Essayfragen zum Proseminar Einführung in die soziologische Theorie Ralph Schrader Hier nden Sie die Essayfragen für das Proseminar. Sie haben für den Scheinerwerb vier Themen aus mindestens drei Themenblöcken zu bearbeiten. Sie sollen jeweils nur eine der alternativen Fragestellungen bearbeiten. Wenn Ihnen eine eigene Frage zu den Themen einfällt, können Sie auch diese bearbeiten. Rational Choice (1) Rationalerklärungen von Handlungen (a) Worin unterscheiden sich intentionale Erklärungen von physikalischen (d. h. kausalen) und funktionalen? Welche Rolle spielen Rationalitätsannahmen in intentionalen Erklärungen, und wie werden sie gerechtfertigt? (b) Was sind intentionale Systeme, und was unterscheidet sie von Menschen oder Tieren? Wie wird in diesem Zusammenhang der Behaviorismus Skinners kritisiert? Warum kann er nicht ohne einen versteckten Bezug auf intentionale Erklärungen auskommen? (2) Spiele mit rationalen Akteuren (a) Wir schreiben das Jahr 1848: In Kalifornien wird Gold gefunden. Modellieren Sie mit den Mitteln der Rational-Choice- und Spieltheorie den Goldrausch. Befassen Sie sich nicht nur mit den Goldgräbern, sondern auch mit Schürftellerverkäufern, Sheris, Bordellbesitzern, Prostituierten oder anderen Akteuren, die Sie für wichtig halten. Diskutieren Sie, ob die RC-Modellierung angemessen ist. (b) In der Universität Jena bricht ein Feuer aus, hunderte Studenten versuchen, eine zwei Meter breite Tür zu passieren. Ortswechsel: New York an einem Freitag im Jahre 1929 die Börsenkurse stürzen ab, Banken drohen Pleite zu gehen. Modellieren Sie mit den Mitteln der Rational-Choice- und Spieltheorie beide Paniken. Überlegen Sie, ob Unterschiede bestehen. Vielleicht fallen Ihnen auch Lösungsmöglichkeiten ein. Diskutieren Sie, ob die RC-Modellierung angemessen ist. 1 Essayfragen (3) 2 Moralische Normen im individualistischen Ansatz (a) Befassen Sie sich anhand des Bezugstextes mit den Vorzügen und Nachteilen des Marktes. Beziehen Sie Stellung zu diesen. Verwenden Sie dabei die von Baurmann und Kliemt zur Verfügung gestellten spieltheoretischen Mittel. Ziehen Sie auch Beispiele heran. (b) Baurmann und Kliemt diskutieren anhand des Vertrauensspiels die Grenzen vertraglicher Selbstbindung. Vergleichen Sie ihre Argumentation mit der Durkheims im 7. Kapitel der Sozialen Arbeitsteilung. (c) Stellen Sie die These vom doux commerce und die Erosionsthese gegenüber. Welche erscheint Ihnen plausibler? Sie können z. B. auch überlegen, ob eine Legalisierung des Drogen- oder Organhandels sinnvoll ist. Kritische Theorie (1) Ältere Kritische Theorie: Das Tauschprinzip (a) In Adornos Gesellschaftstheorie spielt das Tauschprinzip eine zentrale Rolle. Rekonstruieren Sie es, und vergleichen Sie es mit der Konzeption des Tauschs in der Rational-Choice-Theorie. (b) Was ist das Kritische an Adornos Theorie? Welche Rolle spielen in diesem Kontext die Begrie Dialektik und Praxis? (2) Kommunikative Rationalität und kommunikatives Handeln (a) Unterscheiden Sie perlokutionäre von illokutionären Sprechhandlungen und erörtern Sie, warum nach Habermas der Sprache das Telos der Verständigung innewohnt. (b) Habermas stellt eine Verbindung von Handlungstheorie und Sprachphilosophie her. Rekonstruieren sie, wie diese Verbindung aussieht und wieso sprachliche Verständigung im Sinne des kommunikativen Handelns zentral für Handlungskoordinierung sein soll. Diskutieren Sie Habermas These (z. B. indem Sie die Koordinationsleistung des kommunikativen Handelns mit der des strategischen vergleichen). (3) Deliberative Demokratie (a) Für Habermas sind Rechtsstaat und Demokratieprinzip sowie Menschenrechte und Volkssouveränität gleichursprünglich. Versuchen Sie diesen Gedanken zu rekonstruieren und überlegen Sie, ob er Sie überzeugt. Gibt es nicht auch Demokratien, die keine Rechtsstaaten sind und Rechtsstaaten, die keine Demokratien sind? (b) Wie schätzen Sie das Verhältnis von normativ-philosophischen und empirisch-sozialwissenschaftlichen Aspekten in Habermas' Rechtsund Demokratietheorie ein? Essayfragen 3 (c) Unterscheiden Sie das liberale, das republikanische und das deliberative Demokratiekonzept voneinander. In welcher Weise setzt das deliberative Demokratiekonzept die Grundintentionen der Theorie des kommunikativen Handelns um? Wie erachten Sie die Realisierungschancen deliberativer Demokratie? (4) Anerkennungstheorie als Neubegründung Kritischer Theorie (a) Was ist eigentlich Anerkennung? Wodurch unterscheidet sich jemanden anerkennen von jemanden akzeptieren oder jemanden gut nden? (b) Missachtungserlebnisse sollen nach Honneth eine soziale Dynamik auslösen. Worin besteht diese Dynamik? Besitzt sie einen normativen Vektor? Wer möchte, kann Beispiele aus der Bewegungsforschung heranziehen. (c) Vergleichen Sie die Vorstellungen von Adorno, Habermas und Honneth zur Kritischen Theorie. Welcher Ansatz erscheint Ihnen in welchen Hinsichten überzeugender? Begründen Sie Ihre Position. Praxistheorie (1) Der Habitus und der Raum der Lebensstile (a) Was ist ein Habitus? Worin bestehen seine kognitven und seine nichtkognitiven Elemente? Ziehen Sie als Beispiel zwei Habitus, die Ihnen vertraut sind (z. B. den des Studenten [insofern es ihn gibt] oder des Punks) heran und zeigen Sie die Ursachen dieses Habitus auf. (b) Vielleicht ist Ihnen aus anderen Veranstaltungen das Konzept des Deutungsmuters bekannt. Vergleichen Sie das Habitus- und Deutungsmusterkonzept und ziehen Sie zur Verdeutlichung der Gemeinsamkeiten und Dierenzen Beispiele heran. (c) Durch welche Faktoren ist der Habitus einer Person bestimmt? Ist der Habitus durch die jeweilige soziale Lage strikt determiniert? Ist es möglich, dass eine Person ihren Habitus willentlich ändert? Ziehen Sie Beispiele heran. (2) Die Logik der Praxis (a) In welchen Zusammenhang stehen die Konzepte des Habitus, des Feldes und der Logik der Praxis? Inwiefern ist die Logik der Praxis kohärent, wodurch gewinnt sie ihre Kohärenz? (b) Die Logik der Praxis wird von Bourdieu häug durch den Verweis auf Spiele und Spielregeln erläutert. In welchen Hinsichten ähnelt sie Spielen und was könnten die Regeln der sozialen Spiele sein? Essayfragen (3) 4 Arten des Kapitals (a) Ist Alles käuich? Welche Möglichkeiten der Umwandlung von ökonomischem Kapital in soziales oder kulturelles bestehen? Was ermöglicht die Kapitalumwandlungen und worin nden sie ihre Grenzen? (b) Durch welche feldspezischen Normen werden die Verwendungsmöglichkeiten der Kapitalformen geregelt? Versuchen Sie, die Normen, die Feldbedingungen und die Kapitalverteilung, die zur Generierung eines Habitus führen können, an einem von Ihnen ausgewählten Beispiel herauszuarbeiten. (c) Wie bestimmt die Kapitalverteilung die Klassenlage von Akteuren und den sozialen Status? Sind Klassenlage und Status nur abhängig von der Kapitalausstattung eines Akteurs oder auch von Feldbedingungen? (4) Politik und Ökonomie (a) Was sind die Charakteristika des ökonomischen Feldes? Welche spezische Form der doxa wird durch das ökonomische Feld hervorgerufen? Beziehen Sie Stellung zu Bourdieus Thesen. Systemtheorie (1) Das Konzept der Funktion (a) Was sind Funktion und Kausalität? Können funktionale Erklärungen zugleich kausale sein? Sind funktionale Erklärungen für soziologische Theorien hinreichend, oder muss eine explanative soziologische Theorie auch auf kausale oder intentionale Erklärungen rekurrieren? (b) Wo bleiben in den beschriebenen Ansätzen, die mit funktionalen Erklärungen arbeiten, die handelnden Akteure? Ist ein Akteursbezug für eine gelungene soziologische Theorie Ihres Erachtens notwendig? (2) Gesellschaftliche Dierenzierung (a) Wodurch gefährdet sich die moderne Gesellschaft? Diskutieren Sie, inwiefern die gesellschaftlichen Funktionssysteme Anteil einerseits an der Erzeugung und andererseits an der Lösung dieser Probleme haben, und gehen Sie dabei auf zwei Funktionssysteme detailliert ein. (b) Gibt es Bereiche innerhalb der modernen Gesellschaft, die auf die Selbstgefährdung reagieren und darüber ihre Funktion bestimmen? Wie ist die Chance aus Sicht der Luhmannschen Systemtheorie einzuschätzen, dass die modernen Gesellschaften ihre Risiken damit in den Gri bekommen?