Brahms3

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Brahms3
„Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und
Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg,
dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem trefflichen und
begeistert zutragenden Lehrer gebildet in schwierigen Setzungen der
Kunst, mir kurz vorher von einem verehrten bekannten Meister
empfohlen. Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns
ankündigen: Das ist ein Berufener“
Mit diesen enthusiastischen und euphorischen Worten stellte Robert Schumann unter der
Überschrift „Neue Bahnen“ am 25. Oktober 1853 in der in Leipzig erschienenen „Neuen
Zeitschrift für Musik“ der Musikwelt einen jungen Komponisten Johannes Brahms vor. Wie
recht er mit den Worten „Das ist ein Berufener“ behalten sollte, zeigte sich in Brahms
Schaffen. Brahms sollte nicht nur einer der einflussreichsten Komponisten des 19.
Jahrhunderts werden, dessen Werke in alle Gattungen, in denen er komponierte, zu den
meist gespielten Werken des 19. Jahrhunderts gehören. Sein Name ist auch eng verbunden
mit einer konservativ, also bewahrend im eigentlichen Sinn, zu nennenden Strömung, die
Musik als absolute, als keinem vorgegebenem Programm folgende Musik verstand. Brahms
steht mit seinem Musikverständnis in der Tradition Händels, Bachs, Mozarts und
Beethovens. Im Gegensatz dazu sehen sich die sog. „Neudeutschen“ um Franz Liszt und
Richard Wagner als die Neuerer und Urheber einer „Zukunftsmusik“ mit ihrer
programmatischen Musik in Form von Sinfonischen Dichtungen und Musikdramen, die
sich unter anderem auf Berlioz‘ „Sinfonie fantastique“ und Beethovens „Pastorale“ berufen.
Im Zentrum von Brahms‘ künstlerischem Schaffen als Komponist wie als Interpret steht
natürlich das Klavier. Zu Beginn seines Wirkens als Komponist schrieb er zunächst nur für
Klavier und bei der Komposition seiner ersten Orchesterwerke sucht er den Rat erfahrener
Komponisten aus seinem Freundeskreis. Sicher war ihm in seinem Kammermusikschaffen
auch seine praktische Erfahrung auf anderen Musikinstrumenten von Nutzen. Da waren
zunächst einmal die von ihm gespielten Streichinstrumente, wie sich Brahms 1894 in einem
Gespräch mit Richard Heuberger äußerte: „Ich habe zwar selbst einmal gegeigt, aber mein
Instrument war das Cello, auf dem habe ich Konzerte gespielt.“ Aber auch das Horn war
Brahms durchaus vertraut. Zum einen lag das sicher darin begründet, dass es das
Instrument seines Vaters war, der als Hornist und Kontrabassist seinen Broterwerb in den
Tanzlokalen Hamburgs bestritt. Zum anderen wissen wir vom Brahms-Biographen Max
Kalbeck, dass das „Naturhorn neben Violoncello und Klavier das Hauptinstrument des
Knaben Johannes war, und er mag seiner Mutter oft ihre in dem Werke angeschlagenen oder
angedeuteten Lieblingsmelodien vorgeblasen haben“. Brahms kannte also alle drei im
heutigen Konzert auftretenden Instrumente aus eigener praktischer Erfahrung sehr gut und
wusste um ihre Stärken und Schwächen. So verwundert es auch in keinster Weise, dass er
dem Idiom jedes der drei Instrumente aufs Beste gerecht wird.
INTERMEZZO OP. 118 NR. 1 „ALLEGRO NON ASSAI, MA MOLTO APPASSIONATO“
Das späte Schaffen für Klaviersolo von Johannes Brahms ist von einer Hinwendung zum
kleinen Format gekennzeichnet. Diese Entwicklung in Brahms Schaffen für Klavier, der
Weg von der Sonate zum Charakterstück, ist auch Spiegel der gesamten Klaviermusik des
19. Jahrhunderts nach Schuberts Tod.
Entstanden sind die letzten vier Zyklen von Kompositionen für Klavier solo in Bad Ischl in
den Jahren 1892 und 1893. Das op. 118 ist eine Sammlung von sechs Stücken für Klavier
solo. Wie wenig die Titel der Stücke letztendlich aussagen, mag man auch der Tatsachen
entnehmen, dass die Namensgebung mehrfach geändert wurde. So finden sich die Worte
„Clavierstücke“, „Fantasien“ und „Klavierstücke“ mehrmals durchgestrichen. Am
charakteristischsten erscheint dann noch der auch am häufigsten verwendete Titel
„Intermezzo“. Die Bedeutung „Zwischenspiel“ im Sinne eines Suchens zwischen den Zeilen
scheint noch am ehesten der tiefen Melancholie vieler Stücke gerecht zu werden. Man
könnte die Stücke beinahe schon als Monologe eines Einsamen bezeichnen.
Das Intermezzo op. 118 Nr. 1 geht in seiner freien, improvisierten Form letztendlich auf die
Präludien Bachs aus dem „Wohltemperierten Klavier“ zurück. Auch ein langer Orgelpunkt
im Mittelteil des Stückes ist Spiegel dieser barocken Kunst des Klavierspiels. Gleichwohl
weist Brahms aber bereits im Titel auf den romantischen Impetus des Stückes hin, wenn er
als Satzbezeichnung die Worte „schnell, nicht sehr, aber mit viel Leidenschaft“ wählt.
Ständiges Wechseln der Tonarten, das eine leidenschaftliche Bewegtheit des Stückes
bewirkt, mündet erst ganz am Ende in eine zartes und lichtes Dur.
SONATE FÜR VIOLINE UND KLAVIER „F-A-E-SONATE“, 3. SATZ: SCHERZO
Die „F-A-E-Sonate“ ist in mancherlei Hinsicht etwas Besonderes in der Musikgeschichte. Es
lassen sich wohl keine besseren Worte als der von Robert Schumann geschriebene Titel zur
Erklärung dieser Violinsonate finden:
F.A.E
In Erwartung der Ankunft
des verehrten und geliebten Freundes Joseph Joachim
schrieben diese Sonate
Robert Schumann, Albert Dietrich und Johannes Brahms
Anlass für die Entstehung dieser Sonate bot die Ankunft Joseph Joachims, Stargeiger des 19.
Jahrhunderts und ein Freund von Johannes Brahms, am 14. Oktober 1853 in Düsseldorf.
Dort sollte er ein Konzert mit Orchester sowie eine Soirée mit Robert Schumanns Frau
Clara, einer begnadeten Pianistin, spielen. So findet sich in Schumanns Haushaltsbuch unter
dem Datum des 15. Oktobers 1853 der Eintrag „Idee zu einer Sonate für Joachim“.
Einigendes Moment aller vier Sätze der Gemeinschaftsarbeit der Freunde Albert Dietrich (1.
Satz), Robert Schumann (2. und 4. Satz) und Brahms (3. Satz) ist ein in allen vier Sätzen
auftretendes musikalisches Motiv, das aus dem Lebensmotto Joachims „Frei Aber Einsam“
als musikalisches Kryptogramm abgeleitet ist. Die Freunde präsentierten die Sonate Joseph
Joachim bei einer Soirée im Schumannschen Haus am 28. Oktober 1853 mit der Aufgabe,
Joachim möge den Komponisten eines jeden Satzes herausfinden. Joachim hat diese kleine
Herausforderung wohl mit Leichtigkeit gelöst, nachdem er das Werk mit Clara Schumann
an diesem Abend gespielt hatte.
Brahms Beitrag zu diesem Dokument einer besonderen Freundschaft ist ganz in einem
gespenstischen, wild-romantischen Tonfall gehalten. Kein Zufall, ist doch der Sonatensatz
mit einem beliebten Pseudonym Brahms aus diesen Jahren in Düsseldorf gezeichnet: „Johs.
Kreisler jr. Düsseldorf im Oct. 53“. Brahms nimmt mit seinem Pseudonym Bezug auf E.T.A.
Hoffmanns bekannte literarische Figur des nervösen und reizbaren Kapellmeisters Kreisler.
Brahms identifizierte sich mit dieser echt romantischen Figur in den Jahren 1853/ 54 so
stark, dass „Johannes Kreisler junior“ zu seinem alter ego wurde. Eben die unsteten
Charaktereigenschaften der Romanfigur charakterisieren auch in trefflicher Weise das
Scherzo in seiner nervös vorwärtsdrängenden Art.
TRIO ES-DUR OP. 40 FÜR HORN, VIOLINE UND KLAVIER
Im Sommer 1865 entsteht abseits des Rummels Baden-Badens, der beliebtesten Kurstadt
Europas, der bis heute unumstrittene Gipfel einer seltenen Gattung, des Trios in der
Besetzung Horn, Violine und Klavier. Wie groß die Strahlkraft dieses Werkes von Johannes
Brahms ist, kann man noch an der Widmung des über 100 Jahre später entstandenen
Horntrios von György Ligeti sehen, der seinen Beitrag zu dieser Gattung als „Hommage à
Brahms“ komponierte.
Wie immer in den Sommermonaten hat sich Johannes Brahms in einer eher bescheidenen
Wohnung im Baden-Badener Vorort Lichtenthal heimisch eingerichtet. Im Sommer 1865
beschäftigte Brahms noch immer den wenige Monate zurückliegende Tod seiner Mutter.
Vor diesem Hintergrund hat der Brahms-Biograph Max Kahlbeck das Horntrio auch als
eine Art Trauergesang empfunden, in dem Brahms seiner verstorbenen Mutter gedenkt und
ihren Tod verarbeitet.
Wir wissen, dass Brahms sehr die morgendlichen Spaziergänge im Schwarzwald liebte. Das
Thema zum ersten Satz soll ihm auf einem dieser Spaziergänge eingefallen sein. Und
tatsächlich atmet der Beginn dieses Satzes die friedliche Ruhe des Waldes, ein Eindruck der
vielleicht noch durch die Klangfarbe des Hornes verstärkt wird. Spätestens seit Webers
Freischütz steht das Horn wie kein anderes Instrument für die romantische
Waldeinsamkeit, für die Natur. Das Ursprüngliche findet seine Entsprechung auch darin,
dass dieser erste Satz nicht dem zu erwartenden strengen Formschema eines
Sonatenhauptsatzes folgt, sondern eher dem Profil einer Phantasie entspricht, indem er wie
schwärmerisch improvisiert wirkt.
Auch der zweite Satz steht für ein immer wiederkehrendes Topos des Hornes, dem Topos
der Jagd. Ganz typisch ist der vorwärtstreibende Gestus des Taktes und die typische
Melodiebildung mit ihren „Hornquinten“. Auch das Scherzo beruht auf dem Gegensatz
zwischen der strahlenden und zugleich warmen Naturtonart des Hornes Es-Dur und ihrer
düsteren, gespenstischen Schwester es-moll. So ist der Mittelteil des Scherzos düster und
verhangen, alles andere als eine fröhliche und unbefangene Treibjagd.
Der dritte Satz ist ein hochexpressives Adagio mesto, das alle Zeichen eines Trauergesanges
trägt. Das Klavier eröffnet den Satz mit einem typischen, absteigenden Lamento-Motiv, wie
wir es aus vielen Trauer-Stücken des Barock kennen. Auch die Form des Satzes erinnert an
die für barocke Lamenti typische Passacaglia, einer Aneinanderreihung von Variationen
über dieses Motiv. Eine lastende, beinahe hohle Stimmung macht sich über weite Strecken
des Satzes breit, während tröstliche Momente nur Episode bleiben. Heinrich Reimann
beschreibt die eigentümliche Atmosphäre dieses Satzes in seiner Brahms-Biographie von
1900 mit folgenden Worten: „Von ganz besonderer Eigenart und unendlich tiefer poetischer
Empfindung getragen ist das Adagio lento (sic!), ein thränenreicher Trauergesang, eine
ergreifende Klage um das Nichts des Menschenlebens.“
Der abschließende vierte Satz ist nur vordergründig ein munteres Jagdstück. Immer wieder
bricht ein Hauch von Wehmut, von stiller Sehnsucht, ein Schatten in den Satz. Im Moment
größter Ausgelassenheit ist noch der Geist des Trauergesanges aus dem dritten Satz präsent.
Das Thema dieses Satzes wird zwar als rheinisches Volkslied identifiziert, auch die
Verwandtschaft mit einem Satz aus Schumanns Kreisleriana ist erkennbar, gleichzeitig ist
aber auch der lutherische Choral „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ verarbeitet. Licht
und Schatten, tiefe romantische Empfindsamkeit, machen dieses Werk zu einem
Höhepunkt romantischer Kammermusik.
Autor: Johannes Kurz
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