funktion selbst: N'(t) = w · N(t) (1.18) Eine Gleichung zwischen der Ableitung einer Funktion und der Funktion selbst heißt Differentialgleichung. Die Lösung der Differentialgleichung erhält man sofort durch Vergleich von Gl.(1.18) mit Gl.(1.14): Es gibt nur eine Funktion mit der Eigenschaft (1.18), nämlich die eFunktion. Wir erhalten also: w·t N(t) = N0 · e , (1.19) worin N0 die Zahl der Individuen zu Beginn unserer Beobachtung, also zum Zeitpunkt t = 0 ist. In Worten besagt Gl.(1.19): Die Zahl der Individuen wächst exponentiell mit der Zeit an. Was man hier für den Vorgang des ungehinderten Wachstums erhält, gilt entsprechend für Zerfallsvorgänge, z.B. für den Zerfall einer zum Zeitpunkt t = 0 vorhandenen Zahl N0 radioaktiver Atomkerne. Die Abnahme ∆Ν der Zahl der Kerne wird wiederum ihrer jeweils vorhandenen Zahl N = N(t) und der Dauer ∆t des Beobachtungszeitraums proportional sein: ∆N = −λ · ∆t , ∆N = − λ ⋅ N(t ) ⇒ N ′(t ) = − λ ⋅ N(t ) ∆t (1.20) Die Größe λ wird als Zerfallskonstante bezeichnet, ihre Dimension ist wieder 1/Zeit. Das Minuszeichen in Gl.(1.20) drückt aus, daß es sich bei ∆Ν um eine Abnahme der Zahl der vorhandenen Atomkerne handelt. Die Lösung der Differentialgleichung (1.20) folgt wiederum durch Vergleich mit Gl.(1.14): N(t) = N0 · e −λ ⋅ t , (1.21) In Worten: Die Zahl der radioaktiven Kerne nimmt exponentiell mit der Zeit ab. Ein weitere Beispiel für einen exponentiellen Abfall ist die Schwächung von Strahlung beim Durchgang durch Materie, etwa von Röntgenstrahlung beim Durchgang durch Blei oder von Licht beim Durchgang durch eine absorbierende Flüssigkeit. Bezeichnet man mit I(x) die Intensität der Strahlung, nachdem sie eine Materieschicht der Dicke x durchlaufen hat, so erhält man ein zu Gl.(1.21) völlig analoges Gesetz: I(x) = I0 · e −µ ⋅ x , (1.22) worin I0 wieder die Anfangsintensität ist. Die Konstante µ, die sowohl von der Strahlung als auch von den Eigenschaften der Materie abhängt, wird als Schwächung-, Extinktions- oder Absorptionskoeffizient bezeichnet; ihre Dimension ist 1/Länge. Das Gesetz des exponentiellen Wachstums ist naturgemäß nur selten streng erfüllt. Betrachtet man z.B. das Anwachsen einer gewissen Bevölkerungsgruppe, so konkurrieren Geburten und Todesfälle miteinander. Im Praktikum tritt bei der Erzeugung künstlich radioaktiver Kerne durch Neutronenbeschuß ein Fall auf, bei dem ein Anwachsen mit einem Zerfallsvorgang konkurriert. Die Zunahme der Anzahl aktivierter Kerne folgt hierbei einer sog. Sättigungsfunktion. Diese beschreibt die Annäherung an einen Gleichgewichtszustand, bei dem die Zerfallsrate gleich der Aktivierungsrate der radioaktiven Kerne geworden ist. E. 6 1.4 Der Logarithmus Bei der Einführung der Exponentialfunktion hatten wir behauptet, daß für eine positive Zahl a x und eine beliebige reelle Zahl x der Potenzausdruck a einen Sinn ergibt. Wir kehren jetzt die Fragestellung um: Es sei a wieder eine positive Zahl und z eine reelle Zahl, die ebenfalls positiv sein soll. Unsere Frage lautet jetzt: Gibt es bei vorgegebenem a > 0 für jede reelle Zahl z > 0 eine Zahl k, so dass k a = z wird? (1.23) Die Antwort lautet: Es gibt stets und in eindeutiger Weise eine solche Zahl k. Die Zahl k mit der Eigenschaft gemäß Gl. (1.23) heißt Logarithmus von z zur Basis a und wird geschrieben: k = loga z (1.24) Der Logarithmus k einer Zahl z zur Basis a ist derjenige Exponent, mit dem man die Basis potenzieren muß, um als Ergebnis z zu erhalten. Eine Eigenschaft des Logarithmus können wir sofort aus Gl.(1.3) entnehmen: Für jede Wahl 0 von a ist a = 1, daher gilt unabhängig von der Basis a für z = 1 stets: loga 1 = 0 (1.25) In der Praxis sind zwei Logarithmussysteme von Bedeutung: 1.) die Logarithmen zur Basis 10, 2.) die Logarithmen zur Basis e. Statt log10 schreibt man kurz lg oder auch log unter Weglassung der 10; für loge schreibt man ln (als Abkürzung für 'logarithmus naturalis') und nennt die Logarithmen zur Basis e die natürlichen Logarithmen. Die Logarithmen zur Basis 10 besaßen vor der Einführung von Taschenrechnern eine große Bedeutung für die Durchführung von komplizierteren Zahlenrechnungen. Im Praktikum haben wir es ausschließlich mit natürlichen Logarithmen zu tun; wir werden daher das Rechnen mit Logarithmen am Beispiel der natürlichen Logarithmen besprechen. 1.3.3. Rechenregeln für Logarithmen Wir betrachten zwei Zahlen z1 und z2 und ihre natürlichen Logarithmen ln z1 und ln z2 . Nach Gl.(1.23) gelten die Identitäten: e ln z1 = z1 ; e ln z 21 = z 2 (1.26a) Für das Produkt der beiden Zahlen gilt dann: e ln (z1 ⋅ z 2 ) = z1 · z2 = e ln z1 ⋅ e ln z 2 , (1.26b) und wegen der Regel (1.2) über die Multiplikation von Potenzen erhält man: e ln (z1 ⋅ z 2 ) = z1 · z2 = e (ln z1 + ln z 2 ) (1.26c) ln (z1 · z2 ) = ln z1 + ln z2 (1.26) E. 7 In Worten: Der Logarithmus eines Produkts ist gleich der Summe der Logarithmen der Faktoren. Entsprechendes gilt für einen Quotienten zweier Zahlen z1 und z2 nach Regel (1.4) über die Division von Potenzen: z (1.27) ln 1 = ln z1 − ln z2 z2 In Worten: Der Logarithmus eines Quotienten ist gleich der Differenz der Logarithmen von Dividend und Divisor. Für die n-te Potenz einer Zahl z erhält man nach Regel (1.5) über das Potenzieren einer Potenz: z = e ln (z n Also: n ) ( ) = e n · ln z = e ln z ln (zn) = n · ln z n (1.28a) (1.28) In Worten: Der Logarithmus der n-ten Potenz einer Zahl ist gleich dem n-fachen Logarithmus der Zahl. Entsprechend ergibt sich für die n-te Wurzel aus einer Zahl z unter Berücksichtigung von Gl.(1.6): 1 1 n ln z = ln z n = · ln z (1.29) n ( ) Gl.(1.29) in Worten: Der Logarithmus der n-ten Wurzel aus einer Zahl ist gleich dem n-ten Teil des Logarithmus der Zahl. Diese vier Regeln (1.26), (1.27), (1.28) und (1.29), die natürlich auch für Logarithmen zu jeder anderen Basis gelten, sind nichts anderes als die Regeln (1.2), (1.4) und (1.5) für das Rechnen mit Potenzen, einschließlich der Definition (1.6) über die Bruchschreibweise der nten Wurzel. Die Rechenprozesse mit Logarithmen sind immer um eine Stufe 'niedriger', d.h. einfacher als diejenigen mit den ihnen entsprechenden Zahlen. Das war der Grund dafür, daß vor der Erfindung des Taschenrechners komplizierte Berechnungen oft mit Hilfe von Logarithmentafeln bewältigt wurden. 1.3.4. Die Logarithmusfunktion y = ln x Wir betrachten die Exponentialfunktion x y=a und können nach x auflösen: x = loga y . (1.30) (1.31) Dann kann man Gl. (1.31) als Umkehrfunktion von Gl.(1.30) auffassen, da y nach x abgebildet wird. Man beachte, daß so Gl.(1.31) nur für y > 0 definiert ist. Für die e-Funktion schreibt man die Logarithmusfunktion, wenn man wie üblich x nach y abbildet : y = ln x. Diese Beziehung ist reziprok: Wir hätten genauso gut sagen können: Die Exponentialfunktion ist die Umkehrfunktion der Logarithmusfunktion. E. 8 x Die Funktion y = ln x hat ebenso wie ihre Umkehrfunktion y = e keine Extremwerte oder Wendepunkte, und sie steigt ebenso mit wachsendem x monoton an. Sie hat allerdings im Gex gensatz zu y = e eine Nullstelle, nämlich bei x = 1. Die erste Ableitung von y = ln x nach x hat eine sehr einfache Form. Es gilt: y = ln x y′ = ⇒ 1 x (1.32) 1.3.5. Die Bedeutung des Logarithmus für die Sinnesphysiologie Wird ein Sinnesorgan einem Reiz R ausgesetzt, so ruft dieser Reiz eine bestimmte Empfindung E hervor. Die Sinnesorgane sind so eingerichtet, daß sie den Reiz nicht linear, sondern annähernd logarithmisch verarbeiten. Damit ist folgendes gemeint: Zwei Reize R1 und R2 verschiedener Stärke haben zwei verschieden starke Empfindungen E1 und E2 zur Folge. Der Unterschied in den Empfindungen, also die Differenz E2 − E1 , ist nun nicht der Differenz der Reize R2 − R1 sondern der Differenz der Logarithmen der Reize, ln R2 − ln R1 , proportional. Man kann demnach schreiben: E2 – E1 = c · (ln R2 – ln R1) , woraus wegen der Regel (1.27) für den Logarithmus eines Quotienten folgt: R E2 – E1 = c · ln 2 R1 (1.33) Dieser Zusammenhang zwischen Empfindung und Reiz heißt das WEBER-FECHNERsche Gesetz. Es ist eine Näherung für Bereiche mittlerer Reizstärken. Wegen dieses Zusammenhangs beruhen die Schallpegel- bzw. Lautstärkeangaben in db (Dezibel) und Phon ebenfalls auf logarithmisch unterteilten Skalen. 2. Winkelfunktionen 2.1. Einführung der Winkelfunktionen anhand eines rechtwinkligen Dreiecks In Abb.4. ist ein im Punkt C rechtwinkliges Dreieck ABC dargestellt. Die Seiten des Dreiecks sind mit kleinen Buchstaben a, b, und c nach den ihnen gegenüberliegenden Eckpunkten benannt. Die Winkel α, β, und γ sind den Eckpunkten A,B,C in dieser Reihenfolge zugeordnet, o mit γ = 90 . Betrachten wir den Winkel α bei A, so werden die vier grundlegenden Winkelfunktionen für diesen Winkel wie folgt eingeführt: 1.) Sinus 2.) Kosinus 3.) Tangens 4.) Kotangens a c b cos α = c a tan α = b b cot α = a sin α = , (2.1a) , (2.1b) , (2.1c) . (2.1d) E. 9 Die Zusammenhänge zwischen tan α und cot α mit sin α und cos α lassen sich aus Abb.4. ablesen: sin α cos α 1 tan α = , cot α = , tan α = . cos α sin α cot α Abb.4. Definition der Winkelfunktionen in einem rechtwinkligen Dreieck. 2.2. Erweiterung der Sinus- und Kosinusfunktion auf Winkel über 90o In Abb.5. sind vier rechtwinklige Dreiecke in Kreise eingezeichnet, mit c als Kreisradius. Die Achsenkreuze in den Kreisen unterteilen die Zahlenebene in die vier Quadranten, so wie es in der x-y-Ebene durch die x- und die y-Achse geschieht. Die Winkelmessung beginnt auf der rechten waagerechten Achse und verläuft im Gegenuhrzeigersinn. Abb.5. Erweiterung der Definition von sin α und cos α auf alle vier Quadranten, d.h. auf alle Winkel zwischen 0o und 360o. Die Größe c soll im folgenden immer als positive Zahl aufgefaßt werden. Im I. Quadranten (Kreisviertel oben rechts) sind sowohl a wie b positiv, und damit sind nach den Gln.(2.1a) und (2.1b) auch sin α und cos α positiv. Der Winkelbereich im I. Quadranten liegt zwischen 0o und 90o. Dieser Fall war schon in Abb.4. behandelt worden. E. 10 Im II. Quadranten (Viertel oben links) liegen die Winkelwerte zwischen 90o und 180o. a ist noch positiv, b hingegen negativ. Das bedeutet also, daß sin α positiv, cos α aber negativ ist, wenn man in den Gln.(2.1a) und (2.1b) die Katheten mit den entsprechenden Vorzeichen einsetzt. Im III. Quadranten (Viertel unten links) liegen die Winkelwerte zwischen 180o und 270o. Hier sind a und b negativ, und damit sind es auch sin α und cos α. Im IV. Quadranten (Viertel unten rechts) liegen die Winkelwerte zwischen 270o und 360o; a ist negativ, b hingegen positiv. D.h. also: sin α ist negativ, cos α ist positiv. Damit sind sin α und cos α für Winkel zwischen 0o und 360o definiert. Darüber hinaus besitzen Sinus- und Kosinusfunktion auch für negative Winkel eine Bedeutung. Negative Winkel besagen in Abb.5., daß sie von der rechten waagerechten Achse im Uhrzeigersinn gezählt werden. Im 2. Kreis von Abb.5. ist ein negativer Winkel zwischen 180o und 270o eingezeichnet. Er führt in den II. Quadranten. Da dort a positiv und b negativ ist, wird für α' zwischen −180o und −270o der Sinus positiv, der Kosinus negativ. Wird c = 1 gesetzt, so gibt a den Sinuswert und b den Cosinuswert zum zugehörigen Winkel α. Damit ergibt sich 1 dsin α, cos α d+ 1. Abb.6. Verlauf von f(α) = sin α und f(α) = cos α für positive und negative α In Abb.6. sind der Verlauf von Sinus- und Kosinusfunktion für positive und negative Winkel dargestellt. Da nach jeweils 360o Sinus- und Kosinusfunktion wieder die gleichen Werte annehmen, nennt man die beiden Funktionen periodisch mit einer Periode von 360o. (Negative Winkelwerte bedeuten in Abb.5. Drehungen um α im Uhrzeigersinn). E. 11 2.3. Winkelmessungen im Bogenmaß Während in der Trigonometrie, also bei Dreiecksberechnungen, die Winkel im Gradmaß angegeben werden, wird bei physikalischen Betrachtungen das Bogenmaß bevorzugt benutzt. In Abb.7. sind zwei Kreise mit verschiedenen Radien r und r' mit dem gleichen Mittelpunktswinkel α dargestellt. Für die von den Schenkeln der beiden Winkel begrenzten Kreisbögen b und b' gilt die Proportionalität also: α Bogenlänge b b′ = = = , Kreisumfang 360° 2π ⋅ r 2π ⋅ r ′ (2.2) b b′ = 2π ⋅ r 2π ⋅ r ′ (2.3) ⇒ b b′ = . r r′ Man kann demnach zur Charakterisierung eines Winkels statt α in Grad das zu α gehörige Verhältnis von Bogenlänge zu Kreisradius benutzen. Dieses Verhältnis, das sog. Bogenmaß, erhält einen neuen Namen: b = arc α (lies: ´Arcus von α´) = α [rad] . r Abb.7. Zur Einführung von arc α , der Winkelangabe im Bogenmaß. Aus der Beziehung , die aus Gl.(2.2) und Gl.(2.3) folgt, ergeben sich folgende Zusammenhänge zwischen Winkeln in Grad und Bogenmaß: α [o] α [rad] 360o 2π 180o π 90o π 2 45o π 4 1o π 2π = = 0,01745 360 180 Die Einheit von arc α 1 rad ist derjenige Winkel, der aus dem Kreis einen Bogen herausschneidet, dessen Länge gleich dem Kreisradius ist. Im Gradmaß entspricht 1 rad einem Winkel von 1 rad = 57,2958o . In Abb.8. ist die Sinusfunktion gegen α im Bogenmaß aufgetragen. E. 12 Abb.8. Die Funktion f(α) = sin α mit Winkel α im Bogenmaß Beachten Sie beim Abrufen einer Winkelfunktion vom Taschenrechner folgendes: Taschenrechner können im allgemeinen Winkelfunktionen im Grad- wie im Bogenmaß berechnen; dem Taschenrechner muß nur gesagt werden, ob mit dem eingegebenen Zahlenwert ein Winkel im Gradmaß oder im Bogenmaß gemeint ist. Bei einer Reihe von Rechnern erscheint auf das Drücken bestimmter Tasten hin die Anzeige Deg (degree). Das heißt: Der Taschenrechner betrachtet jetzt alle eingegebenen Zahlenwerte als Winkel im Gradmaß (Probe: 30 eingeben, sin-Taste drücken: Es muß die Anzeige 0,5000 erscheinen.) Durch einen weiteren Tastendruck erscheint die Anzeige Rad: Jetzt faßt der Taschenrechner die eingegebenen Zahlen als Winkel im Bogenmaß auf. (Probe: π eingeben, cosTaste drücken: Als Anzeige muß −1,000 erscheinen.) 3. Die harmonische (sinusförmige) Bewegung; Sinusschwingungen. 3.1. Ableitung der harmonischen Bewegung aus der gleichförmigen Kreisbewegung In Abb.9. links bewegt sich eine Kugel m auf einem Kreis mit dem Radius r0. Die Bewegung soll gleichförmig ablaufen, d.h. der Betrag v der Geschwindigkeit der Kugel soll konstant sein. Ferner sei vorausgesetzt, daß zum Zeitpunkt t = 0 die Kugel ihre Bewegung auf dem rechten Punkt der horizontalen Kreisachse im Gegenuhrzeigersinn beginnt. Die Zeit T, die die Kugel für einen Umlauf braucht, wird als Umlaufdauer oder Periode bezeichnet. Der dabei zurückgelegte Weg beträgt 2π · r0 , so daß zwischen v, T und r0 folgende Beziehung besteht: 2π ⋅ ⋅r0 v= (3.1) T Der Kehrwert der Umlaufdauer bzw. Periode T wird als Frequenz ν (ν ist der kleine griechische Buchstabe Ny) bezeichnet: 1 =ν (3.2) T 1 (3.3) mit: Einheit der Frequenz ν : 1 Hertz ( 1 Hz) = Sekunde E. 13 Abb.9. Sinusförmige Bewegung als Schattenwurf einer Kreisbewegung durch ein Parallellichtbündel Die Maßzahl der Frequenz in Hz gibt an, wievielmal die Kugel in einer Sekunde den Kreisumfang durchläuft. Mit Hilfe des Begriffs Frequenz schreiben wir Gl.(3.1) um: 2π ⋅ ⋅r0 v= = 2π ⋅ ν ⋅ r0 (3.4) T Der periodische Vorgang mit der Frequenz ν kann auf eine Kreisbewegung abgebildet werden, deswegen führt man die Kreisfrequenz ω bezogen auf den Umfang des Einheitskreises ein. (3.5) 2π ⋅ ν = ω , ω: Kreisfrequenz , (ω ist der kleine griechische Buchstabe Omega.) Wir entwerfen nun ein Schattenbild der Kreisbewegung auf einem Schirm, indem wir, wie in Abb.9. angedeutet ist, von links ein Parallellichtbündel einfallen lassen. Der Schatten m' der sich auf dem Kreis bewegenden Kugel m führt auf dem Schirm eine Auf-Abwärtsbewegung der Gesamtlänge 2 · r0 aus, allerdings nicht mehr mit einer konstanten Geschwindigkeit wie die auf dem Kreis umlaufende Kugel m. Jetzt soll untersucht werden, wie diese Schwingung von m' zeitlich abläuft. Dazu ist in der rechten Hälfte von Abb.9. ein Weg-Zeit-Diagramm aufgetragen. Die Wegachse ist mit r', die Zeitachse mit t bezeichnet. Die Wegachse liegt parallel zum Schirm mit Nullpunkt in der Höhe des Kreismittelpunktes. Auf der Kreisbahn ist der Ort der Kugel m zu einem Zeitpunkt t eingezeichnet, in dem der mit m verbundene Radius einen Winkel α mit dem zu t = 0 gehörigen Radius bildet. Die Länge des Lots von m zum Zeitpunkt t auf die horizontale Kreisachse ist mit a bezeichnet worden. Die Zeit t verhält sich zur Umlaufdauer T wie der Winkel α zum vollen Winkel 2π: α 1 = T 2π bzw. α= 2π ⋅ t = ω⋅ t , T wobei 1/T = ν und 2π ·ν = ω gesetzt wurde. E. 14 (3.6) Zu diesem Zeitpunkt t befindet sich der Schatten m' von m in der Höhe r' = a auf dem Schirm, gemessen von der Zeitachse aus. Aus dem Kreis entnimmt man a (3.7) sin α = r0 und mit α aus Gl.(3.6) und a = r' wird damit: r´ = r0 · sin (ω · t) . (3.8) Gl.(3.8) gibt den Weg r' des Schattens m' der Kugel m, oder genauer gesagt, die Auslenkung von m' gegen die Zeitachse in Abhängigkeit von der Zeit wieder. Da die Zeitabhängigkeit sinusförmig ist, nennt man den Zusammenhang nach Gl.(3.8) sinusförmig in der Zeit oder besser eine harmonische Bewegung oder Schwingung. Diese Gl.(3.8) soll wegen ihrer Bedeutung in der Physik in einigen Einzelheiten diskutiert werden. Zunächst eine über die Gl.(3.8) hinausgehende allgemeine Bemerkung: Wo immer in der Physik Winkel-, Exponential- oder Logarithmusfunktionen auftreten, muß deren Argument eine dimensionslose, also eine nicht mit physikalischen Einheiten behaftete reine Zahl sein. Ausdrücke wie sin(20 Sekunden) oder ln(1,45 Meter) sind mathematisch wie physikalisch sinnlos. Wir schreiben Gl.(3.8) noch einmal ausführlicher hin, wobei wir den Strich bei r im weiteren weglassen werden: t (3.9) r = r0 · sin (2π · ν · t) = r0 · sin (2π · ) T Aus der rechten Seite von Gl.(3.9) ersieht man zweierlei: 1.) Dadurch, daß dort das Verhältnis zweier Zeiten steht und 2π eine reine Zahl ist, ist das Argument des Sinus - wie gefordert - eine dimensionslose Zahl. t 2.) Aus der Schreibweise des Arguments des Sinus in der Form 2π ⋅ läßt sich leicht erkenT nen, daß die harmonische bzw. sinusförmige Bewegung oder Schwingung periodisch mit der Periode T ist: Jedesmal, wenn t = n ·T wird, mit n = 1, 2, 3, ... , nimmt das Argument des Sinus in Gl.(3.9) den Wert n · (2π) (entsprechend n · 360°) an, und wir hatten in Abschnitt E.2. gefunden, daß der Sinus eine mit 2π bzw. 360o periodische Funktion ist. Es gilt also: sin α = sin (2π + α) = sin [n · (2π) + α] Wir hatten die sinusförmige Bewegung anhand des Schattenbildes eines sich auf einem Kreis mit konstantem Betrag der Geschwindigkeit umlaufenden Körpers abgeleitet. Es gibt in der Physik eine ganze Reihe von Vorgängen, bei denen sich nicht nur Schattenbilder sondern reale Körper sinusförmig bewegen, d.h. harmonische Schwingungen ausführen. Das einfachste Beispiel aus der Mechanik ist das Fadenpendel, d.h. eine Kugel an einem irgendwo befestigten Faden. Solange die Bewegung (Auslenkung) der Kugel klein ist gegenüber der Länge des Fadens, bewegt sich die Kugel nach einem Weg-Zeit-Gesetz von Gl.(3.9). Wie man aus der rechten Seite von Abb.9. entnehmen kann, hat jede harmonische Schwingung folgende typische Eigenschaften: Die größte Geschwindigkeit besitzt der Körper im Augenblick des Durchgangs durch die Zeitachse, soweit diese symmetrisch zu den beiden Umkehrpunkten liegt. Von da ab nimmt die Geschwindigkeit des Körpers ab, bis sie im Umkehrpunkt r = r0 (bzw. r = −r0) den Wert Null erreicht. Von dort an nimmt sie wieder zu, bis sie nach einer weiteren Viertelperiode beim erneuten Nulldurchgang wieder ihren höchsten Wert erreicht. E. 15 Mathematisch läßt sich der Ablauf der Geschwindigkeit sehr einfach beschreiben, wenn man bedenkt, daß die Geschwindigkeit die erste Ableitung des Weges nach der Zeit ist. Dann erdr , was hier ohne Beweis wiedergegeben hält man aus Gl.(3.9) für die Geschwindigkeit v = dt werden soll: r t v = ω · r0 · cos(ω · t) = 2π · 0 · cos (2π · ) . . T T 3.2. Die sinusförmige Wechselspannung Die harmonische Schwingung ist nicht auf reale Körper wie etwa das Fadenpendel beschränkt. Eines der wichtigsten Beispiele für die harmonische Schwingung einer nichtmateriellen Größe ist die sinusförmige Wechselspannung, wie wir sie etwa unserem Stromnetz entnehmen. Ihre Frequenz beträgt ν = 50 Hz, ihre Periode T = 1/ν demnach 1/50 Sekunde = 20 Millisekunden. Außer dem Wechselspannungsgenerator in einem Kraftwerk gibt es in der Elektronik eine Vielzahl von Schaltungen, die sinusförmige Wechselspannungen ver9 schiedener Frequenzen erzeugen, von Bruchteilen eines Hz bis hinauf zu 10 Hz und mehr. In der oberen Hälfte von Abb.10. ist eine sinusförmige Wechselspannung so aufgetragen, daß der Spannungswert zum Zeitpunkt t = 0 ebenfalls gleich Null ist, und daß ihr weiterer Verlauf die Form U = U0 · sin (ω·t) besitzt (3.10) Der größte positive und negative Wert von U, +U0 und −U0 , heißen Amplitude der Wechselspannung. Der Winkel α = ω · t = 2π · t / T heißt Phase der Wechselspannung zum Zeitpunkt t, und der zu diesem Zeitpunkt angenommene Spannungswert U = U0 · sin (ω·t) wird als Momentan- oder Augenblickswert der Wechselspannung zum Zeitpunkt t bezeichnet. Die Periode T ist im oberen Bild einmal als der Zeitraum zwischen t = 0 und dem zweiten Nulldurchgang der Wechselspannung eingezeichnet worden, zum andern als der Zeitraum zwischen zwei aufeinanderfolgenden Punkten gleicher Phase, ω · t1 und ω · (t1 + T). Punkte gleicher Phase auf der Wechselspannungskurve sind solche, bei denen erstens die Momentanwerte der beiden Spannungswerte gleich groß sind und bei denen sich zweitens die Spannung im unmittelbar darauffolgenden Zeitpunkt in beiden Punkten in der gleichen Richtung ändert (in der Abb.10. oben nimmt die Spannung sowohl nach t1 als auch nach t1 + T ab). Gleiche Größe der Momentanwerte, wie etwa zu den Zeitpunkten t1 und t2 , genügt also nicht zur Definition der Phasengleichheit. In Abb.10. unten ist die sinusförmige Wechselspannung gleicher Amplitude U0 und gleicher Periode T bzw. Frequenz ω dargestellt, die bei t = 0 bereits einen von Null verschiedenen Momentanwert U = U0 · sin α besitzt. Man sagt: Diese Wechselspannung ist gegenüber der oberen um den Winkel α phasenverschoben, und zwar 'eilt sie der oberen voraus', denn sie erreicht ihre erste positive Amplitude +U0 nicht erst bei t = T/4, also bei ω · t = π/2, sondern π 1 T α wird, und das ist nach der kürzeren Zeit t = − ⋅ T der Fall. schon wenn 2π ⋅ + α = T 2 4 2π Im übrigen ist auch in der unteren Abbildung zweimal die Periode T eingezeichnet, einmal als der Abstand zweier aufeinanderfolgender Nulldurchgänge und zum anderen als die zeitliche Differenz zweier aufeinanderfolgender Orte gleicher Phase. E. 16 Wäre die Phasenverschiebung der unteren Wechselspannung α = π/2 gewesen, hätte man die π Wechselspannung wegen sin ϕ + = cos ϕ auch in der Form U = U0 · cos (ω · t) schreiben 2 können. Abb.10. Zwei gegeneinander um den Winkel α phasenverschobene sinusförmige Wechselspannungen gleicher Amplitude und gleicher Frequenz bzw. Periode. oben: U = U0 · sin (ω·t) unten: U = U0 ·sin (ω·t + α ). E. 17 3.3. Effektivwerte sinusförmiger Wechselspannungen und Wechselströme Von größerer Bedeutung als der Momentanwert U oder die Amplitude U0 einer sinusförmigen Wechselspannung ist häufig ihr sog. Effektivwert: Betreibt man mit einer Wechselspannung gemäß Gl.(3.10) einen Ohmschen Stromverbraucher, so sind Stom und Spannung in Phase. Also fließt ein zum momentanen Spannungswert proportionaler Wechselstrom: I = I0 · sin (ω · t) . (3.11) Interessant ist hier die Frage, welche Wirkung (also Wärmeabgabe) im zeitlichen Mittel erzielt wird. Anders ausgedrückt: Welchen Wert müßte eine Gleichspannung und ein durch diese hervorgerufener konstanter Strom haben, um im Stromkreis die gleiche Wärmewirkung zu erzeugen? Die Antwort auf diese Fragestellung führt zum Begriff des Effektivwerts. Er berechnet sich für Spannung und Strom in gleicher Weise, indem man die Amplitudenwerte durch den Faktor 2 dividiert, also: U I U eff = 0 und I eff = 0 (3.12) 2 2 Begründung: Die pro Zeiteinheit umgesetzte elektrische Energie ist die elektrische Leistung. Sie berechnet sich als Produkt aus Spannung und Strom: N(t) = U(t) · I(t). Einsetzen von Spannungen und Strömen nach Gl.(1.10) bzw. Gl.(1.11) ergibt: 2 N(t) = U0 · I0 · [sin (ω · t)] . Die über die Zeit gemittelte Leistung erhält man hieraus, indem man den Mittelwert der quadrierten Sinusfunktion über eine ganzzahlige Anzahl von Perioden T bildet. Das Ergebnis dieses Mittelungsprozesses sei ohne Beweis angegeben: . [sin (ω ⋅ t )] 2 = 1 . 2 Also beträgt die mittlere elektrische Leistung einer sinusförmigen Wechselspannung an einem Ohmschen Stromverbraucher: Def 1 N(t ) = ⋅ U 0 ⋅ I 0 = U eff ⋅ I eff . (3.13) 2 Die Bedingung, daß sowohl Amplituden- als auch Effektivwerte von Spannung und Strom dem Ohmschen Gesetz folgen müssen, führt dann zu den Beziehungen Gl.(3.12), also z.B.: I0 = U0 R und Ieff = U eff R Einsetzen in Gl.(3.13) ergibt: U2 U 1 U 02 ⋅ = eff ⇒ U eff = 0 2 R R 2 Sinusförmige Wechselspannungen und ihre gegenseitigen Phasenverschiebungen spielen im Versuch 4, 'Elektronenstrahloszilloskop', eine Rolle. E. 18 4. Anhang 4.1. Das griechische Alphabet Buchstabe Name 1. Α, α Alpha 2. Β, β Beta 3. Γ, γ Gamma 4. ∆, δ Delta Bedeutung (angeführt nur, soweit im Skript vorkommend) α, β, γ : Typen radioaktiver Strahlung ∆: 1. Vorsymbol für absoluten Fehler 5. 2. allgem. Vorsymbol für kleine Größen 6. 3. Abkürzung für die Differenz zweier Größen 7. Ε, ε Epsilon 8. Ζ, ζ Zeta 9. Η, η Eta η : dynam. Viskosität, Zähigkeit 10. Θ, ϑ Theta ϑ : Celsius-Temperatur 11. Ι, ι Jota 12. Κ, κ Kappa 13. Λ, λ Lamda 14. λ: 1. Wellenlänge 2. Zerfallskonstanten der Radioaktivität 15. Μ, µ My µ : Extinktionskonstante 16. Ν, ν Ny ν : Frequenz 17. Ξ , ξ Xi ξ : Ultraschallamplitude 18. Ο, ο Omikron 19. Π, π Pi π : Kreiszahl, 20. Ρ, ρ Rho ρ: 21. π = 3,141592654....., 1. Dichte 2. spez. elektr. Widerstand (Resistivität) 22. Σ, σ Sigma 23. Τ, τ Tau 24. Υ, υ Ypsilon 25. Φ, ϕ Phi 26. Χ, χ Chi 27. Ψ, ψ Psi 28. Ω, ω Omega Σ : Summenzeichen, σ : Streuung τ : Absorptionskoeffizient Φ : magnetischer Fluß Ω : Abkürzung für Ohm, ω : Kreisfrequenz 29. 30. Außerdem ist es üblich, Winkel mit kleinen griechischen Buchstaben zu bezeichnen, 31. vorzugsweise mit α, β, γ, δ, ϕ und ψ. E. 19 4.2. Dezimalfaktoren und ihre Bezeichnung in den Einheiten Faktor Potenz Kurzwort Buchstabe 1 000 000 000 000 1 000 000 000 1 000 000 1 000 100 1 / 10 1 / 100 1 / 1 000 1 / 1 000 000 1 / 1 000 000 000 1 / 1 000 000 000 000 1012 109 106 103 102 10−1 10−2 10−3 10−6 10−9 10−12 TeraGigaMegaKiloHektoDeziZentiMilliMikroNanoPico- T G M k h d c m µ n p 4.3. Einige wichtige Naturkonstanten 8 Lichtgeschwindigkeit (im Vakuum) c = 2,998 · 10 m/s Elementarladung e = 1,602 · 10 −19 C −34 Planck-Konstante h = 6,626 · 10 23 Avogadro-Konstante NA = 6,022 · 10 mol Protonenmasse mp = 1,6726 · 10 Neutronenmasse mn = 1,6749 · 10 Elektronenmasse me = 9,109 · 10 Absoluter Nullpunkt der Temperatur ϑ = −273,15 °C −27 −27 −31 E. 20 −1 kg kg kg J·s