Skript - TU Dortmund

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Funktionalanalysis
Flavius Guiaş
Email: [email protected]
Technische Universität Dortmund, Wintersemester 2009/10
http://www.mathematik.tu-dortmund.de/lsi/fguias/fa.html
2
Empfohlene Literatur:
M. Dobrowolski: Angewandte Funktionalanalysis, Springer, 2006
J. Appell, M. Väth :Elemente der Funktionalanalysis, Vieweg, 2005
H.W. Alt: Lineare Funktionalanalysis - eine anwendungsorientierte Einführung,
Springer, 1985
Inhaltsverzeichnis
1 Topologische und metrische Räume
1.1 Topologische Räume und stetige Abbildungen
1.2 Metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Kompakte Räume . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Der Banachsche Fixpunktsatz . . . . . . . . .
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2 Banach- und Hilbert-Räume
2.1 Banach-Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Stetige lineare Abbildungen und der normierte Dualraum .
2.3 Räume stetiger Funktionen und der Satz von Arzela-Ascoli
2.4 Die Hölder-Räume C m,α (Ω̄) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Die Räume Lp (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Hilbert-Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Die
3.1
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3.9
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Prinzipien der Funktionalanalysis
29
Der Satz von Baire und das Prinzip der gleich-mäßigen Beschränktheit 29
Basen in Banach-Räumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Das Prinzip der offenen Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Kanonische Projektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Neumannsche Reihe und Spektralradius . . . . . . . . . . . . . . 32
Hahn-Banach Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Lokalkonvexe topologische Vektorräume . . . . . . . . . . . . . . 34
Bidualraum und schwache Topologien . . . . . . . . . . . . . . . 36
Schwache Folgenkompaktheit und reflexive Räume . . . . . . . . 39
4 Sobolev-Räume
4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Definition und grundlegende Eigenschaften . .
4.3 Differenzierbarkeit von Lipschitzfunktionen . .
4.4 Regularität von Gebieten. Transformationssatz
4.5 Die Räume H0m,p . Fortsetzungssatz . . . . . . .
4.6 Einbettungen in Lp (Ω) . . . . . . . . . . . . . .
4.7 Spursätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.8 Kompakte Einbettungen in Lq (Ω) . . . . . . .
3
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4
INHALTSVERZEICHNIS
4.9
Einbettungen in Räume stetiger Funktionen . . . . . . . . . . . .
48
Kapitel 1
Topologische und metrische
Räume
1.1
Topologische Räume und stetige Abbildungen
Definition 1.1
• Eine Topologie τ auf eine Menge X ist ein System von
Teilmengen von X (offene Mengen), mit:
(a) ∅, X offen.
(b) Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist offen.
(c) Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist offen.
• (X, τ ) heißt topologischer Raum.
• Ein topologischer Raum heißt Hausdorff-Raum, wenn gilt:
(T) (Trennungsaxiom): für alle x, y ∈ X, x 6= y, existieren offene Mengen
A, B ∈ τ mit x ∈ A, y ∈ B und A ∩ B = ∅.
• Wenn τ1 , τ2 Topologien auf X sind mit τ1 ⊂ τ2 , dann nennt man τ1 gröber
als τ2 , bzw. τ2 feiner als τ1 .
Die gröbste Topologie auf X ist τ = {∅, X} (keine Hausdorff-Topologie),
während die feinste durch τ = P(X) (die Potenzmenge) gegeben ist (diskrete Topologie).
Definition 1.2
• Sei (X, τ ) ein topologischer Raum und A ⊂ X eine Teilmenge. Die Relativtopologie auf A ist das Mengensystem {M ∩A : M ∈ τ }.
• A ⊂ X heißt abgeschlossen, wenn Ac offen ist (Ac = X \ A).
[
• Das Innere der Menge A ist gegeben durch A◦ =
B⊆A,Boffen
offene Menge ⊆ A).
5
B (größte
6
KAPITEL 1. TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RÄUME
\
• Der Abschluß der Menge A ist gegeben durch Ā =
B (klein-
B⊇A,Babgeschl.
ste abgeschlossene Menge ⊇ A).
Bemerkungen:
• Ā ist abgeschlossen.
• In der diskreten Topologie sind alle Mengen sowohl offen, als auch abgeschlossen.
Definition 1.3 Sei (X, τ ) ein topologischer Raum.
• U ⊂ X offen heißt Umgebung von x ∈ X, wenn x ∈ U .
• x ∈ X heißt:
– innerer Punkt von A ⊂ X, wenn eine Umgebung von x in A enthalten
ist.
– Berührpunkt von A ⊂ X, wenn in jeder Umgebung von x mindestens
ein Punkt von A liegt.
– Randpunkt von A ⊂ X, wenn in jeder Umgebung von x mindestens
ein Punkt von A und mindestens ein Punkt von Ac liegt. Die Menge
der Randpunkte wird mit ∂A bezeichnet.
Lemma 1.4 Sei (X, τ ) ein topologischer Raum und A ⊂ X. Dann gilt:
(a) A offen ⇔ ∀x ∈ A ist innerer Punkt von A.
(b) A abgeschlossen ⇔ ∀x Berührpunkt von A ⇒ x ∈ A.
(c) A◦ ist die Menge der inneren Punkte von A.
(d) Ā ist die Menge der Berührpunkte von A.
Definition 1.5 Sei (X, τ ) ein topologischer Raum. Eine Folge (xk )k∈N heißt
konvergent gegen x ∈ X [limk→∞ xk = x oder xk → x], wenn in jeder Umgebung
von x alle, bis auf endlich viele, Folgenglieder liegen.
Bemerkung: Je gröber die Topologie, desto leichter ergibt sich die Konvergenz
(da “weniger” offene Mengen). Für die Topologie {∅, X} konvergiert sogar jede
Folge gegen jeden x ∈ X, während für die diskrete Topologie nur die Folgen,
welche ab einem Index konstant sind, konvergieren.
Definition 1.6 Seien X, Y topologische Räume. Eine Abbildung f : X → Y
heißt:
• stetig, wenn die Urbilder offener Mengen offen sind.
• offen, wenn die Bilder offener Mengen offen sind.
1.1. TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
7
Bemerkungen:
• jede Abbildung kann stetig gemacht werden, indem man die Topologie auf
X hinreichend verfeinert.
• die Komposition stetiger Abbildungen ist stetig.
• eine Abbildung ist stetig genau dann, wenn die Urbilder abgeschlossener
Mengen abgeschlossen sind.
Definition 1.7 Seien X, Y topologische Räume. Eine Abbildung f : X → Y
heißt Homöomorphismus, wenn sie bijektiv, stetig und f −1 ebenfalls stetig ist.
X, Y heißen dann homöomorph.
Bemerkungen:
• Homöomorphe Räume besitzen die gleiche topologische Struktur, man
kann sie also in dieser Hinsicht identifizieren.
• Im Allgemeinen folgt aus f : X → Y bijektiv und stetig nicht die Stetigkeit
von f −1 . Beispiel: f : [0, 2π) → S 1 , f (t) = (cos t, sin t). Die Räume [0, 2π)
und S 1 sind dabei mit den Relativtopologien aus R bzw R2 versehen.
Definition 1.8 Sei (X, τ ) ein topologischer Raum und x ∈ X.
• Ein System von offenen Teilmengen {Ui }i∈I heißt Umgebungsbasis von x,
wenn jede Umgebung von x eine der Mengen Ui enthält.
• X erfüllt das erste Abzählbarkeitsaxiom, wenn jedes Element von X eine
abzählbare Umgebungsbasis besitzt.
Beispiel: X = Rn , für alle x ∈ X bilden die Kugeln B1/k (x), k ∈ N eine
abzählbare Umgebungsbasis.
Definition 1.9 Seien X, Y topologische Räume. Eine Abbildung f : X → Y
heißt folgenstetig, wenn ∀x ∈ X und ∀xk → x (in X) ⇒ f (xk ) → f (x) (in Y ).
Satz 1.10 Seien X, Y topologische Räume und f : X → Y . Dann gilt:
(a) f stetig ⇒ f folgenstetig.
(b) f folgenstetig, X erfüllt das erste Abzählbarkeitsaxiom ⇒ f stetig.
Lemma 1.11 (X, τ ) erfülle das erste Abzählbarkeitsaxiom, sei A ⊂ X und x
sei Berührpunkt von A. Dann existiert eine Folge (xk ) ⊂ A mit xk → x. Insbesondere ist der Abschluß Ā gleich der Menge der Grenzwerte der konvergenten
Folgen aus A.
8
KAPITEL 1. TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RÄUME
Definition 1.12 Sei X eine beliebige Menge.
• Ein nichtleeres System von Teilmengen {Ui (x)}i∈I heißt lokale Basis von
x ∈ X, wenn x ∈ Ui (x) und ∀i, j ∈ I, ∃k ∈ I mit
Uk (x) ⊂ Ui (x) ∩ Uj (x)
.
• Existiere nun für alle x ∈ X eine lokale Basis und sei A ⊂ X mit x ∈ A.
– x heißt innerer Punkt von A, wenn Ui (x) ⊂ A für ein i ∈ I.
– A heißt offen, wenn alle Punkte von A innere Punkte sind.
Satz 1.13 Die so definierten offenen Mengen bilden eine Topologie auf X. Sind
alle Ui (x) in dieser Topologie offen, so bilden sie eine Umgebungsbasis von x.
Bemerkung: Die Konstruktion von Topologien kann durch Vorgabe eines Systems {Ai }i∈I von offenen Mengen erfolgen. Die Topologie erzeugt von {Ai }i∈I
ist die gröbste Topologie, die
\ dieses Mengensystem enthält. {Ai }i∈I bezeichnet
man als Subbasis und {
Ai }I0 als Basis, da jede offene Menge aus der
i∈I0 (endl.)
Topologie als Vereinigung von Basismengen darstellbar ist.
Definition 1.14 Ein topologischer Raum X erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom,
wenn seine Topologie durch eine abzählbare Basis (oder Subbasis) erzeugt werden kann.
Beispiel: In Rn bilden die offenen Würfel mit rationalen Eckpunkten eine Basis
für die übliche Topologie.
Definition 1.15 Sei X ein topologischer Raum.
• Eine Menge A ⊂ X heißt dicht, wenn Ā = X.
• X heißt separabel, wenn er eine abzählbare dichte Teilmenge besitzt.
Bemerkung: Das zweite Abzählbarkeitsaxiom impliziert sowohl Separabilität,
als auch das erste Abzählbarkeitsaxiom.
Definition 1.16 Seien (X, τX ), (Y, τY ) topologische Räume. Die Produkttopologie auf X × Y ist die gröbste Topologie, die alle Mengen der Form A × B mit
A ∈ τX , B ∈ τY enthält.
Die Konvergenz in X × Y ist damit gegeben durch: (xk , yk ) → (x, y) ⇔
xk → x in X und yk → y in Y .
1.2. METRISCHE RÄUME
1.2
9
Metrische Räume
Definition 1.17 Sei X eine Menge. Eine Abbildung d : X × X → [0, ∞) heißt
Metrik auf X, wenn:
(a) d(x, y) = 0 ⇔ x = y.
(b) d(x, y) = d(y, x) (Symmetrie).
(c) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) (Dreiecksungleichung).
(X, d) heißt metrischer Raum.
Definition 1.18 Sei (X, d) ein metrischer Raum.
• Für zwei Teilmengen A, B ⊂ X definiert man deren Abstand als
dist(A, B) =
inf
x∈A,y∈B
d(x, y).
• Die Kugeln um x mit Radius R sind definiert durch
BR (x) = {y ∈ X : d(x, y) < R}, B̃R (x) = {y ∈ X : d(x, y) ≤ R}.
Bemerkungen:
• Im Allgemeinen gilt nicht immer B̃R (x) = B̄R (x) (der Abschluß von BR ).
z.B. für die diskrete Metrik: d(x, y) = 1, x 6= y und d(x, y) = 0, x = y, gilt
B̃1 (x) = X und B̄1 (x) = {x}.
• Die Kugeln {B1/k (x)}k∈N bilden eine lokale Basis von x ∈ X, welche eine
Hausdorff-Topologie auf X erzeugt. Es gilt insbesondere: A ⊂ X ist offen,
genau dann wenn ∀x ∈ A, ∃k ∈ N mit B1/k (x) ⊂ A.
• Da {B1/k (x)}k∈N eine abzählbare Umgebungsbasis von x bilden, erfüllt
die Topologie auf X das erste Abzählbarkeitsaxiom. Die Stetigkeit von
Abbildungen zwischen metrischen Räumen ist somit äquivalent zur Folgenstetigkeit und die Konvergenz in (X, d) kann man auch mit Hilfe der
Metrik formulieren: xk → x ⇔ ∀ε > 0, ∃K ∈ N mit d(xk , x) < ε, ∀k ≥ K.
• Die Metrik eines metrischen Raumes ist folgenstetig und, mit dem ersten
Abzählbarkeitsaxiom auf X × X, auch stetig.
Definition 1.19
• Eine Folge (xk ) ⊂ X heißt Cauchy-Folge, wenn
∀ε > 0, ∃K ∈ N mit d(xk , xl ) < ε, ∀k, l ≥ K.
• Ein metrischer Raum X heißt vollständig, wenn jede Cauchy-Folge in X
konvergiert.
Lemma 1.20 Sei X ein vollständiger metrischer Raum und A ⊂ X. Dann gilt:
A vollständig ⇔ A abgeschlossen.
10
KAPITEL 1. TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RÄUME
Definition 1.21 Seien (X, dX ), (Y, dY ) zwei metrische Räume.
• Eine Abbildung T : X → Y heißt Isometrie, wenn ∀x, x0 ∈ X gilt:
dY (T x, T x0 ) = dX (x, x0 ).
• Zwei metrische Räume heißen isometrisch, wenn es eine bijektive Isometrie
zwischen ihnen gibt.
Bemerkung: Eine Isometrie ist stets injektiv und stetig. Isometrische Räume
sind gleichzeitig homöomorph. Da die Isometrie auch die Abstände erhält, kann
man isometrische Metrische Räume identifizeren.
Satz 1.22 Sei X ein metrischer Raum. Dann gibt es einen vollständigen metrischen Raum X̃ und eine Isometrie i : X → X̃, so dass i(X) dicht in X̃
ist.
1.3
Kompakte Räume
Definition 1.23 Sei X ein topologischer Raum. Eine Menge A ⊆ X heißt:
(a) kompakt, wenn jedes System von offenen Mengen, das A überdeckt, eine
endliche Teilüberdeckung enthält.
(b) folgenkompakt, wenn jede Folge in A eine konvergente Teilfolge in A besitzt.
(c) relativ kompakt, wenn Ā kompakt ist.
Lemma 1.24 Wenn X das erste Abzählbarkeitsaxiom erfüllt und kompakt ist,
dann ist X auch folgenkompakt.
Satz 1.25 Die Teilmengen eines kompakten Hausdorffraums sind genau dann
kompakt, wenn sie abgeschlossen sind.
Satz 1.26 Wenn ein metrischer Raum folgenkompakt ist, so ist er vollständig.
Definition 1.27 Ein metrischer Raum X heißt präkompakt, wenn es zu jedem
ε > 0 endlich viele offene Kugeln von Radius ε gibt, die X überdecken.
Satz 1.28 Sei X ein vollständiger metrischer Raum und A ⊆ X. Dann gilt:
(a) A kompakt ⇔ A folgenkompakt.
(b) A abgeschlossen und präkompakt ⇔ A kompakt.
(c) A präkompakt ⇔ A relativ kompakt.
Bemerkung: In Rn gilt: A kompakt ⇔ A beschränkt und abgeschlossen (Satz
von Heine-Borel).
Satz 1.29 Ein kompakter metrischer Raum ist separabel.
Satz 1.30 Das stetige Bild eines (folgen)kompakten Raumes ist (folgen)kompakt.
Insbesondere nehmen auf kompakten Räumen stetige, reellwertige Abbildungen
Maximum und Minimum an.
1.4. DER BANACHSCHE FIXPUNKTSATZ
1.4
11
Der Banachsche Fixpunktsatz
Definition 1.31 Seien (X, dX ), (Y, dY ) zwei metrische Räume.
• Eine Abbildung T : X → Y heißt lipschitzstetig, wenn ∀x, x0 ∈ X gilt:
dY (T x, T x0 ) = LdX (x, x0 ) für eine Konstante L > 0 (Lipschitzkonstante).
• Wenn X = Y und L < 1, dann heißt T eine Kontraktion.
Bemerkung: T lipschitzstetig ⇒ T stetig.
Satz 1.32 (Banachscher Fixpunktsatz)
Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum und T : X → X eine Kontraktion. Dann besitzt T genau einen Fixpunkt x̃ (T x̃ = x̃) und die Folge der
sukzesiven Approximationen xk+1 = T xk , x0 ∈ X vorgegeben, konvergiert gegen x̃ für alle Startwerte. Weiterhin gilt die Fehlerabschätzung
d(xk , x̃) ≤
Lk
d(x0 , T x0 ).
1−L
Beispiel: Eine Anwendung auf gewöhniche Differentialgleichungen ẋ = f (t, x(t)),
x(0) = x0 für f : [0, a] × Rn → Rn stetig in t und lipschitzstetig in x liefert ein
Existenz- und Eindeutigkeitsresultat.
12
KAPITEL 1. TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RÄUME
Kapitel 2
Banach- und
Hilbert-Räume
Mit K bezeichne man einen der Räume R oder C.
2.1
Banach-Räume
Definition 2.1 Sei X ein linearer Vektorraum. Eine Abbildung
k · k : X → [0, ∞) heißt Norm auf X, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt
sind:
(a) kxk > 0 für x 6= 0 (Definitheit).
(b) kαxk = |α|kxk für alle α ∈ K (positive Homogenität).
(c) kx + yk ≤ kxk + kyk (Dreiecksungleichung).
Das Paar (X, k · k) heißt normierter Raum.
Wenn nur die Axiome (b) und (c) erfüllt sind, dann heißt die Abbildung k · k
eine Halbnorm.
Aus den Normaxiomen folgt sofort, dass durch d(x, y) = kx − yk eine Metrik
auf X definiert wird. Jeder normierte Raum ist also ein metrischer Raum. Die
Norm k · k ist stetig, wegen kxk = d(x, 0). Konvergente Folgen sind beschränkt:
Wenn xk → x, so gibt es ein K mit kxk k ≤ K. Die linearen Operationen
Addition und Skalarmultiplikation sind stetig:
xk → x und yk → y
⇒
αk → α und xk → x ⇒
xk + yk → x + y
αk xk → αx.
Die Aussagen folgen aus der Dreiecksungleichung und der Homogenität der
Norm.
13
14
KAPITEL 2. BANACH- UND HILBERT-RÄUME
Die Kugeln {B1/k (0)}k∈N bilden eine Nullumgebungsbasis und durch Translationen erhält man eine Umgebungsbasis eines beliebigen Punktes x: B1/k (x) =
x + B1/k (0), wobei für A, B ⊂ X
A ± B := {x ± y : x ∈ A, y ∈ B}.
Definition 2.2 Ein vollständiger normierter Raum heißt Banach-Raum.
Beispiel 2.3
• Der Raum C([a, b]) der stetigen Funktionen auf [a, b] unter
der Norm kxk∞ = maxt∈[a,b] |x(t)| (vgl. Analysis II.)
• Die Räume lp und c0 (N):
Für 1 ≤ p ≤ ∞ ist lp der Banach-Raum der Zahlenfolgen x = (x(1), x(2), . . . ),
x(i) ∈ K, für welche der Ausdruck (die Norm)
!1/p
∞
X
p
kxklp =
für 1 ≤ p < ∞, kxkl∞ = sup |x(i)|
|x(i)|
i=1
i∈N
beschränkt ist.
c0 (N) ist der Banach-Raum der Nullfolgen, versehen mit der Norm k · kl∞ .
Definition 2.4 Zwei Normen k · k1 , k · k2 eines linearen Raumes X heißen
äquivalent, wenn es Konstanten m, M > 0 gibt mit
mkxk1 ≤ kxk2 ≤ M kxk1 , ∀x ∈ X.
Bemerkung: Äquivalente Normen erzeugen die gleiche Topologie.
Satz 2.5 Auf einem endlich dimensionalen Raum sind alle Normen äquivalent.
Endlich dimensionale Räume sind Banach-Räume. Endlich dimensionale Unterräume normierter Räume sind abgeschlossen.
Lemma 2.6 (Rieszsches Lemma)
Ist U ein abgeschlossener echter Unterraum eines Banach-Raums X, so gibt
es zu jedem λ ∈ (0, 1) ein xλ ∈ X mit
kxλ k = 1 und kxλ − uk ≥ λ, ∀u ∈ U.
Satz 2.7 Sei X ein Banach-Raum. Dann gilt: B̃1 (0) ist kompakt ⇔ X ist endlich dimensional.
2.2
Stetige lineare Abbildungen und der normierte Dualraum
Lineare Abbildungen zwischen Vektorräume sind aus der linearen Algebra bekannt. Der Nullraum N (T ) und der Bildraum R(T ) sind ebenfalls lineare Räume.
Falls T stetig ist, so ist der Nullraum als Urbild der abgeschlossenen Menge {0}
auch abgeschlossen.
2.2. STETIGE LINEARE ABBILDUNGEN UND DER NORMIERTE DUALRAUM15
Lemma 2.8 Seien X, Y normierte Räume und T : X → Y eine lineare Abbildung. Dann sind äquivalent:
(a) T ist stetig.
(b) T ist im Nullpunkt stetig.
(c) Der Ausdruck kT kX→Y :=
kT xkY
ist beschränkt.
x∈X,x6=0 kxkX
sup
Bemerkung: Wegen der Eigenschaft (c) nennt man stetige lineare Abbildungen
zwischen normierten Räumen auch beschränkt.
Lemma 2.9 Seien X, Y, Z normierte Räume und T : X → Y, S : Y → Z
stetige lineare Abbildungen. Dann gilt:
(a) kT kX→Y =
sup
kT xkY ,
x∈X,kxkX =1
(b) kT xkY ≤ kT kX→Y kxkX ,
(c) kST kX→Z ≤ kSkY →Z kT kX→Y .
Der Raum der stetigen linearen Abbildungen zwischen den normierten Räumen
X und Y wird mit L(X, Y ) bezeichnet. Falls X = Y schreiben wir L(X). Die
Norm einer stetigen linearen Abbildung kT kX→Y heißt auch Operatornorm von
T . Sie ist die kleinste Konstante C für welche gilt: kT xkY ≤ CkxkX , ∀x ∈ X.
Satz 2.10 (L(X, Y ), k · kX→Y ) ist ein normierter Raum. Wenn Y ein BanachRaum ist, so ist auch L(X, Y ) ein Banach-Raum.
Beispiel 2.11
(a) T : Rn → Rn , T x = Ax für eine n × n-Matrix A.
(b) T1 : lp → lp , T1 x := (x(2), x(3), . . . ) (Linksverschiebung).
(c) T2 : lp → lp , T2 x := (0, x(1), x(2), . . . ) (Rechtsverschiebung).
(d) Sei T : C([0, 1]) → C([0, 1]) definiert durch
Z t
T x(t) =
x(s)ds.
0
T ist offenbar eine lineare Abbildung mit kT xk∞ ≤ kxk∞ . Die Wahl der
Konstanten Funktion x(t) = 1 impliziert kT k∞→∞ = 1.
Definition 2.12 Für einen normierten Raum X heißt der Raum L(X, K) der
Dualraum von X und wird mit X 0 bezeichnet. Die entsprechende Norm ist
gegeben durch k · kX 0 = k · kX→K . Die Elemente f ∈ X 0 heißen stetige lineare
Funktionale.
16
KAPITEL 2. BANACH- UND HILBERT-RÄUME
Bemerkung: Satz 2.10 impliziert dass der Dualraum eines normierten Raumes
ein Banach-Raum ist.
Beispiel 2.13
(a) Das Funktional f : C([−1, 1]) → R mit
Z 0
Z
f x(t) = −
x(s)ds +
−1
1
x(s)ds
0
ist linear mit |f x| ≤ 2kxk∞ . Trotzdem wird das Supremum in der Operatornorm nicht angenommen. Betrachte dazu eine Folge stetiger, stückweise
linearer Funktionen (xk ) mit xk → sign(x) punktweise und |f xk | → 2.
(b) (Dualräume von lp )
Für 1 < p < ∞ gilt lp0 ∼
= lq mit
0 ∼
c0 (N) = l1 .
1
p
+
1
q
= 1 und l10 ∼
= l∞ . Weiterhin gilt
Satz 2.14 Seien X, Y Banach-Räume, M ein dichter Unterraum von X und
T : M → Y stetig und linear. Dann gibt es genau eine Fortsetzung T̃ ∈ L(X, Y )
mit T̃ |M = T und kT kM →Y = kT̃ kX→Y .
Definition 2.15 Seien X, Y Banach-Räume. Eine Abbildung T : X → Y heißt
kompakt, wenn sie beschränkte Mengen in X auf relativ kompakte Mengen in
Y abbildet.
Bemerkung: Eine kompakte lineare Abbildung ist stetig, denn das Bild der abgeschlossenen Einheitskugel ist beschränkt, so dass kT kX→Y = supkxkX =1 kT xkY
existiert. Äquivalent kann man kompakte Abbildungen dadurch charakterisieren, dass sie beschränkte Folgen auf Folgen abbilden, die eine konvergente Teilfolge besitzen.
Definition 2.16 Seien X, Y Banach-Räume mit X ⊂ Y .
Wir sagen, dass X eingebettet werden kann in Y und schreiben dann X → Y ,
wenn X ein Unterraum von Y ist mit stetiger Identität Id : X → Y, Id(x) = x.
Es gilt dann die Abschätzung kxkY ≤ ckxkX , ∀x ∈ X.
Die Einbettung X → Y heißt kompakt, wenn die Identität eine kompakte
lineare Abbildung ist.
Die Einbettung X → Y heißt dicht, wenn Id(X) dicht in Y ist.
Beispiel 2.17
• Die Einbettungen lp → lq für 1 ≤ p ≤ q ≤ ∞ sind stetig.
• Die Einbettung lp → l∞ ist nicht kompakt.
• Die Abbildung T : l∞ → l∞ , (T x)(i) = x(i)/i ist kompakt.
Lemma 2.18 Seien X, Y, Z Banach-Räume mit Einbettungen X → Y → Z.
Wenn eine dieser Einbettungen kompakt ist, so ist auch die Einbettung X → Z
kompakt.
2.3. RÄUME STETIGER FUNKTIONEN UND DER SATZ VON ARZELA-ASCOLI17
2.3
Räume stetiger Funktionen und der Satz von
Arzela-Ascoli
Sei X ein kompakter metrischer Raum und C(X) der Raum der auf X stetigen, K-wertigen Funktionen versehen mit der Norm kuk∞ = supx∈X |u(x)| =
maxx∈X |u(x)| (da X kompakt und u und k · k stetig).
Satz 2.19 (C(X), k · k∞ ) ist ein Banach-Raum.
Definition 2.20 Eine Menge E ⊂ C(X) heißt gleichgradig stetig, wenn es zu
jedem ε > 0 ein δ > 0 gibt mit |u(x) − u(y)| ≤ ε für alle x, y ∈ X mit d(x, y) ≤ δ
und für alle u ∈ E.
Bemerkung: Ein Beispiel für eine nicht gleichgradig stetige Funktionenmenge
ist uα (x) = xα ∈ C([0, 1]) für 0 < α ≤ 1.
Satz 2.21 (Arzela-Ascoli)
Eine Menge E ⊂ C(X) ist genau dann relativ kompakt, wenn sie beschränkt
und gleichgradig stetig ist.
2.4
Die Hölder-Räume C m,α (Ω̄)
Definition 2.22
ist.
(i) Ω ⊂ Rn heißt Gebiet, wenn Ω offen und zusammenhängend
(ii) Ω0 heißt kompakt enthalten in Ω: Ω0 ⊂⊂ Ω, wenn Ω̄0 kompakt und in Ω
enthalten ist.
(iii) Für eine Funktion u : Ω → K heißt supp(u) = {x ∈ Ω : u(x) 6= 0} der
Träger (engl. support) von u.
Bemerkung: Wenn Ω0 ⊂⊂ Ω, so gilt dist(Ω0 , ∂Ω) > 0.
Definition 2.23 Sei Ω ⊂ Rn ein Gebiet.
(i) Für m ∈ N0 ist C m (Ω) der Raum der K-wertigen Funktionen auf Ω, welche
m-mal stetig differenzierbar sind.
T∞
(ii) C ∞ (Ω) = m=0 C m (Ω) ist der Raum der unendlich oft differenzierbaren
Funktionen.
(iii) C0m (Ω) und C0∞ (Ω) sind die Unterräume von C m (Ω) bzw. C ∞ (Ω), die aus
Funktionen mit kompaktem Träger in Ω bestehen.
Bemerkung: Die Funktionen in C0m (Ω) besitzen einen Träger mit positiven
Abstand zu ∂Ω, d.h. ihre Ableitungen verschwinden in einer Umgebung von
∂Ω.
18
KAPITEL 2. BANACH- UND HILBERT-RÄUME
Definition 2.24 Ein Multiindex ist ein Vektor α = (α1 , . . . , αn )T mit αi ∈ N0
mit den Konventionen
|α| =
n
X
i=1
αi , α! =
n
Y
αn
α
1
αi !, xα = xα
1 . . . xn , D u =
i=1
1
∂xα
1
∂ |α|
u,
n
. . . ∂xα
n
sowie
α ≤ β ⇔ αi ≤ βi für i = 1, . . . , n.
Definition 2.25 C 0 (Ω̄) ist der Raum der in Ω beschränkten und gleichmäßig
stetigen Funktionen. C m (Ω̄) ist der Unterraum von C m (Ω), der aus den Funktionen besteht, die beschränkte und gleichmäßig stetige Ableitungen für alle
|α| ≤ m besitzen. Auf C m (Ω̄) definieren wir
kukm,∞ = max sup |Dα u(x)|
|α|≤m x∈Ω
(oder, äquivalent: kukm,∞ = |α|≤m supx∈Ω |Dα u(x)|).
Bemerkung: Man kann eine Funktion u in C 0 (Ω̄) auf eindeutige Weise zu
einer auf Ω̄ stetigen Funktion fortsetzen. Für beschränkte Ω (also kompakte Ω̄ )
stimmt dieser Raum mit C(Ω̄) überein. Für unbeschränkte Ω stimmt dies nicht:
es gilt zwar R̄n = Rn , aber C 0 (R̄n ) 6= C 0 (Rn ).
P
Definition 2.26 Eine Funktion u : Ω → R heißt hölderstetig mit Exponent
α, 0 < α < 1, wenn für alle x, y ∈ Ω gilt
|u(x) − u(y)| ≤ c|x − y|α
(2.1)
mit einer positiven Konstante c. Falls die Ungleichung für α = 1 erfüllt wird,
nennen wir die Funktion u lipschitzstetig. Die kleinstmögliche Konstante c in
(2.1) bezeichnet man durch
[u]C α = sup
x6=y
|u(x) − u(y)|
.
|x − y|α
Bemerkung: Eine hölder- oder lipschitzstetige Funktion ist gleichmäßig stetig.
Definition 2.27 C m,α (Ω̄), m ∈ N0 , 0 < α ≤ 1 ist der Unterraum der Funktionen in C m (Ω̄), deren Ableitungen von der Ordnung ≤ m hölderstetig mit
Exponent α bzw. lipschitzstetig sind. Für u ∈ C m,α (Ω̄) definieren wir
kukC m,α = kukm,∞ + max [Dγ u]C α .
|γ|=m
Für α = 0 definieren wir C m,0 = C m .
Satz 2.28 C m,α (Ω̄) ist Banach-Raum unter der Norm k · kC m,α .
Satz 2.29 Sei Ω ein beschränktes Gebiet. Für alle m ∈ N0 und 0 ≤ α < β ≤ 1
existiert die Einbettung C m,β → C m,α und ist kompakt.
2.5. DIE RÄUME LP (Ω)
19
Die Räume Lp (Ω)
2.5
Sei Ω ein Gebiet in Rn (offene, zusammenhängende Menge). Auf den meßbaren Funktionen auf Ω definiert man eine Äquivalenzrelation durch u ∼ v ⇔
u = v f.ü. auf Ω. Statt einzelne Funktionen, betrachten wir die zugehörigen
Äquivalenzklassen, d.h. wir identifizieren die Funktionen, die außerhalb einer
Nullmenge übereinstimmen. Das Lebesgue-Maß wird mit µ bezeichnet.
Definition 2.30 Für 1 ≤ p < ∞ besteht der Raum Lp (Ω) aus allen meßbaren
Funktionen u (reell- oder komplexwertig), so dass |u|p integrierbar auf Ω ist.
Dabei definiert man
Z
|u(x)|p dx)1/p .
kukp;Ω = (
Ω
Eine meßbare Funktion u gehört zum Raum L∞ (Ω), wenn sie wesentlich
beschränkt ist, d.h. sup |u(x)| < ∞ für eine Nullmenge N erfüllt ist. Man
x∈Ω\N
definiert
kuk∞;Ω =
inf
sup |u(x)|.
µ(N )=0 x∈Ω\N
Lploc (Ω) ist der Raum der Funktionen, die für jede beschränkte, offene Teilmenge Ω0 ⊂⊂ Ω (d.h. Ω̄0 ⊂ Ω und kompakt) zu Lp (Ω0 ) gehören.
Lemma 2.31 (Höldersche Ungleichung)
Sei 1 < p, q < ∞ mit 1/p + 1/q = 1 (konjugierte Exponenten). Wenn
u ∈ Lp (Ω) und v ∈ Lq (Ω), dann ist uv ∈ L1 (Ω) und es gilt:
kuvk1;Ω ≤ kukp;Ω kvkq;Ω .
Satz 2.32 Für 1 ≤ p ≤ ∞ sind die Räume Lp (Ω) Banach-Räume unter der
Norm k · kp;Ω .
Satz 2.33 Sei µ(Ω) < ∞. Dann gilt:
(a) Sei 1 ≤ p ≤ q ≤ ∞. Dann gehört jedes u ∈ Lq (Ω) auch zum Raum Lp (Ω)
und genügt der Abschätzung
kukp;Ω ≤ µ(Ω)1/p−1/q kukq;Ω ,
wobei q −1 = 0 für q = ∞ gesetzt wird.
(b) Wenn für alle 1 ≤ p < ∞ die Funktion u ∈ Lp (Ω) ist mit kukp ≤ K, dann
ist auch u ∈ L∞ (Ω) mit kuk∞ ≤ K.
Lemma 2.34 C00 (Rn ) ist dicht in Lp (Rn ) für 1 ≤ p ≤ ∞.
Bemerkung: Die Behauptung gilt ebenfalls für beliebige Gebiete Ω ⊂ Rn . Im
Satz 2.39 werden wir jedoch ein allgemeineres Resultat beweisen.
20
KAPITEL 2. BANACH- UND HILBERT-RÄUME
Satz 2.35 Für 1 ≤ p < ∞ ist die Translation in Lp (Rn ) stetig, d.h. für alle
h ∈ Rn gilt limt→0 ku(· + th) − u(·)kp = 0.
Lemma 2.36 Falls µ(Ω) < ∞, so gilt kuk∞;Ω = limp→∞ kukp;Ω für alle meßbaren Funktionen u.
Definition 2.37 Ein Mollifier (glättender Kern) ist eineR Funktion J ∈ C0∞ (Rn )
mit den Eigenschaften J ≥ 0, J(x) = 0 für |x| > 1 und J(x)dx = 1.
Beispiel:
1
für |x| < 1
k exp(− 1−|x|
2)
0
sonst,
R
wobei k so gewählt wird, dass Jdx = 1.
R
Setze Jε (x) = ε−n J(x/ε). Damit ist Jε (x) = 0 für |x| ≥ ε und Jε = 1. Das
Faltungsprodukt
Z
(Jε ∗ u)(x) =
Jε (x − y)u(y)dy
J(x) =
Rn
heißt Regularisierung (Glättung) von u. In Jε ∗ u(x) gehen nur die Werte in
einer ε-Umgebung von x ein. Daher kann Jε ∗ u(x) als ein verallgemeinerter
Mittelwert von u angesehen werden. Insbesondere ist der Träger von Jε ∗ u um
eine ε-Umgebung größer als der Träger von u.
Lemma 2.38 Sei u ∈ Lp (Rn ) für 1 ≤ p < ∞ und Jε wie oben. Dann gilt:
(i) Jε ∗ u ∈ Lp (Rn ) ∩ C ∞ (Rn ) und kJε ∗ ukp ≤ kukp .
(ii) Jε ∗ u → u in Lp (Rn ) für ε → 0.
Satz 2.39 C0∞ (Ω) ist dicht in Lp (Ω) für 1 ≤ p < ∞.
Korollar 2.40 Lp (Ω) ist separabel für 1 ≤ p < ∞.
Lemma 2.41 Sei X ein metrischer Raum. Angenommen für jedes ε > 0 existiert ein δ > 0, ein metrischer Raum Wε und eine Abbildung Fε : X → Wε mit
den Eigenschaften:
• Fε (X) ist präkompakt (beschränkt, falls Wε endlichdimensionaler normierter Raum).
• Falls dWε (F (x), F (y)) < δ für x, y ∈ X, so gilt dX (x, y) < ε.
Dann ist X präkompakt.
Satz 2.42 (Satz von Kolmogorov-Riesz)
Sei 1 ≤ p < ∞. Eine Menge E ⊂ Lp (Rn ) ist genau dann relativ kompakt,
wenn:
(i) E ist beschränkt,
2.6. HILBERT-RÄUME
21
(ii) supu∈E kukp;Rn \BR (0) → 0 für R → ∞,
(iii) supu∈E ku(· + h) − ukp → 0 für |h| → 0.
Bemerkung: Die Bedingungen (ii) und (iii) sind äquivalent zu:
(ii)’ Für alle ε > 0, existiert ein R > 0, so dass
Z
|u(x)|p dx < εp
|x|>R
für alle u ∈ E,
(iii)’ Für alle ε > 0, existiert ein ρ > 0, so dass
Z
|u(x + h) − u(x)|p dx < εp
Rn
für alle u ∈ E und alle h mit |h| < ρ.
Sei 1 ≤ p ≤ ∞, und q mit 1/p + 1/q = 1 der konjugierte Exponent. Jedem
u ∈ Lq (Ω) kann ein L(u) ∈ Lp (Ω)0 zugeordnet werden durch
Z
L(u)(v) =
uvdx, ∀v ∈ Lp (Ω).
Ω
Die Höldersche Ungleichung impliziert |L(u)(v)| ≤ kukq kvkp , d.h. L(u) Rist stetig
mit kL(u)k ≤ kukq . Außerdem ist L injektiv, denn L(u)
R = 0 impliziert uv = 0
für alle v ∈ Lp , speziell für v = |u|q−2 u. Damit ist |u|q = 0, also u = 0. Die
Frage ist nun, für welche p die Abbildung L surjektiv ist.
Satz 2.43 (Rieszscher Darstellungssatz für Lp (Ω))
Sei 1 ≤ p < ∞ und L ∈ Lp (Ω)0 . Dann gibt es genau ein u ∈ Lq (Ω) mit
L = L(u), d.h.
Z
uvdx, ∀v ∈ Lp (Ω).
L(v) =
Ω
Weiter gilt kukq = kLkLp (Ω)0 , also Lp (Ω)0 ∼
= Lq (Ω).
Bemerkung:
Es ist L∞ (Ω)0 ∼
6= L1 (Ω).
2.6
Hilbert-Räume
Definition 2.44 Sei X ein linearer Raum über K. Eine Abbildung (·, ·) : X ×
X → K heißt inneres Produkt (Skalarprodukt) in X, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
(a) (α1 x1 + α2 x2 , x3 ) = α1 (x1 , x3 ) + α2 (x2 , x3 ) (Linearität),
(b) (x1 , x2 ) = (x2 , x1 ) (Antisymmetrie),
22
KAPITEL 2. BANACH- UND HILBERT-RÄUME
(c) (x, x) > 0 für x 6= 0 (Definitheit)
erfüllt sind, wobei αi ∈ K, xi ∈ X und z̄ die komplexe Konjugation bezeichnet
(falls z ∈ R, bzw. wenn K = R gilt natürlich z̄ = z).
Bemerkung: Wegen (b) ist (x, x) ∈ R. Aus (a) und (b) folgt, dass das innere
Produkt eine Sesquilinearform ist, d.h. linear in der ersten Komponente und
antilinear in der zweiten:
(x1 , α2 x2 + α3 x3 ) = (α2 x2 + α3 x3 , x1 ) = ᾱ2 (x1 , x2 ) + ᾱ3 (x1 , x3 ).
Falls K = R ist dass innere Produkt eine Bilinearform.
Lemma 2.45 (Cauchy-Ungleichung)
In einem Raum X mit innerem Produkt gilt für alle x, y
|(x, y)| ≤ kxkX kykX ,
wobei kxkX = (x, x)1/2 .
Lemma 2.46 kxkX = (x, x)1/2 ist eine Norm auf X.
Bemerkung: Aus der Cauchy-Ungleichung folgt die Stetigkeit des inneren Produkts auf X × X.
Lemma 2.47 (Parallelogramm-Gleichung)
2kxk2X + 2kyk2X = kx + yk2X + kx − yk2X .
Definition 2.48 Ein linearer Raum mit innerem Produkt, der vollständig ist
bezüglich der induzierten Norm k · kX = (·, ·)1/2 heißt Hilbert-Raum.
Beispiele:
(i) Sei (·, ·)X ein inneres Produkt auf Rn . Mit (·, ·) bezeichne man den üblichen
Skalarprodukt. Definiere die Matrix A = (aij ) mit aij = (ei , ej )X . Aus den
Axiomen folgt, dass A symmetrisch und positiv definit ist, d.h. AT = A
und (Ax, x) > 0 für x 6= 0 und dass (x, y)X = (Ax, y) gilt. Jedes innere
Produkt auf Rn kann also durch eine solche Matrix A dargestellt werden.
(ii) Der Folgenraum l2 ist ein Hilbert-Raum mit dem inneren Produkt
(x, y) =
∞
X
x(i)y(i).
i=1
(iii) Der Raum L2 (Ω) ist ein Hilbert-Raum mit dem inneren Produkt
Z
(u, v) =
u(x)v(x)dx.
Ω
2.6. HILBERT-RÄUME
23
Jedem x ∈ X kann ein lineares Funktional durch fx (y) = (y, x) zugeordnet
werden, das wegen |fx (y)| ≤ kykX kxkX stetig ist. Sie ist zusätzlich auch bijektiv:
Satz 2.49 (Rieszscher Darstellungssatz)
(a) Zu jedem stetigen linearen Funktional f in einem Hilbert-Raum X gibt es
genau ein x ∈ X mit
(y, x) = f (y), ∀y ∈ X
(2.2)
und kf kX 0 = kxkX . Die zugehörige Abbildung j : X → X 0 , x 7→ (·, x) ist
eine bijektive, antilineare Isometrie.
(b) Das x in (2.2) ist auch die eindeutig bestimmte Lösung des Problems
miny∈X F (y) mit
F (y) = (y, y) − 2Re f (y).
Durch den Riezschen Darstellungssatz kann man den Hilbert-Raum X mit
seinem Dual X 0 identifizieren, auch wenn die konstruierte Isometrie antilinear
(und nicht linear) ist.
Definition 2.50 (a) Zwei Elemente x, y eines Hilbert-Raums heißen orthogonal, wenn (x, y) = 0, was auch mit x ⊥ y bezeichnet wird.
(b) Zu einer Teilmenge A ⊆ X heißt
A⊥ = {x ∈ X : x ⊥ A}
das orthogonale Komplement von A.
(c) Zu einem Unterraum A ⊆ X definieren wir die orthogonale Projektion
P : X → A durch (P x, y) = (x, y), ∀y ∈ A. Daher gilt x − P x ⊥ A.
Bemerkung: Für x ∈ A gilt P x = x. A⊥ ist als Durchschnitt der Nullräume
von fy (x) = (x, y), y ∈ A ein abgeschlossener Unterraum. Weiterhin folgt direkt
aus der Definition, dass A ⊂ A⊥⊥ = (A⊥ )⊥ .
Satz 2.51 (Projektionssatz)
Sei A ein nichtleerer abgeschlossener Unterraum eines Hilbert-Raums X.
(a) Die Projektionsabildung P aus Definition 2.50 existiert, ist eindeutig bestimmt und erfüllt kx−P xkX = inf y∈A kx−ykX = dist(x, A). P ist linear,
stetig und, falls A 6= {0}, so gilt kP kX→X = 1.
(b) Zu jedem x ∈ X gibt es eine eindeutige Darstellung x = y + z mit y =
P x ∈ A und z ∈ A⊥ .
(c) Es gilt A = A⊥⊥ .
24
KAPITEL 2. BANACH- UND HILBERT-RÄUME
Definition 2.52 Eine Sesquilinearform b : X × X → K heißt beschränkt, wenn
es eine Konstante cb ≥ 0 gibt mit
|b(x, y)| ≤ cb kxk · kyk, ∀x, y ∈ X.
Sie heißt koerziv, wenn es eine Konstante ce > 0 gibt, mit
|b(x, x)| ≥ ce kxk2 , ∀x ∈ X.
Satz 2.53 (Quadratisches Variationsproblem)
Sei b(·, ·) eine symmetrische, beschränkte und koerzive Bilinearform auf dem
reellen Hilbertraum X und sei f ∈ X 0 gegeben. Dann gilt:
(a) Das Variationsproblem
F (x) :=
1
b(x, x) − f (x) → Min!
2
(2.3)
besitzt eine eindeutige Lösung x ∈ X.
(b) Das Problem (2.3) ist äquivalent zu der Variationsgleichung
b(x, y) = f (y) für alle y ∈ X.
(2.4)
Definition 2.54 Für eine symmetrische, beschränkte und koerzive Bilinearform b(·, ·) auf dem reellen Hilbert-Raum X definiere durch
(x, y)E := b(x, y), für alle x, y ∈ X
1/2
den Energie-Skalarprodukt entsprechend zu b. Der Ausdruck k · kE := (·, ·)E
nennt man Energienorm und XE := (X, k · kE ) ist der zur Bilinearform b entsprechende Energieraum.
Satz 2.55 Der Energieraum XE ist ein Hilbert-Raum und es gilt
ce kxk2 ≤ kxkE ≤ cb kxk2 ,
d.h. die Energienorm ist äquivalent zur ursprünglichen Norm.
Beispiel: Betrachte eine elastische Saite auf dem Intervall I = [0, 1] befestigt
zwischen den Punkten x = 0 und x = 1, welche in jedem Punkt x einer Kraftdichte f (x) ausgesetzt wird. Sei u(x) die entsprechende Auslenkung. Die Gesamtenergie ist gegeben durch
Z
1 1 02
(u − uf ) dx,
F (u) =
2 0
R1
wobei kukE = b(u, u) := 0 u02 dx das Doppelte der elastischen Energie darstellt
R1
und −f (u) := − 0 uf dx die potentielle Energie entsprechend der Kraftdichte
2.6. HILBERT-RÄUME
25
R1
f ist. Die entsprechende Bilinearform ist b(u, v) = 0 u0 v 0 dx d.h. zunächst ist F
¯ : u(0) = u(1) = 0} definiert. Um das
nur auf dem Raum {u ∈ C 1 (I) ∩ C(I)
Minimierungsproblem auf einem Hilbert-Raum formulieren zu können, müssen
wir den Abschluß dieses Raumes glatter Funktionen in einer geeigneten Norm
(erzeugt von einem Skalarprodukt) betrachten. Bekanntlich ist der Abschluß
eines solchen Raumes in der L2 -Norm der ganze Raum L2 (I), wo die Ableitungen
zunächst nicht definiert sind. Betrachte also der Abschluss H01 (I) des Raumes
C0∞ (I) in der Norm k · kL2 + k· kE . Durch die Approximationseigenschaft von
Funktionen mit kompaktem Träger (d.h. = 0 in einer Umgebung des Randes
∂I) kann man die Randwerte der Funktionen aus H01 (I) als 0 betrachten. Auch
aufgrund dieser Dichtheit kann man die entsprechende Variationsgleichung auch
so formulieren: Gesucht wird ein u ∈ H01 (I) mit
Z 1
Z 1
u0 v 0 dx =
f vdx für alle v ∈ C0∞ (I)
(2.5)
0
0
(anstatt für alle v ∈ H01 (I)). Im Kapitel über Sobolev-räume werden die Eigenschaften des Raumes H01 (I) ausführlich besprochen. Aufgrund der Approximationseigenschaft durch glatte Funktionen in der Norm k · kL2 + k· kE ergibt
sich die Existenz der Ableitung u0 ∈ L2 (I) in einem verallgemeinerten Sinn. Für
dieses u0 gilt nämlich
Z 1
Z 1
u0 φdx = −
uφ0 dx für alle φ ∈ C0∞ (I).
0
0
Dies ist die partielle Integration unter der Berücksichtigung dass φ = 0 auf dem
Rand ∂I ist.
Für ein besseres Verständnis betrachte jedoch die Gleichung (2.5) zunächst
nur für glatte u. Falls sogar u ∈ C 2 gilt, so erhält man nach partieller Integration
unter Berücksichtigung der Randbedingungen
Z 1
Z 1
−
u00 vdx =
f vdx für alle v ∈ C0∞ (I),
0
0
woraus die Differentialgleichung −u00 = f mit u(0) = u(1) = 0 folgt. Für beliebige f ∈ L2 [0, 1] ist diese Gleichung im Allgemeinen nicht im klassischen
Sinne lösbar. Trotzdem gibt es nach Satz 2.53 eine verallgemeinerte (“schwache”) Lösung u ∈ H01 [0, 1] der Gleichung b(u, v) = f (v) für alle v ∈ H01 (I). Es
muss nur noch die Koerzivität der Bilinearform b(·, ·) nachgewiesen werden. Wir
zeigen dies zunächst für glatte u mit u(0) = 0. Aus
2
Z
u (x) =
x
2 Z
u (y)dy) ≤
0
0
1
2 Z
|u (y|)dy) ≤
0
0
0
folgt nach Integration die Poincaré-Ungleichung:
Z 1
Z 1
u2 dx ≤
u02 dx,
0
0
1
|u0 (y|2 dy
26
KAPITEL 2. BANACH- UND HILBERT-RÄUME
d.h. kuk2L2 ≤ kuk2E . Daraus folgt, dass
b(u, u) = kuk2E ≥
1
1
(kuk2L2 + kuk2E ) ≥ (kukL2 + kukE )2 ,
2
4
für alle u ∈ C 1 mit u(0) = 0. Durch die Approximationseigenschaft der H01
Funktionen mit C0∞ -Funktionen ergibt sich die Koerzivität von b(·, ·) auf dem
ganzen Hilbert-Raum H01 (I).
Für eine Sesquilinearform b : X × X → K und f ∈ X 0 betrachte ebenfalls
die Gleichung
b(y, x̃) = f (y) für alle y ∈ X
mit der Unbekannten x̃. Nach dem Rieszschen Darstellungssatz ist diese äquivalent
zu
b(y, x̃) = (y, x) für alle y ∈ X
für ein x ∈ X. Die Existenz der Lösung x̃ = Rx = R̃f wird im nächsten Satz
bewiesen.
Satz 2.56 (Lax-Milgram für Sesquilinearformen)
Sei b(·, ·) eine beschränkte und koerzive Sesquilinearform auf dem HilbertRaum X. Dann gibt es ein bijektives R ∈ L(X), so dass für jedes x ∈ X
b(y, Rx) = (y, x), ∀y ∈ X.
(2.6)
−1
Weiterhin gilt kRk ≤ c−1
k ≤ cb .
e , kR
Bemerkung:
(i) Nach dem Rieszschen Darstellungssatz gibt es damit einen stetigen Operator R̃ : X 0 → X mit b(y, R̃f ) = f (y) für alle y ∈ X. Der Operator R̃
genügt den gleichen Abschätzungen wie R.
(ii) Sei X ∗ der Raum der stetigen, antilinearen Funktionale auf X, also der
stetigen f mit f (x+y) = f (x)+f (y) und f (αx) = ᾱf (x). Da die komplexe
Konjugation f 7→ f¯ eine bijektive, antilineare Isometrie zwischen X 0 und
X ∗ ist, besitzen die beiden Räume die gleiche Struktur. Man nennt X ∗
den Antidualraum von X. Im Zusammenhang mit den Hilbert-Räumen
ist er natürlicher als der Dualraum, denn in vielen Anwendungen ist zu
f ∈ X ∗ ein R∗ f ∈ X gesucht mit b(R∗ f, y) = f (y), ∀y ∈ X. Man führt
dieses Problem auf (2.6) zurück indem man diese Gleichung auf beide
Seiten komplex konjugiert und b∗ (x, y) = b(x, y) setzt. b∗ ist ebenfalls
eine beschränkte, koerzive Sesquilinearform, adjungierte Sesquilinearform
genannt, und die zugehörige rechte Seite f¯ liegt in X 0 . Die Abbildung
R∗ : X ∗ → X besitzt die gleichen Stetigkeitseigenschaften wie R.
2.6. HILBERT-RÄUME
27
Sei X ein Hilbert-Raum über K und {x0 , x1 , . . . } ein abzählbares Orthonormalsystem, d.h. (xk , xl ) = δkl für alle k, l ∈ N0 . Wir untersuchen die Konvergenz
in X der abstrakten Fourierreihe
x=
∞
X
(x, xn )xn .
(2.7)
n=0
Definition 2.57 Ein Orthonormalsysten heißt vollständig, falls (2.7) für alle
x ∈ X gilt.
Proposition 2.58 P
Sei {xn } ein Orthonormalsystem in X und betrachte die
∞
konvergente Reihe n=0 cn xn =: x ∈ X, wobei cn ∈ K. Dann gilt cn = (x, xn )
für alle n.
Proposition 2.59 (kleinste Quadrate - Approximation)
und f : Km+1 → R gegeben durch
Sei x ∈ X, {xn } ein Orthonormalsystem
Pm
2
f (c0 , c1 , . . . cm ) := kx − n=0 cn xn k . Dann wird das Minimum von f für die
Fourierkoeffizienten cn = (x, xn ) erreicht.
Korollar 2.60 (Besselsche Ungleichung)
Es gilt
m
X
|(x, xn )|2 ≤ kxk2 , für alle x ∈ X und alle m.
n=0
Proposition 2.61 (Konvergenzkriterium)
P∞
Sei {xn } ein Orthonormalsystem im Hilbert-RaumPX. Die Reihe n=0 cn xn
∞
mit cn ∈ K konvergiert genau dann, wenn die Reihe n=0 |cn |2 konvergiert.
P∞Durch die Besselsche Ungleichung folgt daraus, dass die Fourierreihe
n=0 (x, xn )xn für alle x ∈ X konvergiert. Die Summe y dieser Reihe ist
möglicherweise verschieden von x. Falls das Orthonormalsystem vollständig ist,
gilt jedoch y = x.
Satz 2.62 Sei {xn } ein Orthonormalsystem im Hilbert-Raum X. Dann sind
äquivalent:
(a) Das System {xn } ist vollständig.
(b) Der Raum span{xn } ist dicht in X.
28
KAPITEL 2. BANACH- UND HILBERT-RÄUME
Satz 2.63 (Parsevalsche Gleichung)
Sei {xn } ein vollständiges Orthonormalsystem im Hilbert-Raum X. Dann
gilt:
(a) (x, y) =
∞
X
(x, xn )(y, xn ) für alle x, y ∈ X.
n=0
(b) kxk2 =
∞
X
|(x, xn )|2 .
n=0
Satz 2.64 Jeder separable Hilbert-Raum X 6= {0} besitzt ein vollständiges
Orthonormalsystem.
Beispiel: Die Funktionen u0 (x) = (2π)−1/2 , u2m−1 (x) = π −1/2 cos mx, u2m (x) =
π −1/2 sin mx bilden einen vollständigen Orthonormalsystem in L2 (−π, π).
Kapitel 3
Die Prinzipien der
Funktionalanalysis
3.1
Der Satz von Baire und das Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit
Definition 3.1 Sei X ein topologischer Raum und A ⊆ X.
(i) A heißt nirgends dicht, wenn Ā keine inneren Punkte enthält.
(ii) A heißt mager oder von erster Kategorie, wenn A sich als abzählbare
Vereinigung nirgends dichter Mengen darstellen läßt.
(iii) Eine Menge A die nicht von erster Kategorie ist, heißt auch von zweiter
Kategorie.
Bemerkung: Das Komplement einer nirgends dichten Menge A ist dicht in
X. Teilmengen bzw. abzählbare Vereinigungen magerer Mengen sind ebenfalls
mager.
Der Satz von Baire wird in drei äquivalenten Versionen formuliert.
Satz 3.2 (Baire) In einem vollständigen metrischen Raum ist der Durchschnitt
von abzählbar vielen offenen und dichten Teilmengen dicht.
Korollar 3.3 Ein vollständiger metrischer Raum ist von zweiter Kategorie.
Korollar 3.4 Sei X ein vollständiger metrischer Raum und seien (Ak )k∈N abzählbar
viele abgeschlossene Teilmengen von X. Wenn ∪k Ak eine offene Kugel enthält,
so gibt es ein k, so dass Ak eine offene Kugel enthält.
29
30
KAPITEL 3. DIE PRINZIPIEN DER FUNKTIONALANALYSIS
Satz 3.5 (Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit, Satz von Banach-Steinhaus)
Seien X, Y Banach-Räume und die Menge H ⊂ L(X, Y ) sei punktweise
beschränkt, also
kT xkY ≤ Kx für alle T ∈ H.
Dann ist die Menge H gleichmäßig beschränkt:
kT kX→Y ≤ K für alle T ∈ H.
3.2
Basen in Banach-Räumen
Definition 3.6 Eine algebraische Basis eines Vektorraums X ist eine Menge
von linear unabhängigen Elementen {xk }k∈I , so dass jedes x ∈ X durch eine
endliche Linearkombination der xk darstellbar ist.
Satz 3.7 Eine algebraische Basis eines Banach-Raums ist entweder endlich,
oder überabzählbar.
Um jedes Element x ∈ X mithilfe von Elementen aus einer abzählbaren
Menge (von linear unabhängigen Vektoren) darstellen zu können, muss man
also eine Reihendarstellung betrachten.
Definition 3.8 Eine Folge (en ) in einem Banach-Raum X heißt Schauder-Basis
von X, wenn jedes x ∈ X eindeutig als konvergente Reihe
x=
∞
X
αn en
n=1
darstellbar ist.
Bemerkung:
N
X
• Die Konvergenz der Reihe bedeutet lim x −
αn en N →∞ n=1
= 0.
X
• Die Reihenfolge der Vektoren einer Schauder-Basis ist wesentlich!
• Nicht jeder Banach-Raum besitzt eine Schauder-Basis! (Die Banach-Räume
die in der Praxis üblicherweise vorkommen jedoch schon).
Beispiel: Die Folge (en ) definiert durch en (i) = δni ist eine Schauder Basis von
lp , 1 ≤ p < ∞ und c0 (N) (Raum der Nullfolgen mit der Supremumsnorm).
Lemma 3.9 Sei (en ) eine Folge in X\{0}, so dass die lineare Hülle span{e1 , e2 . . . }
dicht in X liegt. Falls es ein c > 0 gibt, so dass für jede Folge von Skalaren
(αn ) ⊂ K
M
N
X
X
αn en ≤ c αn en (N < M )
(3.1)
n=1
n=1
gilt, dann ist (en ) eine Schauder-Basis von X.
3.3. DAS PRINZIP DER OFFENEN ABBILDUNG
31
Bemerkung: Das Resultat gilt insbesondere dann (für c = 1), wenn statt (3.1)
die Bedingung
N
+1
X
NX
αn en ≤ αn en n=1
(3.2)
n=1
für alle N ∈ N erfült ist.
3.3
Das Prinzip der offenen Abbildung
Satz 3.10 (Prinzip der offenen Abbildung, Satz vom inversen Operator)
Seien X, Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ) sei surjektiv. Dann ist T offen.
Wenn T bijektiv ist, dann ist die Inverse T −1 stetig.
Definition 3.11 Für beliebige Mengen X, Y und T : X → Y heißt
G(T ) = {(x, T x) : x ∈ X} ⊂ X × Y
der Graph von T .
Bemerkung: Wenn X und Y Banach-Räume sind, so läßt sich die Produkttopologie auf X × Y durch
k(x, y)kX×Y = kxkX + kykY
zu einem Banach-Raum normieren. Falls T : X → Y linear, so ist der Graph
von T ein Unterraum von X × Y .
Korollar 3.12 (Satz vom abgeschlossenen Graphen)
Seien X, Y Banach-Räume und T ∈ L(X, Y ). Dann gilt:
T ist stetig ⇔ G(T ) ist abgeschlossen in X × Y.
Satz 3.13 X sein ein Banach-Raum unter den Normen k · k und k · k∗ welche
kxk ≤ ckxk∗ für alle x ∈ X erfüllen (c ist eine positive Konstante). Dann sind
die Normen k · k und k · k∗ äquivalent.
3.4
Kanonische Projektionen
Definition 3.14 Für ein Banach-Raum X mit Schauder-Basis (en ) definiert
man die kanonischen Projektionen Pn : X → span{e1 , e2 , . . . } durch
Pn x :=
n
X
k=1
αk ek ,
für x =
∞
X
k=1
αk ek .
32
KAPITEL 3. DIE PRINZIPIEN DER FUNKTIONALANALYSIS
Satz 3.15 Die kanonischen Projektionen Pn sind lineare und gleichmäßig beschränkte Operatoren im Banachraum X. Die Norm kxk∗ := supn kPn xkX ist
äquivalent zur ursprünglichen Norm auf X und es gilt kPn kX∗ →X∗ = 1 für alle
n, wobei X∗ := (X, k · k∗ ).
P∞
Korollar 3.16 Für x = n=1 αn (x)en sind die Koeffizientenfunktionale αn :
X → K lineare und gleichmäßig beschränkte Operatoren.
3.5
Neumannsche Reihe und Spektralradius
Der Satz über die beschränkte Inverse besagt, dass die Inverse eines linearen,
stetigen, bijektiven Operators zwischen Banachräumen ebenfalls stetig ist. In
diesem Abschnitt werden Bedingungen untersucht, wann die Inverse von Operatoren der Form Id − A existiert.
p
Satz 3.17 Sei X ein Banach-Raum und A ∈ L(X) mit lim supn n kAn k < 1.
Dann ist der Operator Id − A invertierbar und es gilt
(Id − A)−1 =
∞
X
An = Id + A + A2 + . . . ,
(3.3)
n=0
wobei die Reihe in der Operatornorm konvergiert. Insbesodere gilt die Aussage,
falls kAN k < 1 für ein N ∈ N gilt, und diese Bedingung ist notwendig und
hinreichend für die Konvergenz der Neumannschen Reihe (3.3) in der Operatornorm.
Definition 3.18 Sei X ein Banach-Raum. Für A ∈ L(X) nennt man
p
r(A) := lim sup n kAn k
n→∞
den Spektralradius von A.
Satz 3.19 Sei (X, k · k) ein Banach-Raum und A ∈ L(X). Dann gilt:
p
p
(i) r(A) = limn→∞ n kAn k = inf n n kAn k.
(ii) Der Spektralradius bleibt invariant, wenn man äquivalente Normen auf X
betrachtet.
(iii) r(A) = inf{kAk∗ : k·k∗ ∼ k·k}, wobei das Infimum über alle zur Norm k·k
äquivalenten Normen k · k∗ genommen wird und kAk∗ die Operatornorm
von A in (X, k · k∗ ) bezeichnet.
P∞
Bemerkung: Die geometrische Reihe n=0 q n konvergiert genau dann, wenn
|q| < 1 gilt. Die Neumannsche Reihe (3.3) kann jedoch auch für kAk > 1 konvergieren. Es reicht aus, wenn kAN k < 1 für ein N ∈ N gilt. Nach Satz 3.17 folgt,
dass wenn r(A) < 1 gilt, es ein N ∈ N gibt, so dass kAN k < 1. Die Neumannsche
Reihe konvergiert also in der Operatornorm genau dann, wenn r(A) < 1 gilt.
3.6. HAHN-BANACH SÄTZE
33
Satz 3.20 Sei X ein Banach-Raum und A ∈ L(X). Für jedes x ∈ X sei die
Reihe
∞
X
Bx :=
An x
n=0
konvergent. Dann ist Id − A bijektiv und (Id − A)−1 = B ist beschränkt.
Bemerkung: Der Operator Id − A kann also invertierbar mit stetigen Inversen
sein, auch wenn r(A) ≥ 1 gilt. Dazu reicht die starke Konvergenz der Neumannschen Reihe aus:
Definition 3.21 Seien X, Y Banach-Räume. Eine Folge (An ) ⊂ L(X, Y ) konvergiert stark gegen A ∈ L(X, Y ), wenn kAn x − AxkY → 0 für n → ∞ für alle
x ∈ X gilt.
Bemerkung: Die Konvergenz in der Operatornorm impliziert die starke Konvergenz. Umgekehrt stimmt dies nicht. Z.B. für X = Y = L1 ([0, 1]) und An x(t) =
x(t + 1/n) für t + 1/n < 1 und = 0 sonst, konvergiert An nur stark, aber nicht
in der Operatornorm, gegen die Identität. Man kann trotzdem zeigen, dass der
Limesoperator beschränkt ist:
Satz 3.22 Seien X, Y Banach-Räume und die Folge (An ) ⊂ L(X, Y ) konvergiere stark gegen ein Operator A : X → Y . Dann gilt auch A ∈ L(X, Y ).
3.6
Hahn-Banach Sätze
• Fortsetzungssätze: stetige Fortsetzung von Funktionalen die auf einen linearen Unterraum definiert sind.
• Trennungssätze: Konstruktion von Funktionalen, die auf disjunkte, konvexe Mengen verschiedene Werte annehmen.
Definition 3.23 Sei X ein reeller Vektorraum und p : X → R. p heißt sublinear, wenn
(a) p(tx) = tp(x) für alle t ≥ 0 und x ∈ X,
(b) p(x + y) ≤ p(x) + p(y) für alle x, y ∈ X.
Bemerkung: Jede Halbnorm ist sublinear. Sublineare Funktionale kann man
auch für C- Vektorräume definieren (betrachtet als Vektorräume über R).
Satz 3.24 (Hahn-Banachscher Fortsetzungssatz)
Sei M ein Unterraum eines reellen Vektorraums X (ohne Topologie) und
p : X → R sei ein sublineares Funktional. Weiter sei f : M → R linear mit
f (x) ≤ p(x) für alle x ∈ M . Dann gibt es eine lineare Fortsetzung F : X → R
mit F |M = f und −p(−x) ≤ F (x) ≤ p(x) für alle x ∈ X.
34
KAPITEL 3. DIE PRINZIPIEN DER FUNKTIONALANALYSIS
Satz 3.25 Sei M ein Unterraum des K- Vektorraums X und p sei eine Halbnorm auf X. Weiter sei f : M → K linear mit |f (x)| ≤ p(x) für alle x ∈ M .
Dann gibt es ein lineares F : X → K mit F |M = f und |F | ≤ p in X.
Korollar 3.26 Sei X ein normierter K-Vektorraum und M ein Unterraum von
X. Weiterhin sei f : M → K linear und stetig. Dann existiert ein F ∈ X 0 mit
F |M = f und kF kX→K = kf kM →K .
Satz 3.27 (Hahn-Banachscher Trennungssatz)
Sei X ein normierter K-Vektorraum und A, B ⊂ X seien disjunkte und
konvexe Mengen. A sei offen. Dann gibt es ein F ∈ X 0 und ein γ ∈ R mit
ReF x < γ ≤ ReF y für alle x ∈ A, y ∈ B.
Satz 3.28 Sei M ein abgeschlossener Unterraum des Banach-Raums X und
x1 ∈
/ M . Dann gibt es ein F ∈ X 0 mit kF kX 0 = 1, F = 0 auf M und F (x1 ) =
dist(x1 , M ) > 0.
3.7
Lokalkonvexe topologische Vektorräume
Definition 3.29 Sei X ein K-Vektorraum und für eine beliebige Indexmenge
I sei {pi }i∈I eine Familie von Halbnormen mit folgender Eigenschaft:
(A1) Zu jedem x ∈ X \ {0} existiert ein i ∈ I mit pi (x) 6= 0.
Setze für i ∈ I, r > 0 und x ∈ X
Vi,r (x) = {y : pi (y − x) < r} = x + Vi,r (0)
(3.4)
Die von der lokalen Basis (vgl. Definition 1.12 und Satz 1.13) von x ∈ X
\
UI0 ,r =
Vi,r (x), I0 ⊂ I endlich , r > 0,
i∈I0
erzeugte Topologie heißt lokalkonvexe Vektorraumtopologie. (X, {pi }) heißt lokalkonvexer topologischer Vektorraum (kurz: lokalkonvexer Raum).
Bemerkungen
Ein Punkt x ∈ A ⊂ X ist genau dann innerer Punkt von A, wenn es ein r > 0
und eine endliche Indexmenge I0 ⊂ I gibt mit {y : pi (x − y) < r, i ∈ I0 } ⊂ A.
Für y ∈ Vi,r (x) folgt mit d = pi (x − y) < r aus der Dreiecksungleichung,
dass Vi,r−d (y) ⊂ Vi,r (x). Damit besteht Vi,r (x) nur aus inneren Punkten und
die lokale Basis UI0 ,r (x) ist gleichzeitig Umgebungsbasis von x ∈ X. Als Durchschnitte konvexer Mengen sind alle Elemente der Umgebungsbasis konvex, was
den Namen “lokalkonvex” erklärt.
Wegen Vi,r (x) = x + Vi,r (0) steckt alle Information über die lokalkonvexe
Topologie bereits in der Nullumgebungsbasis, insbesondere ist die Translation
x 7→ x + y stetig.
Axiom (A1) sorgt dafür, dass ein lokalkonvexer Raum das Trennungsaxiom
erfüllt: Zu x, y ∈ X, x 6= y gibt es ein i ∈ I mit pi (x − y) = d > 0. Für r = d/2
gilt dann Vi,r (x) ∩ Vi,r (y) = ∅.
3.7. LOKALKONVEXE TOPOLOGISCHE VEKTORRÄUME
35
Da eine Folge in einem topologischen Raum genau dann konvergiert, wenn in
jedem Element der Umgebungsbasis alle Folgenglieder ab einem gewissen Index
liegen, folgt sofort dass
xk → x ⇔ pi (xk − x) → 0, ∀i ∈ I.
Ist die Indexmenge I = {1, . . . , n} endlich, so ist
p̃(x) =
n
X
pi (x)
i=1
eine Norm die die gleiche Topologie erzeugt.
Ist I = N (d.h. abzählbar), so läßt sich die lokalkonvexe Topologie durch
d(x, y) =
∞
X
i=1
2−i
pi (x − y)
1 + pi (x − y)
metrisieren, insbesondere ist das erste Abzählbarkeitsaxiom erfüllt. Falls ein
solcher topologischer Vektorraum zusätzlich auch vollständig ist, so nennt man
ihn ein Fréchet-Raum.
Beispiele
(i) Auf C([0, 1]) wird die punktweise Konvergenz durch die Familie von Halbnormen {px }x∈[0,1] erzeugt, wobei px (f ) := |f (x)| ist.
(ii) (l, {pi }) ist lokalkonvex, wobei l der Raum der K-wertigen Zahlenfolgen
ist und die Halbnormen pi durch pi (x) = |x(i)|, i ∈ N definiert sind.
Die Konvergenz xk → x ist äquivalent zu xk (i) → x(i) für alle i ∈ N,
also zur punktweisen Konvergenz. Diese Topologie kann nicht durch eine
Norm erzeugt werden, da die Konvergenzgeschwindigkeiten der einzelnen
Komponenten durch die Norm gekoppelt sein müssen, während hier sie
eben unabhängig sind.
(iii) Sei Ω ⊂ Rn ein Gebiet. Für eine aufsteigende Folge von Gebieten Ωi ⊂⊂ Ω
mit ∪Ωi = Ω setzen wir
pi (u) = max max |Dα u(x)|.
|α|≤i x∈Ω̄i
Dann ist der Raum C ∞ (Ω) mit diesen Halbnormen ein lokalkonvexer
Raum, der mit E(Ω) bezeichnet wird. Konvergenz in E bedeutet gleichmäßige
Konvergenz aller Ableitungen bis zur Ordnung i auf Ω̄i .
Analog kann man die Räume C m (Ω) zu lokalkonvexen Räumen topologisieren.
Bei überabzählbaren Indexmengen ist die Stetigkeit einer Abbildung nicht
mehr zur Folgenstetigkeit äquivalent. Daher muss das folgende Lemma durch
eine andere Methode bewiesen werden.
36
KAPITEL 3. DIE PRINZIPIEN DER FUNKTIONALANALYSIS
Lemma 3.30 Sei (X, {pi }) ein lokalkonvexer Raum. Dann sind alle Halbnormen pi : X → R sowie Addition X × X → X und Skalarmultiplikation K × X →
X stetig.
Lemma 3.31 Seien (X, {pi }), (Y, {qj }) lokalkonvexe Räume und T : X → Y
eine lineare Abbildung. Dann sind äquivalent:
(i) T ist stetig.
(ii) T ist im Nullpunkt stetig.
(iii) Zu jedem j ∈ J existieren eine endliche Indexmenge I0 ⊂ I und eine
Konstante K mit
qj (T x) ≤ K max pi (x), ∀x ∈ X.
i∈I0
Bemerkung: Im Spezialfall Y = K erhalten wir: Ein lineares Funktional f :
X → K ist genau dann stetig, wenn es ein K und eine endliche Indexmenge
I0 ⊂ I gibt, mit
|f (x)| ≤ K max pi (x), ∀x ∈ X.
i∈I0
Der Raum der stetigen linearen Funktionalen wird auch in diesem Fall Dualraum
genannt und mit X 0 bezeichnet.
3.8
Bidualraum und schwache Topologien
Sei X ein normierter Raum, X 0 der Dualraum und X 00 := (X 0 )0 der Bidualraum.
Auf X ×X 0 definiert man die Bilinearform (Dualitätsabbildung) hx, f i = f (x) ∈
K.
Zu jedem x ∈ X gibt es eine lineare Abbildung von X 0 nach K definiert
durch
f 7→ hx, f i.
(3.5)
Wegen |hx, f i| = |f (x)| ≤ kf kX 0 kxkX ist diese lineare Abbildung auch stetig.
Damit kann jedes x ∈ X durch (3.5) mit einem i(x) ∈ X 00 identifiziert werden.
Bemerkung: Nach Satz 2.10 sind X 0 und X 00 Banach-Räume.
Lemma 3.32 Die Abbildung i : X → X 00 ist eine lineare Isometrie, also
kxkX =
sup
hx, f i = ki(x)kX 00 , ∀x ∈ X.
f ∈X 0 ,kf k=1
Falls X ein Banach-Raum ist, ist i(X) ⊂ X 00 ein abgeschlossener Unterraum,
daher selber ein Banach-Raum.
3.8. BIDUALRAUM UND SCHWACHE TOPOLOGIEN
37
Satz 3.33 Sei X ein Banach-Raum. Dann gilt:
(i) Eine Menge M ⊂ X ist genau dann beschränkt, wenn |f (x)| ≤ Kf für alle
x ∈ M und f ∈ X 0 .
(ii) Eine Menge M 0 ⊂ X 0 ist genau dann beschränkt, wenn |f (x)| ≤ Kx für
alle f ∈ M 0 und x ∈ X.
Definition 3.34 Die schwache Topologie eines Banach-Raumes X ist die lokalkonvexe Vektorraumtopologie die von den Halbnormen
pf (x) = |f (x)|, f ∈ X 0
erzeugt wird.
Bemerkungen:
• Die Trennungseigenschaft (A1) folgt mit dem Satz von Hahn-Banach: Sei
x ∈ X \ {0}, M = span{x}, f0 : M → K, f0 (αx) = αkxk. Es gilt kf0 k = 1
und nach Hahn-Banach gibt es eine lineare Fortsetzung f ∈ X 0 mit kf k =
1 und f (x) = kxk =
6 0, also pf (x) 6= 0.
• Die Normtopologie bezeichnet man auch als starke Topologie oder Originaltopologie
• Falls X endlich dimensional ist, so stimmen die starke und die schwache
Topologie überein.
Lemma 3.35 Sei X ein unendlich dimensionaler Banach-Raum. Dann hat die
schwache Topologie die folgenden Eigenschaften:
(i) Die schwache Topologie ist die gröbste Topologie, in der alle f ∈ X 0 stetig sind, insbesondere stimmt der Dualraum von (X, {pf }f ∈X 0 ) mit dem
Dualraum von X überein.
(ii) Jede schwach offene Menge ist unbeschränkt, insbesondere ist die schwache
Topologie echt gröber als die Normtopologie.
(iii) Eine Folge (xk ) konvergiert genau dann in der schwachen Topologie gegen
ein x ∈ X (xk * x) wenn f (xk ) → f (x), ∀f ∈ X 0 .
Bemerkung: Die starke Konvergenz impliziert die schwache. Umgekehrt stimmt
die Aussage nicht. Gegenbeispiel: Sei die Folge (ek ) ⊂ lp mit 1 < p < ∞ gegeben
durch ek (i) = δki . Dann ist (ek ) keine Cauchy-Folge, also nicht konvergent in
der Normtopologie, aber es gilt ek * 0.
Lemma 3.36 (schwache Unterhalbstetigkeit der Norm)
Wenn xk * x, so gilt kxk k ≤ K und kxk ≤ lim inf k→∞ kxk k.
Bemerkung: Ein Funktional f heißt unterhalbstetig, wenn xk → x (in einem
topologischen Raum X) die Eigenschaft f (x) ≤ lim inf k→∞ f (xk ) impliziert.
38
KAPITEL 3. DIE PRINZIPIEN DER FUNKTIONALANALYSIS
Definition 3.37 Die schwache* Topologie auf dem Dual X 0 eines BanachRaums X ist die lokalkonvexe Vektorraumtopologie, die von den Halbnormen
px (f ) = |f (x)|, x ∈ X
erzeugt wird.
Bemerkungen:
• Die Trennungseigenschaft (A1) ist trivialerweise erfüllt.
• Auf X 0 haben wir also zwei Topologien definiert:
– Halbnormen der schwachen Topologie: pu = |u(·)|, u ∈ X 00 .
– Halbnormen der schwachen* Topologie: px = pi(x) = |i(x)(·)|, x ∈ X.
Da i(X) ⊂ X 00 ist die schwache* Topologie auf X 0 gröber als die schwache
Topologie auf X 0 .
Lemma 3.38 Sei X ein unendlich-dimensionaler Banach-Raum. Die schwache*
Topologie auf X 0 hat folgende Eigenschaften:
(i) Sie ist die gröbste Topologie, so dass alle i(x) ∈ X 00 stetig sind.
(ii) Jede schwach* offene Menge ist unbeschränkt, insbesondere ist die schwache* Topologie echt gröber als die Normtopologie in X 0 .
(iii) Eine Folge (fk ) ⊂ X 0 konvergiert genau dann in der schwachen* Topologie
∗
gegen f ∈ X 0 (fk * f ) wenn fk (x) → f (x), ∀x ∈ X.
Bemerkungen:
• Die schwach* -Konvergenz ist also die punktweise Konvergenz.
∗
• Wenn fk * f so kann man zeigen, dass kfk kX 0 ≤ K und kf kX 0 ≤
lim inf kfk kX 0 ≤ K gilt.
• Beispiel einer schwach* konvergenten Folge, die nicht schwach konvergent
∗
ist: (ek ) ⊂ l1 , ek (i) = δki . Es gilt l1 = c0 (N)0 und l10 = l∞ . Es gilt ek * 0,
aber für u = (1, 1, . . . ) ∈ l∞ = l10 gilt u(ek ) = 1 6→ 0. Man kann auch
zeigen, dass in l1 die starke und schwache Konvergenz übereinstimmen.
3.9. SCHWACHE FOLGENKOMPAKTHEIT UND REFLEXIVE RÄUME39
3.9
Schwache Folgenkompaktheit und reflexive
Räume
∗
Lemma 3.39 Sei (fk )k∈N eine Folge in X 0 . Dann gilt fk * f ∈ X 0 genau dann,
wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
(i) kfk kX 0 ≤ K für alle k ∈ N,
(ii) (fk (x))k∈N ist Cauchy-Folge für alle x in einer dichten Teilmenge von X.
Definition 3.40 (xk ) heißt schwache Cauchy-Folge in X, wenn f (xk ) für jedes
f ∈ X 0 Cauchy-Folge in K ist.
(fk ) heißt schwache* Cauchy-Folge in X 0 , wenn fk (x) für jedes x ∈ X
Cauchy-Folge in K ist.
Bemerkung: Nach Satz 3.33 sind schwache und schwache* Cauchy-Folgen
normbeschränkt. Nach Lemma 3.39 ist dann jede schwache* Cauchy-Folge konvergent in der schwachen* Topologie.
Für schwache Cauchy-Folgen gilt dies nicht immer. Gegenbeispiel: xk =
(1, 1, . . . 1, 0, 0 . . . ) ∈ c0 (N) (k mal 1, sonst 0). (xk ) ist schwache Cauchy-Folge,
Pk
denn für alle y ∈ l1 = c00 gilt hy, xk i = i=1 y(i) ist Cauchy-Folge, da die Reihe
konvergent ist. Falls xk * x ∈ c0 , dann würde hy, xk i → hy, xi gelten, ∀y ∈ l1 ,
Pk
P∞
d.h. i=1 y(i) → i=1 x(i)y(i). Da die Reihe der y(i)’s konvergent ist, folgt
x(i) = 1, ∀i, Widerspruch, denn x ∈ c0 .
Die schwache Konvergenz in X ist auch schwache* Konvergenz in X 00 . Falls
(xk ) eine schwache Cauchy-Folge ist, so gibt es ein u ∈ X 00 mit f (xk ) → u(f )
für alle f ∈ X 0 . (Wenn u ∈ i(X) ⊂ X 00 so wäre die schwache Cauchy-Folge auch
schwach konvergent).
Satz 3.41 (Alaoglu-Bourbaki)
Sei X ein Banach-Raum. Dann ist die abgeschlossene Einheitskugel B̃1 (0) =
{f ∈ X 0 : kf kX 0 ≤ 1} von X 0 kompakt in der schwachen* Topologie.
Satz 3.42 Sei X ein separabler Banach-Raum. Dann ist die abgeschlossene
Einheitskugel B̃1 (0) = {f ∈ X 0 : kf kX 0 ≤ 1} von X 0 folgenkompakt in der
schwachen* Topologie.
Bemerkung: Die abgeschlossene Einheitskugel ist i.A. nicht folgenkompakt in
der schwachen* Topologie, da diese nicht immer das erste Abzählbarkeitsaxiom
erfüllt. Deswegen die Separabilitätsbedingung an X in den obigen Satz.
Definition 3.43 Sei X ein Banach-Raum. Ist die kanonische Inklusion
i : X → X 00 bijektiv, also ein isometrischer Isomorphismus, so heißt X reflexiv.
Bemerkungen:
• In reflexiven Räumen stimmen die schwache und die schwache* Topologien
überein.
40
KAPITEL 3. DIE PRINZIPIEN DER FUNKTIONALANALYSIS
• Jeder Hilbert-Raum ist reflexiv (nach dem Rieszschen Darstellungssatz).
• Die Räume lp , Lp (Ω), 1 < p < ∞ sind alle reflexiv, denn lp0 = lq bzw.
(Lp (Ω))0 = Lq (Ω) für 1/p + 1/q = 1 und damit ist lp00 = lq0 = lp , bzw.
(Lp (Ω))00 = (Lq (Ω))0 = Lp (Ω).
• Da für 1 < p < ∞ die Räume Lp (Ω) reflexiv sind, stimmen die schwache
Konvergenz überein. Es gilt uk * u in Lp ⇔
Rund die schwache*
R
uk v → uv, ∀v ∈ Lq .
Satz 3.44 Eine Folge (uk ) konvergiert genau dann schwach in Lp (Ω), 1 < p <
∞, bzw, schwach* in L∞ (Ω), wenn die Folge normbeschränkt ist und wenn für
alle φ ∈ C0∞ (Ω) die Folgen
Z
(
uk φdx)k∈N
Ω
Cauchy-Folgen in K sind.
Satz 3.45 Jeder abgeschlossene Unterraum eines reflexiven Banach-Raums ist
selber ein reflexiver Banach-Raum.
Satz 3.46 Sei X ein Banach-Raum. Ist X 0 separabel, so ist X separabel.
Satz 3.47 Sei X ein reflexiver Banach-Raum. Dann ist die abgeschlossene Einheitskugel schwach folgenkompakt.
Kapitel 4
Sobolev-Räume
4.1
Einführung
Mit L1loc (Ω) bezeichne man den Raum der meßbaren Funktionen u, welche auf
jeder Menge Ω0 ⊂⊂ Ω integrierbar sind.
Satz 4.1 (Fundamentallemma der Variationsrechnung)
Sei u ∈ L1loc (Ω, R) mit
Z
uφdx ≥ 0 für alle φ ∈ C0∞ (Ω) mit φ ≥ 0.
Ω
Dann ist u ≥ 0 f.ü. in Ω.
Korollar 4.2
(i) Wenn
Z
uφdx ≥ 0 für alle φ ∈ C0∞ (Ω),
Ω
dann ist u = 0 f.ü. in Ω.
(ii) Gilt für u ∈ L1loc (Ω, R)
Z
uDφdx = 0 für alle φ ∈ C0∞ (Ω),
Ω
so ist u konstant.
Definition 4.3 Eine Funktion u ∈ L1loc (Ω) besitzt eine α-te schwache Ableitung
in Ω, wenn es eine Funktion uα ∈ L1loc (Ω) gibt mit
Z
Z
α
|α|
uD φdx = (−1)
uα φdx, ∀φ ∈ C0∞ (Ω).
Ω
Ω
41
42
KAPITEL 4. SOBOLEV-RÄUME
Lemma 4.4 Die schwache Ableitung ist eindeutig, sofern sie existiert. Wenn
eine Funktion klassisch differenzierbar ist, so ist sie auch schwach differenzierbar
und beide Ableitungen stimmen überein.
Beispiel: Die Funktion f : (−1, 1) → R, f (x) = |x| ist schwach differenzierbar
mit f 0 (x) = sign(x).
Satz 4.5 Sei {Ωk }k=1,...,K eine Partition von Ω in stückweise glatte Teilgebiete,
also Ω ⊂ ∪K
k=1 Ω̄k , Ωk ∩ Ωl = ∅ für k 6= l. Dann ist jedes u ∈ C(Ω̄) mit u ∈
C 1 (Ωk ), k = 1, . . . , K schwach differenzierbar mit beschränkter Ableitung, die
auf ∪Ωk mit der klassischen Ableitung übereinstimmt und beliebig ist auf ∪∂Ωk .
Lemma 4.6 (i) Wenn u eine schwache Ableitung Dα u in Ω besitzt, so ist u
auch schwach differenzierbar in jedem Gebiet Ω0 ⊂ Ω mit gleicher Ableitung.
(ii) Wenn Dα u eine schwache Ableitung Dβ (Dα u) besitzt, so existiert die
Ableitung Dα+β u ebenfalls und Dα+β u = Dβ (Dα u).
4.2
Definition und grundlegende Eigenschaften
der Sobolev-Räume
Definition 4.7 Für m ∈ N0 und 1 ≤ p ≤ ∞ besteht der Raum H m,p (Ω)
aus allen Funktionen u ∈ Lp (Ω), die m-mal schwach differenzierbar sind mit
Ableitungen im Raum Lp (Ω). Die Räume H m,p (Ω) werden mit den SobolevNormen
X
kukm,p;Ω = kukm,p = (
kDα ukpp )1/p , 1 ≤ p < ∞,
|α|≤m
kukm,∞;Ω = kukm,∞ = max kDα uk∞
|α|≤m
versehen.
Bemerkung: Es gilt H 0,p (Ω) = Lp (Ω).
Satz 4.8 H m,p (Ω) ist Banach-Raum für alle m ∈ N0 und 1 ≤ p ≤ ∞.
Korollar 4.9 H m,2 (Ω) ist Hilbert-Raum mit innerem Produkt
X Z
(u, v)m =
Dα uDα v dx.
0≤|α|≤m
Ω
Lemma 4.10 (Approximation durch Mollifier)
Sei u ∈ H m,p (Ω), 1 ≤ p < ∞ und Ω0 ⊂⊂ Ω. Dann gilt Dα (Jε ∗ u) = Jε ∗ Dα u
für |α| ≤ m, insbesondere gilt Jε ∗ u → u in H m,p (Ω0 ).
4.2. DEFINITION UND GRUNDLEGENDE EIGENSCHAFTEN
43
Lemma 4.11 (Konstruktion einer Abschneidefunktion)
Sei K ⊂ Ω eine kompakte Menge. Dann gibt es eine Abschneidefunktion
bezüglich {K, Ω}, d.h. eine reellwertige Funktion τ ∈ C0∞ (Ω) mit 0 ≤ τ ≤ 1
und τ = 1 in K. Wenn dist(∂K, ∂Ω) = δ, so kann τ so gewählt werden, dass
|Dk τ | ≤ cδ −k in Ω \ K, k ∈ N.
Lemma 4.12 (Zerlegung der Eins)
Sei {Ωk }k=1,...,N eine offene Überdeckung der kompakten Menge K. Dann
gibt es reellwertige Funktionen ψk , k = 1, . . . , N mit ψk ∈ C0∞ (Ωk ), 0 ≤ ψk ≤ 1,
PN
k=1 ψk = 1 in K.
Lemma 4.13 (Produktregel mit einer glatten Funktion)
Wenn τ ∈ C0∞ (Ω) und u ∈ H m,p (Ω), dann ist τ u ∈ H m,p (Ω) und
β
D (τ u) =
X β α≤β
α
α
D τD
β−α
Y
n βk
β
,
=
u,
αk
α
i=1
wobei die Ungleichung α ≤ β komponentenweise zu verstehen ist.
Satz 4.14 (Meyers und Serrin, 1964)
C ∞ (Ω) ∩ H m,p (Ω) ist dicht in H m,p (Ω) für 1 ≤ p < ∞.
Bemerkung: In der Literatur findet man oft die Bezeichnung W m,p für die
Räume aus in Definition 4.7, während die H m,p -Räume (für p < ∞) als der
Abschluß in der W m,p -Norm der C ∞ -Funktionen definiert sind. Satz 4.14 besagt, dass für p < ∞ die beiden Definitionen äquivalent sind. In Hinsicht einer
einheitlichen Bezeichnung, wurde hier auf die Notation mit “W ” verzichtet und
der Raum W m,∞ wurde direkt als H m,∞ in Definition 4.7 definiert.
Satz 4.15 (Produktregel für Sobolev-Funktionen)
Wenn u, v ∈ H 1,2 (Ω), dann ist uv ∈ H 1,1 (Ω) und D(uv) = Du · v + u · Dv.
Satz 4.16 (Kettenregel)
Sei f ∈ C 1 (R), |f 0 | ≤ M in R und es gelte f (0) = 0 oder µ(Ω) < ∞. Dann
ist für jede Funktion u ∈ H 1,p (Ω), 1 ≤ p < ∞ auch f (u) in H 1,p (Ω) und es gilt
Df (u) = f 0 (u)Du.
Satz 4.17 Für u ∈ H 1,p (Ω), 1 ≤ p < ∞, gehören auch die Funktionen u+ , u− , |u|
zum Raum H 1,p (Ω) und es gilt:
Du, falls u > 0
Du, falls u < 0
Du+ =
,
Du− =
,
0,
falls u ≥ 0
0,
falls u ≤ 0

 Du,
0
D|u| =

−Du,
falls u > 0
falls u = 0
falls u < 0.
44
4.3
KAPITEL 4. SOBOLEV-RÄUME
Differenzierbarkeit von Lipschitzfunktionen
Definition 4.18 Die vorwärts- und rückwärts-Differenzenquotienten einer Funktion u : Ω → K in Richtung i werden durch
Di+h u(x) =
1
1
(u(x + hei ) − u(x)), Di−h u(x) = (u(x) − u(x − hei ))
h
h
definiert. Sie existieren auf einem maximalen Teilgebiet Ω̃(±h) ⊂ Ω.
Lemma 4.19 (partielle Summation)
Es seien u, v ∈ L2loc (Ω), wobei eine der Funktionen kompakten Träger in Ω
hat. Dann gilt für hinreichend kleines h:
(u, Di+h v) = −(Di−h u, v).
Satz 4.20 (i) Für 1 ≤ p < ∞ und u ∈ H 1,p (Ω) gilt
kDi+h ukp;Ω̃ ≤ kDi ukp;Ω .
(ii) Sei 1 < p ≤ ∞ und u ∈ Lp (Ω). Für alle Ω0 ⊂⊂ Ω, alle i und h hinreichend
klein gelte kDi+h ukp;Ω0 ≤ K (K unabhängig von Ω0 ). Dann ist u ∈ H 1,p (Ω) und
es gilt kDi ukp;Ω ≤ K für alle i.
(iii) Eine lipschitzstetige Funktion auf Ω ist schwach differenzierbar und es
gilt C 0,1 (Ω̄) ⊂ H 1,∞ (Ω) mit kDuk∞ ≤ [u]C 0,1 .
(iv) Wenn Ω beschränkt ist mit ∂Ω ∈ C 1 , dann gilt sogar C 0,1 (Ω̄) = H 1,∞ (Ω).
Satz 4.21 (Satz von Rademacher)
Falls u lokal lipschitzstetig in Ω ist, dann ist u f.ü. differenzierbar in Ω.
4.4
Regularität von Gebieten. Transformationssatz
Im Folgenden werden alle Gebiete als beschränkt vorausgesetzt.
Definition 4.22 Ein beschränktes Gebiet Ω ⊂ Rn heißt von der Klasse C m,α
(für m ∈ N, α ∈ [0, 1]) bzw. Lipschitzgebiet (m = 0, α = 1), wenn für jeden
Randpunkt x0 ∈ ∂Ω eine Umgebung Ux0 existiert, so dass ∂Ω ∩ Ux0 als Graph
einer Funktion aus C m,α (Bη (0)) dargestellt werden kann (in einem geeignet
gewählten Koordinatensystem, mit Bη (0) ⊂ Rn−1 ), wobei Ω ∩ Ux0 nur auf einer
Seite des Funktionsgraphen liegt.
Da ∂Ω kompakt ist, kann der ganze Rand mit endlich vielen solchen offenen
Mengen Uj , j = 1, . . . J überdeckt werden und man kann dazu eine entsprechende Zerlegung der Eins φj , j = 1, . . . J bezüglich einer Umgebung U von ∂Ω
betrachten.
4.5. DIE RÄUME H0M,P . FORTSETZUNGSSATZ
45
Bemerkung: Falls m ≥ 1 ist die obige Definition äquivalent zu:
Es gibt eine C m,α -Lokalisierung (Uj , φj ), j = 1, . . . J von Ω , d.h.:
die Mengen Uj sind offen, ∪Jj=1 Uj ⊃ ∂Ω und es existieren C m,α -Diffeomorphismen gj : Uj → B1 (0) mit
gj (Uj ∩ Ω) = B1+ (0), gj (Uj ∩ ∂Ω) = B10 (0), gj (Uj \ Ω̄) = B1− (0),
wobei B1+ (0), B1− (0) die obere und untere Hälfte der Einheitskugel B1 (0) ⊂ Rn
und B10 (0) die Menge B1 (0) ∩ {yn = 0} bezeichnen. φj ∈ C0∞ (Uj ) sind dabei
eine zugehörige Zerlegung der Eins einer Umgebung U des Randes ∂Ω.
Definition 4.23 Ein Gebiet Ω besitzt die Kegeleigenschaft, wenn es einen beschränkten Kegel C ⊂ Rn mit nichtleerem Inneren gibt, so dass jeder Punkt
x ∈ Ω der Eckpunkt eines Kegels C̃(x) ⊂ Ω ist, der zu C kongruent ist.
Satz 4.24 Sei Ω ein Lipschitzgebiet. Dann ist die Einschränkung der Funktionen in C0∞ (Rn ) auf Ω, also der Raum C ∞ (Ω̄), dicht in H m,p (Ω) für 1 ≤ p < ∞.
Satz 4.25 Seien Ω0 , Ω ⊂ Rn beschränkte Gebiete und g : Ω0 → Ω eine Abbildung. Für eine Funktion u : Ω → K definiere T u : Ω0 → K, T u(y) = u(g(y)).
Sei 1 ≤ p < ∞.
(i) Sei g ein C m -Diffeomorphismus. Dann ist die Abbildung T : H m,p (Ω) →
H m,p (Ω0 ) bijektiv, beschränkt und mit beschränkter Inverse, d.h. es gilt
c1 kukm,p;Ω ≤ kT ukm,p;Ω0 ≤ c2 kukm,p;Ω .
Weiter sind die schwachen Ableitungen von T u durch die Kettenregel gegeben.
(ii) Sei g bijektiv mit g und g −1 lipschitz und die Funktion u ∈ H 1,p (Ω)
besitze kompakten Träger in Ω. Dann ist T u ∈ H 1,p (Ω0 ) und es gilt
kT uk1,p;Ω0 ≤ ckuk1,p;Ω .
P
Weiterhin gilt die Kettenregel: Dyj T u = j T (Dxj u)Dyj gj .
4.5
Die Räume H0m,p . Fortsetzungssatz
Definition 4.26 Für m ∈ N und 1 ≤ p < ∞ definiert man den Raum H0m,p (Ω)
als der Abschluß von C0∞ (Ω) in H m,p (Ω), d.h.
H0m,p (Ω) = {u ∈ H m,p (Ω) : ∃uk ∈ C0∞ (Ω) mit uk → u in H m,p (Ω)}.
Bemerkung:
• H0m,p ist also ein Unterraum von H m,p . Zur Erinnerung: H m,p ist der
Abschluß von C ∞ ∩ H m,p in der H m,p -Norm.
• Wenn Ω ⊂ Ω1 , so erhält man durch die triviale Fortsetzung dass H0m,p (Ω) ⊂
H0m,p (Ω1 ).
46
KAPITEL 4. SOBOLEV-RÄUME
Satz 4.27 (Fortsetzungssatz)
Sei m ∈ N, ∂Ω ∈ C m−1,1 . Zu jedem Gebiet Ω1 mit Ω ⊂⊂ Ω1 gibt es eine
stetige lineare Abbildung E : H k,p (Ω) → H0k,p (Ω1 ), die nicht von 0 ≤ k ≤ m
und 1 ≤ p < ∞ abhängt, so dass Eu|Ω = u und kEukk,p;Ω1 ≤ ckukk,p;Ω .
Bemerkung: Falls Ω nur ein Lipschitzgebiet ist, dann kann auch eine stetige
Fortsetzung von H m,p (Ω) nach H0m,p (Ω1 ) (m ∈ N, 1 ≤ p < ∞) konstruiert
werden, wobei diesmal der Fortsetzungsoperator von m und p abhängt (Satz
von Calderon).
4.6
Einbettungen in Lp (Ω)
Satz 4.28 (Sobolev-Ungleichung)
Sei Ω ein Lipschitzgebiet. Dann gelten die stetigen Einbettungen
H m,p (Ω) → Lnp/(n−mp) (Ω) für 1 ≤ mp < n.
Für H0m,p (Ω) gilt die gleiche Einbettung ohne Voraussetzungen an Ω.
Bemerkung: Der Satz bleibt richtig, wenn das Gebiet nur die Kegeleigenschaft
besitzt, oder wenn es in Lipschitzgebiete aufgeteilt werden kann. Damit gilt das
Resultat auch für alle stückweise glatte Gebiete, auch dann, wenn das Innere
des Gebiets auf beiden Seiten des Randes liegt.
Satz 4.29 (Poincaré-Ungleichung)
Für 1 ≤ q ≤ np(n − p), p < n, gilt
kukq;Ω ≤ ckDukp;Ω , ∀u ∈ H01,p (Ω),
wobei die Konstante c nur von µ(Ω) abhängt, wenn q < np(n − p).
Satz 4.30 (Poincaré-Ungleichung für Funktionen mit verschwindendem Mittelwert)
Sei Ω konvex mit diam(Ω) R= supx,y∈Ω |x − y| = d < ∞. Für 1 ≤ p < ∞ gilt
dann für alle u ∈ H 1,p (Ω) mit Ω udx = 0:
kukp;Ω ≤ 2n/p dkDukp;Ω .
4.7
Spursätze
Definition 4.31 (Randintegrale)
Sei Ω ein Lipschitzgebiet mit zugehöriger C 0,1 -Lokalisierung (Uj , φj ), j =
1, . . . , J. Für jedes j sei (y 0 , yn ) das zugehörige lokale Koordinatensystem mit
(y 0 , hj (y 0 )) ∈ ∂Ω, y 0 ∈ Uj0 = Uj ∩ {yn = 0} ⊂ Rn−1 mit der Lipschitzfunktion
hj .
4.8. KOMPAKTE EINBETTUNGEN IN LQ (Ω)
47
Eine Funktion u : ∂Ω → K heißt meßbar auf ∂Ω, wenn die Funktionen
uj (y 0 ) = (φj u)(y 0 , hj (y 0 )) in Uj0 meßbar sind. u heißt integrierbar auf ∂Ω, wenn
u meßbar ist und die Integrale
Z
Z
q
uj dσ =
uj 1 + |Dhj |2 dy 0
Uj0
∂Ω
im Lebesgue-Sinne existieren. Man definiert dann
Z
udσ =
∂Ω
J Z
X
j=1
uj dσ.
∂Ω
Die Normen
Z
kukp;∂Ω =
|u|p dσ
1/p
, kuk∞,;∂Ω =
∂Ω
inf
sup |u(x)|
µn−1 (N )=0 x∈∂Ω\N
definieren somit die Räume Lp (∂Ω).
Bemerkung: Da lipschitzstetige Funktionen in H 1,∞ liegen, ist die obige Definition richtig. Weiterhin hängt das so definierte Randintegral nicht von der
Wahl der Lokalisierung (Uj , φj ) ab.
Satz 4.32 (Spursatz)
Sei Ω ein Lipschitzgebiet un 1 ≤ p < ∞. Dann gibt es einen eindeutigen,
stetigen linearen Operator S : H 1,p (Ω) → Lq (∂Ω), so dass Su = u|∂Ω für
u ∈ C ∞ (Ω̄), wobei q = (n − 1)p/(n − p) für p < n und q < ∞ für p = n.
Bemerkung: In den nächsten Abschnitten wird gezeigt, dass für p > n jede
H 1,p -Funktion einen Repräsentanten in C(Ω̄) besitzt.
Satz 4.33 Sei Ω ein Lipschitzgebiet und m ∈ N, 1 ≤ p < ∞. Dann besteht
H0m,p (Ω) genau aus den Funktionen u ∈ H m,p (Ω) mit SDα u = 0 für |α| ≤ m−1.
4.8
Kompakte Einbettungen in Lq (Ω)
Satz 4.34 (Rellich-Kondrachov)
Sei Ω ein Lipschitzgebiet. Dann ist die Einbettung H 1,p (Ω) → Lq (Ω) kompakt für q < np/(n − p). Für H01,p (Ω) ist die gleiche Einbettung kompakt ohne
eine Voraussetzung an ∂Ω.
Satz 4.35 Sei Ω ein Lipschitzgebiet. Für 1 ≤ p < n und q < np/(n − p) gibt es
zu jedem ε > 0 ein c(ε) mit
kukq;Ω ≤ εkDukp;Ω + c(ε)kuk1;Ω , ∀u ∈ H 1,p (Ω).
48
4.9
KAPITEL 4. SOBOLEV-RÄUME
Einbettungen in Räume stetiger Funktionen
Satz 4.36 (Morrey)
Wenn Ω die Kegeleigenschaft besitzt, so gilt für p > n die Einbettung
H 1,p (Ω) → C(Ω) ∩ L∞ (Ω), d.h. kuk∞;Ω ≤ ckuk1,p;Ω , ∀u ∈ H 1,p (Ω).
Genauer genommen: die Äquivalenzklasse der H 1,p -Funktion u enthält einen
stetigen Repräsentanten.
Satz 4.37 (Morrey)
Ω sei ein Lipschitzgebiet und m ∈ N. Dann gilt die Einbettung H m,p (Ω) →
C m−1,α (Ω̄) für p > n mit α = 1 − n/p, d.h. es gibt eine Konstante c die nur von
Ω abhängt mit
kukC m−1,α (Ω̄) ≤ ckukm,p;Ω ∀u ∈ H m,p (Ω).
Bemerkung: Nach Satz 2.29 folgt dann, dass die Einbettung H m,p (Ω) →
C m−1,β (Ω̄) für β < 1 − n/p kompakt ist.
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