Modellierung enzymatischer Reaktionen – Rechnungen zur

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Jahrbuch 2010/2011 | Thiel, W alter | Modellierung enzymatischer Reaktionen – Rechnungen zur Biokatalyse
Modellierung enzymatischer Reaktionen – Rechnungen zur
Biokatalyse
Modelling enzymatic reactions – computational biocatalysis
Thiel, W alter
Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Kombinierte quantenmechanische/molekülmechanische (QM/MM) Verfahren sind die Methode der Wahl für
mechanistische
Untersuchungen
an
Rechenverfahren und über aktuelle
Enzymen.
Der
methodische
Artikel
gibt
einen
kurzen
Überblick
über
diese
Entw icklungen auf diesem Gebiet. Danach w erden
theoretische Studien an zw ei Molybdän-Enzymen vorgestellt, um zu zeigen, w ie QM/MM-Rechnungen zur
Aufklärung von enzymatischen Reaktionsmechanismen beitragen können.
Summary
Combined quantum mechanical/molecular mechanical (QM/MM) approaches are the method of choice for
mechanistic studies on enzymes. The article provides a brief overview over these computational techniques
and recent methodological developments in this area. Theoretical studies on tw o molybdenum enzymes are
presented to show how QM/MM calculations can contribute to the elucidation of enzymatic reaction
mechanisms.
Einleitung
Enzyme sind Biokatalysatoren, w elche die meisten chemischen Reaktionen in lebenden Organismen steuern.
Sie sind durch die Evolution über Millionen von Jahren optimiert w orden und zeigen daher in der Regel eine
sehr hohe Aktivität und Spezifität für die von ihnen katalysierten Umsetzungen. Die Aufklärung der
Reaktionsmechanismen
in
Enzymen
ist
natürlich
zunächst
einmal von
unmittelbarem biochemischen,
medizinischen und pharmazeutischen Interesse. Darüber hinaus kann ein genaues Verständnis dieser
Mechanismen und der zugrunde liegenden Prinzipien auch in der Chemie hilfreich sein, w enn es darum geht,
komplexe Systeme im Nanobereich mit ganz spezifischen Eigenschaften zu entw erfen und zu synthetisieren.
Die Modellierung enzymatischer Reaktionen w ar lange ein Traumziel in der Theoretischen Chemie. Hierfür sind
die etablierten klassischen Kraftfelder für biomolekulare Simulationen nicht geeignet, w eil bei Reaktionen
chemische Bindungen gebrochen und neu geknüpft w erden – solche elektronischen Prozesse müssen explizit
quantenmechanisch behandelt w erden. Allerdings ist die komplette quantenmechanische Beschreibung eines
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gesamten Enzyms mit seinen Tausenden von Atomen sehr aufw ändig und kaum praktikabel. Einen Ausw eg
bietet die Tatsache, dass das Reaktionsgeschehen in einem Enzym in der Regel in einem kleinen Raumbereich
(„aktives Zentrum“) lokalisiert ist. Dies legt den Ansatz nahe, das Gesamtsystem durch ein kombiniertes
QM/MM-Verfahren zu beschreiben, bei dem der elektronisch relevante Teil quantenmechanisch (QM) und der
Rest molekülmechanisch (MM) behandelt w ird. Im Folgenden w ird zunächst ein Überblick über aktuelle
Entw icklungen bei QM/MM-Methoden gegeben, danach w erden exemplarisch einige QM/MM-Untersuchungen
zu den Reaktionsmechanismen in Molybdän-Enzymen vorgestellt.
QM/MM-Verfahren
A bb. 1: Aufba u de s Q M/MM-P rogra m m pa k e ts C he m She ll.
© Ma x -P la nck -Institut für Kohle nforschung / Ha ns Ma rtin Se nn
Bei der Kombination von QM- und MM-Methoden sind eine Reihe konzeptioneller Probleme zu lösen,
insbesondere hinsichtlich der Kopplung von QM- und MM-Region (mechanische oder elektronische Einbettung,
mit oder ohne MM-Polarisation) und hinsichtlich der QM/MM-Grenzregion (Verw endung von Linkatomen oder
Pseudopotenzialen, Minimierung elektrostatischer Artefakte). Hierfür sind in den letzten Jahren allgemein
akzeptierte Standardprozeduren etabliert w orden, sodass QM/MM-Rechnungen mittlerw eile zur Methode der
Wahl bei der Modellierung enzymatischer Reaktionen gew orden sind [1]. Auf der Softw are-Seite w erden
QM/MM-Methoden am besten modular implementiert. Dabei kontrollieren die zentralen Module den Ablauf der
Rechnung und erledigen die generischen QM/MM-Aufgaben, w ährend die eigentlichen QM- und MMRechnungen in separaten Programmen erfolgen, die über geeignete Schnittstellen angebunden sind. Ein
Beispiel für eine derartige Softw are ist das von uns mit entw ickelte ChemShell-Paket, dessen Aufbau in
Abbildung 1 skizziert ist.
Bei QM/MM-Anw endungen an Enzymen w ird die QM-Region heutzutage meist mit der Dichtefunktionaltheorie
(DFT) beschrieben, z.B. unter Verw endung des B3LYP-Funktionals, w ährend die MM-Region durch eines der
etablierten Protein-Kraftfelder mit festen Atomladungen (z.B. CHARMM, AMBER oder GROMOS) modelliert w ird.
Da die Proteinumgebung sehr polar ist, w ird generell eine elektronische Einbettung der QM-Region bevorzugt,
w ährend offene Valenzen an der QM/MM-Grenze meist hinreichend gut durch Wasserstoff-Linkatome
abgesättigt w erden können. Zur Untersuchung von enzymatischen Reaktionen w erden typischerw eise auf der
QM/MM-Potenzialfläche des Grundzustands Reaktionspfade berechnet und die relevanten stationären Punkte
(Minima und Übergangszustände) lokalisiert, um die zugehörigen Aktivierungsbarrieren zu bestimmen. Wegen
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der konformationellen Vielfalt von Enzymen geschieht dies meist für eine Reihe von Startstrukturen, die aus
Schnappschüssen
einer
klassischen
Molekulardynamik(MD)-Simulation
gew onnen
w erden.
Bei
dem
anfänglichen Setup des Systems folgt man in der Regel den Protokollen, die für klassische MD-Simulationen
etabliert w orden sind.
Die hier skizzierte Standard-Vorgehensw eise kann natürlich in vielerlei Hinsicht verbessert w erden. Zur
Erhöhung der Genauigkeit können zum einen korrelierte ab initio Methoden als QM-Komponente zum Einsatz
kommen (zumindest in single-point Energieberechnungen), zum anderen kann auch die QM-Region sukzessive
vergrößert w erden (z.B. unter Verw endung von linear skalierenden QM-Algorithmen), um den Einfluss des MMTeils auf die Ergebnisse zu minimieren. Alternativ kann man versuchen, durch den Einsatz von polarisierbaren
Kraftfeldern mit variablen Atomladungen die MM-Region besser zu beschreiben, w obei man dann auch bei der
Einbettungsprozedur
die
MM-Polarisation
berücksichtigen
muss.
Um
entropische
und
andere
temperaturabhängige Effekte auf die Reaktivität zu erfassen, muss man die freie Energie entlang der
Reaktionspfade berechnen. Hierzu stehen auf QM/MM-Niveau eine Reihe von Verfahren zur Verfügung (z.B.
thermodynamische Integration, umbrella sampling, free energy perturbation theory), bei denen QM/MM MDSimulationen entlang vorher optimierter Reaktionsw ege durchgeführt w erden, um ein angemessenes Sampling
aller konformationellen Freiheitsgrade zu gew ährleisten. Weitere mögliche Varianten sind in der Literatur
dokumentiert [1].
Auch w enn die QM/MM-Verfahren heute eine gew isse Reife und Standardisierung erreicht haben, gibt es noch
viel Raum für methodische Entw icklungen. Ein Beispiel hierfür ist die Erw eiterung des QM/MM-Ansatzes auf ein
Dreischichten-Modell (QM/MM/Kontinuum), bei dem Randpotenziale benutzt w erden, um den äußeren Teil der
MM-Region und das umgebende Lösungsmittel zu beschreiben [2]. Ein solches Multiskalen-Verfahren stellt
sicher, dass die langreichw eitigen elektrostatischen Wechselw irkungen in einem solvatisierten Enzym
konzeptionell sauber beschrieben w erden, und es verringert gleichzeitig den Rechenaufw and relativ zu QM/MM
signifikant, w eil die Zahl der explizit behandelten Atome ohne merkliche Einschränkung der Genauigkeit um
etw a eine Größenordnung verringert w erden kann. W ir haben diesen Ansatz in ChemShell in modularer Form
implementiert, sodass er für alle Typen von QM-Methoden effizient genutzt w erden kann [2]. Ein zw eites
Beispiel betrifft den Einsatz von QM/MM-Energien als Randbedingungen bei der kristallographischen
Bestimmung von Proteinstrukturen (quantum refinement). Hierfür w erden derzeit standardmäßig klassische
Kraftfelder benutzt, die jedoch gerade in den kritischen Bereichen (z.B. Inhibitoren, Chromophore oder
Metallzentren) oft relativ ungenau sind, sodass die Verw endung von QM/MM-Methoden deutliche Vorteile
bringen kann [3].
QM/MM-Rechnungen an Molybdän-Enzymen
Ein umfassender Überblick über aktuelle QM/MM-Studien zu enzymatischen Reaktionen findet sich in einem
kürzlich erschienenen Übersichtsartikel [1]. Im Fokus unserer eigenen mechanistischen Arbeiten standen in
den vergangenen Jahren die Reaktionen, die durch Cytochrom P450 [4] und durch Molybdän-Enzyme [5-8]
katalysiert w erden. Im Folgenden berichten w ir exemplarisch über unsere QM/MM-Untersuchungen zu der
Oxidation von Acetaldehyd zu Essigsäure durch Aldehyd-Oxidoreductase (AOR) [5, 6] und der Umw andlung
von Xanthin in Harnsäure durch Xanthin-Oxidase (XO) [7, 8]. Beide Enzyme sind von medizinischem Interesse:
AOR katalysiert den Abbau bestimmter Medikamente im Körper und kann hierbei Cytochrom P450-Enzyme
ersetzen, w ährend eine zu hohe XO-Aktivität in Niere und Leber zu einem erhöhten Harnsäurespiegel und
damit zu Gicht führen kann. Vor diesem Hintergrund ist es sicher w ünschensw ert, die W irkungsw eise dieser
beiden Enzyme in allen mechanistischen Einzelheiten zu verstehen.
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A bb. 2: Mode llie rte Struk tur von Alde hyd-O x idore duk ta se m it
e ine r Solva thülle von W a sse rm ole k üle n.
© Am e rica n C he m ica l Socie ty [5]
Bei der theoretischen Modellierung von enzymatischen Reaktionen geht man von einer experimentell
bestimmten Kristallstruktur aus, die nach den üblichen Protokollen bei klassischen Simulationen für die QM/MMRechnungen präpariert und in eine Wasserkugel eingebettet w ird, um physiologischen Bedingungen nahe zu
kommen. Im Falle von AOR starten w ir mit einer publizierten Struktur von Desulfovibrio gigas (pdb 1VLB) und
erhalten nach dem Setup das in Abbildung 2 gezeigte solvatisierte Modell mit insgesamt 23.357 Atomen
(davon 9.711 Atome in den 3.237 Wassermolekülen). Im aktiven Zentrum befinden sich das Substrat
Acetaldehyd und der Cofaktor, ein Molybdän(VI)-Komplex mit je einem Oxo-, Sulfido-, Hydroxy- und DithiolenLiganden. Die QM-Region (Abb. 3) umfasst neben dem Substrat und dem Cofaktor-Modell auch die Seitenkette
der Aminosäure Glu869, w elche in dieser Enzymfamilie konserviert ist und somit mechanistisch w ichtig sein
könnte (insgesamt 25 QM-Atome). Ungeachtet dieses experimentellen Befundes hatten frühere theoretische
Modellstudien nur die Reaktion zw ischen Substrat und Cofaktor in der Gasphase untersucht und hierfür
sow ohl einen konzertierten einstufigen Mechanismus
als
auch einen zw eistufigen Mechanismus
mit
anfänglicher Substratkoordination am Metall in Betracht gezogen. Bei den QM/MM-Rechnungen finden w ir diese
beiden Reaktionspfade auch im Enzym, allerdings ist ein alternativer dritter Reaktionsw eg deutlich günstiger
(Abb. 3). Hierbei w ird der Cofaktor in einem von der Lew is-Base katalysierten Mechanismus zunächst durch
einen Protonentransfer von der Hydroxygruppe zur konservierten Aminosäure Glu869 aktiviert (Intermediat
IM1), das entstehende Oxyanion kann dann sehr leicht durch einen nucleophilen Angriff auf das CarbonylKohlenstoffatom des Acetaldehyds ein tetrahedrales Intermediat (IM2) bilden, w elches schließlich durch einen
formalen Hydridtransfer zum Produkt umlagert. Dieser letzte Schritt ist geschw indigkeitsbestimmend, er hat
aber immer noch eine recht niedrige Barriere [5].
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A bb. 3: Alte rna tive R e a k tionsm e cha nism e n für Ace ta lde hydO x idore duk ta se m it de n wichtigste n Inte rm e dia te n (IM). Ein
Übe rga ngszusta nd ist nur für de n k onze rtie rte n Me cha nism us
ge ze igt. Die Struk ture n de r a nde re n Übe rga ngszustä nde
finde n sich in de r O rigina lpublik a tion [5].
© Am e rica n Institute of P hysics [6]
Die QM/MM-Rechnungen am AOR ergeben somit aufgrund der Einbeziehung von Glu869 einen qualitativ
anderen Mechanismus als die früheren Gasphasen-Modellrechnungen. Ist dieses B3LYP/CHARMM-Ergebnis
glaubhaft? Dies kann durch genauere Rechnungen geprüft w erden. Zu diesem Zw eck haben w ir in einer
w eiteren QM/MM-Studie [6] hochgenaue korrelierte ab initio Methoden als QM-Komponente eingesetzt und
zusätzlich mittels ausgedehnter QM/MM MD-Simulationen auch freie Aktivierungsenergien ermittelt (unter
Einschluss entropischer Effekte). Die besten so erhaltenen freien Aktivierungsbarrieren unterscheiden sich für
die einzelnen Reaktionsschritte (Abb. 3) zw ar um typischerw eise 3 kcal/mol von den ursprünglichen
B3LYP/CHARMM-Werten, die qualitativen Schlussfolgerungen zum bevorzugten Mechanismus bleiben hiervon
jedoch unberührt.
A bb. 4: Ele k trosta tische s P ote nzia l im sta bilste n Ta utom e r
(link s) und im re a k tive n Inte rm e dia t (re chts) von Xa nthin.
© Ma x -P la nck -Institut für Kohle nforschung / Se ba stia n Me tz
Die zw eite untersuchte Reaktion, die Oxidation von Xanthin zu Harnsäure durch XO, ist komplizierter. Zum
einen deuten Mutagenese-Experimente darauf hin, dass mindestens drei Aminosäuren in der unmittelbaren
Umgebung des aktiven Zentrums für die Reaktion w esentlich sind (Glu802, Glu1261, Arg880), w eil deren
Substitution die enzymatische Aktivität beeinträchtigt oder sogar ganz unterbindet. Zum anderen ist das
Substrat Xanthin (Abb. 4) sehr w andlungsfähig, da es in verschiedenen tautomeren Formen und außerdem
auch als deprotoniertes Anion vorliegen kann – darüber hinaus kann das planare Xanthinmolekül in der
Bindungstasche des Enzyms zw ei verschiedene Orientierungen einnehmen (upside und upside-down). W ir
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mussten daher in unserer QM/MM-Studie sieben Varianten durchspielen, um alle plausiblen Reaktionsw ege
auszuloten [7]. In dem besten gefundenen Mechanismus (Schema 2) reagiert Xanthin in der upside-down
Orientierung. Zunächst erfolgen unter Beteiligung von Glu1261 und einem Wassermolekül drei sukzessive
Protonentransfers (vom Reaktand zu IM1), bei denen sow ohl der Cofaktor als auch das Substrat aktiviert
w erden. Bei dem Cofaktor geschieht dies – w ie im Falle des AOR – durch eine Deprotonierung der
Hydroxygruppe. Beim Xanthin-Substrat w ird das ursprünglich vorliegende stabilste Xanthin-Tautomer (Abb. 4
links) in eine reaktive Form überführt, die bestens für die folgenden Reaktionsschritte präpariert ist (Abb. 4
rechts): Das Target-Kohlenstoffatom für den nucleophilen Angriff trägt eine große positive Ladung (rot),
w ährend im Sechsring die beiden unten stehenden Heteroatome stark negativ w erden (blau) und somit im
letzten Schritt der Reaktionssequenz (IM2 und folgender Übergangszustand) durch das benachbarte, positiv
geladene Arg880 eine signifikante Stabilisierung erfahren. Auf diese Weise w ird die Barriere für den
geschw indigkeitsbestimmenden letzten Schritt im Enzym deutlich abgesenkt, w ährend die Barrieren für die
einfacheren ersten Schritte im Vergleich zur Gasphase sogar etw as ansteigen. Das Energieprofil für die
bevorzugte Reaktionssequenz (Schema 1) ist im Enzym ziemlich „ausgew ogen“, mit vergleichbar hohen
Barrieren für mehrere Schritte, w ährend es in der Gasphase viel ungleichmäßiger ist und am Ende eine
w esentlich höhere Barriere aufw eist. Man kann eigentlich nur staunen, w ie geschickt im Enzym die polare
Proteinumgebung angeordnet ist, sodass das „richtige“ Tautomer für die Reaktion selektiert und der
strategisch w ichtige Übergangszustand stabilisiert w ird. Die katalytische W irkung von XO ist somit auf die
elektrostatische Präorganisation des aktiven Zentrums zurückzuführen.
Schema 1: Be vorzugte r R e a k tionsm e cha nism us in Xa nthinO x ida se .
© Ma x -P la nck -Institut für Kohle nforschung / Se ba stia n Me tz
(Disse rta tion)
Gibt es experimentelle Befunde, w elche diesen plausiblen Mechanismus in XO stützen? Zur Beantw ortung
dieser Frage muss man die Literatur sichten. So ist beispielsw eise bekannt, dass XO die Oxidation nicht nur
bei Xanthin katalysiert, sondern auch bei 1-Methyl-2,6-dioxopurin, nicht jedoch bei 1-Methyl-6-oxopurin. Eine
genauere Analyse zeigt, dass man dies bei unserem bevorzugten Mechanismus mit einer upside-down
Orientierung des Substrats zw anglos erklären kann, w ährend eine upside Orientierung zu analogem Verhalten
bei den verschiedenen Substraten führen müsste [7]. Experimentell ist ferner bekannt, dass der Ersatz des
Sulfido- durch einen Oxo-Liganden im Cofaktor von XO dessen Aktivität abschaltet, dass das Substrat 2-Oxo-6methylpurin etw as leichter reagiert als Xanthin und dass die Mutation Glu802→Gln802 die Aktivität von XO
etw as absenkt. Alle diese experimentellen Befunde stehen im Einklang mit QM/MM-Rechnungen [8], die zur
Prüfung und Validierung des vorgeschlagenen Mechanismus durchgeführt w urden. Für einen Cofaktor mit Oxostatt Sulfido-Ligand finden w ir einen prohibitiv starken Anstieg der Barriere für den letzten Schritt
(Hydridtransfer), bei dem Substrat 2-Oxo-6-methylpurin w ird dieselbe Reaktionssequenz w ie beim Xanthin
realisiert (mit etw as niedrigeren Barrieren), und durch die Mutation Glu802→Gln802 w ird der günstigste
Reaktionsw eg (Schema 1) gestört, sodass man mit der zw eitbesten und daher etw as langsameren Variante
vorlieb nehmen muss. Last but not least sei noch erw ähnt, dass nach Publikation unserer QM/MM-Studien [5-8]
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zw ei Kristallstrukturen in nahe verw andten Enzymen aus der XO-Familie gelöst w urden, bei denen das
Substrat w ie vorhergesagt in der upside-down Orientierung gefunden w urde [9].
Schlussbemerkungen
Die
vorgestellten
QM/MM-Rechnungen
an
den
beiden
Molybdän-Enzymen
haben
zu
plausiblen
Reaktionsmechanismen geführt, die mit den bekannten experimentellen Fakten im Einklang stehen. Sie bieten
detaillierte mechanistische Informationen, die in dieser Form experimentell kaum zugänglich sind, und
ergänzen somit die experimentellen Arbeiten auf diesem Gebiet durch komplementäre Einsichten. Man darf
dabei natürlich nicht vergessen, dass die QM/MM-Rechnungen an Enzymen viele Annahmen und Fehlerquellen
enthalten – im Gegensatz zu ab initio Rechnungen an kleinen isolierten Molekülen können w ir die Ergebnisse
nicht konvergieren und daher auch nicht mit Zuversicht die richtige Antw ort vorhersagen. Es ist bei der
Modellierung von enzymatischen Reaktionen somit essentiell, den engen Kontakt zum Experiment zu suchen
und durch das Zusammenführen aller verfügbaren theoretischen und experimentellen Befunde ein in sich
konsistentes Bild vom Mechanismus dieser Reaktionen zu entw ickeln.
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