Kapitalmarkt und Börse Univ.Prof.DDr. Jürgen Huber Institut für Banken und Finanzen Universität Innsbruck e-mail: [email protected] Programm der nächsten 60 Minuten • Wie funktionieren der Kapitalmarkt und die Börse? • Wie nützlich ist Information auf Märkten – wie hilfreich sind Experten • Welchen Einfluss haben Zinsen und (Geld)politik auf die Wirtschaft/den Kapitalmarkt? • Welchen Einfluss hat die Währung darauf? Wie funktionieren der Kapitalmarkt und die Börse • Grundfunktion von Kapitalmarkt und Börse ist, Kapital jenen zur Verfügung zu stellen die damit die höchste Rendite erwirtschaften können. • Für Unternehmer dient Börse der Kapitalsammlung. • Für Investoren dient Börse der Erzielung von Rendite sowie der Risikostreuung (Diversifikation). • Dies bereits seit der ersten Börse, die 1602 in Amsterdam gegründet wurde, damit reiche Wie funktionieren der Kapitalmarkt und die Börse • Gehandelt wird nur, wenn es unterschiedliche Meinungen/Erwartungen gibt. Wäre jeder überzeugt dass eine Aktie 100 wert ist, so wäre das ihr Preis. • Jene die glauben dass die Aktie steigen wird kaufen von jenen die glauben dass sie fallen wird. Preisbildung Erwartungen 24 58 37 39 10 38 49 34 Geordnet: Kauf 58 Kauf 49 39 Kauf 38 Kauf Preis: 37,5 37 Verkauf 34 Verkauf 24 Verkauf 10 Verkauf Empfehlungen für die Firma J.Sainsbury innerhalb von zwei Tagen durch drei unterschiedliche Analysten Preise reflektieren • Angenommen der Kurs von Apple steht derzeit bei 600 Dollar und der Markt erwartet einen Gewinnanstieg um 25%. • Bei einer Pressekonferenz verkündet der Vorsitzende stolz „Wir hatten ein sehr gutes Jahr und konnten den Gewinn um 20% steigern!“ • Wie reagiert der Aktienkurs? • Die Meldung „Chinas Wirtschaft wächst um 5%“ würde wohl zu einem Kurssturz führen, “Der Aktienmarkt boomt! Alle Investoren werden reicher!” “Der Aktienmarkt boomt! Alle Investoren kaufen!” Die Random Walk These • 1900 Louis Bachelier • 1953 Maurice Kendall: „Kursverläufe sehen wie ein Wanderer aus, fast so, als ob der Dämon des Glücks einmal in der Woche zufällig eine Nummer zieht und diese zum derzeitigen Kurs zählt um den neuen Kurs zu erhalten.“ • Der beste Schätzer für den Preis morgen ist der heutige Preis. Das heißt nicht, dass Aktienkurse zufällig zustande kommen, sondern nur, dass ihr Erscheinungsbild dem Dow Jones Index oder Praktiker lieben den Zufallspfad nicht… An der Wall Street ist der Ausdruck „Random Walk“ (Zufallspfad) ein Feindbild ... Im Extrem bedeutet er nämlich, dass ein blinder Affe der Dartpfeile auf Aktienlisten wirft ebenso gut investieren würde wie ein Experte. Finanzanalysten lieben es nicht, mit Affen verglichen zu werden ...“ Burton G. Malkiel: A Random Walk Down Wall Street, 8th ed. 2003 Performance von „Laien“ vs. „Experten“ Als Reaktion auf Malkiel‘s Buch organisierte die schwedische Zeitung „Expressen“ einen Anlegerwettkampf zwischen dem Schimpansen Ola und fünf Brokern. Der Schimpanse warf Dartpfeile auf die Kursliste der Stockholmer Börse, die Broker wählten anhand Ihrer Einschätzung aus. Ergebnis: Ola gewann mit großem Abstand zu den fünf Brokern (über 5% vor dem Zweitplazierten). Ola Performance von „Laien“ vs. Der „Hessischer Rundfunk“ organisierte einen Anlagewettbewerb zwischen • Gina Wild, 30, Expertin für erotische Disziplinen • Dromedar Laila, 5, aus dem Zoo in Kronberg • Fondsmanager Wolf Drees (Union-Investment) • Tarek Al-Wasir, Parlamentsabgeordneter (Grüne) Jeder der Teilnehmer musste 100.000 Euro auf fünf der 30 Werte im DAX aufteilen. Die Rendite nach 3 Monaten wurde bewertet. Laila wählte, indem ihr 30 Brötchen mit den Firmennamen vorgelegt wurden – die ersten fünf die sie fraß waren ihre Aktien. Ergebnis: Beide Damen schlugen die beiden Herren deutlich. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-20017865.html Empirische Befunde zu Informationsniveau und Rendite Insider erzielen Überrenditen Jeng et.al. (2003); Jaffe (1974); Seyhun (1986, 1998); Lin/Howe (1990); Lakonishok/Lee (2001); Krahnen et.al. (1999);… Rendite Zufallshändler der keine Information verarbeitet Marktrendite Underperformance von Fonds Malkiel (1995, 1996, 2003a, 2003b); Gruber (1996); Jensen (1968); Lerbinger (1984); Informationsniveau Nettorendite von Aktienfonds 1970-2001 (Malkiel, 2003) Praktisches Beispiel: Flugzeugabsturz in New York am 12. November 2001 Je mehr Privatinvestoren sich mit Datenquelle: Guiso/Jappelli (2006), die 1800 Kunden der Unicredito betrachtet haben Experten: Qualität von Analystenempfehlungen Im Schnitt 50% Treffer-quote. Drei mal so viele Kaufwie Verkaufempfehlungen (Umsatzgenerierung Quelle: Wirtschaftswoche 14. April 2008, S. 144 Börsenexperten vs. Laien • Törngren/Montgomery (2004) - 2 Gruppen: Laien (Psychologiestudenten) vs. Profis (Broker, Anlage-berater, Portfoliomanager, Analysten,…) - Aufgaben: • Abschätzung der Kursänderung im nächsten Monat der 20 größten schwedischen Aktien (Information: Firmenname, Industrie, monatliche Renditen der 12 Monate davor) -Weitere Aufgaben: Schätzung des eigenen Schätzfehlers, sowie des Schätzfehlers aller Laien und aller Experten. • Die Aktien wurden in 10 Paare geteilt. Für jedes Paar sollte gesagt werden, welche Aktie in den kommenden 30 Tagen besser abschneidet. -Weiters sollte geschätzt werden, welchen Prozentsatz sie wohl richtig schätzen würden. Börsenexperten vs. Laien - Ergebnisse Geschätzter eigener Fehler Geschätzter Fehler der Experten/Laien Tatsächlicher Schätzfehler Source: Törngren/Montgomery (2004), S. 151 Börsenexperten vs. Laien - Ergebnisse Geschätzter eigener Fehler Geschätzter Fehler der Experten/Laien Tatsächlicher Schätzfehler „Welche der beiden Aktien hat im nächten Monat die höhere Rendite?“ Prozentsatz korrekter Antworten Eigene Schätzung wie viele korrekt sein würden Source: Törngren/Montgomery (2004), S. 151 Sagen „Vorhersagen“ wirklich etwas über Rendite Marktrendite Informationsniveau Wie sollten Sie anlegen/ Habe auch keinen Tipp für die beste Aktien der nächsten Dekade, aber generelle Empfehlungen: • Misstrauen Sie „Experten“ die Ihren Rat verkaufen • Diversifizieren (bzw. Indexinvestment, ETF) • Nicht der „Herde“ folgen • Wenig handeln – „buy and hold“ Rendite von Privatanlagern Barber/Odean (2000): Trading is hazardous to your health Investments werden immer kürzer „Home Bias“ von Privatinvestoren Studie über Investments deutscher Privatanleger: Links: Theoretisch optimales Portfolio entsprechend Marktkapitalisierung. Rechts: Tatsächliche Portfolios deutscher Anleger. Asia Europe except GER GER USA/Kanada Source: Weber (2007) Einfluß von Zinsen, Geldpolitik und Währungen Zinsen und Geldpolitik (Leit)Zins durch die Zentralbank bestimmt. In Hochkonjunktur werden Zinsen erhöht um Überhitzung zu vermeiden. In Krise werden Zinsen gesenkt um Wirtschaft anzukurbeln. Base Rate Euro Base Rate USA Base Rate Japan Base Rate UK Seltsame Zeiten: NEGATIVE Realzinsen! Leitzins Inflation 32 2. Weltkrieg 1. Weltkrieg Bürgerkrieg Unabhängigkeitskri eg Inflation Ende des Goldstandards Seit der Abschaffung des Goldstandards ist der InflationsDeflations-Zyklus einer stabileren Entwicklung mit meist moderater Inflation gewichen. ABER: während Inflation zwischen 1670 und 1945 durchschnittlich 0.1% pro Jahr war, ist sie seit dem bei 3,5% pro Jahr. 33 Entwicklung des Schweizer Wechselkurs CHF/EUR Seit 1990 im Schnitt 1,4% Zinsersparnis im CHF. Seit 1990 im Schnitt 1,7% Abwertung des EUR. Daher 0,3% Verlust durch Fremdwährungskred it im CHF (pro Jahr). Ist Spekulation auf Zins-unterschiede, Wechsel-kurse und Aktien… Wechselkurs bestimmt von Inflation und34 Geldanlage in €, $, CHF oder Yen? Ertrag überall gleich, Risiko im € am Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Die Euro-Schuldenkrise Abgesang auf den Euro, oder Geburt einer neuen EU? Und wie das ihr Vermögen betrifft Der Euro • Vision einer gemeinsamen Währung seit 1978 • Ab 1992 klarer Zeitplan (Maastricht) • Konvergenzkriterien (<3% Defizit des BIPs,<60% Gesamtverschuldung als Prozent des BIPs) • 1999 Buchgeld, seit 1.1.2002 Bargeld • Ziele: – Niedrigere Zinsen durch „D-Mark-Stabilität für alle“ – Niedrige Inflation – Durch diese Bedingungen Wachstumsschub v.a. im Süden 38 Ziel 1: Niedrige Zinsen nach EuroEinführung 39 Ziel 1: Niedrige Zinsen nach EuroEinführung 40 Ziel 2: Niedrige Inflation (Bsp. ITA) 41 Ziel 3: Wachstumsschub (BIP-Wachstum) im Süden Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen Index 1998 = 100 42 Ziel 4: Budgetdisziplin auch im Süden – klar gescheitert! EU-Beitritt Euro 43 Wirtschaftsentwicklung 44 Lohnzurückhaltung in Deutschland und Österreich, 45 46 Leistungsbilanzsalden in der Eurozone 47 Die Euro-Schuldenkrise • Mit der Finanzkrise (2007-2009) stiegen die Budgetdefizite (geringere Steuereinnahmen, Kosten der Bankenrettung, Konjunkturpakete, erhöhte Staatsausgaben für Arbeitslose, etc.) • Investoren schauten bewusster auf vorher ignorierte Risiken – GRE, ESP, POR, IRL sind eben nicht auf der gleichen Bonitätsstufe wie Deutschland und somit wurden höhere Zinsen vom Markt gefordert. • Banken und andere Investoren waren nicht mehr bereit allen Euro-Staaten zu gleichen niedrigen Zinsen Geld zu leihen – Griechische Zinsen stiegen von 4% auf 5%, 6%, dann 8% - Hilferuf an EU im April 2010 (keine Spekulanten – Banken kauften nicht mehr!) 48 …seit Mitte 2008 wurden Investoren vorsichtiger und Zinsen für PIIGS 49 In der Eurozone verstießen 2011 alle gegen die vereinbarten MaastrichtKriterien 50 Mögliche Wege aus der Krise 51 Warum tut sich die Eurozone so • Funktionierende Währungsunionen haben in der Regel 1. „Lender of last resort“ für den Staat (EZB) 2. Enge ökonomische Integration (Migration der Leute dorthin wo es Arbeit gibt, keine Hürden für Berufe) 3. Flexibilität, um mit Schocks umzugehen – durch Transfer-zahlungen und gemeinsame Schuldenpolitik/Budgets • Problem ist nicht, dass Eurozone nicht alle diese Faktoren hat. Problem ist, dass sie bis September 2012 keinen Einzigen hatte! 52 Möglicher Ausweg • Große Fortschritte seit September 2012! • ESM mit 800 Mrd. Euro kann einiges Bewirken (Banken rekapitalisieren, Anleihen aufkaufen), auf Dauer aber Dauer-Transfers nötig (z.B. gemeinsame Arbeitslosenunterstützung). • Europäische Zentralbank steht nun bereit Staaten notfalls unbegrenzt Geld zu leihen. • Bankenunion, d.h. gemeinsame Bankenaufsicht und (vielleicht auch) Einlagensicherung. • In Zukunft ordentlich wirtschaften – genauer schauen! 53 Kann die Euro-Zone funktionieren? • Klar – USA sind ökonomisch viel divergenter als Eurozone. • Aber USA haben wanderungsbereite Bevölkerung, FED, großes Budget in Washington (Transfers), und der Dollar wird nirgends in Frage gestellt. • In der Eurozone prallen verschiedene Interessen aufeinander – Nettozahler vs. –empfänger, Exportorientierte vs. Importeure, reich vs. arm, etc. die daher weniger bzw. mehr Transfers und Haftungen fordern, expansive bzw. restriktive Geldpolitik fordern – und über allem ist politische Unsicherheit, da es alle 3 Monate irgendwo eine Wahl gibt… 54 Staatsschulden: Wie geht es weiter? 55 Staatsschulden: Wie geht es weiter? Geht nicht ewig - Crash 56 Staatsschulden: Wie geht es weiter? Geht nicht ewig - Crash Italien, Japan 57 Staatsschulden: Wie geht es weiter? Geht nicht ewig - Crash Italien, Japan Finanzielle Repression 58 Finanzielle Repression… • Schuldenabbau 1950-1970 ging nur über „Finanzielle Repression“ • Gekennzeichnet war diese Periode durch extrem niedrige bzw. negative Realzinsen, so wie wir sie jetzt auch schon eine Weile haben. Dies hilft jedem Schuldner (weil er faktisch negative Zinsen zahlt) und schadet jedem Gläubiger/Geldbesitzer, weil sein Geldbestand nach und nach entwertet wird. • Begleitet war diese Periode (1950-1970) von – niedrigen Anleihezinsen: künstlich von den Notenbanken niedrig gehalten, so wie auch jetzt (Quantitative Easing, Anleihenkäufe) – stagnierenden Aktienkursen: Dow Jones Index war 1970 genau da wo er auch 1950 war - nach Inflation also Verluste, – allmählich steigender Inflation. 59 Finanzielle Repression… • Damals aber günstige Demographie und hohes Wachstum durch Wiederaufbau – heute schwieriger… • Fazit: dies ist keine Zeit um "reich" zu werden - schon Vermögenserhalt ist ein Erfolg. • Wer sich über Inflation sorgen macht, sollte in Aktien, Immobilien und Sachwerte, sowie Gold gehen. • Finanzierungen im Franken sollten vermieden werden. • Zinsen werden nicht ewig niedrig bleiben – die sehr niedrigen Fixzinsen derzeit (3,5% auf60 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit