Zahlenfolgen und Reihen Was ist eine Zahlenfolge – Bildungsgesetz Wenn wir z. B. von der Menge N der natürlichen Zahlen sprechen, so “sehen” wir sozusagen einen “Sack voller Zahlen”, es besteht keine Ordnung. Wir wenden uns nun dem Fall zu, daß Zahlen in einer bestimmten Reihenfolge vorliegen, zum Beispiel 1, 3, 5, 7, . . . eine solche Folge kann eine endliche Menge umfassen, z. B. 1, 3, 5, 7, 9, 11 aber auch unendlich viele Zahlen enthalten, also 1, 3, 5, 7, . . . Die Punkte symbolisieren eine unendliche Fortsetzung. Allgemein können wir solche Mengen als a1 , a2 , a3 , . . . , an , . . . , aN beziehungsweise als a1 , a2 , a3 , . . . , an , . . . schreiben. Dabei wird an als das nte Glied bezeichnet. Eine Zahlenfolgen liegt vor, wenn es möglich ist, eine Gesetzmäßigkeit für die Bildung der Reihenfolge der Zahlen zu finden, d. h. wenn eine Vorschrift besteht, nach der jedes Glied der Folge berechnet werden kann. Betrachten wir die obigen Zahlen. Unschwer zu erkennen ist, daß die Formel an = 1 + 2(n − 1) das nte Glied der Folge beschreibt. Diese Formel heißt Bildungsgesetz der Zahlenfolge. Das Bildungsgesetz kann auch rekursiv, d. h. eine Anleitung sein, wie die Glieder aus den vorangehenden Gliedern entstehen. Für unser Beispiel lautet eine solche rekursive Definition an = an−1 + 2 a1 = 1 Um die Schreibarbeit zu reduzieren, schreiben wir für eine Folge a1 , a2 , a3 , . . . kurz {an }. Beispiele für Zahlenfolgen Die beiden obigen Zahlenfolgen sind Beispiele für eine arithmetische Folge. Eine solche liegt vor, wenn ein Glied durch Addition derselben Konstanten zum vorherigen Folgenglied entsteht, d. h. die Folge a, a + d, a + 2d, a + 3d, . . . 1 lautet. Das Bildungsgesetz für eine arithmetische Folge hat deswegen die Form an = a + d(n − 1) . Betrachten wir nun eine andere Folge: 1, 1 1 1 1 , , , , ... 2 4 8 16 Der Quotient zweier aufeinanderfolgender Glieder, etwa 1 1 : = 2, 2 4 hat immer den gleichen konstanten Wert, hier 2 also. Eine Folge mit dieser Eigenschaft nennen wir geometrische Folge. Das Bildungsgesetz lautet n 1 an = 2 Allgemein gilt für geometrische Folgen an = c · xn−1 wobei x eine beliebige reelle Zahl ist. Grenzwerte von Folgen Eine spezielle Folge ist die harmonische Folge 1, 1 n : 1 1 1 , , , ... 2 3 4 Wenn wir n erhöhen, werden die Folgenglieder immer kleiner und nähern sich für n gegen unendlich an. Dies drücken wir in folgender Form aus: 1 =0 lim n→∞ n Der Ausdruck links heißt Limes oder Grenzwert der Folge. Die Folge 1 2 3 4 , , , , ... 2 3 4 5 besitzt das allgemeine Glied an = 1 − Hier erhalten wir für den Grenzwert 1 . n 1 lim 1 − = 1. n→∞ n 2 Beide Folgen besitzen genau einen endlichen Grenzwert. Sie heißen konvergent (sie konvergieren gegen ihren Grenzwert). Allgemein gilt: Eine Folge ist konvergent, wenn sie genau einen endlichen Grenzwert besitzt. Andernfalls ist sie divergent. Ein Beispiel für eine divergente Folge ist die obige arithmetische Folge (Grenzwert unendlich!): lim [a + d(n − 1)] = +∞ d > 0 n→∞ Eine weitere Folge ist an = (−1)n . Solche Folgen, bei denen sich von Glied zu Glied das Vorzeichen umkehrt, nennen wir alternierende Folgen. Wie wir an dieser Folge sehen, kann es also vorkommen, daß eine Folge zwar nicht gegen unendlich geht, jedoch mehrere sogenannte Häufungswerte hat, hier also +1 und -1. Folgen mit mehreren Häufungswerten sind unbestimmt divergent, während Folgen ohne Häufungswert bestimmt divergent sind. Eine mathematisch exaktere Definiton für die Konvergenz einer Folge lautet: Eine Folge {an } ist konvergent, wenn sich eine natürliche Zahl k finden läßt, so daß ab dem kten Folgenglied für alle Folgenglieder die Differenz zwischen einem Folgenglied und einer reellen Zahl A kleiner als eine Grenze wird. |an − A| < für n ≥ k A ist dann gleich dem oben eingeführten Grenzwert. Gibt es kein A mit dem sich obige Gleichung erfüllen läßt, so heißt die Folge divergent. Dies wollen wir auf unsere vorherige Beispielfolge an = 1 − n1 anwenden. Mit der Wahl = 0, 01 und A = 1 (der Wert den wir oben für den Grenzwert erhalten haben) gilt: 1 − 1 − 1 < 0, 01 k 1 1 < k 100 k = 101 , d. h. die Gleichung ist für alle an mit n > 100 erfüllt, die Folge ist konvergent. Was ist eine Reihe – Folgen von Partialsummen Eine wichtige Eigenschaft von Zahlenfolgen sind die Summen ihrer ersten n Glieder. Sie heißen Partialsummen und erhalten das Symbol Sn . Nehmen wir wieder 1, 3, 5, 7, . . ., so addieren wir die ersten 1, 2 oder 3 Glieder usw. Wir erhalten S1 = 1, S2 = 4, S3 = 9 usw. Ist die allgemeine Folge a1 , a2 , a3 , . . . gegeben, so gilt: S1 = a1 S2 = a1 + a2 3 S3 = a1 + a2 + a3 .. . Sn = a1 + a2 + . . . + an = n X ak k=1 Diese Summen bilden wiederum eine Folge S1 , S2 , S3 , . . ., eine solche Folge heißt Reihe. Der Begriff Reihe wird allerdings auch für die Summe der Terme selber benutzt, d. h. die Summe n X Sn = ak = a1 + a2 + a3 + . . . + an k=1 wird als endliche Reihe bezeichnet. Entsprechend heißt ∞ X ak = a1 + a2 + a3 + . . . . k=1 unendliche Reihe. Wenn die Folge der Partialsummen {Sn } konvergiert, so ist die Reihe konvergent, sonst divergent. Haben wir eine konvergente Reihe, so können wir den Grenzwert bilden, ! n X S = lim Sn = lim ak n→∞ n→∞ k=1 Diesen Grenzwert S bezeichnen wir als Summe der Reihe und wir schreiben: S= ∞ X ak oder S = a1 + a2 + a3 + . . . k=1 Aus der arithmetischen Folge an = a + d(n − 1) entsteht demgemäß die arithmetische Reihe mit den einzelnen Folgengliedern: Sn = n X a + d(k − 1) = a + [a + d] + [a + 2d] + [a + 3d] + . . . + [a + (n − 1)d] k=1 Die Summation führen wir mit einem vom Schulknaben Gauß gefundenen Trick durch. Für n gerade addieren wir das erste zum nten Glied, das zweite zum (n − 1)ten und so weiter, und erhalten dadurch n/2 identische Terme [2a + (n − 1)d]. Für Sn gilt also: Sn = n [2a + (n − 1)d] 2 Für die geometrische Reihe, die wir entsprechend aus der geometrischen Folge erhalten, gilt n−1 X Sn = axk = a + ax + ax2 + ax3 + . . . + axn−1 k=0 4 Zur Durchführung der Summation multiplizieren wir Sn mit x xSn = ax + ax2 + ax3 + . . . + axn und ziehen beide Reihen voneinander ab: Sn − xSn = a − axn = a(1 − xn ). Durch einfache Umformung entsteht daraus Sn = a 1 − xn , 1−x (x 6= 1) Für a = 1 ergibt sich die Gleichung 2 3 n−1 1 +x+x +x +...+x 1 − xn = , 1−x wir können also einerseits die geometrische Reihe durch den Bruch (1 − xn )/(1 − x) berechnen, andererseits läßt sich der Bruch durch eine Potenzreihe ausdrücken. Etwas ähnliches wollen wir mit dem Term (1 + x)n probieren. Für die Partialsummen gilt: S0 S1 S2 S3 .. . = = = = (1 + x)0 (1 + x)1 (1 + x)2 (1 + x)3 =1 =1+x = 1 + 2x + x2 = 1 + 3x + x2 + x3 Sn = (1 + x)n = 1 + nx + n(n − 1) 2 n(n − 1)(n − 2) x + + . . . + xn 2! 3! Diese Reihe haben wir bereits im Kapitel 1 kennengelernt, sie heißt Binomialreihe. Der Faktor vor xk n(n − 1)(n − 2) . . . (n − k + 1) k x k! ist der Binomialkoeffizient und wird n k = n(n − 1)(n − 2) . . . (n − k + 1) k n! x = k! k!(n − k)! 5 geschrieben. Der Binomialkoeffizient hat eine wichtige Rolle in der Kombinatorik (Kapitel 8). In einer allgemeineren Form lautet die Binomialreihe n X n n xk y n−k . (x + y) = k k=0 Dies ist der sogenannte Binomische Satz, der für alle reellen Zahlen x, y und alle natürlichen Zahlen n gilt. Die Werte der Binomialkoeffizienten bilden dabei jeweils eine Zeile im Pascalschen Dreieck. n=0 1 2 3 4 5 1 1 1 1 2 1 1 1 3 1 3 4 6 5 10 1 4 1 10 5 1 Differenzenmethode Die Summation läßt sich mitunter durch einen weiteren Trick vereinfachen. Dies verdeutlicht das folgende Beispiel: Sn = n X k=1 1 1 1 1 = + +...+ . k(k + 1) 1·2 2·3 n(n + 1) Den allgemeinen Term der Summe können wir, wenn wir ihn uns etwas näher anschauen, in eine Differenz von zwei Termen umformen 1 1 1 = − . k(k + 1) k k+1 Sn ist also gleich einer Differenz von zwei Teilsummen n X k=1 X1 X 1 1 = − . k(k + 1) k=1 k k=1 k + 1 n n Weiter ist erkennbar, daß nur der erste Term der ersten Summe und der letzte Term der zweiten Summe übrigbleiben, alle anderen heben sich gegenseitig weg. Daher gilt n X k=1 1 1 n =1− = . k(k + 1) n+1 n+1 6 Auf diesem Weg ist es oft möglich, die Summe einer Reihe zu berechnen. Voraussetzung ist, daß der allgemeine Term ak sich als Differenz zweier Terme zu um eins verschiedenen Indizes schreiben läßt: ak = bk − bk−1 . Dann gilt n X ak = k=1 n X bk − k=1 n X bk−1 k=1 = (b1 + b2 + . . . + bn−1 + bn ) − (b0 + b1 + . . . + bn−1 ) = bn − b0 Unendliche Reihen – Konvergenzkriterien Betrachten wir zunächst die harmonische Reihe S =1+ 1 1 1 + + +... 2 3 4 Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als ob die Reihe konvergiert, da die Reihenglieder ja immer kleiner werden. Um die Frage nach der Konvergenz beantworten zu können, zerlegen wir die Reihe in eine Summe von Partialsummen 1 1 1 1 1 1 1 1 1 S = 1+ + + + + + + + +...+ +... 2 3 4 5 6 7 8 9 16 1 = 1 + + s1 + s2 + s3 + . . . 2 Jede Partialsumme sn enthält 2n Terme, die alle grösser oder gleich 1/2n+1 sind. Daraus folgt, daß für jede Partialsumme sn ≥ 2n · 1 2n+1 = 1 2 gilt. Damit ist die Summe der Partialsummen S ≥1+ 1 1 1 1 + + + +... 2 2 2 2 also die Reihe divergent. Wie können wir allgemein feststellen, ob die Folge der Partialsummen konvergiert, eine Reihe also einen Grenzwert für n gegen unendlich besitzt? Eine notwendige Bedingung für die Konvergenz einer Reihe 7 ∞ X ak = a1 + a2 + . . . r=1 ist, daß die Folge {ak } der Reihenglieder gegen 0 konvergiert: ai → 0 für r → ∞ Ist diese Bedingung erfüllt, so müssen wir im nächsten Schritt die Konvergenz der Reihe durch Anwendung eines von mehreren Tests prüfen, da nicht alle Reihen, für die obige Bedingung gilt, unbedingt konvergent sind (siehe harmonische Reihe). Erfüllt eine Reihe die Kriterien eines dieser Tests, so ist dies eine hinreichende Bedingung für ihre Konvergenz. Test durch Vergleich (Majoranten und Minorantenkriterium) Zur harmonischen Reihe können wir eine zweite Reihen schreiben, deren Terme jeweils kleiner gleich den Termen der harmonischen Reihe sind: 1 + 1 2 + 1 + 1 2 + 1 + 1 2 + 1 3 + 1 4 + 1 4 + 1 4 + | {z } ↓ 1 2 1 5 + 1 8 + ↓ 1 6 + 1 8 + ↓ | 1 7 + 1 8 + 1 8 1 8 ↓ + + 1 16 + ... ↓ + ... + 1 2 + ... ↓ {z 1 2 + } 1 9 Da die untere Reihe divergiert, muß auch die harmonische Reihe divergieren. Allgemein konstruieren wir uns zur betrachteten Reihe A = a1 + a2 + a3 + . . . eine zweite Reihe B = b1 + b2 + b3 + . . . so, daß für alle i gilt: ai ≤ bi . B ist dann eine Majorante zu A. Konvergiert die Reihe B so gilt, daß auch die Reihe A konvergiert. Andersherum können wir B auch so konstruieren, das für alle i gilt: ai ≥ bi . B ist dann eine Minorante zu A. Divergiert die Reihe B so muß auch A divergieren. Quotientenkriterium von D’Alembert: P Eine Reihe ∞ k=1 ak konvergiert, wenn an+1 < 1. lim n→∞ an 8 Sie divergiert, wenn an+1 > 1. lim n→∞ an Wurzelkriterium von Cauchy: Eine Reihe P∞ k=1 ak konvergiert, wenn lim p n |an| < 1. n→∞ Sie divergiert, wenn lim p n n→∞ Auf die harmonische Reihe P∞ 1 k=1 k |an| > 1. angewandt ergibt das Quotientenkriterium: n =1 n→∞ n + 1 lim Das Wurzelkriterium liefert ebenfalls 1: r lim n n→∞ 1 1 = lim √ =1 n n→∞ n n Beide Konvergenzkriterien sind nicht erfüllt, d. h. wir müssen die Konvergenzeigenschaften auf eine andere Weise bestimmen (zum Beispiel durch die Vergleichsmethode, siehe oben). Betrachten wir noch eine weitere Reihe ∞ X 1 1 1 1 = 1 + + + +... . k! 1! 2! 3! k=0 Zunächst ermitteln wir den Grenzwert der Folge der Reihenglieder: 1 =0 n→∞ n! lim Die Reihe erfüllt also die notwendige Bedingung für Konvergenz. Im zweiten Schritt wenden wir das Quotientenkriterium an (enthalten die Reihenglieder Fakultäten, ist dies meist ratsam): n! 1 lim = lim =0<1 n→∞ (n + 1)! n→∞ 1 + n P 1 Die Reihe ∞ k=1 k! ist somit konvergent. Ihre Summe ist gleich der Zahl e = 2, 71828 . . . , . 9 Die sogenannte Leibnitz-Reihe ∞ X 1 (−1)k−1 k k=1 ist die alternierende harmonische Reihe. Zur Beurteilung der Konvergenz können wir das Leibnitz-Kriterium für alternierende Reihen anwenden: Hinreichend für die Konvergenz P k−1 (−1) ak mit ak > 0 ist einer alternierenden Reihe ∞ k=1 lim ak = 0 und ak ≥ ak+1 k→∞ für alle k. Für unser Beispiel gilt 1 1 1 = 0 und ak = ≥ = ak+1 n→∞ n k k+1 lim Daher ist die alternierende harmonische Reihe konvergent. Regeln für das Rechnen mit Reihen Es stellt sich mitunter die Frage, wie sich das Konvergenzverhalten einer Reihe ändert, wenn wir die Reihe manipulieren. Multiplizieren wir z. B. alle Glieder einer Reihe mit einem Faktor c so ändert sich das Konvergenzverhalten der Reihe nicht, und es gilt nach den Rechenregeln für Summen: ∞ X c · ak = c k=1 ∞ X ak = c · S. k=1 Haben wir zwei konvergente Reihen,Pso können wir sie gliedweise subtrahieren oder addieP ren. Ist also S = ∞ u und T = ∞ k=1 k k=1 vk , so erhalten wir ∞ X uk ± k=1 ∞ X ∞ X vk = (uk ± vk ) = S ± T k=1 k=1 Für eine weitere Regel müssen wir zunächst den der absoluten Konvergenz PBegriff ∞ kennen lernen. Absolut konvergent ist eine Reihe k=1 ak , wenn die aus den Beträgen der P∞ GliederP gebildete Reihe k=1 |ak | konvergent ist. Ist dagegen die Reihe selbst konvergent, jedoch ∞ k=1 |ak | divergent, so heißt die Reihe bedingt konvergent. Haben wir zwei absolut konvergente Reihen, so können wir sie wie zwei Polynome miteinander multiplizieren und wir erhalten wieder eine konvergente Reihe. Sind S= ∞ X uk und T = k=1 ∞ X k=1 10 vk absolut konvergent, so gilt: W = ∞ X wk = S T i=k mit wk = uk v1 + uk v2 + uk v3 + . . . . Ausserdem gilt für absolut konvergente Reihen, daß sich die Summe der Reihe bei beliebigen Vertauschungen der Reihenfolge der Glieder nicht ändert. Dagegen kann die Summe einer bedingt konvergenten Reihe durch geeignete Umstellung der Summenglieder jeden beliebigen Wert annehmen (Riemannscher Unordnungssatz). german,epsfig Zufallsfolgen Wir betrachten nun den Fall von Zahlenfolgen, die im strengen Sinn der Definition eigentlich keine Zahlenfolgen sind. Dafür zunächst ein Beispiel. Wir werfen einen Würfel N-mal und schreiben die N Augenzahlen als Zahlenfolge“: ” rn = 2, 5, 6, 1, 3, 4, . . . , 3 | {z } N −W erte Da beim Würfeln die Augenzahl nicht vorhersagbar ist, also zufällig einen der Werte 1,. . . ,6 annimmt, bezeichnen wir rn als Zufallsfolge. Also folgt: •rn+1 ist nicht aus rk mit k ≤ n ableitbar! Anders ausgedrückt: Für die Zahlenfolge rn existiert kein Bildungsgesetz. Folglich ist rn im streng mathematischen Sinne keine Zahlenfolge. Dennoch ist es üblich, solche Folgen zufälliger Zahlen als Zufallsfolgen zu bezeichnen. Dies ist erlaubt, wenn wir den eingangs erwähnten Begriff Bildungsgesetz“durch Bildungsprozeß“ersetzen. Bei der ” ” arithmetischen Folge lautet das Bildungsgesetz an = an−1 + d der entsprechende Bildungsprozeß ist die Aktion Nimm an−1 und addiere d um an zu ” erhalten.“. In diesem Sinne ist dann auch rn eine Zahlenfolge, denn es existiert der Bildungsprozeß Notiere die Augenzahl des n-ten Wurfes des Würfels und setze sie gleich rn“. ” Allgemein sagen wir: Ein Zufallsprozeß ergibt eine Zufallsfolge. Der Würfel ist ein spezielles Beispiel für reguläre Polyeder, d.h. Körper, die durch kongruente reguläre Vielecke begrenzt sind und kongruente reguläre Ecken besitzen. Der Zufallsprozeß mit z.B. einem Dodekaeder liefert also eine Zufallsfolge der Zahlen 1, 2, . . . , 11, 12. Eigenschaften von Zufallsfolgen • Mittelwert Schätzwert: µN N 1 X = aN N n+1 11 1 (N1 · 1 + N2 · 2 + . . . + N6 · 6) N 6 Häufigkeit X Nk Augenzahl k = ·k = N k=1 hk (N) := NNk = ⇒ µN = 6 X hk (N)k k=1 Es gilt 6 X hk (N) = 1 = k=1 N N da X Nk = N k Für die Mittelwerte der ersten 3, 4, 5 Würfe ergibt sich: 1 13 (2 + 5 + 6) = = 4, 3 3 3 1 14 = (13 + 1) = = 3, 5 4 4 1 17 = (14 + 3) = = 3, 4 5 5 .. . µ3 = µ4 µ5 Für N → ∞ erhalten wir µ := lim µN N →∞ 6 X pk · k k=1 Dabei steht pk für die Wahrscheinlichekit der Augenzahl k und ist wie folgt definiert: pk = lim hk (N) N →∞ Für einen idealen Würfel gilt, daß alle Seiten gleichwahrscheinlich sind, pk für alle Augenzahlen also gleich groß ist! pk = 1 1 ⇒µ = (1 + . . . + 6) 6 6 21 = = 3, 5 6 • Verteilung Tragen wir die Werte von pk über k auf, zum Beispiel als Strichdiagramm, so erhalten wir daraus ein sogenanntes Histogramm. 12 An der Form des Histogramms erkennen wir, daß im Falle des idealen Würfels eine sogenannte Gleichverteilung vorliegt, also alle Augenzahlen gleichhäufig auftreten. Verwenden wir einen gezinkten Würfel, bei dem zum Beispiel der Schwerpunkt nahe der 6 liegt und daher die 1 öfter auftritt als die anderen Zahlen, so entsteht: p1 = 14 X 1 p2 = p3 = p4 = p5 = 6 pk = 1 1 p6 = 12 Tragen wir wieder die Wahrscheinlichkeit auf, so ergibt sich das folgende Histogramm: Anwendung von Zufallsfolgen Zufallsfolgen finden heute vielfältige Anwendungen, zum Beispiel bei Rechnungen zur Simulation natürlicher Prozesse. Ein einfaches Beispiel ist die Ermittlung der Zahl π. Dafür verwenden wir einen Zufallsprozeß, der eine Folge gleich verteilter reeller Zufallszahlen rn ∈ [0, 1] erzeugt. Aus 2Nrn -Werten konstruieren wir x,y-Koordinaten gemäß xm = r2m−1 ym = r2m m = 1, 2, . . . , N und zeichnen die N-Wertepaare (xm , ym ) als Punkte m in einem x,y-Koordinatensystem: 13 Dann zeichnen wir mit einem Zirkel den Viertelkreis in das Begrenzungsquadrat mit den Ecken (0,0), (0,1) und (1,1) ein. Die Zahl der Punkte Nv im Viertelkreis ist proportional 2 der Fläche πr4 = π4 (da r = 1), also Nv = α( π4 ), entsprechend gilt für die Gesamtzahl der Punkte N = α · 1 · 1 = α. Also folgt NNv = π4 oder π = 4 · ( NNv ). Für N = 10.000 erhält man so den Näherungswert 3,1356. Die Genauigkeit der Methode ist proportional √1N . Diese π-Bestimmung ist eines von vielen Beispielen einer Verfahrensweise, die als Monte-CarloMethode bezeichnet wird. Autokorrelation einer Zufallsfolge Die beschriebene π-Bestimmung funktioniert nur dann korrekt, wenn eine echte Zufallsfolge {rn } vorliegt. Dies ist bei einer gegebenen Zahlenfolge {xn } nicht ohne weiters erkennbar. Hier hilft die sogenannte Autokorrelation der Folge {xn }, n = 1, 2, . . . , N, die definiert ist durch: N0 1 X ρm := 0 xn · xn + m m = 0, 1, 2, . . . , M N n=1 Damit alle ρm -Werte gleiche Mittelungsgenauigkeitenbesitzen, muß N’=N-M gewählt werden. Hohe Genauigkeit bedingt M N, d.h. ρm kann nur für kleine Werte der maximalen Verschiebungszahl M bestimmt werden. Die Autokorrelation einer Zufallsfolge wird wie folgt berechnet: • 1. Schritt: Mittelwert abziehen xn = 2, 5, 6, 1, 3, 4 N = 6 bn = xn − 3, 5 3 3 5 5 1 1 {bn } = {− , , , − , − , } 2 2 2 2 2 2 Die Wahrscheinlichkeiten pk bleiben gleich für k − 3, 5. Für den idealen Würfel sieht das Histogramm nach dem ersten Schritt so aus: 14 • 2. Schritt: Produkte mitteln 1 (b1 b1 + b2 b2 + . . .) = 4 1 = (b1 b2 + b2 b3 + . . .) = 4 1 = (b1 b3 + b2 b4 + . . .) = 4 ρ0 = ρ1 ρ3 11 68 17 (9 + 9 + 25 + 25) = = 44 16 4 11 14 (−9 + 15 − 25 + 5) = − 44 16 40 11 (−15 − 15 − 5 − 5) = − 44 16 Für N 0 → ∞ besitzt die Autokorrelation einer echten Zufallsfolge folgende Werte: >0 m=0 ρm = 0 m 6= 0 Das Beispiel zeigt, daß wesentlich mehr als vier Mitteilungen erforderlich sind, um diese Werte für den Würfel zu erhalten. 15