Vorlesungsskript zur Funktionalanalysis

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Funktionalanalysis
Wintersemester 2011/12
TU Dresden
Tobias Oertel-Jäger
3. Februar 2012
2
Inhaltsverzeichnis
1 Grundbegriffe der mengentheoretischen Topologie
1.1 Topologische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Basen und Subbasen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Trennungsaxiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Abzählbarkeitsaxiome . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Kompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.6 Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Quotienten-, Produkt- und Relativ-Topologie . . . .
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2 Topologie metrischer Räume
2.1 Metrische Räume . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Stetigkeit auf metrischen Räumen . . . . .
2.4 Präkompaktheit . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Der Satz von Baire . . . . . . . . . . . . .
2.6 Punktweise und gleichmäßige Konvergenz
2.7 Der Satz von Arzela-Ascoli . . . . . . . .
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3 Lineare Operatoren auf Banach-Räumen
3.1 Topologische Vektorräume . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Normierte Vektorräume und Banach-Räume . . . .
3.3 Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Der Satz von der offenen Abbildung . . . . . . . .
3.5 Der Satz vom abgeschlossenen Graphen . . . . . .
3.6 Das Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit . . .
3.7 Existenz- und Fortsetzungssatz von Hahn-Banach .
3.8 Trennung konvexer Mengen . . . . . . . . . . . . .
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4 Dualräume und schwache Topologien
4.1 Der Dualraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Schwache und schwach-∗-Topologie . . . . . . . . . .
4.3 Kompaktheitsargument für Wahrscheinlichkeitsmaße
4.4 Reflexivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5 Lp (µ)-Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5 Kompakte Operatoren und Fredholm-Alternative
5.1 Das Spektrum eines beschränkten Operators . . . .
5.2 Kompakte Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Fredholm-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4 Spektralzerlegung kompakter Operatoren . . . . .
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6 Hilberträume
6.1 Hermitsche Formen und Skalarprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Reflexivität von Hilberträumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Orthonormal-Basen von Hilberträumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
60
62
63
A Anhang
67
A.1 Das Lemma von Zorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
A.2 Der Satz von Tychonoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4
Kapitel 1
Grundbegriffe der
mengentheoretischen Topologie
1.1
Topologische Räume
Einer der grundlegenden Ansätze der Analysis ist es, die Existenz gesuchter mathematischer
Objekte wie zum Beispiel der Lösungen von gewöhnlichen und partiellen Differentialgleichungen oder invarianter Wahrscheinlichkeitsmaße dynamischer Systeme durch Approximation
in Grenzwertprozessen sicherzustellen. Ein Problem tritt hierbei auf, wenn sich die gesuchten Objekte nicht als Elemente eines metrischen Raumes auffassen lassen und so die dort
bekannten Konzepte von Konvergenz und Grenzwertbildung nicht zur Verfügung stehen.
Abhilfe schafft her der Begriff des topologischen Raumes, der als Verallgemeinerung des
metrischen Raumes verstanden werden kann. Die der Definition zugrundeliegende Idee ist
offene Mengen nicht wie in metrischen Räumen über eine Eigenschaft zu definieren (eine
offene Menge enthält eine ε-Umgebung eines jeden ihrer Punkte), sondern ein bestimmtes
Mengen-System per Definition als offene Mengen festzulegen.
Definition 1.1.1 (Topologischer Raum). Eine Topologie O auf einer Menge X ist ein
System von Teilmengen von X (genannt offene Mengen), für das gilt
(O1) ∅ ∈ O, X ∈ O;
(O2) U1 , . . . , Un ∈ O ⇒
(O3) Ui ∈ O ∀i ∈ I ⇒
Tn
i=1
S
i∈I
Ui ∈ O;
Ui ∈ O.
Dabei ist I in (A3) eine beliebige Indexmenge, insbesondere kann I auch überabzählbar sein.
Das Paar (X, O) heißt topologischer Raum.
Beispiel 1.1.2. Triviale Beispiele sind die diskrete Topologie O = {U | U ⊆ X} und die
sogenannte triviale Topologie O = {∅, X}.
Der bekannteste Spezialfall sind metrische Räume, aber nicht alle interessanten topologischen Räume sind im Sinne der folgenden Bemerkung metrisierbar.
Bemerkung 1.1.3. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann bildet das System der offenen
Mengen
O = {U ⊆ X | ∀x ∈ U ∃ε > 0 : Bε (x) ⊆ U }
eine Topologie auf X. Diese wird als die von der Metrik d erzeugte Topologie bezeichnet.
Umgekehrt heißt ein topologischer Raum (X, O) metrisierbar, falls eine Metrik d auf X
existiert, die O erzeugt.
5
KAPITEL 1. GRUNDBEGRIFFE DER MENGENTHEORETISCHEN TOPOLOGIE
Die aus der Theorie metrischer Räume bekannten Grundbegriffe übertragen sich in der
folgenden Weise auf topologische Räume.
Definition 1.1.4 (Grundbegriffe). Sei A ⊆ X eine beliebige Teilmenge.
• A heißt abgeschlossen, wenn Ac offen ist.
• A heißt Umgebung eines Punktes x ∈ X, falls eine offene Menge U ⊆ A mit x ∈ U
existiert.
• Ao := {x ∈ X | A ist Umgebung von x} heißt Inneres von A.
• Ā := {x ∈ X | Ac ist nicht Umgebung von x} heißt der Abschluss von A.
• ∂A := Ā \ Ao heißt Rand von A.
• Die Punkte aus Ao , Ā, ∂A heißen innere, äußere bzw. Randpunkte von A.
o
• A heißt dicht in X, falls Ā = A ist und nirgends dicht, falls Ā = ∅ ist.
Bemerkung 1.1.5. Es gilt
(a)
Ao =
[
U
,
Ā =
\
F ;
U⊆A
F ⊇A
U offen
F abgeschlossen
(b) A ist genau dann offen, wenn gilt A = Ao ;
c
(c) (Ao ) = (Ac ) , (Ā)c = (Ac )o , ∂(Ac ) = ∂A.
Definition 1.1.6 (Häufungspunkte, Berührpunkte und Konvergenz). Sei x ∈ X und A ⊆
X. Weiter sei (xn )n∈N eine Folge von Punkten aus X.
• x heißt Häufungspunkt von A, falls A \ {x} jede Umgebung von x schneidet, d.h.
falls gilt x ∈ A \ {x}. Ist x ∈ A kein Häufungspunkt von A, so heißt x isolierter
Punkt von A.
• x heißt Berührpunkt der Folge (xn )n∈N , falls es zu jeder Umgebung U von x und zu
jedem n ∈ N ein m ≥ n mit xm ∈ U gibt.
• (xn )n∈N konvergiert gegen x, falls es für jede Umgebung U von x ein n0 ∈ N gibt, so
dass gilt xn ∈ U ∀n ≥ n0 . Der Punkt x heißt dann Grenzwert der Folge.
n→∞
Schreibweise: xn −→ x oder limn→∞ xn = x.
Bemerkung 1.1.7. Ein Berührpunkt einer Folge muss nicht unbedingt zugleich Häufungspunkt der dazugehörigen Menge sein. Dies ist genau dann der Fall, wenn x ein isolierter
Punkt von A ist, aber unendlich oft als Folgenglied auftritt.
Umgekehrt muss auch ein Häufungspunkt einer Folge nicht unbedingt Berührpunkt sein.
Ebenso muss der Grenzwert einer Folge muss nicht eindeutig bestimmt sein. In der diskreten
Topologie ist beispielsweise jeder Punkt des Raumes Grenzwert jeder Folge. In HausdorffRäumen (s.u.) können solche Beispiele allerdings nicht auftreten.
6
1.2. BASEN UND SUBBASEN
1.2
Basen und Subbasen
Wird eine Topologie nicht durch eine Metrik erzeugt, so wird sie häufig über eine sogenannte
Basis oder Subbasis angegeben. Die Mengen einer Basis lassen sich als “Grundbausteine” der
Topologie interpretieren. Für die Erzeugung von Topologien noch wichtiger ist der Begriff
der Subbasis. Dieser erlaubt ein bestimmtes System von Mengen anzugeben welche auf
jeden Fall offen sein sollen, und dann die kleinstmögliche Topologie zu verwenden die dieses
Mengen-System entält.
Definition 1.2.1 (Basis und Subbasis einer Topologie). Sei (X, O) ein topologischer Raum.
• Eine Menge B von offenen Mengen heißt Basis der Topologie, wenn jede offene Menge
Vereinigung von Mengen aus B ist.
• Eine Menge S ⊆ O heißt Subbasis der Topologie, wenn jede offene Menge Vereinigung
von endlichen Durchschnitten von Mengen aus S ist.
• Eine Menge U von Umgebungen eines Punktes x ∈ X heißt Umgebungsbasis von x,
wenn in jeder Umgebung V von x eine Menge U ∈ U enthalten ist.
(a) Eine Subbasis S einer Topologie ist genau dann auch Basis,
Bemerkung 1.2.2.
wenn gilt
∀U, V ∈ S∀x ∈ U ∩ V ∃W ∈ S mit x ∈ W ⊆ U ∩ V .
(b) In metrischen Räumen bilden die ε-Kugeln eine Basis der erzeugten Topologie. Eine
Umgebungsbasis des Punktes x ∈ X wird z.B. durch die Folge B1/n (x) gegeben.
Lemma 1.2.3. Jede Menge S von Teilmengen von X ist Subbasis genau einer Topologie
auf X, die sich darstellen lässt als
O(S) :=

ni
[ \

i∈I j=1


Sji | Sji ∈ S, ni ∈ N, I beliebige Indexmenge .

Dabei verwenden wir die üblichen Konvention, dass der leere Schnitt den gesamte Raum und
die leere Vereinigung die leere Menge darstellen.
Beweis. Wir zeigen, dass O(S) eine Topologie ist. Mit der obigen Konvention sind ∅ und
X in O(S) enthalten. Der Schnitt zweier Mengen aus O(S) ist wegen
ni
[\
i∈I j=1
Sji ∩
\k
[m
S̃lk
=
[
(i,k)∈I×I˜
k∈I˜ l=1


ni
\
Sji ∩
j=1
m
\k
l=1

S̃lk 
wieder in O(S) enthalten, und die Stabilität unter endlichen Durchschnitten folgt direkt per
Induktion. Stabilität unter beliebigen Vereinigungen ist leicht ersichtlich (man bilde einfach
die disjunkte Vereinigung der Indexmengen).
Die Tatsache, dass S eine Subbasis darstellt folgt direkt aus der Definition von O(S),
genau wie die Tatsache dass O(S) die einzige Topologie mit dieser Eigenschaft ist.
Definition 1.2.4. O(S) heißt die von S erzeugte Topologie.
7
KAPITEL 1. GRUNDBEGRIFFE DER MENGENTHEORETISCHEN TOPOLOGIE
1.3
Trennungsaxiome
Die wichtigste Frage bei der Wahl einer geeigneten Topologie, auf einem gegebenen Raum
und im Kontext einer bestimmten mathematischen Fragestellung, ist die wie grob (klein)
beziehungsweise fein (groß) diese (als Mengensystem) sein soll. Einerseits soll die Topologie
genügend ‘fein’, dass heißt als Mengensystem genügend groß sein, so dass sich verschiedene Punkte durch die Topologie voneinander unterscheiden lassen und die Eindeutigkeit
von Grenzwerten gesichert ist. Dies wird durch die sogenannten Trennungsaxiome sichergestellt. Am wichtigsten ist dabei die sogenannte Hausdorff-Eigenschaft, die insbesondere die
Eindeutigkeit von Grenzwerten sicherstellt.
Andererseits sollte die Topologie auch nicht zu fein gewählt sein, da sonst nicht genügend
konvergente Teilfolgen existieren. So konvergieren in der diskreten Topologie beispielsweise
nur asymptotisch konstante Folgen. Eine Beschränkung der Feinheit einer Topologie nach
oben liefern die sogenannten Abzählbarkeitsaxiome, die wir im nächsten Kapitel behandeln.
Definition 1.3.1 (Trennungsaxiome). Ein topologischer Raum erfüllt das Trennungsaxiom
Ti , wenn gilt
T0: Für alle Punkte a 6= b aus X gibt es eine offene Menge U , so dass gilt a ∈ U ∧ b ∈
/
U oder a ∈
/ U ∧ b ∈ U.
T1: Für alle Punkte a 6= b aus X gibt es offene Mengen U, V mit a ∈ U ∧ b ∈
/ U und
a∈
/ V ∧ b∈V.
T2: Für alle Punkte a 6= b aus X gibt es disjunkte offene Mengen U, V mit a ∈ U und
b ∈ V . (Hausdorff ’sches Trennungsaxiom)
T3: Ist A ⊆ X abgeschlossen und b ∈
/ A, so gibt es disjunkte offene Mengen U, V mit
A ⊆ U und b ∈ V .
T4: Sind A, B ∈ X disjunkte abgeschlossene Mengen, so gibt es disjunkte offene Mengen U, V mit A ⊆ U und B ⊆ V .
Erfüllt ein topologischer Raum T0 und T3 so heißt er regulär, erfüllt er T1 und T4 so heißt
er normal. Erfüllt ein topologischer Raum T2 , so heißt er Hausdorff-Raum.
Bemerkung 1.3.2. Die Trennungsaxiome lassen sich wie folgt charakterisieren:
T0
T1
⇔ Es gibt keine zwei Punkte, die sich gegenseitig in ihrem Abschluss enthalten.
⇔ Einzelne Punkte sind abgeschlossen.
T2
T3
⇔ Jeder Punkt ist der Durchschnitt all seiner abgeschlossenen Umgebungen.
⇔ Jede offene Menge enthält eine abgeschlossene Umgebung jeder ihrer Punkte.
T4
⇔ Jede offene Menge enhält eine abgeschlossene Umgebung jeder ihrer
abgeschlossenen Teilmengen.
Gilt T2 , so sind Grenzwerte von Folgen eindeutig bestimmt. Weiterhin gilt
(X, O) normal ⇒ (X, O) regulär ⇒ T2 ⇒ T1 ⇒ T0 ,
die Umkehrungen gelten jedoch im allgemeinen nicht. Der Beweis all dieser Aussagen erfolgt
durch einfaches Anwenden der Definitionen.
8
1.4. ABZÄHLBARKEITSAXIOME
1.4
Abzählbarkeitsaxiome
Wie erwähnt stellen Abzählbarkeitsaxiome sicher, dass die Feinheit einer Topologie nicht
zu groß ist. Dementsprechend erlauben sie in vielen Fällen Schlüsse bezüglich der Existenz
konvergenter Folgen oder Teilfolgen zu ziehen, die in allgemeinen topologischen Räumen
nicht gelten.
Definition 1.4.1 (Abzählbarkeitsaxiome und Separabilität). Sei (X, O) ein topologischer
Raum.
• (X, O) erfüllt das 1. Abzählbarkeitsaxiom, falls zu jedem Punkt x ∈ X eine abzählbare Umgebungsbasis existiert.
• (X, O) erfüllt das 2. Abzählbarkeitsaxiom, falls es eine abzählbare Basis der Topologie gibt.
• (X, O) heißt separabel, falls es in X eine abzählbare, dichte Teilmenge gibt.
Bemerkung 1.4.2.
(a) Das 2. AA impliziert sowohl das 1. AA als auch Separabilität.
Eine Umgebungsbasis von x ∈ X wird durch Ux = {U ∈ O | x ∈ U } gegeben. Eine
dichte Teilmenge kann durch Wahl eines Punktes aus jeder Menge der abzählbaren
Basis gebildet werden.
(b) Hat ein Punkt x ∈ X eine abzählbare Umgebungsbasis, so kann diese absteigend
gewählt
Tnwerden, denn ist (Uk )k∈N eine beliebige Umgebungsbasis, so ist (Vn )n∈N mit
Vn := k=1 Uk ebenfalls eine Umgebungsbasis.
(c) Jeder metrische Raum erfüllt das 1. AA, s. Bemerkung 1.2.2(b).
Die Gültigkeit des 1. AA stellt einige grundlegende Eigenschaften sicher, die von metrischen Räumen her bekannt sind.
Lemma 1.4.3. Sei (X, O) ein topologischer Raum der das 1. AA erfüllt und A ⊆ X. Dann
gilt
n
o
n→∞
Ā = x ∈ X ∃Folge (an )n∈N in A mit an −→ x .
Beweis. Sei (Vn )n∈N eine abzählbare, absteigende Umgebungsbasis von x ∈ Ā. Dann liegt
nach Definition des Abschlusses in jedem Vn mindestens ein Element aus A. Es existiert also
eine Folge (an )n∈N mit an ∈ A ∩ Vn . Ist U eine beliebige Umgebung von x, so gibt es ein
n→∞
n0 ∈ N mit Vn0 ⊆ X. Für n ≥ n0 gilt dann an ∈ Vn ⊆ Vn0 ⊆ U , was an −→ x impliziert.
Ist umgekehrt x ∈
/ Ā, so gibt es eine Umgebung von x die A nicht schneidet, also kann
auch keine Folge in A gegen x konvergieren.
Ein Gegenbeispiel für den Fall, dass das 1. AA nicht gilt, lässt sich mit Hilfe von Produkträumen angeben (siehe Bemerkung 2.6.2). Dies gilt auch für die folgende Aussage, für die
wir allerdings auch ein Gegenbeispiel anderer Art im Beweis zu Lemma 4.2.5 konstruieren
werden.
Lemma 1.4.4. Sei (X, O) ein topologischer Raum, der das 1. AA erfüllt und (xn )n∈N eine
Folge in X. Dann gibt es zu jedem Berührpunkt der Folge eine Teilfolge, die gegen diesen
konvergiert.
Beweis. Ist (Vn )n∈N eine abzählbare, absteigende Umgebungsbasis eines Berührpunktes
x, so läßt sich eine Folge n1 < n2 < . . . natürlicher Zahlen mit xnk ∈ Vk finden. (xnk )k∈N
konvergiert dann gegen x.
9
KAPITEL 1. GRUNDBEGRIFFE DER MENGENTHEORETISCHEN TOPOLOGIE
1.5
Kompaktheit
Wir kommen zu einem der wichtigsten Begriffe der Analysis, der Kompaktheit. Auch dieser
kann allgemein im Rahmen topologischer Räume erklärt werden. Ist A eine Teilmenge eines
topologischen Raumes (X, O) so heißt eine Familie (Ui )i∈I S
mit beliebiger Indexmenge I
offene Überdeckung von A, falls die Ui offen sind und A ⊆ i∈I Ui gilt. Die Überdeckung
heißt endlich, falls I endlich ist.
Definition 1.5.1 (Kompaktheit und Folgenkompaktheit). Sei A eine Teilmenge eines topologischen Raumes (X, O).
• A heißt kompakt, falls es zu jeder offenen Überdeckung von A eine endliche Teilüberdeckung gibt.
• A heißt folgenkompakt, falls jede Folge in A eine konvergente Teilfolge besitzt.
• A heißt relativ-kompakt, wenn Ā kompakt ist.
Lemma 1.5.2.
(a) Abgeschlossene Teilmengen kompakter Mengen sind kompakt.
(b) Kompakte Teilmengen von Hausdorff-Räumen sind abgeschlossen.
Beweis.
(a) Sei A kompakt, B ⊆ A abgeschlossen und (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von B.
Dann ist {Ui | i ∈ I}S∪ {B c } eine offene Überdeckung
Sn von A, d.h. es gibt Indices
n
i1 , . . . , in ∈ I mit A ⊆ j=1 Uij ∪ B c . Es folgt B ⊆ j=1 Uij .
(b) Sei X hausdorffsch und A ⊆ X kompakt. Nach Bemerkung 1.1.5 ist Ac offen, wenn
gilt Ac = (Ac )o . Es genügt daher zu zeigen, dass jedes p ∈ Ac eine Umgebung besitzt
die A nicht schneidet.
Wähle zu jedem x ∈ A disunkte Umgebungen Ux von x und Vx von p. (Ux )x∈ASist dann
n
eine offene
es x1 , . . . , xn ∈ A für die gilt A ⊆ i=1 Uxi .
Tn von A, alsoTgibt
Sn Überdeckung
n
Wegen i=1 Uxi ∩ i=1 Vxi = ∅ ist i=1 Vxi die gesuchte Umgebung von p.
Beachte, dass (b) ohne die Annahme der Hausdorff-Eigenschaft nicht gelten muss. In
der trivialen Topologie ist beispielsweise jede Menge kompakt, aber nur ∅ und X sind abgeschlossen.
Wir sagen, eine Familie von Mengen (Ai )i∈IThat die endliche Durchschnittseigenschaft, falls für jede endliche Menge I ′ ⊆ I gilt i∈I ′ Ai 6= ∅.
Lemma 1.5.3 (Cantor’scher Durchschnittsatz). Ist (X, O) ein kompakter topologischer
Raum und (Ai )i∈I eine Familie abgeschlossener
Teilmengen von X, welche die endliche
T
Durchschnittseigenschaft besitzt, so gilt i∈I Ai 6= ∅.
T
c
offene Überdeckung
von X.
Beweis. Angenommen i∈I Ai = ∅. Dann ist (A
Tn
Sin)i∈I eine
Dies bedeutet aber es existieren ∃i1 , . . . , in ∈ I mit j=1 Acij = X. Daher gilt j=1 Aij = ∅,
im Widerspruch zur Voraussetzung.
Lemma 1.5.4. Erfüllt ein kompakter topologischer Raum das 1. AA, so ist er auch folgenkompakt.
Beweis. Sei X der angegebene Raum, (xn )n∈N Folge in X. Setze An := {xm | m ≥ n}. Auf
die An trifft der Cantor’sche Durchschnittsatz zu, d.h. sie haben nichtleeren Durchschnitt.
Jeder Punkt des Durchschnitts ist aber Berührpunkt der Folge, nach Lemma 1.4.4 existiert
daher eine konvergente Teilfolge.
Ein Gegenbeispiel im allgemeinen Fall lässt sich wieder mit Hilfe von Produkträumen
angeben, siehe Bemerkung 2.6.2.
10
1.6. STETIGKEIT
1.6
Stetigkeit
Definition 1.6.1 (Stetigkeit und Folgenstetigkeit). Seien (X, O) und (Y, T ) topologische
Räume.
• Eine Abbildung f : X → Y heißt stetig, wenn die Urbilder offener Mengen offen sind.
n→∞
n→∞
• f heißt folgenstetig, falls aus xn −→ x stets f (xn ) −→ f (x) folgt.
• Eine bijektive Abbildung f : X → Y heißt Homöomorphismus, wenn sowohl f als
auch f −1 stetig sind.
Anders als in metrischen Räumen sind Stetigkeit und Folgenstetigkeit im allgemeinen
nicht äquivalent.
Lemma 1.6.2. Seien (X, O) und (Y, T ) topologische Räume. Ist eine Abbildung f : X → Y
stetig so ist sie auch folgenstetig. Erfüllt X das 1. AA, so gilt auch die Umkehrung.
n→∞
Beweis. “⇒”: Sei f stetig, xn −→ x und U eine Umgebung von f (x). Dann ist f −1 (U )
eine Umgebung von x. Aus der Konvergenz der xn folgt daher die Existenz eines n0 ∈ N,
n→∞
für das gilt xn ∈ f −1 (U ) ∀n ≥ n0 und damit f (xn ) ∈ U ∀n ≥ n0 . Es folgt f (xn ) −→ f (x)
und somit die Folgenstetigkeit von f .
“⇐”: Sei f folgenstetig und U ⊆ Y offen. Zu zeigen ist, dass f −1 (U ) offen ist. Sei dazu
x ∈ f −1 (U ) und (Vn )n∈N eine abzählbare, absteigende Umgebungsbasis von x.
Angenommen es gilt Vn * f −1 (U ) ∀n ∈ N. Dann existiert eine Folge (xn )n∈N mit
n→∞
/ U ∀n ∈ N, im Widerspruch zur
xn ∈ Vn \ f −1 (U ). Es gilt xn −→ x, aber f (xn ) ∈
Folgenstetigkeit. Also gibt es ein n0 für das gilt Vn0 ⊆ f −1 (U ). Daher ist f −1 (U ) eine
Umgebung von x, und da x ∈ f −1 (U ) beliebig war ist das Urbild von U offen.
Lemma 1.6.3. Seien (X, O) und (Y, T ) topologische Räume und A ⊆ X.
(a) f : X → Y ist genau dann stetig, wenn Urbilder abgeschlossener Mengen abgeschlossen sind.
(b) Ist f : X → Y stetig, so gilt f (Ā) ⊆ f (A).
(c) Ist f ein Homöomorphismus, so gilt f (Ā) = f (A).
Beweis.
(a) folgt direkt aus f −1 (Ac ) = f −1 (A)c .
(b) Angenommen x ∈ Ā aber f (x) ∈
/ f (A). Dann ist f (A)c Umgebung von f (x), womit
−1
c
aber auch f (f (A) ) Umgebung von x ist. Wegen f −1 (f (A)c ) ⊆ Ac folgt, dass Ac
Umgebung von x ist, im Widerspruch zu x ∈ Ā.
(c) f (Ā) ⊆ f (A) folgt aus (a). Zudem bildet ein Homeomorphismus abgeschlossene Mengen wieder auf abgeschlossene Mengen ab. Trivialerweise ist f (A) in der abgeschlossenen Menge f (Ā) enthalten, also auch f (A).
Beispiel 1.6.4 (zu (b)). Sei f : R+ → R+ , f (x) = arctan(x). Dann ist f (Q) = (−π/2, π/2) (
[−π/2, π/2] = f (Q).
Bemerkung 1.6.5. Die Frage, ob eine gegebene Funktion f : X → Y stetig ist hängt
wesentlich von den verwendeten Topologien ab. Wird Y mit der trivialen Topologie versehen,
so ist jede Funktion stetig. Gleiches gilt, wenn X mit der diskreten Topologie versehen wird.
Wird umgekehrt X mit der trivialen Topologie versehen und ist Y ein Hausdorff-Raum,
so sind nur konstante Funktionen stetig.
Definition 1.6.6. Sei X eine beliebige Menge, (Y, T ) ein topologischer Raum und F eine
Familie von Abbildungen von X nach Y . Dann heißt die von der Subbasis SF = {f −1 (U ) |
U ∈ T , f ∈ F } erzeugte Topologie OF = O(SF ) Initialtopologie von F .
11
KAPITEL 1. GRUNDBEGRIFFE DER MENGENTHEORETISCHEN TOPOLOGIE
Bemerkung 1.6.7. OF ist die gröbste (d.h. kleinste) Topologie auf Y bezüglich derer alle
Abbildungen aus F stetig sind.
Im folgenden untersuchen wir die Zusammenhänge von Stetigkeit und Kompaktheit.
Lemma 1.6.8. Bilder kompakter Mengen unter stetigen Abbildungen sind kompakt.
Beweis. Sei f : X → Y stetig, A ⊆ X kompakt und (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von
f (A). Dann
(f −1 (Ui ))i∈I eine offene Überdeckung
von A, also gibt es i1 , . . . , in so dass
Sn
Sn ist −1
gilt A ⊆ j=1 f (Uij ). Es folgt f (A) ⊆ j=1 Uij .
Die folgende Aussage liefert ein wichtiges Kriterium für die stetige Invertierbarkeit einer
Abbildung.
Satz 1.6.9 (Homöomorphie-Kriterium). Eine stetige Bijektion von einem kompakten Raum
in einen Hausdorffraum ist stets ein Homeomorphismus.
Beweis. Sei f : X → Y bijektiv und stetig, X kompakt und Y hausdorffsch. Es genügt
zu zeigen, dass die Bilder abgeschlossener Mengen abgeschlossen sind. Ist nun A ⊆ X abgeschlossen, so ist A nach Lemma 1.5.2(a) kompakt. Damit ist nach Lemma 1.6.8 auch f (A)
kompakt und damit nach Lemma 1.5.2(b) abgeschlossen.
Lemma 1.6.10. Sind X, Y topologische Räume, f : X → Y stetig, A ⊆ X kompakt und Y
hausdorffsch, so gilt f (Ā) = f (A).
Beweis. Nach Lemma 1.6.3 gilt f (Ā) ⊆ f (A). Andererseits ist f (A) kompakt, und damit
als kompakte Teilmenge eines Hausdorff-Raumes auch abgeschlossen. Daher gilt f (A) =
f (A) ⊆ f (Ā).
1.7
Quotienten-, Produkt- und Relativ-Topologie
Wir beschliessen das Kapitel über die Grundlagen der mengentheoretischen Topologie mit
drei wichtigen Konstruktionen, die ausgehend von gegebenen topologischen Räumen zu neuen Topologien führen. Wir beginnen mit dem Begriff einer Äquivalenzrelation.
Definition 1.7.1 (Relation, Äquivalenzrelation). Sei X eine beliebige Menge.
• Eine Relation ∼ auf einer beliebigen Menge X ist eine Teilmenge von X × X. Dabei
verwendet man die Symbolik
x ∼ y :⇔ (x, y) ∈ ∼ .
• ∼ heißt Äquivalenzrelation, wenn für alle x, y, z ∈ X die folgenden Bedingungen
erfüllt sind:
(A1) x ∼ x
(Reflexivität)
(A2) x ∼ y ⇒ y ∼ x
(Symmetrie)
(A3) x ∼ y und y ∼ z ⇒ x ∼ z
(Transitivität)
• Die Menge [x] := {y ∈ X | y ∼ x} heißt die Äquivalenzklasse von x, die Menge aller
Äquivalenzklassen heißt Quotientenmenge und wird mit X/ ∼ bezeichnet. Durch
π : X → X/ ∼, x 7→ [x] ist eine natürliche Projektion von der ursprünglichen Menge
auf ihre Quotientenmenge gegeben.
Auf topologischen Räumen induziert die Quotientenbildung auf natürliche Weise eine
Topologie auf dem Quotientenraum.
12
1.7. QUOTIENTEN-, PRODUKT- UND RELATIV-TOPOLOGIE
Definition 1.7.2 (Quotiententopologie). Ist X ein topologischer Raum und ∼ eine Äquivalenzrelation auf X, so heißt X/ ∼ Quotientenraum. Die Quotiententopologie wird
durch die Festlegung
U ⊆ X/ ∼ offen
:⇔ π −1 (U ) ist offen in X
gegeben.
Bemerkung 1.7.3.
(a) Offensichtlich ist die Projektion π stetig in der Quotiententopologie. Darüberhinaus ist jede Abbildung f : X/ ∼→ Y in einen weiteren topologischen Raum Y genau dann stetig, wenn f ◦ π stetig ist.
(b) Ist X kompakt, so auch der Quotientenraum X/ ∼ als Bild von X unter der stetigen
Abbildung π. Im Gegensatz dazu bleibt das Hausdorff’sche Trennungsaxiom unter
Quotientenbildung im allgemeinen nicht erhalten.
Als Beispiel für Letzteres sei X = R und x ∼ y :⇔ x − y ∈ Q. Angenommen U, V ⊆
X/ ∼ sind offene disjunkte Mengen mit [x] ∈ U und [y] ∈ V . Dann enthält π −1 (U ) die
Menge x + Q und liegt daher dicht. Da π −1 (U ) zugleich offen ist, schneidet die Menge
auch y + Q. Daraus folgt [y] ∈ U , im Widerspruch zur Annahme.
Auch bei der Bildung von Produkt-Räumen lässt sich die topologische Struktur in natürlicher Weise übertragen.
Definition 1.7.4 (Produkttopologie).NSeien (Xλ , Oλ )λ∈Λ eine Familie topologischer Räume
(mit beliebiger Indexmenge Λ), X := λ∈Λ Xλ der Produktraum und πλ : X → Xλ die Projektionen auf die einzelnen Koordinaten.
• Dann heißt die von der Subbasis
S := {πλ−1 (Uλ ) | λ ∈ Λ, Uλ ∈ Oλ }
erzeugte Topologie Produkttopologie auf X.
• Mengen aus S werden auch als offene Streifen bezeichnet.
• Mengen der Form
\
πγ−1 (Uγ )
γ∈Γ
mit Uγ ∈ Oγ und endlichem Γ ⊆ Λ heißen offene Kästchen und bilden eine Basis
der Produkttopologie.
Bemerkung 1.7.5 (Elementare Eigenschaften der Produkttopologie).
(a) Die Produkttopologie ist genau die zur Familie {πλ | λ ∈ Λ} gehörige Initialtopologie im Sinne von
Definition 1.6.6. Damit ist sie die gröbste Topologie, bezüglich derer alle Projektionen
πλ stetig sind.
(b) Eine Teilmenge von X ist genau dann offen inN
der Produkttopologie, wenn sie eine
für jeden ihrer Punkte eine Umgebung der Form λ∈Λ Uλ mit Uλ 6= Xλ für höchstens
endlich viele λ enthält.
(c) X erfüllt genau dann das Trennungsaxiom Ti , wenn dies für alle Xλ (λ ∈ Λ) gilt.
(d) Die Gültigkeit der Abzählbarkeitsaxiome bleibt dagegen nur dann erhalten, wenn
die Indexmenge Λ höchstens abzählbar ist.
N
Erfüllt beispielsweise λ∈Λ Xλ das 2. Abzählbarkeitsaxiom, so existiert eine abzählbare Basis (Bn )n∈N der Topologie. Jedes der Bn enthält ein offenes Kästchen, so dass
Λn :=
S {λ ∈ Λ | πλ (Bn ) 6= Xλ } endlich ist. Ist Λ nicht abzählbar, so existiert ein
λ ∈
/ n∈N Λn . Dann ist aber für jede nichtleere offene Menge U ( Xλ die Menge
πλ−1 (U ) nicht als Vereinigung von Bn darstellbar.
13
KAPITEL 1. GRUNDBEGRIFFE DER MENGENTHEORETISCHEN TOPOLOGIE
(e) Eine Abbildung f : Y → X ist genau dann stetig, wenn πλ ◦ f für alle λ ∈ Λ stetig
ist (Übung!).
Eine der wichtigsten Aussagen bezüglich der Produkttopologie, die auch im weiteren
Verlauf der Vorlesung noch eine wichtige Rolle spielen wird, ist der Satz von Tychonoff.
Satz 1.7.6 (Satz von Tychonoff). Beliebige Produkte kompakter topologischer Räume sind
kompakt.
Der Beweis beruht auf dem Lemma von Zorn und findet sich im Anhang.
Schliesslich überträgt sich die Topologie eines Raumes auch in natürlicher Weise auf
Teilmengen.
Definition 1.7.7 (Relativ-Topologie). Ist A eine beliebige Teilmenge eines topologischen
Raumes (X, O), so wird durch
OA := {O ∩ A | O ∈ O}
eine Topologie auf A gegeben, die als Relativ-Topologie (auch Spurtopologie, induzierte
Topologie oder Teilraumtopologie) bezeichnet wird. Bezüglich der Relativ-Topologie offene
Mengen werden als relativ-offen bezeichnet, analog ist relativ-abgeschlossen erklärt.
14
Kapitel 2
Topologie metrischer Räume
2.1
Metrische Räume
Definition 2.1.1 (Metrischer Raum). Ein metrischer Raum (X, d) ist ein Paar aus einer
Menge X und einer Abbildung (Metrik)
d : X × X → [0, ∞) ,
so daß für alle Punkte x, y, z ∈ X gilt:
(D1) d(x, y) = 0 ⇒ x = y
(Definitheit)
(D2) d(x, y) = d(y, x)
(Symmetrie)
(D3) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z)
(△-Ungleichung)
Die offenen ǫ-Kugeln Bε (x) := {y ∈ X | d(x, y) < ǫ} bilden die Basis der Topologie des
metrischen Raumes (X, d).
Bemerkung 2.1.2.
(a) Jeder metrische Raum erfüllt das 1. AA. Eine abzählbare Umgebungsbasis des Punktes x wird durch die 1/n-Kugeln B1/n (x) gegeben.
(b) Jeder metrische Raum ist hausdorffsch.
(c) In metrischen Räumen sind das 2. AA und Separabilität äquivalent. Ist A eine
abzählbare dichte Teilmenge eines metrischen Raumes (X, d), so bildet {Br (a) | a ∈
A, r ∈ Q} eine abzählbare Basis der Topologie.
Lemma 2.1.3. Für metrische Räume sind Kompaktheit und Folgenkompaktheit äquivalent.
Beweis. Sei (X, d) ein metrischer Raum. “⇐” folgt aus Lemma 1.5.4, da metrische Räume
stets das 1. AA erfüllen. Sei umgekehrt X als folgenkompakt angenommen und (Ui )i∈I eine
offene Überdeckung von X, die keine endliche Teilüberdeckung besitzt.
Zu x ∈ X sei ǫ(x) := 12 sup{ǫ > 0 | ∃i ∈ I : Bε (x) ⊆ Ui }. Wähle zu jedem x ein i(x)
für daß gilt Bǫ(x) ⊆ Ui(x) . Induktiv läßt sich nun eine Folge (xn )n∈N konstruieren, so daß
Sn−1
stets gilt xn ∈
/ k=1 Ui(xk ) , also insbesondere xn ∈
/ Bǫ(xm ) (xm ) ∀n > m. Die induktive
Konstruktion läßt deshalb stets fortsetzen, weil es keine endliche Teilüberdeckung gibt.
(xn )n∈N hat nun eine konvergente Teilfolge. Daher können wir xn → x0 für ein x0 ∈ X
annehmen. Es muß gelten ǫ(xn ) → 0, andererseits ist aber ǫ(xn ) ≥ ǫ(x) − d(xn , x) → ǫ(x).
Damit führt die Annahme einer offenen Überdeckung ohne endliche Teilüberdeckung zum
Widerspruch.
15
KAPITEL 2. TOPOLOGIE METRISCHER RÄUME
2.2
Vollständigkeit
Definition 2.2.1 (Cauchy-Folgen, Vollständigkeit). Sei (X, d) ein metrischer Raum.
• Eine Folge (xn )n∈N in X heißt Cauchy-Folge, falls für jedes ǫ > 0 ein n0 ∈ N
existiert, so dass d(xn , xm ) < ǫ für alle n, m ≥ n0 gilt.
• Ein metrischer Raum (X, d) heißt vollständig, falls jede Cauchy-Folge in X konvergiert.
Lemma 2.2.2. Ist (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, so ist A ⊆ X genau dann
vollständig wenn A abgeschlossen ist.
Beweis. “⇒” Sei x0 ∈ Ā, so dass eine Folge (an )n∈N in A mit an → x0 existiert (s.
Lemma 1.4.3). (an )n∈N ist dann Cauchy-Folge und konvergiert daher in A. Da nur ein
Grenzwert in Frage kommt (Eindeutigkeit des Grenzwertes in Hausdorffräumen) bedeutet
das x0 ∈ A, also ist A = Ā.
“ ⇐ ” : Sei (an )n∈N Cauchy-Folge in A. Aufgrund der Vollständigkeit des Raumes konvergiert
die Folge gegen einen Grenzwert x0 ∈ X, wegen der Abgeschlossenheit liegt dieser Grenzwert
auch in A.
ˆ metrische Räume, so heißt i : X → X̂ Isometrie
Definition 2.2.3. Sind (X, d) und (X̂, d)
ˆ
falls für alle x, y ∈ X gilt d(x, y) = d(i(x), i(y)).
Satz 2.2.4 (Vervollständigung metrischer Räume). Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann
ˆ und eine Isometrie i : X → X̂ für die
existiert ein vollständiger metrischer Raum (X̂, d)
gilt i(X) = X̂. i wird als Einbettung von X in X̂ bezeichnet, X̂ als Vervollständigung
von X.
Beweis. Sei X̃ die Menge aller Cauchy-Folgen in X. Dann ist durch
(xn )n∈N ∼ (yn )n∈N
:⇔
n→∞
d(xn , yn ) −→ 0
eine Äquivalenzrelation auf X̃ gegeben. Setze X̂ := X̃/ ∼. Aufgrund der Dreiecks-Ungleichung
bilden für zwei Cauchy-Folgen (xn )n∈N und (yn )n∈N auch die Abstände d(xn , yn ) eine CauchyFolge. Daher kann durch
ˆ ŷ) := lim d(xn , yn )
d(x̂,
n→∞
für (xn )n∈N ∈ x̂, (yn )n∈N ∈ ŷ
wird eine Metrik auf X̂ erklärt. Die Eigenschaften einer Metrik sind leicht nachzuprüfen,
ebenso die Tatsache, daß die Definition nicht von der Wahl der Vertreter der Äquivalenzklassen abhängt. Weiter ist durch i(x) := (x, x, x, . . .) offensichtlich eine Isometrie von X
nach X̂ gegeben.
Um die Vollständigkeit von X̂ zu zeigen, sei (x̂m )m∈N mit x̂m = (xm
n )n∈N eine Cauchyˆ Dann wählen wir eine monoton wachsende Folge (mk )k∈N , für die gilt
Folge bezüglich d.
ˆ m , x̂m′ ) <
d(x̂
1
3k
∀m, m′ ≥ mk
und anschliessend eine monoton wachsende Folge (nk )k∈N mit
mk
k
d(xm
n , xn′ ) ≤
1
3k
∀n, n′ ≥ nk .
k
Sei ξˆ = (ξk )k∈N erklärt durch ξk = xm
nk . Wir behaupten, dass ξ̂ eine Cauchy-Folge ist und
m
(x̂ )m∈N in X̂ gegen ξ̂ konvergiert.
16
2.3. STETIGKEIT AUF METRISCHEN RÄUMEN
Um die Cauchy-Eigenschaft zu zeigen, sei zu k ∈ N und i, j ≥ k eine ganze Zahl n ≥
mj
1
i
. Dann folgt
max{ni , nj } so gewählt, dass gilt d xm
< 3k
n , xn
mj
i
d(ξi , ξj ) = d(xm
ni , xnj ) ≤
≤
mj
mj
mj
mi
mi
i
d(xm
ni , xn ) + d(xn , xn ) + d(xn , xnj ) <
1
1
1
1
+
+
= ,
3k 3k 3k
k
und damit ist ξ offensichtlich Cauchy-Folge.
Für die Konvergenz seien ε > 0 und m0 ∈ N so gewählt, dass gilt
ˆ m , x̂m′ ) < ε
d(x̂
4
∀m, m′ ≥ m0 .
Zu m ≥ m0 sei dann n ∈ N so gewählt, dass gilt
m
d(xm
i , xj ) <
ε
∀i, j ≥ n .
4
Für beliebige i, j ∈ N gilt
mi
mi
mi
m
m
m
mi
d(xm
i , xni ) ≤ d(xi , xj ) + d(xj + xj ) + d(xj , xni ) .
Ist i ≥ n, mi ≥ m und l ≥ max{n, ni }, so ergibt dies
mi
d(xm
i , xni ) ≤
ε
1
mi
+ d(xm
.
j + xj ) +
4
3i
Im Limes j → ∞ erhalten wir
mi
d(xm
i , xni ) ≤
1
ε
+
,
2 3i
und für i → ∞ schliesslich
ˆ m , ξ)
ˆ = lim d(xm , xmi ) ≤ ε < ε .
d(x̂
ni
i
i→∞
2
m→∞
Es folgt x̂m −→ ξˆ wie behauptet.
Damit ist X̂ vollständig und es bleibt zu zeigen, dass i(X) dicht in X̂ liegt. Sei dazu
x̂ ∈ X̂ gegeben, ǫ > 0 beliebig und (xn )n∈N ein Vertreter von x̂. Dann existiert ein n0 ∈ N,
so daß gilt d(xn , xn0 ) < ǫ ∀n ≥ n0 . Also folgt
ˆ i(xn )) = lim d(xn , xn ) ≤ ǫ
d(x̂,
0
0
n→∞
und damit die Aussage.
2.3
Stetigkeit auf metrischen Räumen
Definition 2.3.1 (Metrische Definition der Stetigkeit). Seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische
Räume.
• Eine Abbildung f : X → Y heißt stetig in einem Punkt x ∈ X, falls gilt
∀ǫ > 0 ∃δ > 0 ∀x′ ∈ Bδ (x) : dY (f (x), f (x′ )) < ǫ .
• f heißt gleichmäßig stetig auf X falls gilt
∀ǫ > 0 ∃δ > 0 ∀x, x′ ∈ X : dX (x, x′ ) < δ ⇒ dY (f (x), f (x′ )) < ǫ .
17
KAPITEL 2. TOPOLOGIE METRISCHER RÄUME
Bemerkung 2.3.2.
(a) Stetigkeit in einem Punkt kann auch in dem Fall erklärt werden, in dem X nur ein topologischer Raum ist. Dann ist Bδ (x) in der Definition durch
eine beliebige Umgebung von x zu ersetzten.
(b) Eine Abbildung ist genau dann stetig im topologischen Sinn (Def. 1.6.1) wenn sie
stetig in jedem Punkt aus X ist.
Lemma 2.3.3 (Vervollständigung von Abbildungen). Seien (X, dX ) ein beliebiger und
(Y, dY ) ein vollständiger metrischer Raum. Zudem sei A ⊆ X dicht und f : A → Y
eine gleichmäßig stetige Abbildung. Dann gibt es genau eine Fortsetzung von f zu einer
gleichmäßig stetigen Abbildung fˆ : X → Y mit fˆ|A = f .
Beweis. Zu jedem x ∈ X wählen wir eine gegen x konvergente Folge (an )n∈N in A
und setzen fˆ(x) := limn→∞ f (an ). Da (an )n∈N eine Cauchy-Folge ist gilt dies aufgrund
der gleichmäßigen Stetigkeit von f auch für (f (an ))n∈N , so daß der Grenzwert wegen der
Vollständigkeit von Y stets existiert. Ist (ãn )n∈N eine zweite Folge, die ebenfalls gegen x
konvergiert, so gilt aufgrund der gleichmässigen Stetigkeit limn→∞ dY (f (an ), f (ãn )) = 0
und daher limn→∞ f (an ) = limn→∞ f (ãn ).
Damit ist fˆ wohldefiniert, und die Eindeutigkeit folgt direkt aus der Definition. Um die
gleichmäßige Stetigkeit von fˆ zu zeigen sei ε > 0 beliebig und δ > 0 so gewählt, dass gilt
dX (a, b) < 2δ ⇒ dY (f (a), f (b)) < ε/2 .
Seien nun x, y ∈ X und d(x, y) < δ. Ferner seien (an )n∈N und (bn )n∈N Folgen in A mit
Grenzwerten x und y. Dann gilt für genügend großes n immer d(an , bn ) < 2δ und damit
d(f (an ), f (bn )) < ε/2. Es folgt d(x, y) ≤ ε/2 < ε.
Bemerkung 2.3.4. Auf die Gleichmäßigkeit kann nicht verzichtet werden. So ist beispielsweise
f : [0, 1] ∩ Q → R , x 7→ 1[1/√2,1] (x)
stetig auf [0, 1] ∩ Q, besitzt aber keine stetige Fortsetzung auf [0, 1].
2.4
Präkompaktheit
Definition 2.4.1. Ein metrischer Raum (X, d) heißt präkompakt,
falls es für alle ǫ > 0
S
endlich viele Elemente x1 , . . . , xn gibt, so daß gilt X = ni=1 Bε (xi ).
Aus der reellen Analysis gut bekannt ist der folgende
Satz 2.4.2 (Heine-Borel). Ein metrischer Raum (X, d) ist genau dann kompakt, wenn er
präkompakt und vollständig ist.
Beweis. “⇒”: Aufgrund der Kompaktheit hat jede Folge eine konvergente Teilfolge
(Lemma 2.1.3). Im Falle einer Cauchy-Folge ist leicht zu zeigen, daß die gesamte Folge gegen
den Teilfolgengrenzwert konvergieren muß, also ist der Raum vollständig. Parakompaktheit
folgt aus der Tatsache, daß aufgrund der Kompaktheit immer schon endlich viele ǫ-Kugeln
den Raum ganz überdecken.
“⇐”: Wegen Lemma 2.1.3 genügt es, die Folgenkompaktheit von X zu zeigen. Sei also
(xn )n∈N eine beliebige Folge in X. Induktiv läßt sich dann eine Folge von Kugeln Vn =
B2−n (yn ) konstruieren, so daß in jedem Vn unendlich viele Glieder der Folge liegen und
jeweils Vn ∩ Vn+1 6= ∅ gilt. Beachte dazu, dass Vn jeweils von endlich vielen Kugeln des
Radius 2−(n+1) überdeckt wird, da dies aufgrund der Parakompaktheit auch für den ganzen
Raum gilt. In wenigstens einer dieser Kugeln müssen dann unendlich viele der Folgenglieder
liegen, die in Vn enthalten sind.
Ist nun (xnk )k∈N eine Teilfolge mit xnk ∈ Vk , so gilt d(xnk , xnk+1 ) < 2 · (2−n + 2−(n+1) ) =
3 · 2−n . Daher ist (xnk )k∈N eine Cauchy-Folge und konvergiert aufgrund der Vollständigkeit
von X. Also hat (xn )n∈N eine konvergente Teilfolge.
18
2.5. DER SATZ VON BAIRE
2.5
Der Satz von Baire
Definition 2.5.1 (Mengen 1. und 2. Kategorie). Die Vereinigung abzählbar vieler abgeschlossener, nirgends dichter Mengen heißt Menge 1. Kategorie. Eine Teilmenge einer
Menge 1. Kategorie heißt mager. Eine Menge, die Schnitt abzählbar vieler dichter offener
Mengen ist, heißt Menge 2. Kategorie oder residuelle Menge.
Satz 2.5.2 (Baire). Ist (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, so liegt jede residuelle
Menge dicht in X.
Beweis. Sei (Un )n∈N eine Folge dichter offener Mengen, x ∈ X und ǫ > 0 beliebig. Da U1 ∩
Bε (x) offen und nichtleer ist, enthält diese Menge eine abgeschlossene Kugel Bǫ1 (x1 ). Ohne
Beschränkung der Allgemeinheit kann dabei ǫ1 < 21 ǫ gewählt werden. Induktiv lässt sich auf
die gleiche Weise eine Folge von Kugeln Bǫn (xn ) konstruieren, für die gilt Bǫn+1 (xn+1 ) ⊆
Bǫn (xn ) ∩ Un+1 und ǫn+1 < 21 ǫn . Aus der Konstruktion folgt Bεn (xn ) ⊆ Uk ∀k ≤ n.
Die xn bilden offensichtlich eine Cauchy-Folge und konvergieren daher gegen einen Grenzwert x0 . Dieser ist in all den abgeschlossenen
Kugeln Bǫk (xk ) enthalten, und wegen Bεk (xk ) ⊆
T∞
Bεn (xn ) ⊆ Un für k > n auch in Bε (x) ∩ n=1 Un .
Korollar 2.5.3. Ist (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, so hat jede magere Menge
M leeres Inneres. Insbesondere ist M 6= X.
S
abgeschlossene und nirgends
Beweis. Ist M mager, so ist M ⊆ n∈N An für geeignete
T
dichte Mengen An . Daher entält M c die residuelle Menge n∈N Acn und liegt daher dicht.
Korollar 2.5.4. Eine magere Teilmenge eines vollständigen metrischen Raumes ist nicht
residuell.
Beweis. Angenommen M ist mager und zugleich residuell. Wie im vorhergehenden Beweis
gezeigt, enthält das Komplement von M eine residuelle Menge R. Da der Schnitt zweier
residueller Mengen wieder residuell ist, gilt R ∩ M 6= ∅, im Widerspruch zu R ⊆ M C .
2.6
Punktweise und gleichmäßige Konvergenz
Wir wenden uns nun Konvergenzbegriffen für Funktionenfolgen zu.
Definition 2.6.1. Sei (X, O) und (Y, T ) topologische Räume. Eine Folge von Funktionen
fn : X → Y konvergiert punktweise gegen eine Funktion f , falls für alle x ∈ X gilt
limn→∞ fn (x) = f (x).
Bemerkung 2.6.2.
(a) Ist Y ein Hausdorff-Raum, so ist der Grenzwert eindeutig bestimmt.
(b) Jede Funktion f : XN→ Y läßt sich in natürlicher Weise als ein Element des
Produktraumes Y X :=
x∈X Y auffassen. Punktweise Konvergenz entspricht dann
genau der Konvergenz in der Produkttopologie.
(c) Ist Y kompakt, so ist der mit der Produkttopologie versehene Raum Y X nach dem
Satz von Tychonoff kompakt. Ist X überabzählbar, so erfüllt der Raum allerdings nicht
das 1. AA. Dies liefert auch Bespiele von Räumen die kompakt, aber nicht folgenkompakt sind.
Zur Demonstration geben wir eine Folge von Funktionen von dem Raum aller 0-1Folgen X = {0, 1}N nach Y = {0, 1} angeben, die keine konvergente Teilfolge besitzt.
Seien dazu π1 : X → Y, (xn )n∈N 7→ x1 die Projektion auf die erste Koordinate und
σ : X → X, (x1 , x2 , x3 , . . .) 7→ (x2 , x3 , x4 , . . .) die Shift-Abbildung. Sei fn := π1 ◦ σ n
und (ni )i∈N eine beliebige Teilfolge der natürlichen Zahlen. Für a ∈ X gilt dann
fni (a) = ani . Wähle a ∈ X mit ani = 0 für gerades i und ani = 1 für ungerades i.
19
KAPITEL 2. TOPOLOGIE METRISCHER RÄUME
Dann ist die Folge fni (a) = ani nicht konvergent, und damit auch die Teilfolge (fni )i∈N
nicht. Da (ni )i∈N beliebig war kann (fn )n∈N keine konvergente Teilfolge besitzen.
(d) Auf ähnliche Weise lassen sich im Zusammenhang mit den Lemmata 1.4.3 und 1.4.4
erwähnte Gegenbeispiele angeben.
(e) Insbesondere ist der Raum Y X im obigen Fall auch nicht metrisierbar. Dabei heißt
ein topologischer Raum metrisierbar, falls es eine Metrik auf X gibt für die die
erzeugte Topologie mit O übereinstimmt. Ist ein Raum metrisierbar, so erfüllt er nach
Bemerkung 2.1.2(a) auch das 1. AA.
Definition 2.6.3 (Gleichmäßige Konvergenz und Supremumsmetrik). Sei (X, O) ein topologischer, (Y, d) ein metrischer Raum.
• Die Menge aller Funktionen von X nach Y bezeichnen wir mit F (X, Y ).
• Die Menge aller stetigen Funktionen von X nach Y bezeichnen wir mit C(X, Y ).
• Für f, g ∈ F(X, Y ) sei
d0 (f, g) := sup d(f (x), g(x)) .
(2.6.1)
x∈X
• Eine Folge (fn )n∈N von Funktionen aus F (X, Y ) konvergiert gleichmäßig gegen eine
Funktion f , falls gilt limn→∞ d0 (fn , f ) = 0.
Bemerkung 2.6.4.
(a) Im allgemeinen ist d0 nicht unbedingt eine Metrik sondern
nur eine “Fastmetrik”, d.h. es kann auch der Wert +∞ angenommen werden. Dies ist
d0
eine Metrik definiert
allerdings unproblematisch, da in diesem Fall durch d˜0 := 1+d
0
wird, welche die selbe Topologie erzeugt wie d0 (s. Übungen). Daher wird i.A. schon d0
selbst als Supremumsmetrik bezeichnet. Im Gegensatz zur punktweisen Konvergenz
ist der mit der Topologie der gleichmäßigen Konvergenz versehene Raum F (X, Y ) also
auf jeden Fall metrisierbar.
(b) Umformuliert läßt sich die gleichmäßige Konvergenz auch folgendermaßen ausdrücken:
∀ǫ > 0 ∃n0 = n0 (ǫ) ∈ N ∀x ∈ X ∀n ≥ n0 : d(fn (x), f (x)) < ǫ .
(c) Werden im folgenden keine weiteren Angaben gemacht, so soll unter F (X, Y ) und
C(X, Y ) immer der jeweilige mit der Topologie der gleichmäßigen Konvergenz versehene topologische Raum verstanden werden. Ebenso sei in diesem Fall immer implizit
angenommen, daß es sich bei X um einen topologischen und bei Y um einen metrischen
Raum handelt.
Lemma 2.6.5. F (X, Y ) ist genau dann vollständig wenn Y vollständig ist.
Beweis. “⇒”: Durch i : Y → F (X, Y ), y 7→ i(y) ≡: y wird eine isometrische Einbettung
von Y nach F (X, Y ) gegeben. Um zu zeigen, dass i(X) abgeschlossen ist, sei f ∈ i(Y )c .
Dann gibt es x, y ∈ X mit ε := d(f (x), f (y)) > 0. Damit ist aber
U = {g ∈ F(X, Y ) | d(g(x), f (x)) < ε/2} ∩ {g ∈ F(X, Y ) | d(g(y), f (y)) < ε/2}
eine offene Umgebung von f in F (X, Y ) \ i(Y ). Da f ∈
/ i(Y ) beliebig war, folgt die Abgeschlossenheit von i(Y ). Damit ist Y =
b i(Y ) nach Lemma 2.2.2 als abgeschlossene Teilmenge
eines vollständigen metrischen Raumes vollständig.
“⇐”: Sei Y vollständig und (fn )n∈N eine Cauchy-Folge in F (X, Y ). Dann bilden für
jedes x ∈ X die Funktionswerte fn (x) eine Cauchy-Folge, so daß der punktweise Limes
f (x) := limn→∞ fn (x) existiert. Gilt nun d0 (fn , fm ) ≤ ǫ für alle n, m ≥ n0 , so folgt im
Limes auch d0 (fn , f ) ≤ ǫ ∀n ≥ n0 . Also konvergieren die fn gleichmäßig gegen f .
20
2.7. DER SATZ VON ARZELA-ASCOLI
Satz 2.6.6. C(X, Y ) ist abgeschlossene Teilmenge von F (X, Y ).
Beweis. Bezeichnen wir mit Cx (X, Y ) die Menge aller im Punkt x stetigen Funktionen,
so gilt
\
C(X, Y ) =
Cx (X, Y ) .
x∈X
Da beliebige Schnitte abgeschlossener Mengen abgeschlossen sind, genügt es die Abgeschlossenheit von Cx (X, Y ) zu zeigen.
Ist nun g ∈ Cx (X, Y )c , so existiert ein ǫ > 0, so daß es in jeder Umgebung U von x ein
′
x ∈ U mit d(g(x), g(x′ )) ≥ ǫ gibt. Für jedes h ∈ B 31 ǫ (g) folgt dann aber d(h(x), h(x′ )) ≥ 31 ǫ.
Da U beliebig war ist damit auch h nicht stetig in x. Also gilt B 13 ǫ (g) ⊆ Cx (X, Y )c und
damit ist Cx (X, Y )c offen.
Mit Hilfe von Lemma 2.2.2 erhalten wir aus den beiden vorherigen Aussagen sofort das
folgende
Korollar 2.6.7. Ist Y vollständig, so auch C(X, Y ).
2.7
Der Satz von Arzela-Ascoli
Wir widmen uns nun dem Satz von Arzela-Ascoli, der ein Kriterium für die Existenz
gleichmäßig konvergenter Teilfolgen von Funktionenfolgen liefert.
Definition 2.7.1. Eine Familie von Funktionen H ⊆ C(X, Y ) heißt gleichgradig stetig,
falls es für jedes x ∈ X und ǫ > 0 eine Umgebung U (x, ǫ) von x gibt, so dass gilt
f (U (x, ǫ)) ⊆ Bε (f (x))
∀f ∈ H .
Bemerkung 2.7.2. Ist eine Funktionenfamilie H gleichgradig stetig, so auch ihr Abschluss
H bezüglich der Supremumsmetrik.
Satz 2.7.3 (Arzela-Ascoli). Sei X ein kompakter topologischer Raum und (Y, d) ein metrischer Raum. Dann ist eine Familie von Funktionen H ⊆ C(X, Y ) genau dann relativkompakt, wenn H gleichgradig stetig und H(x) := {f (x) | f ∈ H} für jedes x ∈ X relativkompakt ist.
Beweis. “⇒”: Ist H relativ-kompakt, so ist H kompakt und damit folgenkompakt. Daraus
folgt leicht H(x) = H(x). Als Bild der kompakten Menge H unter der stetigen Abbildung
h 7→ h(x) ist H(x) daher kompakt, also ist H(x) relativ-kompakt. Es bleibt die gleichgradige
Stetigkeit zu zeigen.
Seien dazu x ∈ X und ǫ > 0 beliebig. H ist kompakt, also
Sn ist H nach Satz 2.4.2
präkompakt. Es gibt daher Funktionen f1 , . . . , fn ∈ H mit H ⊆ i=1 B 31 ǫ (fi ). Setze
U (x, ǫ) :=
n
\
fi−1 (B 13 ǫ (fi (x))) .
i=1
Für ein beliebiges f ∈ H, x′ ∈ U (x, ǫ) und i ∈ {1, . . . , n} mit f ∈ B 13 ǫ (fi ) gilt dann
d(f (x), f (x′ )) ≤ d(f (x), fi (x)) + d(fi (x), fi (x′ )) + d(fi (x′ ), f (x′ )) < 3 ·
ǫ
= ǫ.
3
Also ist U (x, ǫ) die gesuchte Umgebung von x.
“⇐”: Wir benutzen Satz 2.4.2 und zeigen, daß H vollständig und präkompakt ist. Für die
Vollständigkeit sei (fn )n∈N eine Cauchy-Folge in H. Für jedes x ∈ X enthält dann (fn (x))n∈N
aufgrund der Kompaktheit von H(x) ⊆ H(x) eine konvergente Teilfolge, da es sich um
21
KAPITEL 2. TOPOLOGIE METRISCHER RÄUME
eine Cauchy-Folge handelt konvergiert sie auch insgesamt. Also existiert der punktweise
Limes f (x) := limn→∞ fn (x). Ist nun für ein n0 ∈ N und alle n, m ≥ n0 die Ungleichung
d0 (fn , fm ) ≤ ǫ erfüllt, so gilt auch d0 (fn , f ) ≤ ǫ für alle n ≥ n0 . Daher konvergieren die fn
auch gleichmäßig gegen f .
Es bleibt die Präkompaktheit zu zeigen. Aufgrund der gleichgradigen Stetigkeit von H
und der
Sn Kompaktheit von X gibt es zu jedem ǫ > 0 endlich viele Punkte x1 , . . . , xn mit
X ⊆ i=1 U (xi , 4ǫ ). Da H(xi ) kompakt und damit präkompakt ist gibt es weiter zu jedem
Sm
i = 1, . . . , n endlich viele Punkte yi,1 , . . . , yi,m , so daß gilt H(xi ) ⊆ j=1 B 41 ǫ (yi,j ).
Sei nun Φ die Menge aller Abbildungen von {1, . . . , n} nach {1, . . . , m}. Für ϕ ∈ Φ setze
H ϕ := {f ∈ H | f (xi ) ∈ B 41 ǫ (yi,ϕ(i) )} und Φ̃ := {ϕ ∈ Φ | H ϕ 6= ∅}. Dann sei für jedes ϕ ∈ Φ̃
S
eine Funktion fϕ ∈ H ϕ gewählt. Wir behaupten H ⊆ ϕ∈Φ Bε (fϕ ).
Für jedes beliebige f ∈ H gibt es zu jedem i = 1, . . . , n ein j ∈ {1, . . . , m} mit
f (xi ) ∈ B 14 ǫ (yi,j ). Also gibt es ein ϕ ∈ Φ̃ mit f (xi ) ∈ B 41 ǫ (yi,ϕ(i) ). Offensichtlich ist
d(f (xi ), fϕ (xi )) < 2ǫ ∀i = 1, . . . , n. Für jedes beliebige x ∈ X gibt es nun ein i ∈ {1, . . . , n}
mit x ∈ U (xi , 4ǫ ), so dass folgt
d(f (x), fϕ (x)) ≤
≤ d(f (x), f (xi )) + d(f (xi ), fϕ (xi )) + d(fϕ (xi ), fϕ (x))
ǫ
ǫ
ǫ
+ +
= ǫ.
≤
4 2 4
Dies zeigt die Behauptung und damit die Präkompaktheit von H.
Definition 2.7.4. Sei (X, O) ein topologischer Raum und Y = Rd oder Cd . Eine Folge
(fn )n∈N in C(X, Y ) heisst (punktweise) gleichgradig beschränkt, falls für alle x ∈ X
die Menge {fn (x) | n ∈ N} beschränkt ist.
Korollar 2.7.5. Jede gleichgradig stetige und beschränkte Folge reeller oder komplexer
Funktionen auf einem kompakten Raum hat eine gleichmäßig konvergente Teilfolge.
Lemma 2.7.6. Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, Y = Rd oder Cd und H ⊆
C(X, C) punktweise gleichgradig beschränkt. Dann gibt es eine nichtleere offene Menge U ⊆
X und eine Konstante C > 0, so dass für alle x ∈ U und f ∈ H gilt |f (x)| ≤ C.
Beweis. Die Mengen
\
An := {x ∈ X | |f (x)| ≤ n ∀f ∈ H} =
f −1 (Bn (0))
f ∈H
S
sind abgeschlossen und n∈N An = X. Da eine abzählbare Vereinigung nirgends dichter
Mengen nach dem Satz von Baire nicht den ganzen Raum enthalten kann, muss wenigstens
ein An eine offene Menge enthalten.
22
Kapitel 3
Lineare Operatoren auf
Banach-Räumen
3.1
Topologische Vektorräume
Definition 3.1.1 (Topologische Vektorräume). Sei O eine Topologie auf einem K-Vektorraum
X mit K = R oder C.
• X heißt topologischer Vektorraum, falls sowohl die Vektoraddition X × X → X
als auch die Skalarmultiplikation K × X → X stetig sind bezüglich O und den entsprechenden Produkttopologien.
• Sind (X, OX ) und (Y, OY ) topologische Vektorräume, so wird der Raum der stetigen
linearen Abbildungen von X nach Y mit L(X, Y ) bezeichnet.
Lemma 3.1.2. Ist X ein topologischer Vektorraum und L ⊆ X ein Untervektorraum, so
ist der Abschluss von L ebenfalls ein Untervektorraum.
Beweis. Zunächst ist x 7→ λx (λ ∈ K\{0}) ein Homöomorphismus, also gilt λL = λL = L.
Sind x, y ∈ L, so sei U eine beliebige Umgebung von x + y. Wegen der Stetigkeit der
Vektoraddition und der Definition der Produkttopologie gibt es Umgebungen U1 von x und
U2 von y, so daß für alle x′ ∈ U1 , y ′ ∈ U2 gilt x′ + y ′ ∈ U . Wegen x, y ∈ L können wir x′
und y ′ aus L wählen, und es folgt x′ + y ′ ∈ U ∩ L. Da U eine beliebige Umgebung von x + y
war folgt x + y ∈ L.
Lemma 3.1.3. Es seien X und Y topologische Vektorräume und T : X → Y eine lineare
Abbildung. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.
(i) T ist stetig.
(ii) T ist stetig in 0.
(iii) T ist in einem beliebigen Punkt x ∈ X stetig.
Beweis. (i) ⇒ (ii) ist klar, und gilt (ii) ⇔(iii), so folgt aus (ii) auch (i). Um (ii) ⇔ (iii) zu
zeigen, sei x ∈ X und Lx : X → X, y 7→ x + y. Lx ist ein Homöomorphismus mit Inverser
L−x , und es gilt T = LT x ◦ T ◦ L−x . Daher ist die Abbildung T in x stetig wenn sie in 0
stetig ist, und wegen T = L−T x ◦ T ◦ Lx folgt auch die Umkehrung.
23
KAPITEL 3. LINEARE OPERATOREN AUF BANACH-RÄUMEN
3.2
Normierte Vektorräume und Banach-Räume
Definition 3.2.1. Sei X ein K-Vektorraum.
• Eine Abbildung k.k : X → R heißt Norm, falls gilt
(N1) kxk ≥ 0 ∀x ∈ X und kxk = 0 ⇔ x = 0;
(N2) kλxk = |λ|kxk ∀λ ∈ K, x ∈ X;
(N3) kx + yk ≤ kxk + kyk ∀x, y ∈ X.
• Das Paar (X, k.k) heißt dann normierter Vektorraum. Gegebenenfalls verwenden
wir im folgenden auch die Bezeichnung k.kX für die zu X gehörige Norm.
• Gelten (N1)–(N3) mit der einzigen Ausnahme, dass aus kxk = 0 nicht unbedingt x = 0
folgt, so spricht man von einer Halbnorm.
Bemerkung 3.2.2.
(a) Ist X ein K-Vektorraum, (Y, k.kY ) ein normierter K-Vektorraum
und T : X → Y ein Vektorraum-Isomorphismus, so wird durch
kxkX = kT xkY
eine Norm auf X gegeben.
(b) Jede Norm legt durch d(x, y) := kx − yk eine Metrik auf X fest. Mit der dadurch
induzierten Topologie wird X sowohl zu einem topologischen Vektorraum als auch zu
einem metrischen Raum (leicht nachzuprüfen!). Besondere Aufmerksamkeit verdient
dabei der Fall, dass X bezüglich dieser Metrik vollständig ist.
Definition 3.2.3. Ein vollständiger normierter Vektorraum heißt Banachraum.
Beispiele 3.2.4.
(a) Für K = R oder K = C und d ∈ N ist Kd ein Banachraum.
(b) Ist X ein topologischer Raum, so ist nach Korollar 2.6.7 der Vektorraum der stetigen Kd -wertigen Funktionen C(X, Kd ) versehen mit der Supremumsnorm kf k0 =
supx∈X |f (x)| ein Banachraum.
(c) Der Raum der r-mal stetig differenzierbaren Funktionen C r (R, R) wird mit der durch
kf kr = supri=0 kf (i) k0 gegebenen C r -Norm zu einem Banachraum.
(d) Sei l0 = {(tn )n∈N | supn∈N |tn | < ∞} der Raum der beschränkten Folgen in K. Dann
wird l0 versehen mit der Supremumsnorm zu einem Banachraum. Gleiches gilt für
die Untervektorräume der konvergenten Folgen und der gegen 0 konvergenten Folgen
(Übung!).
(e) Ist (Ω, A, µ) ein Wahrscheinlichkeitsraum, so sind die aus der Analysis bekannten
1/p
R
Banachräume (siehe
Lp (µ)-Räume versehen mit der Lp -Norm kf kp = Ω |f |p dµ
späteres Kapitel).
Wir betrachten zuerst den Fall endlich-dimensionaler Vektorräume. Wie sich herausstellt,
können wir diese im wesentlichen mit Kd identifizieren, wobei d ∈ N die Dimension des
Vektorraumes darstellt.
Definition 3.2.5. Ist X ein K-Vektorraum, so heißen zwei Normen k.k1 und k.k2 auf X
äquivalent, falls eine Konstante C > 0 existiert, so dass gilt
1
· kxk1 ≤ kxk2 ≤ C · kxk1 .
C
Satz 3.2.6. Auf endlich-dimensionalen Vektorräumen sind alle Normen zueinander äquivalent.
24
3.2. NORMIERTE VEKTORRÄUME UND BANACH-RÄUME
Beweis. Sei X ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum mit Basis {e1 , . . . , ed }. Dann hat
jeder Vektor x ∈ X eine eindeutige Darstellung der Form
d
X
x =
αi (x)ei ,
i=1
und durch
ϕ(x) = (α1 (x), . . . , αn (x))
wird ein Vektorraum-Isomorphismus ϕ : X → Kd definiert. Bezeichnen wir mit k.k2 die
euklidische Norm auf Kd , so wird nach Bemerkung 3.2.2(a) durch kxk = kϕ(x)k2 eine Norm
auf X gegeben. Wir zeigen, dass jede beliebige Norm k.k′ auf X zu k.k äquivalent ist.
Zunächst folgt mit M = supdi=1 kei k′ aus (N2) und (N3) für jedes x ∈ X
′
kxk ≤
d
X
′
|αi (x)| · kei k ≤ M ·
d
X
|αi (x)| = M · kxk .
(3.2.1)
i=1
i=1
Damit ist k.k′ als Abbildung X → R insbesondere stetig bezüglich der durch k.k induzierten
Topologie bzw. Metrik und nimmt daher auf der kompakten Menge
K = {x ∈ X | kxk = 1} = ϕ−1 {y ∈ Kd | kyk2 = 1}
ein Minimum m > 0 an. Mit C = max{M, 1/m} folgt nun die Äquivalenz der Normen, denn
nach (3.2.1) gilt kxk′ ≤ C · kxk, und umgekehrt ist
x ′
′
≥ 1 · kxk .
kxk = kxk · kxk C
Bemerkung 3.2.7. Äquivalente Normen erzeugen die gleiche Topologie. Alle wichtigen topologischen Eigenschaften wie Vollständigkeit, Kompaktheit der Einheitskugel, 2. Abzählbarkeitsaxiom usw. gehen daher vom Kd auf beliebige endlich-dimensionale Vektorräume
über.
Die Kompaktheit der Einheitskugel ist zur endlichen Dimension eines Vektorraumes sogar
äquivalent. Zum Beweis ist die folgende Aussage hilfreich.
Lemma 3.2.8 (Lemma von Riesz). Sei (X, k.k) ein normierter Vektorraum und L ⊆ X
ein abgeschlossener Untervektorraum. Dann existiert zu jedem δ > 0 ein xδ ∈ X \ L mit
kxk = 1 und
kx − yk ≥ 1 − δ ∀y ∈ L .
Beweis. Sei x ∈ X \ L beliebig und m = inf y∈L kx − yk. Da L abgeschlossen ist gilt
m > 0, sonst wäre x ∈ L. Es existiert daher ein y ∈ L mit kx − yk ≤ m/(1 − δ). Für
xδ =
x−y
kx − yk
und beliebiges y ′ ∈ L gilt nun kxδ k = 1 und
kxδ − y ′ k =
m
1
· kx − (y + kx − yk · y ′ )k ≥
= 1−δ .
kx − yk
m/(1 − δ)
Wir bezeichnen die Einheitskugel eines normierten Vektorraumes (X, k.k) mit BX =
{x ∈ X | kxk ≤ 1}.
25
KAPITEL 3. LINEARE OPERATOREN AUF BANACH-RÄUMEN
Satz 3.2.9. BX ist genau dann kompakt, wenn X endlich-dimensional ist.
Beweis. Ist X endlich-dimensional, so folgt die Kompaktheit von BX aus Bemerkung 3.2.7.
Sei umgekehrt BX kompakt. Angenommen X ist nicht endlich-dimensional. Dann lässt sich
induktiv mit Hilfe des Lemmas von Riesz eine Folge (xn )n∈N aus BX konstruieren, die
kxn − xm k ≥ 21 für alle m 6= n erfüllt. Für n = 1 ist dabei nichts zu zeigen. Sind im Induktionsschritt Vektoren x1 , . . . , xn mit gegenseitigem Abstand größer als 21 gegeben, so existiert
nach Lemma 3.2.8 ein xn+1 mit Abstand größer 21 zum von x1 , . . . , xn aufgespannten Unterraum.
Offensichtlich ist weder die so konstruierte Folge (xn )n∈N in BX noch irgendeine ihrer
Teilfolgen eine Cauchy-Folge. Also ist BX nicht folgenkompakt und damit nach Lemma 2.1.3
auch nicht kompakt.
Definition 3.2.10. Sei X ein K-Vektorraum und A ⊆ X eine beliebige Teilmenge. Dann
heißt
( n
)
X
αi xi n ∈ N, αi ∈ K, xi ∈ A
lin(A) =
i=1
die lineare Hülle von A. Ist X ein topologischer Vektorraum, so nennen wir lin(A) = lin(A)
die abgeschlossene lineare Hülle von A.
Satz 3.2.11. Ein normierter Vektorraum ist genau dann separabel, wenn er die abgeschlossene lineare Hülle einer abzählbaren Menge ist.
Beweis. Sei (X, k.k) ein normierter Vektorraum. Ist A ⊆ X dicht, so gilt offensichtlich
X = lin(A). Sei umgekehrt X = lin(A) für eine abzählbare Menge A ⊆ X Dann liegt lin(A)
dicht in X. Die abzählbare Menge
( n
)
X
αi xi n ∈ N, αi ∈ Q(K), xi ∈ A
L =
i=1
mit Q(R) = Q und Q(C) = Q + iQ liegt aber wiederum aufgrund der Stetigkeit der Vektoraddition und Skalar-Multiplikation dicht in lin(A), also ist L = X.
Ist X ein Vektorraum mit Untervektorraum L, so ist durch x ∼ y :⇔ x − y ∈ L eine
Äquivalenzrelation gegeben. Der entsprechende Quotientenraum wird mit X/L bezeichnet,
die Äquivalenzklasse von x+L von x ∈ X mit [x]. π : X → X/L sei die natürliche Projektion.
Ist L abgeschlossen, so lässt sich die topologische Struktur von X auf X/L übertragen.
Lemma 3.2.12 (Quotientenbildung). Ist (X, k.k) ein normierter Vektorraum und L ein
abgeschlossener Unterraum, so wird durch
k[x]kX/L := inf kx + ykX
y∈L
eine als Quotientennorm bezeichnete Norm auf X/L definiert.
Beweis. Die Normeigenschaften (N2) und (N3) sind leicht ersichtlich, ebenso ist klar
dass k[x]kX/L ≥ 0 für alle x ∈ X gilt und k[x]kX/L = 0 aus x ∈ L folgt. Ist umgekehrt
n→∞
k[x]kX/L = 0, so gibt es per Definition eine Folge yn ∈ L mit kx − yn kX −→ 0. Aufgrund
der Abgeschlossenheit von L folgt x = limn→∞ yn ∈ L.
Lemma 3.2.13. Die Projektion π : X → X/L ist linear und stetig. π bildet zudem offene
Mengen auf offene Mengen ab und erfüllt kπ(x)kX/L ≤ kxkX für alle x ∈ X.
Beweis. Die Linearität von π und kπ(x)kX/L ≤ kxkX sind offensichtlich, und Letzteres
impliziert auch die Stetigkeit von π.
26
3.3. LINEARE OPERATOREN
Sei U ⊆ X eine beliebige offene Menge, x ∈ U und Bǫ (x) ⊆ U . Für [x′ ] ∈ Bǫ ([x])
gibt es dann per Definition von k.kX/L ein y ∈ L mit kx′ − x + ykX < ǫ. Daher gilt
[x′ ] = [x′ − y] ∈ π(U ). Da [x′ ] ∈ Bǫ ([x]) beliebig war folgt Bǫ ([x]) ⊆ π(U ), und da x ∈ U
beliebig war ist π(U ) offen.
Satz 3.2.14. Ist X ein Banach-Raum und L ein abgeschlossener Untervektorraum, so ist
auch X/L ein Banach-Raum.
Beweis. Sei ([xn ])n∈N eine Cauchy-Folge in X/L. Zunächst wählen wir eine Teilfolge
([xnk ])k∈N aus, für die gilt
X
k[xnk+1 − xnk ]kX/L < ∞ .
k∈N
Aufgrund der Definition der Quotientennorm können wir nun Vertreter xnk von [xnk ] wählen,
für die kxn+1 − xn kX ≤ 2k[xn+1 ] − [xn ]kX/L gilt. Dann ist aber wegen
kxnm − xnk kX ≤
m−1
X
kxni+1 − xni kX ≤
∞
X
kxni+1 − xni kX → 0
(k → ∞)
i=k
i=k
die Folge (xnk )k∈N eine Cauchy-Folge in X und konvergiert daher gegen einen Grenzwert x.
Aufgrund der Stetigkeit von π : x 7→ [x] konvergiert dann ([xnk ])k∈N gegen [x]. Da ([xn ])n∈N
Cauchy-Folge ist, folgt [x] = limn→∞ [xn ].
Bemerkung 3.2.15. Die von der Quotientennorm k.kX/L induzierte Topologie stimmt mit
der Quotiententopologie im Sinne von Abschnitt 1.7 überein.
Beweis. Sei V ⊆ X/L offen bezüglich der von k.kX/L induzierten Topologie. Für x ∈
π −1 (V ) sei ε > 0 so gewählt, dass gilt Bε ([x]) ⊆ V . Dann ist auch Bε (x) ⊆ π −1 (V ), also ist
π −1 (V ) offen. Damit ist aber V per Definition offen in der Quotiententopologie.
Umgekehrt sei Ṽ ⊆ X/L offen bezüglich der Quotiententopologie. Dann ist per Definition
π −1 (Ṽ ) offen in X. Nach Lemma 3.2.13 ist daher auch Ṽ = π(π −1 (Ṽ )) offen bezüglich der
Normtopologie auf X/L.
3.3
Lineare Operatoren
Definition 3.3.1 (Operatornorm). Sind (X, k.kX ) und (Y, k.kY ) normierte Vektorräume
und T : X → Y linear, so ist die Operatornorm von T definiert als
|||T ||| :=
kT xkY
.
x∈X\{0} kxkX
sup
Ist |||T ||| < ∞, so heißt T beschränkt.
Bemerkung 3.3.2. Wie das folgende Lemma zeigt ist die Operatornorm auf dem Raum der
stetigen linearen Abbildungen endlich, und die weiteren Eigenschaften einer Norm sind dann
leicht nachzuprüfen. Damit wird L(X, Y ) versehen mit der Operatornorm zum normierten
Vektorraum. Zudem gilt offensichtlich
kT xkY ≤ |||T |||kxkX .
(3.3.1)
Lemma 3.3.3. In der Situation von Definition 3.3.1 ist T genau dann stetig, wenn gilt
|||T ||| < ∞. Zudem ist
|||T ||| = sup{kT xkY | x ∈ X, kxkX = 1} .
27
(3.3.2)
KAPITEL 3. LINEARE OPERATOREN AUF BANACH-RÄUMEN
Beweis. Sei |||T ||| endlich. Wegen Lemma 3.1.3 genügt es die Stetigkeit in 0 nachzuweisen,
und diese folgt direkt aus (3.3.1).
Ist umgekehrt T stetig, so gibt es zu δ > 0 ein ǫ > 0, so dass aus kxkX ≤ δ folgt
kT xkY ≤ ε. Damit erhalten wir
sup
kT xkY x
∈
X,
=
kxkX =
kT (δx/kxkX )kY x
∈
X,
kxk
=
δ
X
kδx/kxkX kX ǫ
kT xkY x ∈ X, kxkX = δ ≤
sup
kxkX δ
sup
Aufgrund von (N2) ist dies äquivalent zu |||T ||| ≤ δǫ . Die angegebene äquivalente Definition
von |||T ||| folgt mit δ = 1.
Lemma 3.3.4. L(X, Y ) versehen mit der Operatornorm ist genau dann ein Banachraum,
wenn (Y, k.kY ) ein Banachraum ist.
Beweis. Sei Tn eine Cauchy-Folge in L(X, Y ). Gegeben ǫ > 0 sei n0 ∈ N mit |||Tn −Tm ||| < ǫ
für alle m, n ≥ n0 . Dann gilt gilt kTn x − Tm xkY < ǫkxkX für alle n, m ≥ n0 und jedes
x ∈ X, so dass (Tn x)n∈N eine Cauchy-Folge ist. Da diese aufgrund der Vollständigkeit von
Y konvergiert können wir
T (x) := lim Tn (x)
n→∞
setzen. Offensichtlich ist T linear und mit M := supn∈N |||Tn ||| < ∞ folgt kT xkX ≤ M · kxkX
und damit |||T ||| ≤ M . Also ist T stetig. Schliesslich gilt
|||T − Tn |||
=
sup kT x − Tn xkY =
kxkX =1
≤
n→∞
sup lim Tm x − Tn x
kxkX =1
m→∞
Y
lim sup |||Tm − Tn ||| −→ 0 ,
m→∞
so dass T der gesuchte Limes der Folge (Tn )n∈N ist.
3.4
Der Satz von der offenen Abbildung
Definition 3.4.1. Eine Abbildung T : X → Y zwischen topologischen Räumen (X, k.kX )
und (Y, k.kY ) heißt offen, wenn sie offene Mengen wieder auf offene Mengen abbildet.
Im folgenden seien offene Kugeln in X mit BX,ε (x) := {x′ ∈ X |k x′ − x kX < ε} und
offene Kugeln in Y mit BY,ε (y) := {y ′ ∈ Y |k y ′ − y kY < ε} bezeichnet. Der Einfachheit
halber sei ferner BX,δ := BX,δ (0) und BY,ε := BY,ε (0).
Lemma 3.4.2. Sind (X, k.kX ) und (Y, k.kY ) normierte Räume und T : X → Y linear, so
sind die folgenden Bedingungen äquivalent.
(i) T ist offen.
(ii) Für jedes δ > 0 existiert ein ε > 0, so dass T (BX,δ ) die Umgebung BY,ε der 0
enthält.
(iii) Es gibt ein ε > 0, so daß gilt BY,ε ⊆ T (BX,1 ).
Beweis. (i) ⇒ (ii) ist offensichtlich, (ii) ⇒ (iii) ebenfalls. (iii) ⇒ (ii) folgt aus T (BX,δ ) =
δT (BX,1 ) ⊇ δBY,ǫ = BY,δǫ . Um (ii) ⇒ (i) zu zeigen, sei BY,ε ⊆ T (BX,δ ). Dann folgt
T (BX,δ (x)) = T (x + BX,δ ) = T x + T (BX,δ ) ⊇ T x + BY,ε = BY,ε (x).
28
3.5. DER SATZ VOM ABGESCHLOSSENEN GRAPHEN
Satz 3.4.3 (Satz von der offenen Abbildung). Seien X, Y Banachräume und T : X → Y
linear und stetig. Enthält dann T (X) eine residuelle Menge, so ist T offen.
Beachte, dass die Aussage insbesondere immer dann zutrifft, wenn T surjektiv ist.
S
S
Beweis. Wegen n∈N BX,n = X gilt T (X) = n∈N T (BX,n ). Daher folgt aus dem Korollar 2.5.4 zum Satz von Baire, dass für ein geeignetes n die Menge T (BX,n ) eine offene Kugel
BY,ε (y) enthält. Andernfalls wäre T (X) mager und damit nicht residuell. Da x 7→ nx und
y 7→ ny Homöomorphismen sind, können wir o.B.d.A. n = 1 annehmen.
Nun ist BX,1 und damit auch T (BX,1 ) symmetrisch und konvex. Daher gilt ebenfalls
BY,ε (−y) ⊆ T (BX,1 ), also liegen für alle v ∈ BY,ε sowohl y + v als auch −y + v in BX,1 .
Aus der Konvexität folgt deshalb v = 21 (y + v − y + v) ∈ T (BX,1 ) für alle v ∈ BY,ε , und
damit BY,ε ⊆ T (BX,1 ). Durch Multiplikation mit 2−k folgt
BY,2−k ǫ ⊆ T (BX,2−k ) .
(3.4.1)
Wir zeigen nun BY, 2ǫ ⊆ T (BX,1 ). Sei dazu y ∈ BY, 2ǫ . Wegen (3.4.1) gibt es ein x1 ∈ BX, 12
für das gilt k y − T x1 kY < 4ǫ . Aus dem gleichen Grund gibt es dann ein x2 ∈ BX, 14 für das
gilt k y − T x1 − T x2 kY < 8ǫ . Induktiv ergibt sich so die Existenz einer Folge xk ∈ BX,2−k mit
!
n−1
X
xk ≤ 2−n .
y − T
k=1
Y
Pn−1
Offensichtlich ist ( k=1
xk )n∈N eine Cauchy-Folge und konvergiert gegen einen Grenzwert
x in BX,1 . Aufgrund der Stetigkeit folgt dann aber T x = y, also y ∈ T (BX,1 ).
Korollar 3.4.4. Sind X, Y Banachräume, so ist jede bijektive, lineare und stetige Abbildung
T : X → Y ein Homöomorphismus.
3.5
Der Satz vom abgeschlossenen Graphen
Definition 3.5.1 (Abgeschlossene Abbildungen). Seien (X, k.kX ) und (Y, k.kY ) normierte
Räume und L ⊆ X ein Untervektorraum. Dann heißt eine lineare Abbildung T : L → Y
n→∞
n→∞
abgeschlossen, falls für jede Folge (xn )n∈N in L aus (a) xn −→ x und (b) T xn −→ y
stets folgt (c) T x = y.
Bemerkung 3.5.2. Beachte den Unterschied zwischen Abgeschlossenheit ((a) und (b) ⇒
(c)) und Stetigkeit ((a) ⇒(b) und (c)). Insbesondere ist jeder stetige lineare Operator abgeschlossen.
Wir definieren den Graph von T als Graph(T ) = {(x, T x) | x ∈ L}. Beachte, dass
Graph(T ) ein Untervektorraum von X × Y ist.
Lemma 3.5.3. T ist genau dann abgeschlossen, wenn Graph(T ) in X × Y abgeschlossen
ist.
Beweis. Graph(T ) ist genau dann abgeschlossen, wenn
n→∞
(xn , Tn ) −→ (x, y) ⇒ (x, y) ∈ Graph(T )
gilt, und dies ist äquivalent zur Definition der Abgeschlossenheit.
Beispiel 3.5.4. (Differentialoperator) Sei X = Y = C 0 ([0, 1], R), L = C 1 ([0, 1], R) ⊆ X
und T : L → Y, f 7→ f ′ . Aus der Analysis ist bekannt, dass für Folgen (fn )n∈N in L aus
limn→∞ fn = f und limn→∞ fn′ = g (beide Limiten in der C 0 -Norm) folgt g = f ′ . Also ist
der Differentialoperator T abgeschlossen.
29
KAPITEL 3. LINEARE OPERATOREN AUF BANACH-RÄUMEN
Satz 3.5.5 (Satz vom abgeschlossenen Graphen). Sind (X, k.kX ) und (Y, k.kY ) Banachräume
und ist T : X → Y linear und abgeschlossen, so ist T stetig.
Beweis. Ist T abgeschlossen, so ist Graph(T ) nach Lemma 3.5.3 abgeschlossen in X × Y
und damit ein Banach-Raum. Nun ist P : Graph(T ) → X, (x, T x) 7→ x linear und stetig.
Nach dem Satz von der offenen Abbildung ist daher auch P −1 : X → Graph(T ) stetig, und
damit auch die Komposition von P −1 mit der Projektion πY : X × Y → Y . Es gilt aber
πY × P −1 = T .
3.6
Das Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit
Definition 3.6.1. Ist X eine beliebige Menge und (Y, k.kY ) ein normierter Raum, so heisst
eine Familie T von Abbildungen von X nach Y gleichgradig beschränkt, falls für jedes
x ∈ X die Menge {kT xkY | T ∈ T } beschränkt ist.
T heißt gleichgradig beschänkt auf einer Teilmenge R ⊆ X, falls die Familie T|R = {T|R :
R → Y | T ∈ T } gleichgradig beschränkt ist.
Satz 3.6.2 (Satz von Banach-Steinhaus). Sei X ein Banach-Raum, (Y, k.kY ) ein normierter Raum und R ⊆ X eine residuelle Menge. Ist dann T ⊆ L(X, Y ) auf R gleichgradig
beschränkt, so gilt
sup |||T ||| < ∞ .
T ∈T
Beweis. Sei En := {x ∈ X | supT ∈T kT xk
SY ≤ n}. Die Mengen En sind offensichtlich
abgeschlossen, und nach Voraussetzung gilt n∈N En = X. Aus dem Korollar 2.5.4 zum
Satz von Baire folgt daher, dass für geeignetes n ∈ N die Menge En eine offene Kugel
BX,δ (x0 ) enthalten muss. Also gilt
kT xkY ≤ n
∀x ∈ BX,δ (x0 ), T ∈ T .
Wir behaupten, dass daraus folgt |||T ||| ≤ 2n
δ . Andernfalls gäbe es ein v ∈ X mit kvkX < δ
und kT vkY > 2n. Für x0 + v ∈ BX,δ ⊆ En ist dann
kT (x0 + v)kY ≥ kT vkY − kT x0 kY > 2n − n = n ,
im Widerspruch zu x0 + v ∈ En . Also gilt kT vkY ≤ 2n für alle v ∈ BX,δ , und dies zeigt die
Behauptung.
Als direkte Folgerung erhalten wir, dass punktweise Limiten linearer stetiger Abbildungen wieder linear und stetig sind.
Korollar 3.6.3. Sei (X, k.kX ) ein Banachraum, (Y, k.kY ) ein normierter Vektorraum und
(Tn )n∈N eine punktweise konvergente Folge in L(X, Y ). Dann ist die durch T x = limn→∞ Tn x
gegebene Abbildung ebenfalls linear und stetig.
Beweis. Die Linearität von T ist klar. Da Tn x für alle x ∈ X konvergiert ist zudem stets
supn∈N kTn xkY < ∞. Aus dem Satz von Banach-Steinhaus folgt M := supn∈N |||Tn ||| < ∞.
Wir erhalten kT xkY = limn→∞ kTn xkY ≤ M kxkX , also |||T ||| ≤ M .
30
3.7. EXISTENZ- UND FORTSETZUNGSSATZ VON HAHN-BANACH
3.7
Existenz- und Fortsetzungssatz von Hahn-Banach
Ist X ein topologischer K-Vektorraum, so heißt eine stetige und lineare Abbildung f : X → K
stetiges lineares Funktional auf X. Die zur Familie der stetigen linearen Funktionalen
gehörige Initialtopologie (siehe Definition 1.6.6) wird in den folgenden Kapiteln eine zentrale
Rolle spielen. Um die Eigenschaften dieser Topologie zu beschreiben, wird es wichtig sein, die
Existenz stetiger linearer Funktionale mit verschiedenen Zusatzeigenschaften garantieren zu
können. Dies leisten die Sätze von Hahn-Banach. Das wichtigste Hilfsmittel zu ihrem Beweis
sind sogenannte sublineare Funktionen.
Definition 3.7.1. Ist X ein reeller Vektorraum, so heißt eine Funktion p : X → R sublinear, falls gilt
∀λ ≥ 0, x ∈ X,
(S1)
p(λx) = λp(x)
(S2)
p(x + y) ≤ p(x) + p(y)
∀x, y ∈ X.
Durch
p ≤ p′
p(x) ≤ p′ (x) ∀x ∈ X
:⇔
ist eine teilweise Ordnung auf der Menge S aller sublinearen Funktionen erklärt. p ∈ S heißt
minimal, falls es kein p′ ∈ S mit p′ ≤ p und p′ 6= p gibt.
Bemerkung 3.7.2.
(a) Jede Norm auf einem reellen Vektorraum ist sublinear.
(b) Für X = R sind alle sublinearen Funktionen von der Form
ax x ≥ 0
p(x) =
bx x < 0
mit a ≤ b.
(c) Auf einem normierten Vektorraum (X, k.kX ) wird jede sublineare p durch
ihre
Werte
x
auf SX = {x ∈ X | kxkX = 1} festgelegt, denn es gilt p(x) = kxkX · p kxkX .
Zur Konstruktion neuer sublinearer Funktionen aus bereits vorgegebenen ist das folgende
Lemma hilfreich. Dabei heißt eine Teilmenge A eines reellen Vektorraumes X konvex, falls
aus a, b ∈ A und t ∈ [0, 1] stets ta + (1 − t)b ∈ A folgt.
Lemma 3.7.3. Sei X ein reeller Vektorraum, p : X → R sublinear und A ⊆ X konvex.
Weiter sei f : A → R linear und i0 := inf a∈A (p(a) − f (a)) > −∞. Dann ist die durch
q(x) :=
inf
(p(x + ta) − t(f (a) + i0 ))
a∈A, t≥0
definierte Funktion q ebenfalls sublinear.
Beweis. Wir zeigen zunächst, dass für alle x ∈ X gilt q(x) > −∞. Es ist i0 ≤ p(a) − f (a)
und damit i0 + f (a) ≤ p(a). Daher folgt
q(x)
=
p(x + ta) − t(f (a) + i0 ) ≥ p(x + ta) − tp(a)
≥
p(x + ta) − (p(x + ta) + p(−x)) = −p(−x) .
Also gilt q(x) ≥ −p(−x) > −∞.
Um (S1) zu zeigen sei zunächst x ∈ X und λ > 0. Dann gilt
q(λx)
=
=
=
(p(λx + ta) − t(f (a) + i0 ))
t
t
inf λ p x + a − (f (a) + i0 )
a∈A, t≥0
λ
λ
t
t
p x + a − (f (a) + i0 ) = λq(x) .
λ inf
a∈A, t≥0
λ
λ
inf
a∈A, t≥0
31
(3.7.1)
KAPITEL 3. LINEARE OPERATOREN AUF BANACH-RÄUMEN
Für den Fall λ = 0 genügt es q(0) = 0 zu zeigen. Mit t = 0 folgt dabei sofort q(0) ≤ 0, und
wegen q(0) ≥ p(ta) − tp(a) in (3.7.1) gilt auch die umgekehrte Ungleichung.
Es bleibt (S2) zu beweisen. Seien dazu x, y ∈ X beliebig. Es gilt
q(x) + q(y) =
((p(x + t1 a1 ) − t1 (f (a1 ) + i0 ))
inf
a1 ∈A, t1 ≥0
+
=
inf
((p(y + t2 a2 ) − t2 (f (a2 ) + i0 ))
inf
((p(x + t1 a1 ) + (p(y + t2 a2 )
a2 ∈A, t2 ≥0
a1 ,a2 ∈A, t1 ,t2 ≥0
− t1 f (a1 ) − t2 f (a2 ) − (t1 + t2 )i0 )
≥
inf
((p(x + y + t1 a1 + t2 a2 )
a1 ,a2 ∈A, t1 ,t2 ≥0
− f (t1 a1 + t2 a2 ) − (t1 + t2 )i0 ) =: I
Wir setzen nun t := t1 + t2 und γ := tt1 im Falle t 6= 0, sonst γ := 0. Dann liegt aufgrund
der Konvexität von A der Punkts a := γa1 + (1 − γ)a2 in A. Außerdem ist t1 a1 + t2 a2 = ta.
Da diese Darstellung für beliebige a1 , a2 ∈ A und t1 , t2 ∈ R gilt, folgt
I
≥
inf
(p(x + y + ta) − t(f (a) + i0 )) = q(x + y) .
a∈A,t≥0
Eine sublineare Funktion p : X → R heißt minimal, falls es keine von p verschiedene
sublineare Funktion q auf X gibt, für die gilt q ≤ p.
Lemma 3.7.4. Eine sublineare Funktion ist genau dann minimal, wenn sie linear ist.
Beweis. “⇐”: Ist p : X → R linear und q(x) < p(x) für ein x ∈ X, so folgt der
Widerspruch 0 = q(0) ≤ q(−x) + q(x) < p(−x) + p(x) = 0.
“⇒”: Für a ∈ X sei
py (x) := inf (p(x + ty) − tp(y)) .
t≥0
Nach Lemma 3.7.3 mit A = {y} und f ≡ 0 ist py sublinear. Offensichtlich ist py ≤ p,
aufgrund der Minimalität von p ist daher py = p. Es folgt
(S2)
t=1
p(x + y) ≤ p(x) + p(y) = py (x) + p(y) ≤ (p(x + y) − p(y)) + p(y) = p(x + y) .
Satz 3.7.5 (Existenzsatz von Hahn-Banach). Sei X ein reeller Vektorraum und p : X → R
sublinear. Dann existiert eine lineare Abbildung f : X → R mit f ≤ p.
Beweis. Sei M := {p′ : X → R | p′ ist sublinear und p′ ≤ p} versehen mit der natürlichen
partiellen Ordnung ≤. Jede Kette K ⊆ M ist durch die Funktion
q(x) := inf
p′ (x) .
′
p ∈K
′
punktweise nach unten beschränkt. Für p ∈ M gilt p′ (x) + p′ (−x) ≥ 0, also p′ (x) ≥
−p′ (−x) ≥ −p(−x). Daher ist q(x) ≥ −p(−x) > −∞. q erfüllt zudem (S1), und für x, y ∈ X
gilt
q(x + y) = inf
p′ (x + y) ≤ inf
(p′ (x) + p′ (y)) = q(x) + q(y) .
′
′
p ∈K
p ∈K
Für die Gültigkeit der letzten Gleichheit wird verwendet, dass K total geordnet ist. Damit
erfüllt q auch (S2) und ist daher sublinear.
Es folgt, dass M induktiv nach unten geordnet ist, so dass aus dem Lemma von Zorn
die Existenz eines minimalen Elementes f ∈ M folgt. Dieses ist nach Lemma 3.7.4 aber
linear.
32
3.7. EXISTENZ- UND FORTSETZUNGSSATZ VON HAHN-BANACH
Satz 3.7.6 (Fortsetzungssatz von Hahn-Banach). Sei X ein reeller Vektorraum, L ⊆ X ein
Untervektorraum und p : X → R sublinear. Zudem sei f : L → R linear und f ≤ p|L . Dann
existiert eine lineare Abbildung F : X → R mit F|L = f und F ≤ p.
Beweis. Setze
q(x) := inf (p(x + a) − f (a)) =
a∈L
inf
(p(x + ta) − tf (a)) .
a∈L,t≥0
(3.7.2)
Nach Lemma 3.7.3 mit A = L ist q sublinear. Beachte, dass wegen f ≤ p|L und p(0) = 0 gilt
i0 = 0. Offensichtlich gilt q ≤ p, und mit a = −x in der Definition von q folgt auch q|L ≤ f .
Aufgrund der Minimalität von f nach Lemma 3.7.4 ist daher q|L = f . Nach dem Satz von
Hahn-Banach 3.7.5 gibt es eine lineare Abbildung F : X → R mit F ≤ q ≤ p, und wegen
der Linearität von q|L = f folgt wieder F|L = f .
Korollar 3.7.7. Sei (X, k.kX ) ein normierter Vektorrraum, L ein Untervektorraum, und
f : L → R linear und stetig. Dann existiert eine Fortsetzung F : X → R die normerhaltend
ist, dass heißt es gilt |||F ||| = |||f |||.
Beweis. Setze p(x) = |||f ||| · kxkX in Satz 3.7.6.
Bemerkung 3.7.8. Die obigen Hahn-Banach-Sätze sind für reelle Vektorräume formuliert.
Um den Fall komplexer Vektorräume darauf zurückzuführen sind die folgenden Beobachtungen hilfreich.
Zunächst läßt sich jeder komplexe Vektorraum auch als reeller Vektorraum auffassen,
wobei dann x und ix zu linear unabhängigen Vektoren werden. Ist dann f : X → C, x 7→
f1 (x)+if2 (x) ein C-lineares Funktional auf dem komplexen Vektorraum X mit reellwertigen
Funktionen f1 , f2 , so sind offensichtlich f1 und f2 R-lineare Funktionale auf dem reellwertigen Raum. Wegen
f1 (ix) + if2 (ix) = f (ix) = if (x) = −f2 (x) + if1 (x)
gilt zudem f2 (x) = −f1 (ix), also
f (x) = f1 (x) − if1 (ix) .
(3.7.3)
Umgekehrt ist leicht nachzurechnen, dass für jedes R-lineare Funktional f1 durch (3.7.3) ein
C-lineares Funktional definiert wird.
Satz 3.7.9 (Fortsetzungssatz von Hahn-Banach, komplexe Version). Sei X ein K-Vektorraum
und p eine Halbnorm auf X, L ein linearer Teilraum und f : L → K eine lineare Abbildung
mit |f (x)| ≤ p(x) ∀x ∈ L. Dann gibt es eine lineare Abbildung F : X → K mit F|L ≡ f und
|F | ≤ p.
Beweis. Der Fall K = R ist schon im vorherigen Satz enthalten, es bleibt der Fall K = C
zu zeigen. Fasst man L als reellwertigen Vektorraum auf (siehe Bemerkung 3.7.8), so ist f1
offensichtlich ein R-lineares Funktional auf L, das nach Satz 3.7.6 eine Fortsetzung F1 auf
X mit |F1 | ≤ p besitzt. Für F (x) = F1 (x) − iF1 (ix) gilt nun F|L = f|L und
!
F (x)
F (x)
|F (x)| = · F (x) = F
·x |F (x)|
|F (x)|
!
F (x) F (x)
= F1
·x = · |F1 (x)| = |F1 (x)| ≤ p(x) .
|F (x)| |F (x)|
Damit ist F die gesuchte Fortsetzung von f mit |F | ≤ p.
33
KAPITEL 3. LINEARE OPERATOREN AUF BANACH-RÄUMEN
Korollar 3.7.10. Sei X ein normierter K-Vektorraum, V ein linearer Teilraum, x ∈ X \ V
und
d(x, V ) := inf kx − vkX > 0 .
v∈V
Dann existiert ein stetiges lineares Funktional f : X → K mit f|V ≡ 0 und f (x) = kxkX .
Im Sonderfall V = {0} kann dabei |||f ||| = 1 gewählt werden.
Man beachte, dass d(x, V ) > 0 immer gilt wenn V abgeschlossen und x ∈
/ V ist.
Beweis. Zunächst sei auf span(V ∪ {x}) ein lineares Funktional f0 definiert durch
∀v ∈ V, λ ∈ K .
f0 (v + λx) := λkxkX
Offensichtlich gilt f (x) = 1 und f|V ≡ 0. Wegen
|λ|
|f (v + λx)|
=
≤ d(x, V )−1
−1
kv + λxkX
|λ|kλ v + xkX
ist f0 auch stetig und kann nach dem Fortsetzungssatz von Hahn-Banach zu einem stetigen
linearen Funktional f auf ganz X fortgesetzt werden.
Ist V = {0}, so ist f0 nur auf dem von x aufgespannten eindimensionalen Unterraum
definiert und hat dort offensichtlich Norm 1.
3.8
Trennung konvexer Mengen
Satz 3.8.1 (Geometrischer Hahn-Banach-Satz). Sei X ein reeller Vektorraum, A ⊆ X
nichtleer und konvex und p sublinear. Dann existiert ein stetiges lineares Funktional f :
X → R mit f ≤ p und
inf p(x) = inf f (x) .
x∈A
x∈A
Ist X ein komplexer Vektorraum, so existiert ein stetiges lineares Funktional F : X → C
mit
inf p(x) = inf Re(F (x)) .
x∈A
x∈A
Beweis. Sei i0 := inf x∈A p(x). Ist i0 = −∞, so erfüllt jede lineare Funktion f ≤ p
die Anforderungen, so dass wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit i0 > −∞ annehmen
können. Setze
q(x) := inf (p(x + ta) − ti0 ) .
a∈A,t≥0
Nach Lemma 3.7.3 mit f = 0 ist q sublinear, und nach dem Satz von Hahn-Banach gibt es
eine lineare Funktion f ≤ q. Für x ∈ A gilt
f (−x) ≤ q(−x)
a=x,t=1
≤
p(−x + x) − i0 = −i0 ,
also f (x) ≥ i0 . Die umgekehrte Ungleichung folgt direkt aus f ≤ p, also ist die Aussage für
reellwertige Vektorräume bewiesen.
Ist nun X komplexwertig, so läßt er sich nach Bemerkung 3.7.8 dennoch zunächst als
reellwertiger Vektorraum auffassen, und darauf existiert nach dem bisher bewiesen ein Rlineares Funktional f mit inf x∈M p(x) = inf x∈M f (x). Setzt man nun F (x) := f (x) − if (ix),
so definert dies das gesuchte C-lineare Funktional.
Als Anwendung liefert die folgende Aussage die Möglichkeit, Punkte zweier disjunkter
konvexer Mengen durch ein stetiges lineares Funktional zu unterscheiden.
34
3.8. TRENNUNG KONVEXER MENGEN
Korollar 3.8.2 (Trennung konvexer Mengen). Sei X ein reeller normierter Vektorraum
und seien A, B zwei nicht-leere konvexe Mengen mit positivem Abstand, d.h.
d(A, B) := inf{kx − ykX | x ∈ A, y ∈ B} > 0 .
Dann existiert ein stetiges lineares Funktional f : X → R mit sup f (A) < inf f (B). Ist
X ein komplexer Vektorraum, so existiert ein stetiges lineares Funktional F : X → C mit
sup ReF (A) < inf ReF (B).
Man beachte, daß d(A, B) > 0 insbesondere immer dann gilt, wenn A abgeschlossen und
B kompakt ist.
Beweis. Aus der Konvexität von A und B folgt, daß auch die Menge B − A := {x − y |
x ∈ B, y ∈ A} konvex ist. Wegen d(A, B) > 0 gilt inf x∈B−A kxkX > 0. Nach Satz 3.8.1
mit p(x) = kxkX gibt es daher ein lineares Funktional f : X → R mit inf x∈B−A f (x) > 0,
also ist supx∈A f (x) < inf x∈B f (x). Die Rückführung des komplexen auf den reellen Fall
geschieht wieder mit Hilfe von Bemerkung 3.7.8 .
35
Kapitel 4
Dualräume und schwache
Topologien
4.1
Der Dualraum
Wir wollen im Folgenden den Raum der stetigen linearen Funktionale eines topologischen
Vektorraumes systematisch untersuchen.
Definition 4.1.1 (Dualraum). Ist (X, O) ein topologischer K-Vektorraum, so wird der
Raum X ′ := L(X, K) der stetigen linearen Funktionale als Dualraum von X bezeichnet.
Bemerkung 4.1.2.
(a) Ist X ein normierter Raum, so folgt aus Lemma 3.3.4 und der
Vollständigkeit von K die Vollständigkeit des Dualraumes bezüglich der Operatornorm
auf L(X, K). Diese bezeichnen wir im folgenden mit k.kX ′ (statt |||.||| wie sonst).
(b) Als normierter Raum erfüllt X ′ das 1. Abzählbarkeitsaxiom und hat die HausdorffEigenschaft, aber nur im endlich-dimensionalen Fall eine kompakte Einheitskugel.
Lemma 4.1.3. Ist (X, k.kX ) ein normierter Raum und (X ′ .k.kX ′ ) separabel, so ist auch
(X, k.kX ) separabel.
Beweis. Ist M eine abzählbare dichte Teilmenge von X ′ , so sei N := {f /kf kX ′ | f ∈ M }.
Der Abschluss von N ist dann die Einheitssphäre in X ′ . Zu jedem g ∈ N sei nun ein xg mit
kxg kX = 1 und |g(xg )| > 12 gewählt. Sei Z := {xg | g ∈ N } und V = lin(Z). Da Z abzählbar
ist genügt es nach Satz 3.2.11 zu zeigen, dass V = X ist.
Angenommen V 6= X. Nach dem Korollar 3.7.10 zum Fortsetzungssatz von Hahn-Banach
gibt es dann ein lineares Funktional f das kf kX ′ = 1 und f|V ≡ 0 erfüllt. Wegen N = BX ′
existiert dann ein g ∈ N mit kg − f kX ′ < 12 . Daraus folgt allerdings |f (xg )| ≥ |g(xg )| − |(g −
f )(xg )| > 21 − 21 = 0, im Widerspruch zu xg ∈ V . Also ist V = X.
Lemma 4.1.4. Die kanonische Einbettung
iX : X → X ′′
,
iX (x)(f ) = f (x)
ist eine lineare Isometrie. i(x) wird auch als Auswertungsfunktional bezeichnet.
Beweis. Die Linearität von iX ist klar. Zudem gilt offensichtlich |iX (x)(f )| = |f (x)| ≤
kf kX ′ kxkX , daher ist kiX (x)kX ′′ ≤ kxkX . Andererseits gibt es nach dem Korollar 3.7.10
zum Fortsetzungssatz von Hahn-Banach ein lineares Funktional f ∈ X ′ mit |f (x)| = kxkX
und kf kX ′ = 1, also folgt kiX (x)kX ′′ = kxkX .
36
4.2. SCHWACHE UND SCHWACH-∗-TOPOLOGIE
Bemerkung 4.1.5. Aufgrund dieses Lemmas lässt sich X in natürlicher Weise als linearer
Teilraum von X ′′ interpretieren. Insbesondere ist jeder normierte Vektorraum isometrisch
isomorph zu einem Untervektorraum eines Banachraumes. Wir werden im folgenden meist
X und iX (X) identifizieren, sofern dies nicht zu Missverständnissen führen kann.
Als direkte Folgerung aus dem Satz von Banach-Steinhaus erhalten wir
Korollar 4.1.6. Sei X ein normierter Raum und M eine Teilmenge von X. Ist dann für
jedes f ∈ X ′ die Menge {f (x) | x ∈ M } beschränkt, so ist M beschränkt.
Beweis. Wir fassen M als Teilmenge von X ′′ auf und erhalten die Aussage als direkte
Folge von Satz 3.6.2 .
Definition 4.1.7. Ist T ∈ L(X, Y ), so wird die Abbildung
T ′ : Y ′ → X′
,
f 7→ f ◦ T
als die zu T transponierte Abbildung bezeichnet.
Lemma 4.1.8. Ist T ∈ L(X, Y ), so gilt |||T ||| = |||T ′ |||.
Beweis. Seien f ∈ Y ′ mit kf kY ′ = 1 und x ∈ X mit kxkX = 1. Dann gilt
|T ′ f (x)| = |f (T x)| ≤ kT xkY ≤ |||T |||kxkX = |||T ||| ,
also folgt kT ′ f kX ′ ≤ |||T ||| und damit |||T ′ ||| ≤ |||T |||.
Für T ′′ = (T ′ )′ ergibt nochmalige Anwendung |||T ′′ ||| ≤ |||T ′ |||. Für die Abbildung T ′′ :
′′
X → Y ′′ gilt aber T ′′ ◦ iX = iY ◦ T , denn für f ∈ Y ′ ist
T ′′ (iX (x))(f ) = iX (x)(T ′ f ) = T ′ f (x) = f (T x) = iY (T x)(f ) .
Da iY und iX nach 4.1.4 Isometrien sind, folgt daraus für jedes x ∈ X mit kxkX = 1
kT ′′ (iX (x))kY ′′ = kiY (T x)kY ′′ = kT xkY
und damit |||T ′′ ||| ≥ |||T |||, insgesamt also |||T ′′ ||| ≤ |||T ′ ||| ≤ |||T ||| ≤ |||T ′′ |||.
4.2
Schwache und schwach-∗-Topologie
In vielen wichtigen Anwendungen stellt sich die Norm-Topologie auf X beziehungsweise
X ′ als zu fein heraus, dass heißt sie lässt für bestimmte Konstruktionen nicht genügend
konvergente Folgen zu. Dies motiviert die Einführung von ‘schwächeren’ Topologien auf X
und X ′ .
Definition 4.2.1. Sei (X, O) ein topologischer Vektorraum. Die schwache Topologie auf
X ist erklärt als die gröbste Topologie, bezüglich derer alle Elemente des Dualraumes stetig
sind. Sie wird von der Subbasis
S = f −1 (U ) | f ∈ X ′ , U ⊆ K offen
erzeugt und mit Tw bezeichnet.
n→∞
Als Schreibweise verwenden wir xn −→ w x oder w- limn→∞ xn = x.
Erste Zusammenhänge zwischen Normtopologie und schwacher Topologie werden durch
die folgenden Aussagen hergestellt.
Bemerkung 4.2.2.
(a) Die schwache Topologie ist mit anderen Worten die im Sinne
von Definition 1.6.6 zur Familie der stetigen linearen Funktionale gehörige Initialtopologie.
37
KAPITEL 4. DUALRÄUME UND SCHWACHE TOPOLOGIEN
(b) Da alle Elemente des Dualraumes per Definition stetig bezüglich der ursprünglichen
Topologie O auf X sind gilt stets Tw ⊆ O.
Lemma 4.2.3.
(a) Eine Folge (xn )n∈N in X ist genau dann schwach konvergent gegen
x ∈ X, wenn gilt limn→∞ f (xn ) = f (x) ∀f ∈ X ′ .
(b) Jede beschränkte lineare Abbildung T : X → Y ist stetig bezüglich der schwachen
Topologien auf X und Y .
(c) Schwach-konvergente Folgen sind immer normbeschränkt.
Beweis.
n→∞
(a) Angenommen xn −→ w x und U ⊆ K ist eine offene Umgebung von f (x). Dann ist
f −1 (U ) eine schwach-offene Umgebung von x, und aufgrund der schwachen Konvergenz
existiert ein n0 ∈ N mit xn ∈ f −1 (U ) für alle n ≥ n0 . Also gilt f (xn ) ∈ U für n ≥ n0 ,
und da U beliebige Umgebung von x war folgt limn→∞ fn (x) = f (x).
Sei umgekehrt limn→∞ f (xn ) = f (x) für alle f ∈ X ′ und V eine schwach-offene Umgebung von x. Dann enthält V für geeignete fi ∈ X ′ und offene Mengen Ui ⊆ K eine
Umgebung der Form
m
\
fi−1 (Ui )
Ṽ =
i=1
von x. Aufgrund der Konvergenz der Funktionswerte existiert ein n0 ∈ N mit fi (xn ) ∈
Ui für alle n ≥ n0 und i = 1, . . . , m. Dies bedeutet aber, dass für n ≥ n0 gilt xn ∈
n→∞
Ṽ ⊆ V . Da V eine beliebige Umgebung von x war, folgt xn −→ w x.
(b) Es genügt die schwache Offenheit der Urbilder für Mengen aus der Subbasis nachzuweisen. Diese sind von der der Form f −1 (U ) mit f ∈ Y ′ und U ⊆ K offen. Es gilt
aber
T −1 (f −1 (U )) = (f ◦ T )−1 (U ) ,
und da die transponierte Abbildung f ◦ T = T ′ f in X ′ liegt sind solche Menge per
Definition schwach-offen.
(c) Nach (a) konvergiert eine Folge xn in X genau dann gegen einen Grenzwert x0 , wenn
gilt limn→∞ f (xn ) = f (x0 ) ∀f ∈ X ′ . Da damit insbesondere für jedes f ∈ X ′ die
Menge {f (xn ) | n ∈ N} beschränkt ist, folgt aus Korollar 4.1.6 die Beschränktheit der
Folge.
Die Sätze von Hahn-Banach stellen eine genügende Reichhaltigkeit des Dualraumes sicher, und damit auch eine gewisse Feinheit der schwachen Topologie. Insbesondere lassen
sich mit dieser einzelne Punkte unterscheiden.
Lemma 4.2.4. (X, Tw ) ist ein Hausdorff-Raum.
Beweis. Aus Korollar 3.8.2 zur Trennung konvexer Mengen folgt, dass es zu jedem Paar
verschiedener Punkte x, y ∈ X ein f ∈ X ′ mit f (x) 6= f (y) gibt. Sind Ux und Uy dann
disjunkte Umgebungen von f (x) und f (y), liefern die Umgebungen f −1 (Ux ) und f −1 (Uy )
trennende Umgebungen der Punkte x und y.
Umgekehrt zeigt die folgende Aussage allerdings, dass auch die schwache Topologie auf
X noch zu fein ist, um ein vernünftiges Konvergenzverhalten zu garantieren.
Lemma 4.2.5. Ist X ein ∞-dimensionaler normierter K-Vektorraum, so erfüllt (X, Tw )
nicht das 1. Abzählbarkeitsaxiom.
Beweis. Gilt das 1. Abzählbarkeitsaxiom, so ist nach Lemma 1.4.3 jeder Punkt im Abschluss einer Menge S auch Grenzwert einer Folge in S. Wir konstruieren zu dieser Aussage
ein Gegenbeispiel in (X, Tw ), so dass dieser Raum nicht das 1. Abzählbarkeitsaxiom erfüllen
kann.
38
4.2. SCHWACHE UND SCHWACH-∗-TOPOLOGIE
Für jedes k ∈ N sei dazu Xk ein k-dimensionaler Unterraum von X und Sk eine endliche
Teilmenge von Xk mit den Eigenschaften
(i) kxkX = k für alle x ∈ Sk ;
(ii) für jedes y ∈ Xk mit kykX = k existiert ein x ∈ Sk mit ky − xkX < k1 .
S
Setze S = k∈N Sk . Nach Lemma 4.2.3 sind schwach-konvergente Folgen in immer normbeschränkt. Da jeweils nur endlich viele Elemente von S Norm ≤ k haben gibt es daher keine
schwach gegen 0 konvergente Folge in S.
Sei nun U eine schwache-offene Umgebung der 0. Dann entält U für geeignetes ε > 0
und ϕ1 , . . . , fn ∈ X ′ mit kfi kX ′ = 1 eine Menge der Form
U ′ = {x ∈ X | fi (x) < ε ∀i = 1, . . . , n} =
n
\
fi−1 (Bε (0)) .
i=1
Für k > n gibt es nun immer ein y ∈ Xk mit ϕi (y) = 0 ∀i = 1, . . . , n. Für x ∈ Sk mit
ky − xkX < k1 gilt dann fi (x) ≤ ky − xkX < k1 ∀i = 1, . . . , n, so dass für k ≥ 1/ε gilt
x ∈ U ′ ⊆ U . Also schneidet S jede beliebige Umgebung der 0 und enthält die 0 daher im
Abschluss.
Zumindest auf dem Dualraum X ′ kann aber über die Auswertungsfunktionale iX (x) eine
noch gröbere und dennoch aussagekräftige Topologie erklärt werden.
Definition 4.2.6 (Schwach-∗-Topologie). Die schwach-∗-Topologie auf X ′ ist erklärt als
die gröbste Topologie, bezüglich derer die Auswertungsfunktionale iX (x) für alle x ∈ X stetig
sind. Sie wird von der Subbasis
S ∗ = iX (x)−1 (U ) | x ∈ X, U ⊆ K offen
erzeugt und mit Tw∗ bezeichnet.
n→∞
Als Schreibweise verwenden wir xn −→ w∗ x oder w∗- limn→∞ xn = x.
Bemerkung 4.2.7.
(a) Die schwach-∗-Topologie ist die zur Familie der Auswertungsfunktionale {iX (x) | x ∈ X} gehörige Initialtopologie. Sie ist sowohl schwächer als die
Normtopologie (vgl. Bemerkung 4.2.2(a)) als auch als die schwache Topologie auf X ′ .
(b) (X ′ , Tw∗ ) ist ein Hausdorffraum, da es zu jedem Paar verschiedener Funktionale
f1 , f2 ∈ X ′ ein x ∈ X mit f1 (x) 6= f2 (x) gibt.
Lemma 4.2.8. Sei (X, k.kX ) ein normierter K-Vektorraum.
(a) Schwach-∗-Konvergenz in X ′ ist äquivalent zur punktweisen Konvergenz.
(b) Jede schwach-∗-konvergente Folge in X ′ ist normbeschränkt.
Beweis. (a) lässt sich völlig analog zu Lemma 4.2.3 zeigen. (b) ist eine direkte Konsequenz aus dem Satz von Banach-Steinhaus 3.6.2, da die punktweise Konvergenz von (fn )n∈N
bedeutet, dass für jedes x ∈ X die Menge {fn (x) | n ∈ N} beschränkt ist.
Die Gleichsetzung von schwach-∗-Konvergenz und punktweiser Konvergenz liefert über
den Satz von Tychonoff das folgende Kompaktheitsergebnis, das einen der Hauptgründe für
die Bedeutung der schwach-∗-Topologie darstellt.
Satz 4.2.9 (Satz von Alaoglu). Sei X ein normierter Vektorraum. Dann ist die abgeschlossene Einheitskugel
BX ′ := {f ∈ X ′ | kf kX ′ ≤ 1}
kompakt bezüglich der schwach-∗-Topologie auf X ′ .
39
KAPITEL 4. DUALRÄUME UND SCHWACHE TOPOLOGIEN
′
′
Beweis.
N Jedes f ∈ BX läßt sich wegen kf kX ≤ 1 als Element des Produktraumes
(0)
interpretieren
(wobei
B
(0)
die übliche Nullumgebung im Körper
B
Λ :=
ǫ
kxk
X
x∈X
K bezeichnet). Formal geschieht dies über die Abbildung σ : X ′ → Λ gegeben durch πx ◦
σ(f ) = f (x), wir werden im folgenden allerdings BX ′ direkt als Teilmenge von Λ auffassen.
Umgekehrt läßt sich natürlich auch jedes Element aus Λ als K-wertige Funktion auf X
interpretieren.
Die schwach-∗-Topologie auf BX ′ stimmt genau mit der auf BX ′ eingeschränkten Produkttopologie von Λ überein, und als Produkt kompakter Räume ist Λ nach dem Satz von
Tychonoff in dieser Topologie kompakt. Daher genügt es zu zeigen, daß BX ′ in Λ abgeschlossen ist. Nicht-Linearität ist aber offensichtlich eine offene Eigenschaft in Λ: Gilt für
ein f ∈ Λ und x, y ∈ X
πx+y (f ) 6= πx (f ) + πy (f ) ,
so gilt dies mit ǫ :=
1
3
· |πx+y (f ) − πx (f ) − πy (f )| ebenso für alle g in der durch
−1
U = πx−1 (Bǫ (f (x))) ∩ πy−1 (Bǫ (f (y))) ∩ πx+y
(Bǫ (f (x + y)))
gegebenen offenen Produkt-Umgebung von f . Für πx (αf ) 6= απx (f ) verfährt man analog,
und in ähnlicher Weise sieht man schließlich, daß auch supx∈X |πx (f )|/kxkX > 1 eine offene Eigenschaft ist. Damit folgt die Abgeschlossenheit von BX ′ in Λ und die ist Aussage
bewiesen.
Um aus der Kompaktheit auch auf Folgenkompaktheit schliessen zu können, benötigen
wir die Gültigkeit des 1. Abzählbarkeitsaxiom für BX ′ . Ist X separabel, so ist dieses für die
schwach-∗-Topologie erfüllt.
Lemma 4.2.10. Ist ein normierter Vektorraum (X, k.kX ) separabel, so erfüllt (BX ′ , Tw∗ )
das 1. Abzählbarkeitsaxiom.
Beachte, dass damit keine Aussage über die Gültigkeit des 1. Abzählbarkeitsaxioms für
X ′ gemacht wird.
Beweis. Für jedes f ∈ BX ′ bilden die Mengen der Form
U (f ; x1 , . . . , xn ; ǫ) := {g ∈ BX ′ | |g(xi ) − f (xi )| < ǫ ∀i = 1, . . . , n}
n
\
iX (xi )−1 (Bε (f (xi )))
=
(4.2.1)
i=1
eine Umgebungsbasis von f in der schwach-∗-Topologie auf BX ′ . Wir müssen zeigen, dass
es möglich ist zu einer abzählbaren Basis überzugehen.
Sei dazu M eine abzählbare dichte Teilmenge von X und f ∈ X ′ . Wir setzen
Uf = {U (f ; a1 , . . . , an ; 1/m) | m ∈ N, ai ∈ M } .
Seien nun x1 , . . . , xn ∈ X und ǫ > 0 beliebig. Wähle m > 3ǫ und a1 , . . . , an ∈ M mit
1
1
kxi − ai k ≤ m
für alle i = 1, . . . , n. Dann gilt für jedes g ∈ U (f ; a1 , . . . , an ; m
) wegen
kf kX ′ ≤ 1 und kgkX ′ ≤ 1 die Abschätzung
|g(xi ) − f (xi )| ≤ |g(xi ) − g(ai )| + |g(ai ) − f (ai )| + |f (ai ) − f (xi )| <
3
≤ ǫ.
m
1
) ⊆ U (f ; x1 , . . . , xn ; ǫ), so dass Uf eine Umgebungsbasis von f
Also gilt U (f ; a1 , . . . , an ; m
bildet.
Korollar 4.2.11. Ist X ein normierter Vektorraum, so hat jede Folge in BX ′ eine schwach∗-konvergente Teilfolge.
40
4.3. KOMPAKTHEITSARGUMENT FÜR WAHRSCHEINLICHKEITSMASSE
Bemerkung 4.2.12.
(a) Die meisten wichtigen Banachräume sind separabel. Beispielsweise liegen nach dem Satz von Stone-Weierstrass im Raum C([0, 1], R) die (abzählbar
vielen) Polynome mit rationalen Koeffizienten dicht, und ebenso die trigonometrischen
Polynome mit rationalen Koeffizienten (Fourier-Analyse). Allgemeiner ist für jeden separablen metrischen Raum X der Raum C(X, R) ebenfalls separabel.
(b) Ein Banachraum X heißt reflexiv, wenn gilt iX (X) = X ′′ . Wichtige Beispiele solcher
Räume werden wir in Kapitel 4.5 kennenlernen. In diesem Fall kann die schwache
Topologie auf X mit der schwachen Topologie auf X ′′ identifiziert werden. Da aus
X = X ′′ auch X ′ = X ′′′ folgt, stimmt diese wiederum mit der schwach-∗-Topologie auf
X ′′ überein. Im unendlich-dimensionalen Fall kann daher nach Lemma 4.2.5 der mit der
schwach-∗-Topologie versehene gesamte Raum X ′′ nicht das 1. Abzählbarkeitsaxiom
erfüllen, dies gilt also wirklich nur für die Teilmenge BX ′′ .
4.3
Kompaktheitsargument für Wahrscheinlichkeitsmaße
Definition 4.3.1. Sei X eine beliebige Menge.
• Eine σ-Algebra A auf X ist eine System von Teilmengen von X, für das gilt
(A1) ∅ ∈ A;
(A2) A ∈ A ⇒ Ac ∈ A;
(A3) An ∈ A ∀n ∈ N ⇒
S
n∈N
An ∈ A.
• Die Mengen aus A werden als messbare Mengen bezeichnet, das Paar (X, A) als
messbarer Raum.
• Eine Funktion µ : A → R heißt σ-additiv, falls für disjunkte Menge An , n ∈ N stets
gilt
!
X
[
µ(An ) .
µ
An =
n∈N
n∈N
Eine σ-additive Funktion µ : A → R heißt signiertes Maß auf (X, A), das Tripel
(X, A, µ) heißt signierter Maßraum. Ist µ ≥ 0, so heißt µ Maß und (X, A, µ)
Maßraum. Gilt zusätzlich µ(X) = 1, so heißt (X, A, µ) Wahrscheinlichkeitsraum.
Wie im Falle von Topologien können auch σ-Algebren durch die Vorgabe eines beliebigen
Mengensystems, das enthalten sein soll, ‘erzeugt’ werden. Grundlage dafür ist das folgende
Lemma.
Lemma T
4.3.2. Sei I eine beliebige Indexmenge und (Ai )i∈I eine Folge von σ-Algebren.
Dann ist i∈I Ai ebenfalls eine σ-Algebra.
Bemerkung 4.3.3.
(a) Sei X eine beliebige Menge. Aufgrund von Lemma 4.3.2 wird
zu einem beliebigen System S von Teilmengen von X durch
\
σ(S) =
A
A σ-Algebra
S⊆A
die kleinste σ-Algebra gegeben, die S enthält. σ(S) heißt die von S erzeugte σAlgebra, S das Erzeugendensystem.
(b) Besondere Bedeutung hat der Fall, dass S ein Semiring ist. Dies ist ein Mengensystem S, das die Eigenschaften
41
KAPITEL 4. DUALRÄUME UND SCHWACHE TOPOLOGIEN
(S1) ∅ ∈ S;
(S2) A, B ∈ S ⇒ A ∩ BS;
(S3) A, B ∈ S ⇒ es gibt paarweise disjunkte Mengen S1 , . . . , Sn mit A \ B =
Sn
i=1
Si .
erfüllt. Beispielsweise bilden die halboffenen Intervalle in R einen Semiring S = {(a, b] |
a, b ∈ R}. Im Rd bilden die Produkte halboffener Intervalle einen Semiring.
(d) Hat ein Erzeugendensystem S geeignete Eigenschaften, so wird ein Maß durch seine
Werte auf S eindeutig festgelegt. Insbesondere gilt dies, falls S ein Semiring ist. So
kann das Lebesgue-Maß auf [0, 1]d über seine Werte auf Rechtecken der Form R =
Nd
Qd
i=1 (ai , bi ] durch Leb(R) =
i=1 (bi − ai ) definiert werden.
(e) Ist X ein topologischer Raum, so kann auch die Topologie O als Erzeugendensystem
dienen. In diesem Fall spricht man von der Borel’schen σ-Algebra B(X) = σ(O).
Definition 4.3.4. Seien (X, A) und (Y, B) messbare Räume.
• Eine Abbildung f : X → Y heißt messbar, falls gilt f −1 (A) ∈ A ∀A ∈ B.
• Im Fall Y = R setzen wir implizit immer B = B(X).
• Eine Elementarfunktion g : X → R ist eine endliche Linearkombination aus Indikatorfunktionen messbarer Mengen.
Bemerkung 4.3.5 (Messbarkeit).
(a) Um Messbarkeit nachzuprüfen genügt es zu zeigen, dass alle Urbilder halboffener Intervalle (a, b] ⊆ R messbar sind. Gleichwertig
dazu ist, die Messbarkeit von Halbachsen (−∞, ) nachzuweisen, d.h. eine Funktion
f : X → R ist messbar, wenn für alle b ∈ R die¯ Menge {x ∈ X | f (x) ≤ b} in A
enthalten ist.
(b) Grundlage dieser Aussage ist die Tatsache, dass gilt σ(f −1 (S)) = f −1 (σ(S)). Es
genügt also stets die Messbarkeit für Urbilder aus einem Erzeugendensystem nachzuweisen.
Bemerkung
(a) Das Integral einer Elementarfunktion
R der Form
Pn4.3.6 (Integration).
g =
λi χAi , Ai ∈ A bezüglich eines Maßes µ wird definiert als X g dµ =
i=1
Pn
i=1 λi µ(Ai ). Ähnlich zum Riemann-Stieltjes-Integral kann das Lebesgue-Integral
einer messbaren positiven Funktion f als Supremum der Integrale aller durch f nach
oben beschränkten Elementarfunktionen definiert werden, also
Z
Z
f dµ = sup
g dµ g ist Elementarfunktion .
X
X
(b) Für eine allgemeine messbare Funktion f : X → R setzt man f + (x) = max{0, f (x)},
f − = max{0, −f (x)} und
Z
Z
Z
+
f dµ =
f dµ −
f − dµ .
X
X
X
(c) Nach dem Zerlegungssatz von Jordan lässt sich jedes signierte Maß µ als Differenz
µ = µ+ − µ− zweier Maße µ+ und µ− schreiben. Damit lässt sich das Integral einer
messbaren Funktion f bezüglich eines signierten Maßes µ definieren durch
Z
Z
Z
f dµ =
f dµ+ −
f dµ− .
X
X
42
X
4.3. KOMPAKTHEITSARGUMENT FÜR WAHRSCHEINLICHKEITSMASSE
R
(d) Das Lebesgue-Integral X f dµ besitzt alle von einem Integral erwarteten Eigenschaften. Insbesondere ist es linear, so dass durch
Z
f dµ
ϕµ (f ) =
X
ein stetiges lineares Funktional ϕµ = C(X, R)′ definiert wird. Ist µ ein Maß, so ist ϕµ
positiv, in dem Sinne dass aus f ≥ 0 folgt ϕµ (f ) ≥ 0. Die Menge all solcher positiven
Funktionale bezeichnen wir mit C(X, R)′+ .
In der Tat sind alle stetigen linearen Funktionale auf einem kompakten metrischen Raum
von obiger Form.
Satz 4.3.7 (Rieszscher Darstellungsatz). Ist X ein kompakter metrischer Raum, so existiert
für jedes ϕ ∈ C(X, R)′ ein eindeutig bestimmtes signiertes Maß µϕ auf (X, B) mit
Z
f dµϕ ∀f ∈ C(X, R) .
ϕ(f ) =
X
Bezeichnen wir mit Ms (X) den Raum aller signierten Maße auf (X, B(X)), so ist die Abbildung Ψ : C(X, R)′ → Ms (X), ϕ 7→ µϕ ein Isomorphismus mit Inverser Ψ−1 : µ 7→ ϕµ .
Bemerkung 4.3.8.
(a) Es ist möglich Ms (X) mit einer Norm (der sogenannten Totalvariation) zu versehen, durch die der obige Isomorphismus Ψ : C(X, R)′ → Ms (X)
zu einer Isometrie wird.
(b) Der Rieszsche Darstellungsatz erlaubt es Ms (X) mit C(X, R)′ zu identifizieren und
dementsprechend mit der schwach-∗-Topologie zu versehen. Schwach-∗-Konvergenz einer Folge (µn )n∈N gegen ein µ ∈ Ms (X) bedeutet dann, dass gilt
Z
Z
lim
f dµn =
f dµ ∀f ∈ C(X, R) .
n→∞
X
X
In der Wahrscheinlichkeitstheorie ist diese Form der Konvergenz als schwache Konvergenz von (signierten) Maßen bekannt.
Um die (Folgen-)Kompaktheit der Einheitskugel in (C(X, R)′ , Tw∗ ) zur Konstruktion von
Wahrscheinlichkeitsmaßen mit gewünschten Zusatzeigenschaften ausnutzen zu können, ist
die folgende Beobachtung wichtig.
Lemma 4.3.9. Die Mengen C(X, R)′+ und N = {ϕ ∈ C(X, R)′ | ϕ(χX ) = 1} sind abgeschlossen in (C(X, R)′ , Tw∗ ).
Beweis. Sei ϕ ∈ C(X, R)′ \ C(X, R)′+ =: F . Dann existiert ein f ∈ C(X, R) mit f ≥ 0
aber ϕ(f ) < 0. Dementsprechend ist iC(X,R) (f )−1 ((−∞, 0)) eine schwach-∗-offene Umgebung
von ϕ, die ganz in F enthalten ist. Da ϕ ∈ F beliebig war ist F schwach-∗-offen, und das
Komplement C(X, R)′+ daher abgeschlossen.
Das Komplement von N ist iX (χX )−1 (R \ {1}) und daher ebenfalls schwach-∗-offen.
Wir setzen M(X) = Ψ {ϕ ∈ C(X, R)′+ | ϕ(χX ) = 1} . Die Elemente von M(X) sind
genau die Wahrscheinlichkeitsmaße auf (X, B).
Korollar 4.3.10. M(X) ist schwach-∗-kompakt und schwach-∗-folgenkompakt.
In der mathematischen Theorie Dynamischer Systeme (auch Ergodentheorie genannt)
wird der Übergang des Zustandes xn eines Systems (mit diskreter Zeit) vom Zeitpunkt n
zum Zustand xn+1 zum Zeitpunkt n+1 durch eine Abbildung f : X → X modelliert, in dem
Sinne dass gilt xn+1 = f (xn ). X ist dabei der Raum aller möglichen Zustände des Systems.
Durch gewöhnliche Differentialgleichungssystem erzeugte Systeme mit kontinuierlicher Zeit
lassen sich durch Betrachtung der Zeit-1-Abbildung in diese Form überführen.
43
KAPITEL 4. DUALRÄUME UND SCHWACHE TOPOLOGIEN
Zur Beschreibung von Gleichgewichtszuständen des Systems spielen invariante Wahrscheinlichkeitsmaße eine wichtige Rolle. Dabei heißt ein Wahrscheinlichkeitsmaß µ auf einem
kompakten metrischen Raum (X, d) invariant unter einer stetigen Abbildung T : X → X,
falls gilt
µ(T −1 (A)) = µ(A) ∀A ∈ B(X) ,
kurz µ = µ ◦ T −1 . Äquivalent dazu ist, dass gilt
Z
Z
f dµ ∀f ∈ C(X, R) .
f ◦ T dµ =
X
X
Wir sagen µ ist T -invariant. Im allgemeinen gilt die Gleichung
Z
Z
f d(µ ◦ T −1 ) .
f ◦ T dµ =
X
X
Satz 4.3.11. Ist (X, d) ein kompakter metrischer Raum, so existiert zu jeder stetigen Abbildung T : X → X ein T -invariantes Wahrscheinlichkeitsmaß.
Beweis. Sei ν ein beliebiges Wahrscheinlichkeitsmaß auf (X, B(X)). Wir setzen µn =
Pn−1
−i
. Dann existiert nach Korollar 4.3.10 eine konvergente Teilfolge. Der Eini=0 ν ◦ T
fachheit halber nehmen wir an, dass die gesamte Folge (µn )n∈N konvergiert und Grenzwert
µ ∈ M(X) besitzt. Für beliebiges f ∈ C(X, R) gilt nun
Z
Z
f ◦ T dµn
f ◦ T dµ = lim
1
n
n→∞
X
=
=
=
lim
n→∞
lim
n→∞
Z
X
X
n−1
XZ
1
n
1
n
i=0
n−1
XZ
i=0
f ◦ T d(ν ◦ T −i )
X
f ◦ d(ν ◦ T −(i+1) )
X
1
n→∞ n
|
f dµ + lim
Z
f d(ν ◦ T −n ) −
X
{z
Z
n→∞
f dν
X
|.| ≤ kf k0 /n −→ 0
=
}
Z
f dµ .
X
Ist zu einer Abbildung T : X → X ein invariantes Wahrscheinlichkeitsmaß gegeben, so
stellt sich die Frage, inwiefern dies zur Beschreibung des Langzeitverhaltens des Systems
dienen kann. Eine wesentliche Bedeutung hat dabei die mögliche Gleichheit von räumlichen
Mitteln und zeitlichen Mitteln einer (stetigen) Observablen f : X → R, die sich durch die
Gleichung
Z
n−1
1X
lim
f dµ
f ◦ T i (x) =
n→∞ n
X
i=0
ausdrückt. In einer speziellen Situation ist diese Gleichheit immer erfüllt.
Definition 4.3.12. Ist (X, d) ein kompakter metrischer Raum, so heißt eine stetige Abbildung T : X → X eindeutig ergodisch, falls es genau ein invariantes Wahrscheinlichkeitsmaß gibt.
Satz 4.3.13 (Gleichmäßiger Ergodensatz). Sei (X, d) ist ein kompakter metrischer Raum
und T : X →
X eine eindeutig ergodische Abbildung. Dann konvergiert die Funktionenfolge
R
Pn−1
f ◦ T i gleichmäßig auf X gegen die konstante Funktion c(f ) = X f dµ.
Sn (f ) = n1 i=0
44
4.4. REFLEXIVITÄT
Beweis. Angenommen Sn (f ) konvergiert nicht gleichmäßig gegen c(f ). Dann existieren
ein ε > 0, eine Folge natürlicher Zahlen (nk )k∈N und eine Folge (xk )k∈N in X, so dass gilt
|Snk (f )(xk ) − c(f )| ≥ ε
∀k ∈ N .
Wir nehmen Snk (f )(xk ) ≥ c(f ) + ε für alle k ∈ N an.
Für x ∈ X ist das sogenannte Dirac-Maß in x erklärt durch δx ({x}) = 1 und δx (X\{x}) =
0. Setze
nk −1
nk −1
1 X
1 X
δT i x =
δ i
µn =
nk i=0
nk i=0 T x
und wähle einen beliebigen Teilfolgen-Grenzwert ν ∈ M(X). Wie im Beweis zu Satz 4.3.11
lässt sich dann zeigen, dass ν ein T -invariantes Wahrscheinlichkeitsmaß ist, also gilt ν = µ.
Andererseits folgt aber aus der schwach-∗-Konvergenz
Z
Z
f dν = lim
f dµk = lim Snk (f )(xk ) ≥ c(f ) + ε ,
n→∞
X
k→∞
X
im Widerspruch zur Definition von c(f ).
4.4
Reflexivität
Eine im Hinblick auf die Anwendung der schwach-∗-Topologie besonders wünschenswerte
Situation ist die, in der ein Banachraum X mit seinem zweifachen Dualraum X ′′ übereinstimmt. Solche sogenannten reflexiven Räume sollen in diesem Kapitel untersucht werden,
bevor wir mit den Lp (µ)-Räumen im nächsten Abschnitt wichtige Beispiele reflexiver Räume
kennenlernen.
Definition 4.4.1 (Reflexivität). Ein normierter Vektorraum (X, k.kX ) heißt reflexiv, wenn
gilt X = X ′′ (genauer iX (X) = X ′′ mit iX aus Lemma 4.1.4).
Beispiel 4.4.2.
(a) Jeder endlich-dimensionale Vektorraum X ist reflexiv, denn ist
{e1 , . . . , ed } eine Basis von X, so bilden die Funktionale
!
n
X
αi ei = αj
ϕj
i=1
′
eine Basis von X . Also haben X und X ′ gleiche Dimension und entsprechend auch X ′
und X ′′ . Daher muss die injektive lineare Abbildung iX : X → X ′′ ein Isomorphismus
sein.
(b) Sei (X, d) ein nicht endlicher, kompakter topologischer Raum. Dann ist C(X, R)
nicht reflexiv. Zum Beweis sei A ∈ B(X) eine beliebige Teilmenge von X und FA ∈
C(X, R)′′ = Ms (X)′ gegeben durch
Z
FA (ϕµ ) = µ(A) =
χA dµ ,
X
wobei χA die Indikatorfunktion von A bezeichnet. Angenommen FA ∈ iC(X,R) (C(X, R)),
also
Z
f dµ
F (ϕµ ) = ϕµ (f ) =
X
für ein f ∈ C(X, R) und alle ϕµ ∈ C(X, R)′ . Das Dirac-Maß δx im Punkt x sei erklärt
durch δx (A) = χA (x). Dann folgt
Z
f dx = FA (ϕδx ) = δx (A) = χA (x) .
f (x) =
X
45
KAPITEL 4. DUALRÄUME UND SCHWACHE TOPOLOGIEN
Also folgt f = χA , aber die Indikatorfunktionen bilden (ausser in diskreten Räumen)
keine Teilmenge der stetigen Funktionen.
Lemma 4.4.3. Abgeschlossene Unterräume reflexiver Räume sind reflexiv.
Beweis. Angenommen X ist ein reflexiver Raum und V ⊆ X ein abgeschlossener Unterraum. Um die Surjektivität von iV : V → V ′′ zu zeigen, sei ϕ0 ∈ V ′′ . Für f ∈ X ′ sei
ϕ(f ) = ϕ0 (f|V ). Dadurch wird ein Funktional ϕ ∈ X ′′ definiert, und aufgrund der Reflexivität von X gilt ϕ = iX (x) für ein x ∈ X.
Angenommen x ∈
/ V . Dann gibt es nach Korollar 3.7.10 ein f ∈ X ′ mit a := f (x) 6= 0
und f|V = 0. Wir erhalten den Widerspruch
a = f (x) = iX (x)(f ) = ϕ(f ) = ϕ0 (f|V ) = ϕ0 (0) = 0 .
Also gilt x ∈ V . Zu beliebigem f0 ∈ V ′ sei f ∈ X ′ eine Fortsetzung im Sinne von Korollar 3.7.7, d.h. f|V = f0 . Dann gilt
ϕ0 (f0 ) = ϕ0 (f|V ) = ϕ(f ) = iX (x)(f ) = f (x) ,
also ist ϕ0 (f ) = f (x) = iV (x)(f ) und damit ϕ0 = iV (x) ∈ iV (V ).
Korollar 4.4.4. X ist genau dann reflexiv wenn X ′ reflexiv ist.
Beweis. Sei X reflexiv und F ∈ X ′′′ . Dann gilt mit f (x) = F (iX (x)) und für jedes
ϕ = iX (x) ∈ X ′′
F (ϕ) = F (iX (x)) = f (x) = iX (x)(f ) = ϕ(f ) = iX ′ (f )(ϕ) .
Also ist F = iX ′ (f ) ∈ iX ′ (X ′ ), und damit ist X reflexiv.
Ist umgekehrt X ′ reflexiv, so ist nach dem bisher Bewiesenen auch X ′′ reflexiv. Dann
ist aber X ≃ iX (X) ⊆ X ′′ als abgeschlossener Teilraum eines reflexiven Raumes nach
Lemma 4.4.3 ebenfalls reflexiv.
Lemma 4.4.5. Ist X reflexiv, so ist BX schwach kompakt.
Beweis. Ist X reflexiv, so gilt X ′′′ = iX ′ (X ′ ). Demnach stimmen die schwache und die
schwach-∗-Topologie auf X ′′ überein, so dass BX ′′ schwach kompakt ist. Wegen BX ′′ =
iX (BX ) ist damit auch BX schwach kompakt.
Satz 4.4.6. Ist X reflexiv, so ist BX schwach folgenkompakt.
Beweis. Sei zunächst X separabel. Dann ist aufgrund der Reflexivität auch X ′′ und damit
nach Lemma 4.1.3 X ′ separabel. Daher erfüllt (BX , Tw ) ∼
= (BX ′′ , Tw ) nach Lemma 4.2.10 das
1. Abzählbarkeitsaxiom. Da BX schwach kompakt ist, folgt mit Lemma 1.5.4 die schwache
Folgenkompaktheit.
Ist X nicht separabel, so gehen wir für eine gegebene Folge (xn )n∈N in BX zum abgeschlossenen Unterraum X̃ = lin({xn | n ∈ N}) über, der nach Satz 3.2.11 separabel ist.
Dann hat (xn )n∈N nach dem bisher Gezeigten eine schwach konvergente Teilfolge in BX̃ ,
und damit auch in BX .
Bemerkung 4.4.7. Nach dem Satz von Goldstine liegt für jeden normierten Vektorraum X
das Bild iX (BX ) schwach-∗-dicht in BX ′′ . Daher ist die schwache Kompaktheit von BX sogar
äquivalent zur Reflexivität von X. “⇐” folgt dabei aus Lemma 4.4.5. Umgekehrt folgt aus der
schwachen Kompaktheit von BX die schwache Kompaktheit des Bildes iX (BX ), denn iX ist
als beschränkte lineare Abbildung nach Lemma 4.2.3 auch stetig bezüglich der schwachen
Topologien und stetige Bilder kompakter Mengen sind kompakt. Da Id : (BX ′′ , Tw ) →
(BX ′′ , Tw∗ stetig ist (beachte Tw∗ ⊆ TW ), ist iX (BX ) auch schwach-∗-kompakt und daher
w∗
schwach-∗-abgeschlossen. Es folgt iX (BX ) = iX (BX ) = BX ′′ und damit iX (X) = X ′′ .
46
4.5. LP (µ)-RÄUME
4.5
Lp (µ)-Räume
Wir behandeln der Einfachheit halber den Fall der in Kapitel 4.3 definierten endlichen Maße.
Die Aussagen dieses Kapitels gelten jedoch auch für sogenannte σ-endliche Maße auf einem
messbaren Raum (X, A). Dies sind Mengenfunktionen
S µ : A → [0, ∞] die σ-additiv sind,
und für die eine Mengenfolge A1 ⊆ A2 ⊆ . . . mit n∈N An = X und µ(An ) < ∞ für alle
n ∈ N existiert. Offensichtliche Beispiele sind das Lebesgue-Maß auf Rd oder das Zählmaß
µ(A) = #A auf Z.
Definition 4.5.1. Sei (X, A, µ) ein Maßraum und p ∈ [1, ∞).
• Wir setzen
Z
f : X → R | f ist messbar und
|f |p dµ < ∞ .
Lp (µ) =
X
• Auf Lp (µ) wird durch
f ∼ g :⇔ f = g µ-fast sicher
eine Äquivalenzrelation erklärt. Wir setzen Lp (µ) = Lp (µ)/ ∼.
• Für f ∈ Lp (µ) ist die sogenannte Lp (µ)-Norm gegeben durch
Z
1/p
kf kp =
|f |p dµ
.
X
• Für eine messbare positive Funktion f : X → R sei
kf k∞ = inf{C > 0 | f ≤ C µ-fast sicher} .
• Wir setzen
L∞ (µ) = {f : X → R | f ist messbar und kf k∞ < ∞}
und L∞ (µ) = L∞ (µ)/ ∼.
Es gilt der wichtige
Satz 4.5.2. Für p ∈ [1, ∞] sind die Räume Lp (µ) Banachräume.
Die Aussage, dass die Lp (µ)-Räume vollständig sind, ist als Satz von Riesz-Fischer bekannt. Die Dreiecksungleichung wird in diesem Zusammenhang auch als Minkowski-Ungleichung bezeichnet. Ihr Beweis wird normalerweise zurückgeführt auf die
p
Satz 4.5.3 (Hölder-Ungleichung). Sei (X, A, µ) ein Maßraum, p ≥ 1 und q = p−1
. Dann
p
q
gilt für beliebige f ∈ L (µ) und g ∈ L (µ)
kf · gk1 ≤ kf kp · kgkq .
Einer der wichtigsten Gründe für die in Kapitel 4.3 skizzierte Konstruktion des LebesgueIntegrals ist die Möglichkeit, in vielen Situationen Integration und Grenzwertbildung vertauschen zu können. (Zum Vergleich: Punktweise Limiten Riemann-integrierbarer Funktionen
sind nicht notwendig Riemann-integrierbar, man denke an die Indikatorfunktion der rationalen Zahlen im Einheitsinterval.)
Satz 4.5.4 (Monotone Konvergenz, Satz von Beppo Levi). Sei (X, A, µ) ein Maßraum
und (fn )n∈N eine Folge monoton wachsende Folge messbarer Funktionen mit punktweisem
Grenzwert f . Ist dann f1 ∈ L1 (µ), so gilt
Z
Z
f dµ = lim
fn dµ .
X
n→∞
47
X
KAPITEL 4. DUALRÄUME UND SCHWACHE TOPOLOGIEN
Beachte, dass der punktweise Limes einer Folge messbarer Funktionen wieder messbar
ist.
R
Ist (X, A, µ) ein Maßraum und f ∈ L1 (µ), so wird durch ν(a) = A f dµ ein signiertes
Maß auf (X, A) definiert. f heißt in diesem Fall Dichte von ν bezüglich µ und wir schreiben
ν = f µ. Der folgende Satz von Radon-Nikodym liefert ein äquivalentes Kriterium für die
Existenz von Dichten.
Definition 4.5.5. Sei (X, A, µ) ein Maßraum. Dann heißt ein signiertes Maß ν auf (X, A)
absolut stetig bezüglich µ, falls für alle A ∈ A aus µ(A) = 0 auch ν(A) = 0 folgt.
Beachte, dass Maße mit Dichten immer absolut stetig sind. Die Umkehrung liefert der
folgende
Satz 4.5.6 (Satz von Radon-Nikodym). Ist (X, A, µ) ein Maßraum und ν ein bezüglich µ
absolut stetiges signiertes Maß, so besitzt ν eine Dichte bezüglich µ.
Wir können nun den Dualraum von Lp (µ) identifizieren.
p
p−1 .
Satz 4.5.7. Für p ∈ (1, ∞) sei q =
Dann wird durch
Ψ : Lq (µ) → Lp (µ)′
,
Ψ(g)(f ) =
Z
f g dµ
X
ein isometrischer Isomorphismus von Vektorräumen gegeben. Es ist daher Lp (µ)′ ∼
= Lq (µ).
p
Insbesondere ist L (µ) reflexiv.
Beweis. Die Linearität von Ψ folgt im wesentlichen aus der Linearität des Integrals. Aus
der Hölder-Ungleichung folgt |Ψ(g)(f )| ≤ kgkq · kf kp , also kΨ(g)kLp(µ)′ ≤ kgkq . Um die umq/p
|g|
g
gekehrte Ungleichung zu zeigen, definieren wir zu g ∈ Lq (µ) die Funktion f = |g|
kgkq
(mit der Konvention
0
0
= 0). Dann gilt einerseits
Z
p
|f | dµ =
Ψ(g)(f ) =
|g|q
dµ = 1
kgkqq
X
X
1
p−1
und andererseits wegen q/p =
Z
Z
=q−1
f g dµ =
X
Z
X
|g|q
dµ = kgkq .
kgkqq−1
Also ist kΨ(g)k(Lp(µ))′ = kgkq .
Es bleibt die Surjektivität von Ψ zu zeigen. Sei dazu ϕ ∈ Lp (µ)′ . Da µ ein endliches Maß
ist und daher Indikatorfunktionen in Lp (µ) liegen, können wir durch
νϕ (A) = ϕ(χA ) ∀A ∈ A
eine Funktion νϕ : A → R erklären. Für jede Folge disjunkter Mengen (An )n∈N gilt
1
P∞
S∞
n→∞
k k=n χAk kp = µ ( k=n Ak ) p −→ 0. Aufgrund der Stetigkeit von ϕ folgt damit
!
!
!
!
n
∞
]
X
X
X
= ϕ
= ϕ
νϕ
Ak
χA n + ϕ
χA k
χA k
k∈N
k=1
k∈N
=
lim
n→∞
n
X
ϕ(χAk ) =
k=1
∞
X
k=1
48
νϕ (Ak ) .
|
k=N +1
{z
n→∞
−→ 0
}
4.5. LP (µ)-RÄUME
Damit ist νϕ σ-additiv und daher ein signiertes Maß auf X. Zudem ist νϕ absolut stetig
bezüglich µ, denn ist µ(A) = 0 so ist kχA kp = 0 und damit νϕ (χA ) = 0. Daher hat νϕ nach
dem Satz von Radon-Nikodym eine Dichte g ∈ L1 (µ) bezüglich µ. Für jede Indikatorfunktion
f = χA einer messbaren Menge A gilt daher
Z
Z
f g dµ .
(4.5.1)
g dµ =
ϕ(f ) = νϕ (A) =
X
A
Aufgrund der Linearität des
R Integrals überträgt sich diese Gleichung auf alle Elementarfunktionen. Nun ist f 7→ X f g dµ stetig auf L∞ (µ), und weil die natürliche Einbettung
L∞ (µ) → Lp (µ) stetig ist, ist auch ϕ stetig auf L∞ (µ). Da die Elementarfunktionen in
L∞ (µ) dicht liegen, überträgt sich (4.5.1) damit auf alle f ∈ L∞ (µ). Falls g in Lq (µ) liegt
sind beide Abbildungen auch auf Lp (µ) stetig, so dass sich (4.5.1) dann auch auf ganz Lp (µ)
überträgt.
Es bleibt nun g ∈ Lq (µ) zu zeigen. Sei dazu h(x) =
Es gilt |g| = |h|
1
q−1
q
und damit |g| = gh = |h|
q
q−1
|g(x)|q
g(x)
mit h(x) = 0 falls g(x) = 0.
p
= |h| . Wir setzen nun
En = {x ∈ X | |g(x)| ≤ n} .
Dann ist χEn h ∈ L∞ (µ) und wir erhalten
Z
Z
q
χEn hg dµ = ϕ(χEn h) ≤ kϕkLp (µ)′ · kχEn hkp
|g| dµ =
X
En
=
kϕkLp (µ)′ ·
Z
En
1/p
Z
|h|p dµ
= kϕkLp (µ)′ ·
En
1/p
|g|q dµ
und damit wegen 1 − 1/p = q
Z
|g|q
En
1/q
≤ kϕkLp (µ)′ .
Mit dem Satz von Beppo Levi folgt hieraus schliesslich
1/q
Z
kgkq = sup
≤ kϕkLp(µ)′
|g|q
n∈N
En
q
und deshalb insbesondere g ∈ L (µ).
Bemerkung 4.5.8. Mit ähnlichem Beweis lässt sich zeigen, dass der Dualraum von L1 (µ)
isomorph zu L∞ (µ) ist (s. Werner, Funktionalanalysis, S. 60-61). Umgekehrt ist der Dualraum von L∞ (µ) aber nicht zu L1 (µ) isomorph, so dass L1 (µ) und L∞ (µ) nicht reflexiv
sind.
Beispiel 4.5.9. Zu p ∈ [1, ∞) ist der Folgenraum ℓp erklärt durch
(
)
X
ℓp = (an )n∈N | an ∈ R,
|an |p < ∞ .
n∈N
Wird X = N mit dem Zählmaß µ(A) = #A versehen, so gilt offensichtlich ℓp = Lp (µ). Mit
der Norm
!1/p
X
p
k(an )n∈N kp =
|an |
n∈N
p
wird ℓ daher für p ∈ (1, ∞) zum reflexiven Banachraum mit Dualraum ℓq , q = p/(p − 1).
49
KAPITEL 4. DUALRÄUME UND SCHWACHE TOPOLOGIEN
Bemerkung 4.5.10 (Schwache Ableitungen, schwache Lösungen partieller DGL). Sei I =
(a, b) ⊆ R ein offenes Intervall, an ց a und bn ր b. Weiter sei
o
n
D(I) = ϕ ∈ C ∞ (I) | {x ∈ I | ϕ(x) 6= 0} ist kompakt .
Dann folgt für f ∈ C 1 (I) und ϕ ∈ D(I) mittels partieller Integration
Z
′
f (x)ϕ(x) dx = lim
n→∞
I
=
Z
bn
f ′ (x)ϕ(x) dx
an
lim (f (bn )ϕ(bn ) − f (an )ϕ(an )) −
n→∞
Z
bn
f (x)ϕ′ (x) dx = −
Z
f (x)ϕ′ (x) dx .
I
an
Sei µ das Lebesgue-Integral auf I. Existiert nun für f ∈ L2 (µ) ein g ∈ L2 (µ), so dass gilt
Z
Z
(4.5.2)
f ϕ dµ = − gϕ′ dµ ,
I
I
′
so schreibt man g = f und bezeichnet
g als schwache Ableitung von f . Identifiziert man g
R
mit dem linearen Funktional ϕ 7→ I gϕ dµ, so ist g als Element des Dualraums D(I)′ durch
4.5.2 eindeutig festgelegt.
In dieser Konstruktion lässt sich das Intervall I auch durch eine beliebige offene Teilmenge
des Rd ersetzen. Der dadurch erhaltene Begriff der schwachen Ableitung spielt eine wichtige
Rolle in der Theorie partieller Differentialgleichungen. Ist für bestimmte Klassen partieller
Differentialgleichungen die Existenz klassischer Lösungen nicht gegeben oder schwer nachzuweisen, können oft zumindest schwache Lösungen der DGL gefunden werden. In manchen
Situationen kann anschliessend in einem zweiten Schritt gezeigt werden, dass jede schwache
Lösung tatsächlich auch eine Lösung im klassischen Sinn ist.
50
Kapitel 5
Kompakte Operatoren und
Fredholm-Alternative
5.1
Das Spektrum eines beschränkten Operators
Ist T : X → Y eine lineare Abbildung zwischen K-Vektorräumen, so nennen wir ker(T ) =
{x ∈ X | T x = 0} den Kern von T .
Definition 5.1.1. Sei X ein Banachraum über dem Körper K und T : X → X ein beschränkter linearer Operator.
• λ ∈ K heißt regulär bezüglich T , falls der Operator T − λIdX bijektiv ist.
• Die Menge R(T ) = {λ ∈ K | λ ist regulär bezüglich T } heißt Resolventenmenge von
T.
• Die Funktion λ 7→ Rλ = (T − λIdX )−1 heißt Resolventenfunktion von T .
• Die Menge σ(T ) = K \ R(T ) heißt das Spektrum von T , Elemente von σ(T ) Spektralwerte.
• Gilt ker(T − λIdX ) 6= {0}, so heißt λ ∈ K Eigenwert von T .
Bemerkung 5.1.2.
(a) Nach dem Satz 3.4.3 von der offenen Abbildung ist für jedes
λ ∈ R(T ) der Operator Rλ beschränkt.
(b) Im Gegensatz zum endlich-dimensionalen Fall muss nicht jeder Spektralwert auch
Eigenwert sein. So ist beispielsweise auf dem Folgenraum ℓ∞ die Abbildung
T : ℓ∞ → ℓ∞
,
(x1 , x2 , x3 , . . .) 7→ (0, x1 , x2 , . . .)
linear, stetig und injektiv, aber nicht surjektiv. Also ist 0 Spektralwert, aber 0 ist
offensichtlich kein Eigenwert.
Die folgende Aussage ist für die Untersuchung der Resolventenmenge zentral.
Lemma 5.1.3. Seien X, Y Banachräume und T0 ∈ L(X, X) bijektiv. Gilt dann für T1 ∈
L(X, X) die Abschätzung |||T1 − T0 ||| < |||T0−1 |||−1 , so ist T1 ebenfalls bijektiv mit Inverser
!
∞
X
−1
−1
n
T1 =
T0−1 .
(T0 (T0 − T1 ))
n=0
51
KAPITEL 5. KOMPAKTE OPERATOREN UND FREDHOLM-ALTERNATIVE
P
n
Beweis. Sei zunächst T ∈ L(X, Y ) mit |||T ||| < 1 gegeben. Dann ist die Reihe ∞
n=0 T
n
n
wegen |||T ||| ≤ |||T ||| konvergent in der Operatornorm. Es folgt
!
!
∞
∞
∞
∞
X
X
X
X
n
n
n
n
.
◦ (IdX − T ) =
T −
T = IdX = . . . = (IdX − T ) ◦
T
T
n=0
n=0
n=1
n=0
P∞
Also ist IdX − T bijektiv mit Inverser n=0 T n . Erfüllen nun T0 und T1 die obigen Voraussetzungen, so ist daher wegen |||T0−1 (T1 − T0 )||| ≤ |||T0−1 ||| · |||T1 − T0 ||| < 1 der Operator
IdX − T0−1(T0 − T1 ) stetig invertierbar. Damit ist aber auch T1 = T0 (IdX − T0−1 (T0 − T1 )) als
Komposition invertierbarer Operatoren bijektiv, und die angegebene Darstellung von T1−1
ergibt sich mit T = T0−1 (T0 − T1 ) aus obigem.
Korollar 5.1.4. Die Menge der stetig invertierbaren linearen Operatoren auf einem Banachraum X ist offen in L(X, X).
Satz 5.1.5. Sei X ein Banachraum und T ein beschränkter linearer Operator auf X. Dann
ist die Resolventenmenge von T offen und für jedes λ0 ∈ R(T ) existiert ein ε > 0, so dass
die Resolventenfunktion auf Bε (λ0 ) durch die konvergente Potenzreihe
Rλ =
∞
X
(λ − λ0 )n
Rλn+1
0
n=0
gegeben wird (Konvergenz in der Operatornorm).
Beweis. Für λ0 ∈ R(T ) ist nach Lemma 5.1.3 wegen |||Rλ − Rλ0 ||| = (λ − λ0 )IdX für
ε = |||Rλ−1 |||−1 auch Bε (λ0 ) ⊆ R(T ). Zudem folgt für Rλ dort mit T0 = T − λ0 IdX und
T1 = T − λIdX die Darstellung
!
∞
∞
X
X
n
n
(λ − λ0 )n .
Rλn+1
Rλ0 =
Rλ =
Rλ0 (λ − λ0 )
0
n=0
n=0
Für die Untersuchung des Spektrums benötigen wir eine Aussage der Funktionentheorie.
Definition 5.1.6. Sei X ein Banachraum. Eine Funktion R : C → X heißt analytisch in
z0 ∈ C, falls sie in einer Umgebung von z0 durch eine gleichmäßig konvergente Potenzreihe
R(z) =
∞
X
R̂n (z − z0 )n
n=0
mit Koeffizienten R̂n ∈ X dargestellt wird. f : C → C heißt holomorph auf C, falls f in
jedem Punkt z0 ∈ C analytisch ist.
Satz 5.1.7 (Satz von Liouville). Ist eine auf C holomorphe Funktion f beschränkt, so ist
sie konstant.
Diese Aussage lässt sich auf Funktionen mit Werten in komplexen Banachräumen verallgemeinern.
Korollar 5.1.8. Sei X ein komplexer Banachraum und R : C → X auf ganz C analytisch.
Ist dann R beschränkt, so ist R konstant.
Beweis. Ist R : C → X auf ganz C analytisch, so gilt für f ∈ X ′ in einer geeigneten
Umgebung eines beliebigen Punktes z0 ∈ C
!
∞
∞
X
X
n
f ◦ R(z) = f
R̂n (z − z0 )
=
f (R̂n )(z − z0 )n .
n=0
n=0
52
5.2. KOMPAKTE OPERATOREN
Daher ist z 7→ f ◦ R(z) in z0 analytisch, insgesamt also auf ganz C holomorph.
Ist nun R beschränkt, so auch f ◦ R. Damit ist f ◦ R nach Satz 5.1.7 konstant. Dies
bedeutet wiederum, dass für jedes f ∈ X ′ und n ≥ 1 gilt f (R̂n ) = 0. Daraus folgt R̂n = 0,
andernfalls gäbe es nach dem Korollar 3.7.10 zum Satz von Hahn-Banach ein f ∈ X ′ mit
f (R̂n ) 6= 0. Also gilt R(z) = R̂0 .
Satz 5.1.9. Sei X ein Banachraum über dem Körper K und T ∈ L(X, X). Dann ist σ(T )
kompakt und enthalten in der Kreisscheibe B|||T |||(0). Ist K = C, so ist σ(T ) zudem nichtleer.
Beweis. Ist λ > |||T |||, so ist T − λIdX aufgrund von Lemma 5.1.3 mit T0 = −λIdX und
T1 = T − λIdX wegen |||T0−1 |||−1 = λ bijektiv. Also ist K \ B|||T |||(0) ⊆ R(T ) und damit
σ(T ) ⊆ B|||T |||(0). Mit der Abgeschlossenheit von σ(T ) nach Satz 5.1.5 folgt damit auch die
Kompaktheit des Spektrums.
Sei nun K = C. Angenommen σ(T ) wäre leer. Dann ist die Resolventenfunktion
R. : C → L(X, X) ,
λ 7→ Rλ
auf ganz C analytisch. Für |λ| ≥ |||T ||| + 1 und beliebiges x ∈ X gilt zudem
k(T − λIdX )(x)kX ≥ |λ| · kxkX − kT xkX ≥ kxkX
und damit kRλ (x)kX ≤ kxkX , also |||Rλ ||| ≤ 1. Als stetige Funktion ist λ 7→ Rλ aber auch auf
der kompakten Kreisscheibe B|||T |||+1(0) und damit insgesamt auf ganz C beschränkt. Nach
dem verallgemeinerten Satz von Liouville, angewendet im Banachraum L(X, X), wären dann
aber Rλ und damit auch die Inverse T − λIdX konstant und somit unabhängig von λ, ein
klarer Widerspruch. Es folgt σ(T ) 6= ∅.
5.2
Kompakte Operatoren
Ist X ein normierter Vektorraum, so bezeichnen wir die abgeschlossene Einheitskugel in X
mit BX = {x ∈ X | kxkX ≤ 1}.
Definition 5.2.1. Seien X, Y Banachräume. Dann heißt T ∈ L(X, Y ) kompakt, falls
T (BX ) ⊆ Y relativ-kompakt ist (d.h. kompakten Abschluss hat). Den Raum der kompakten
Operatoren bezeichnen wir mir K(X, Y ).
Bemerkung 5.2.2. Äquivalent zu dieser Definition ist die Forderung, dass das Bild jeder
beschränkten Menge relativ-kompakt ist, oder dass für jede beschränkte Folge (xn )n∈N in X
die Folge (T xn )n∈N eine konvergente Teilfolge besitzt.
Beispiel 5.2.3 (Integralgleichungen). Sei k ∈ C 0 ([0, 1]2 ) oder k ∈ L2 ([0, 1]2 ). Gesucht wird
eine Lösung f ∈ C 0 ([0, 1]) bzw. f ∈ L2 ([0, 1]2 ) der Gleichung
Z 1
λf (t) =
k(t, s)f (s) ds ∀t ∈ [0, 1] .
0
Mit Tk f (t) =
R
0
, 1k(t, s)f (s) ds wird dies zum Eigenwertproblem
Tk f = λf
des auf C 0 ([0, 1]) bzw. L2 ([0, 1]) definierten Operators Tk . In beiden Fällen lässt sich zeigen,
daß Tk kompakt ist, so dass sich die im Folgenden entwickelte Riesz’sche Theorie kompakter
Operatoren zu Beschreibung der Lösungen heranziehen lässt.
Für A ⊆ L(X, Y ) und B ⊆ L(Y, Z) verwenden wir die Notation B ◦ A = {T ◦ S | S ∈
A, T ∈ B}.
53
KAPITEL 5. KOMPAKTE OPERATOREN UND FREDHOLM-ALTERNATIVE
Lemma 5.2.4. Seien X, Y Banachräume. Dann gilt
(a) L(Y, Z) ◦ K(X, Y ) ⊆ K(X, Z) und K(Y, Z) ◦ L(X, Y ) ⊆ K(X, Z).
(b) K(X, Y ) ist ein abgeschlossener Untervektorraum von L(X, Y ).
Beweis.
(a) Ist T ∈ K(X, Y ) und S ∈ L(Y, Z), so ist T (BX ) komakt, und somit auch das Bild
S ◦T (BX ) unter der stetigen Abbildung S. Damit ist S ◦ T (BX ) = S ◦T (BX ) kompakt.
Also ist S ◦ T kompakt.
Ist umgekehrt T ∈ L(X, Y ) und S ∈ K(Y, Z), so ist S ◦ T (BX ) das Bild einer beschränkten Menge unter einem kompakten Operator und daher relativ-kompakt. Daher
ist S ◦ T auch in dieser Situation kompakt.
(b) Seien S, T ∈ K(X, Y ). Dann ist S × T : X × X → Y × Y, (x, x′ ) 7→ (Sx, T x′ )
relativ-kompakt, da (S × T )(BX × BX ) = T (BX ) × S(BX ) als Produkt zweier relativkompakter Mengen relativ-kompakt ist. Mit P : X → X × X, x 7→ (x, x) und A :
X × X → A, (x, x′ ) 7→ x + x′ gilt S + T = A ◦ (S × T ) ◦ P , so dass S + T wegen
P ∈ L(X, X × X) und A ∈ L(X × X, X) nach (a) ebenfalls kompakt ist. Zudem ist
für λ ∈ K offensichtlich auch λT (BX ) relativ-kompakt, also λT ∈ K(X, Y ).
Um die Abgeschlossenheit von K(X, Y ) zu zeigen, sei T ∈ K(X, Y ). Da T (BX )
vollständig ist, genügt es für die Kompaktheit der Menge zu zeigen, dass sie präkompakt ist (Satz 2.4.2 von Heine-Borel). Zu beliebigem ε > 0 sei dafür S ∈ K(X, Y )
mit |||T − S||| < ε/3. Nun wird S(BX ) von endlich vielen ε/6-Kugeln mit Mittelpunkten Sx1 , . . . , Sxn überdeckt. Für alle y ∈ BX gibt es daher ein i ∈ {1, . . . , n} mit
Sy ∈ Bε/3 (Sxi ). Es folgt
kT y − T xi kY ≤ kTy − Sy kY + kSy − Sxi kY + kSxi − T xi kY ≤ 3 ·
Also ist T (BX ) ⊆
Sn
i=1
ε
= ε/2 .
6
Bε (T xi ).
Ist ein Operator kompakt, so gilt dies auch für den transponierten Operator. Zum Beweis
brauchen wir die folgenden Hilfsaussagen.
Lemma 5.2.5. Sei X ein Banachraum und A ⊆ X kompakt. Dann enthält jede Folge
(fn )n∈N in BX ′ eine auf A gleichmäßig konvergente Teilfolge.
Beweis. Sei (fn )n∈N Folge in BX ′ . Da A kompakt ist gilt a = supx∈A kxkX < ∞, und
es ist |fn (x)| ≤ a für alle n ∈ N und x ∈ A. Die Folge (fn|A )n∈N ist also gleichmässig
beschränkt. Zudem sind alle fn Lipschitz-stetig mit Konstante 1, so dass die Folge auch
gleichgradig stetig ist. Aus dem dem Satz 2.7.3 von Arzela-Ascoli folgt daher die Existenz
einer gleichmässig konvergenten Teilfolge.
Lemma 5.2.6. Sei X ein Banachraum. Dann ist für eine Folge (gk )k∈N in X ′ die gleichmässige Konvergenz auf BX gleichbedeutend mit der Norm-Konvergenz bezüglich k.kX ′ .
Beweis. Ist (gk )k∈N auf BX gleichmässig konvergent, so ist die Folge (gk|BX )k∈N eine
Cauchy-Folge bezüglich der Supremumsmetrik auf C(BX , K). Also gibt es für jedes ε > 0
ein k0 ∈ N, so dass für alle x ∈ BX gilt
kgk (x) − gl (x)kX ≤ ε
∀k, l ≥ k0 .
Dies bedeutet aber kgk − gl kX ′ ≤ ε für alle k, l ≥ k0 , so dass (gk )k∈N eine Cauchy-Folge
in (X ′ , k.kX ′ ) ist und aufgrund der Vollständigkeit von X ′ gegen einen Grenzwert g ∈ X ′
konvergiert.
Ist umgekehrt (gk )k∈N normkonvergent in X ′ mit Grenzwert g ∈ X ′ , so gilt für jedes
x ∈ BX
k→∞
kgk (x) − g(x)kX ≤ kgk − gkX ′ · kxkX ≤ kgk − gkX ′ −→ 0 .
54
5.3. FREDHOLM-OPERATOREN
Also konvergiert (gk )k∈N auf BX gleichmässig gegen g.
Satz 5.2.7. Sind X, Y Banachräume, so folgt aus T ∈ K(X, Y ) auch T ′ ∈ K(Y ′ , X ′ ).
Beweis. Wir zeigen, dass für jede Folge (fn )n∈N aus BY ′ die Folge (T ′ fn )n∈N eine normkonvergente Teilfolge hat.
Da T (BX ) kompakt ist, gibt es nach Lemma 5.2.5 eine auf T (BX ) konvergente Teilfolge
(fnk )k∈N . Damit konvergiert aber die Folge (T ′ fnk )k∈N = (fnk ◦ T )k∈N gleichmäßig auf BX
und ist nach Lemma 5.2.6 auch konvergent in der Norm-Topologie auf X ′ .
5.3
Fredholm-Operatoren
Definition 5.3.1. Seien X und Y Banachräume. Dann heißt T ∈ L(X, Y ) FredholmOperator, wenn er die folgenden Eigenschaften erfüllt.
(F1) ker(T ) ist endlich-dimensional.
(F2) Y /T (X) ist endlich-dimensional.
Die ganze Zahl
Ind(T ) = dim(ker(T )) − dim(Y /T (X))
heißt dann Index des Fredholm-Operators T .
Bemerkung 5.3.2 (Fredholm-Alternative). Für einen Fredholm-Operator T mit Index
Ind(T ) = 0 gilt die folgende Fredholm-Alternative.
Entweder dim(ker(T )) = 0 und T ist stetig invertierbar, oder dim(ker(T )) > 0
und T ist weder injektiv noch surjektiv.
Im ersten Fall ist die Gleichung T x = y für jedes y ∈ Y lösbar. Im zweiten Fall
ist T x = y nur dann lösbar, wenn gilt y ∈ T (X). Die Lösungen bilden dann
einen affinen Unterraum der Form V = x0 + ker(T ) mit T x0 = y.
Lemma 5.3.3. Seien X, Y Banachräume, T ∈ L(X, Y ) und Y /T (X) endlich-dimensional.
Dann ist T (X) abgeschlossen.
Beweis. Da ker(T ) abgeschlossen ist, ist X/ ker(T ) nach Lemma 3.2.12 ein Banachraum
und T induziert in naürlicher Weise eine injektive lineare Abbildung T̃ : X/ ker(T ) →
Y, [x] 7→ T x. Wegen T (X) = T̃ (X) können wir annehmen, dass T selbst injektiv ist.
Seien y1 , . . . , yd ∈ Y so gewählt, dass {[y1 ], . . . , [yd ]} eine Basis von X/T (X) darstellt.
Dann ist Kn × X ein Banachraum, und die Abbildung S : Kn × X → Y, ((α1 , . . . , αd ), x) 7→
Pd
T x + i=1 αi yi ist bijektiv und stetig. Nach dem Satz von der offenen Abbildung ist damit
auch S −1 stetig und T (X) = S({0} × X) daher abgeschlossen.
Korollar 5.3.4. Das Bild eines Fredholm-Operators ist abgeschlossen.
Zur weiteren Untersuchung von Fredholm-Operatoren benötigen wir einige einfache Aussagen zu endlich-dimensionalen Unterräumen von Banach-Räumen.
Für einen Untervektorraum V ⊆ X eines Vektorraumes X bezeichnen wir die Dimension von X/V als Codimension von V und schreiben codim(V ) = dim(X/V ). Untervektorräume U, V ⊆ X heißen komplementär, falls gilt U ∩ V = {0} und U + V = {u + v |
u ∈ U, V ∈ V } = X.
Lemma 5.3.5. Sei (X, k . . . kX ) ein normierter Vektorraum und V ⊆ X ein linearer Unterraum endlicher Dimension. Dann ist V abgeschlossen, und es gibt einen abgeschlossenen
komplementären Untervektorraum W .
55
KAPITEL 5. KOMPAKTE OPERATOREN UND FREDHOLM-ALTERNATIVE
Beweis. Jeder d-dimensionale K-Vektorraum ist homömorph zum Kd und daher vollständig,
also ist V als Untervektorraum abgeschlossen. Sei v1 , . . . , vd ∈ V eine Basis von V . Dann
wird durch ei (vj ) = δij = χi (j) eine Basis des Dualraumes V ′ gegeben. Nach Satz 3.7.9 gibt
es Fortsetzungen f1 , . . . , fd ∈ X ′ von e1 , . . . , ed auf ganz X. Durch
P (x) =
d
X
fi (x)vi
i=1
wird eine stetige lineare Abbildung von X nach V definiert, die P|V = IdV und P ◦ P = P
erfüllt. Ist W = ker(P ), so ist V ∩ W = {0}. Zudem liefert P für jedes x ∈ X eine Zerlegung
der Form x = P x+(x−P x) mit P x ∈ V und x−P x ∈ W . Also sind V und W komplementär,
und W ist als Kern eines beschränkten linearen Operators abgeschlossen.
Lemma 5.3.6. Sei (X, k . . . kX ) ein normierter Vektorraum und W ein abgeschlossener
Unterraum endlicher Codimension. Dann gibt es einen abgeschlossenen komplementären
Unterraum V mit dim(V ) = codim(W ).
Beweis. Setze d = codim(W ) und wähle Repräsentanten v1 , . . . , vd einer Basis von X/W .
Ist dann V = lin({v1 , . . . , vd }), so sind V und W offensichtlich komplementär, und V ist als
endlich-dimensionaler Teilraum abgeschlossen.
Lemma 5.3.7. Sei (X, k.kX ) ein Banachraum und W ⊆ X ein abgeschlossener linearer
Unterraum endlicher Codimension. Dann ist jeder lineare Unterraum Ŵ mit W ⊆ Ŵ ebenfalls abgeschlossen.
Beweis. Nach Lemma 5.3.6 gibt es zu W einen endlich-dimensionalen komplementären
Unterraum V . Ŵ ist daher von der Form Ŵ = lin(W ∪ {v1 , . . . , vn }) ∼
= W × lin({v1 , . . . , vn })
mit v1 , . . . , vn ∈ V und n ≤ dim(V ). Also ist Ŵ isomorph zu einem direkten Produkt
abgeschlossener Vektorräume und somit selbst abgeschlossen.
Satz 5.3.8. Seien X und Y Banachräume. Dann gilt
(a) F (X, Y ) ist eine offene Teilmenge von L(X, Y ).
(b) Die Abbildung Ind : F (X, Y ) 7→ Z ist stetig.
Beweis. Sei T ∈ F (X, Y ).
(a) Sei W ein abgeschlossener komplementärer linearer Unterraum zu ker(T ) und V ein abgeschlossener komplementärer linearer Unterraum zu T (X) mit dim(V ) = codim(T (X)) <
∞. Dann gilt X ∼
= T (X) × V . Für S ∈ L(X, Y ) sei
= ker(T ) × W und Y ∼
S̃ : W × V → Y
,
S̃(w, v) = Sw + v .
Dann ist S̃ stetig und die Abbildung Ψ : L(X, Y ) → L(W × V, Y ), S 7→ S̃ ist ebenfalls
stetig. T̃ ist nach Wahl von W und V sogar bijektiv. Nach Korollar 5.1.4 gibt es daher
eine offene Umgebung Ũ ⊆ L(W × V, Y ) von T̃ , so dass alle Ŝ ∈ Ũ bijektiv sind.
Insbesondere sind damit aber alle S̃ zu S ∈ U = Ψ−1 (Ũ ) bijektiv.
Es folgt, dass jedes S in der offenen Umgebung U von T Fredholm-Operator ist, denn
(F1) Wegen S|W = S̃|W gilt ker(S) ∩ W = {0}, und damit folgt dim ker(S) ≤
dim ker(T ) < ∞;
(F2) dim(Y /S(X)) ≤ dim(Y /S(W )) = dim(Y /S̃(W )) = dim(V ) < ∞.
(b) Aus obigem folgt, dass für S ∈ U gilt dim ker(S) ≤ dim ker(T ) und dim(Y /S(X)) ≤
dim(Y /T (X)). Wegen ker(S) ∩ W = {0} folgt zudem die Existenz eines endlichdimensionalen linearen Unterraums Z ⊆ X mit X ∼
= ker(S) × Z × W . Es gilt
dim ker(S) = dim ker(T ) − dim(Z)
56
5.4. SPEKTRALZERLEGUNG KOMPAKTER OPERATOREN
Zudem ist
dim(Y /S(W )) = dim V = dim(Y /T (X)) .
Es folgt
Ind(S) =
=
=
=
dim(ker(S)) − dim(Y /S(X))
dim(ker(T )) − dim(Z) − dim(Y /S(W )) + dim(S(X)/S(W ))
dim(ker(T )) − dim(Y /T (X)) − dim(Z) + dim(S(Z × W )/S(W ))
Ind(T ) .
Also ist Ind(S) = Ind(T ) für alle S in U . Damit hängt der Index auf F (X, Y ) stetig
vom Operator ab und ist darüberhinaus sogar lokal konstant.
5.4
Spektralzerlegung kompakter Operatoren
Einen grundlegenden Zusammenhang zwischen kompakten Operatoren und Fredholm-Operatoren
stellt der folgende Satz von Riesz her.
Satz 5.4.1 (Satz von Riesz). Sei X ein Banachraum, K ∈ K(X, X) und λ 6= 0. Dann ist
T = K − λId ein Fredholm-Operator mit Index Ind(T ) = 0.
Lemma 5.4.2. Seien X und Y Banachräume und sei T : X → Y stetig und T (X) abgeschlossen. Dann sind ker(T ′ ) und (Y /T (X))′ isometrisch isomorph.
Beweis. Da T (X) abgeschlossen ist, ist Y /T (X) nach Satz 3.2.14 ein Banachraum. Ist
f ∈ ker(T ′ ) und x ∈ X, so gilt f (T x) = 0. Daher ist fˆ ∈ (Y /T (X))′ durch fˆ([y]) = f (y)
wohldefiniert. Zudem gilt
kfˆk(Y /T (X))′
=
|f (y)|
|fˆ([y])|
= sup
k[y]k
inf
y∈Y
Y /T (X)
z∈T (X) ky + zky
[y]∈Y /T (X)
=
|f (y)|
=
y∈Y,z∈T (X) ky + zkY
sup
sup
|f (y + z)|
= kf kY ′ .
y∈Y,z∈T (X) ky + zkY
sup
Also ist Λ : ker(T ′ ) → (Y /T (X))′ , f →
7 fˆ eine Isometrie. Um die Surjektivität von Λ zu
zeigen, sei f¯ ∈ (Y /T (X))′ . Wir setzen f (y) = f¯([y]). Dann ist f linear und es gilt für jedes
y ∈ Y mit kykY = 1
|f (y)| = |f¯([y])| ≤ kf¯k(Y /T (X))′ · k[y]kY /T (X) ≤ kf¯k(Y /T (X))′ .
Also ist kf kY ′ ≤ kf¯k(Y /T (X))′ und damit f ∈ Y ′ . Es gilt offensichtlich Λ(f ) = f¯, so dass Λ
surjektiv und damit ein isometrischer Isomorphismus ist.
Damit kommen wir nun zum
Beweis von Satz 5.4.1. Sei K ∈ K(X, Y ). Wegen K − λIdX = λ(K/λ − Id) können
wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit λ = 1 annehmen. Wir zeigen zunächst, dass
T = K − Id Fredholm-Operator ist.
Auf ker(T ) gilt K = Id. Da K| ker(T ) kompakt ist, muss Bker(T ) = K| ker(T ) (Bker(T ) )
kompakt sein. Dies ist nach Satz 3.2.9 aber nur möglich, wenn ker(T ) endlich-dimensional
ist. Also gilt (F1).
Weiter gilt T ′ = K ′ − IdX ′ , und nach Satz 5.2.7 ist K ′ ebenfalls kompakt. Daher ist
nach obigem ker(T ′ ) endlich-dimensional. Nach Lemma 5.4.2 gilt aber dim((Y /T (X))′ ) =
57
KAPITEL 5. KOMPAKTE OPERATOREN UND FREDHOLM-ALTERNATIVE
dim(ker(T ′ )) < ∞, und da endlich-dimensionale Räume einen Dualraum gleicher Dimension
(s. Beispiel 4.4.2(a)) haben folgt dim(Y /T (X)) = dim(ker(T ′ )) < ∞. Dies zeigt (F2).
Damit ist K − Id ein Fredholm-Operator, und mit Tλ = λK − Id gilt K − Id = T1 .
Da der Index nach Satz 5.3.8 stetig vom Fredholm-Operator abhängt, ist die Funktion
I : λ 7→ Ind(Tλ ) stetig. I nimmt aber per Definition nur ganzzahlige Werte an. Also ist I
konstant und es gilt Ind(K − Id) = I(1) = I(0) = I(−Id) = 0.
Lemma 5.4.3. Sei X ein Banachraum, K ⊆ K(X, X) und T = K − λId. Setze Vn =
ker(T n ) und Wn = T n (X).
Dann hat für alle n ∈ N der Raum Vn endliche Dimension und Wn endliche Codimension. Zudem gibt es eine kleinste natürliche Zahl n mit Vk+1 = Vk für alle k ≥ n und es
gilt
(i) Vk = Vn für alle k ≥ n;
(ii) Wk = Wn für alle k ≥ n und T (Wn ) = Wn ;
(iii) Vn und Wn sind komplementäre abgeschlossene lineare Unterräume;
(iv) T|Wn ist ein stetig invertierbarer Isomorphismus;
(v) K(Vn ) ⊆ Vn und K(Wn ) ⊆ Wn .
Beweis. Wir nehmen wieder ohne Beschränkung der Allgemeinheit λ = 1 an. Es gilt
T n = (K − Id)n = K̃ − Id, wobei
K̃ =
n X
n
Ki
i
i=1
nach Lemma 5.2.4 ein kompakter Operator ist. Nach Satz 5.4.1 ist T n daher ein FredholmOperator und hat als solcher einen endlich-dimensionalen Kern und Bild endlicher Codimension.
Angenommen es gelte Vn+1 ( Vn für unendlich viele n ∈ N. In diesem Fall exisiert nach
dem Lemma 3.2.8 von Riesz für jedes n ∈ N mit Vn 6= Vn+1 ein Vektor xn ∈ Vn+1 \ Vn mit
kxn kX = 1 und inf y∈Vn kxn − ykX ≥ 21 . Für beliebige k < n folgt daraus aber
1
.
kKxn − Kxk kX = kxn + T xn − xk − T xk kX ≥
{z
}
|
2
∈Vn
Die Folge (Kxn )n∈N kann daher keine Cauchy-Folge als Teilfolge enthalten, im Widerspruch
zur Kompaktheit von K.
Demnach existieren nur endlich viele m ∈ N mit Vm 6= Vm+1 , und wir können n so
wählen, dass m = n − 1 die grösste solche Zahl ist. (i) folgt dann direkt per Induktion.
Wegen Ind(T k ) = 0 für alle k ∈ N gilt dim(X/T k (X)) = dim(ker(T k )), also wird die Folge
(Wk )k∈N ebenfalls bei n konstant. Insbesondere ist T (Wn ) = Wn+1 = Wn , womit (ii) gezeigt
ist.
Ist x ∈ Vn ∩ Wn , so gilt x = T n (y) für ein y ∈ X. Dann ist wegen x ∈ Vn = ker(T n )
aber y ∈ ker(T 2n ) = V2n = Vn , also x = T n (y) = 0. Daher gilt Vn ∩ Wn = {0}. Zu
beliebigem x ∈ X können wir ausserdem wegen T n (X) = Wn = T n (Wn ) ein y ∈ Wn mit
T n (x) = T n (y) wählen. Damit ist x − y ∈ ker(T n ) = Vn , so dass sich x in die Summe von
x−y ∈ Vn und y ∈ Wn zerlegen lässt. Die Räume Vn und Wn sind also komplementär, und Vn
und Wn sind als Kern einer linearen stetigen Abbildung, beziehungsweise nach Lemma 5.3.3,
abgeschlossen. Dies zeigt (iii), und (iv) folgt aus dem Satz von der offenen Abbildung, da
T|Wn als bijektive stetige lineare Abbildung auch stetig invertierbar ist.
Schliesslich gilt für x ∈ Vn auch Kx = x + T x ∈ Vn und für x ∈ Wn auch Kx = x + T x ∈
Wn , was (v) beweist.
58
5.4. SPEKTRALZERLEGUNG KOMPAKTER OPERATOREN
Wir sind nun in der Lage, Spektrum und verallgemeinerte Eigenräume kompakter Operatoren qualitativ gut zu beschreiben. Ist X ein Banachraum und T ∈ L(X, X), so bezeichnen
wir mit E(λ) = ker(T − λId) den Eigenraum zum Eigenwert λ.
Satz 5.4.4. Sei X Banachraum und K ∈ K(X, X). Dann gilt
(a) σ(K) ist höchstens abzählbar und besitzt keinen von 0 verschiedenen Häufungspunkt.
(b) Ist λ ∈ σ(K) \ {0}, so ist λ Eigenwert von K.
(c) Zu jedem λ ∈ σ(K) \ {0} existiert n(λ) ∈ N, so dass V (λ) = ker (K − λId)n(λ)
und W (λ) = (K − λId)n(λ) (X) ein Paar abgeschlossener komplementärer Unterräume
bilden, für die gilt
(i) V (λ) ist endlich-dimensional.
(ii) W (λ) ist invariant unter K − λId und (K − λId)|W (λ) ist ein stetig invertierbarer
Isomorphismus.
(iii) K(V (λ)) ⊆ V (λ) und K(W (λ)) ⊆ W (λ).
(iv) E(λ) ⊆ V (λ).
(d) V (λ) und W (λ) sind die einzigen komplementären Unterräume V und W , für die
ein n ∈ N existiert, so dass (K − λId)nV = 0 und (K − λId)(W ) = W gilt.
(e) Sind λ, µ ∈ σ(K) \ {0} und λ 6= µ, so gilt V (λ) ⊆ W (µ).
Beweis.
(b) K − λId ist nach Satz 5.4.1 für jedes λ 6= 0 ein Fredholm-Operator mit Index 0, daher
ist (b) eine direkte Konsequenz der Fredholm-Alternative.
(c) folgt direkt aus Lemma 5.4.3.
(d) Aus Lemma 5.4.3 folgt ker (K − λId)k = V (λ) für alle k ≥ n(λ), also gilt V ⊆ V (λ).
Jedes x ∈ W hat zudem eine eindeutige Zerlegung x = y + z mit y ∈ V (λ) und
z ∈ W (λ). Es gilt
(K − λId)n(λ) (x) = (K − λId)n(λ) (z)
und daher (K − λId)n(λ) (W ) ⊆ W (λ). Wegen (K − λId)(W ) = W bedeutet dies
W ⊆ W (λ), und da V und W komplementär sind folgt V = V (λ) und W = W (λ).
(e) Wegen K(V (λ)) ⊆ V (λ) gilt auch (K −µId)(V (λ)) ⊆ K(V (λ))−µ(V (λ)) ⊆ V (λ). Aus
der linearen Algebra wissen wir, dass (K − λId)|V (λ) als nilpotente lineare Abbildung
durch eine obere Dreiecksmatrix mit Diagonaleinträgen = 0 dargestellt werden kann.
Daher ist für µ 6= λ die Determinante der Abbildung
(K − µId)|V (λ) = (K − λId)|V (λ) + (λ − µ)Id|V (λ)
gleich (λ − µ)dim(V (λ)) 6= 0. Also ist K − µId auf V (λ) invertierbar, und damit ist
V (λ) ⊆ (K − µId)n(µ) (X) = W (µ).
(a) Sei λ ∈ σ(K) \ {0}. Für jedes µ ∈ R ist (K − µId)(W (λ)) ⊆ (K − λId)(W (λ)) + (µ −
λ)W (λ) = W (λ). Da die Abbildung (K −λId)|W (λ) nach (c) stetig invertierbar ist, gibt
es aufgrund von 5.1.4 ein Umgebung ε > 0, so dass (K − µId)|W (λ) für alle µ ∈ Bε (λ)
invertierbar ist. Zudem gilt nach (e) für µ 6= λ die Inklusion V (λ) ⊆ W (µ), so dass
auch (K − µId)|V (λ) invertierbar ist. Damit ist K − µId eine Bijektion und nach dem
Satz von der offenen Abbildung stetig invertierbar. Dies zeigt σ(K) ∩ Bε (λ) = {λ}, so
dass alle Spektralwerte λ 6= 0 isoliert sind. Insbesondere kann es nur abzählbar viele
Spektralwerte geben und 0 ist der einzige mögliche Häufungspunkt des Spektrums.
59
Kapitel 6
Hilberträume
6.1
Hermitsche Formen und Skalarprodukte
Definition 6.1.1. Sei X ein K-Vektorraum. Eine hermitsche Form auf X ist eine Abbildung
h., .i : X × X → K
die für alle x, y, z ∈ X und λ ∈ K die folgenden Eigenschaften erfüllt.
(H1) hx + y, zi = hx, yi + hy, zi ;
(H2) hλx, yi = λhx, yi ;
(H3) hx, yi = hy, xi .
Gilt hx, xi ≥ 0 für alle x ∈ X, so heißt h., .i positiv semi-definit. Gilt hx, xi > 0 für
alle x ∈ X, so heißt h., .i positiv definit. Eine positiv definite hermitsche Form heißt auch
Skalarprodukt.
Bemerkung 6.1.2. Aus den obigen Eigenschaften folgt sofort
• hx, y + zi = hx, yi + hx, zi;
• hx, λyi = λhx, yi;
• hx, yi ist für alle x ∈ X reell.
Satz 6.1.3 (Cauchy-Schwarz’sche Ungleichung). Ist h., .i eine positiv semi-definite hermitsche Form auf dem K-Vektorraum X, so gilt
|hx, yi| ≤ kxk · kyk .
Beweis. Für beliebige x, y ∈ X und λ ∈ K gilt
0 ≤ hx + λy, x + λyi = hx, xi + λhx, yi + λhx, yi + λλhy, yi .
Mit λ = − hx,yi
hy,yi erhalten wir
0 ≤ hx, xi −
|hx, yi|2
|hx, yi|2
|hx, yi|2
|hx, yi|2
−
+
= hx, xi −
hy, yi
hy, yi
hy, yi
hy, yi
und damit
hx, xihy, yi ≥ |hx, yi|2 .
Die Aussage folgt durch Ziehen der Wurzel.
60
6.1. HERMITSCHE FORMEN UND SKALARPRODUKTE
Korollar 6.1.4. Die Abbildung h., .iX × X → K ist stetig.
Satz 6.1.5. Ist h., .i ein Skalarprodukt auf dem K-Vektorraum X, so wird durch
1
kxkX = hx, yi 2
eine Norm auf X definiert.
Beweis. Die positive Definitheit der Norm folgt sofort aus der des Skalarproduktes.
kλxkX = |λ|kxkX ist leicht nachzurechnen. Es bleibt die Dreiecks-Ungleichung zu zeigen.
Seien dazu x, y ∈ X. Dann folgt mit Hilfe der Cauchy-Schwarz’schen Ungleichung
kx + yk2X
= hx + y, x + yi = hx, xi + hx, yi + hy, xi + hy, yi
= kxk2X + 2Re(hx, yi) + kyk2X ≤ kxk2X + 2|hx, yi| + kyk2X
≤ kxk2X + 2kxkX kykX + kyk2X = (kxkX + kykX )2 .
Durch Ziehen der Wurzel auf beiden Seiten folgt die Dreiecks-Ungleichung.
Bemerkung 6.1.6. Ist (Ω, A, µ) ein Maßraum, so wird L2 (µ) versehen mit dem Skalarprodukt
Z
f · g dµ
hf, gi =
Ω
zum Hilbertraum. Die Cauchy-Schwarz’sche Ungleichung ist in diesem Fall ein Spezialfall
der Hölder-Ungleichung.
Definition 6.1.7. Wird ein K-Vektorraum X mit der von einem Skalarprodukt h., .i induzierten Norm zu einem Banachraum, so heißt das Paar (X, h., .i) Hilbertraum.
Lemma 6.1.8. Ist h., .i ein Skalarprodukt auf dem K-Vektorraum X und k.k die induzierte
Norm, so gilt das Parallelogramm-Gesetz
kx + yk2X + kx − yk2X = 2kxk2X + 2kyk2X .
Beweis. Es gilt
kx + yk2 + kx − yk2 = hx + y, x + yi + hx − y, x − yi
= hx, xi + hx, yi + hy, xi + hy, yi + hx, xi − hx, yi − hy, xi + hy, yi
=
2kxk2 + 2kyk2 .
Bemerkung 6.1.9. Es gilt sogar eine Umkehrung zur obigen Aussage: Gilt in einem normierten Vektorraum das Parallelogramm-Gesetz, so existiert ein Skalarprodukt, das die
Norm induziert. Dieses wird im Fall K = R durch
hx, yi =
und im Fall K = C durch
hx, yi =
gegeben.
1
kx + yk2X − kx − yk2X
4
1
kx + yk2X − kx − yk2X + ikx + iyk2X − ikx − iyk2X
4
61
KAPITEL 6. HILBERTRÄUME
6.2
Reflexivität von Hilberträumen
Satz 6.2.1. Ist X ein Hilbertraum, so ist die Abbildung
j : X → X′
,
j(y)(x) = hx, yi
eine bijektive Isometrie, die
j(y + y ′ ) = j(y) + j(y ′ )
und
j(λy) = λj(y)
erfüllt (j ist antilinear). Insbesondere wird X ′ versehen mit
hϕ, ψi′ = hj −1 (ψ), j −1 (ϕ)i
selbst zum Hilbertraum.
Beweis. Aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung folgt |j(y)(x)| ≤ kxk · kyk und damit
kj(x)kX ′ ≤ kyk. Wegen |j(y)(y)| = kyk2 gilt sogar kj(x)kX ′ = kyk, also ist j eine Isometrie
und damit insbesondere injektiv. Die Antilinearität ist leicht nachzurechnen, so dass die
Surjektivität zu zeigen bleibt.
Dazu sei ϕ ∈ X ′ gegeben. Wir nehmen an ϕ ist normiert, dass heißt es gilt kϕkX ′ = 1.
Dann existiert eine Folge (yn )n∈N in X mit kyn kX = 1 und limn→∞ |ϕ(yn )| = 1. Durch
ϕ(yn )
können wir ϕ(yn ) ∈ R und ϕ(yn ) > 0 annehmen. Zu ε > 0 sei
Multiplikation mit |ϕ(y
n )|
n0 ∈ N so gewählt, dass für jedes n ≥ n0 gilt ϕ(yn ) ≥ 1 − ε. Aufgrund der Linearität von ϕ
folgt für n, m ≥ n0
kyn + ym kX ≥ ϕ(yn + ym ) ≥ 2 − 2ε .
Aus dem Paralellogramm-Gesetz erhalten wir
kyn − ym k2X
=
2kyn k2X + 2kymk2X − kyn + ym k2X
≤
4 − (2 − 2ε)2 = 8ε − 4ε2 .
Folglich ist (yn )n∈N Cauchy-Folge in X und konvergiert gegen einen Grenzwert y ∈ BX mit
kykX = ϕ(y) = 1. Wir behaupten, dass gilt ϕ = j(y).
Sei dazu zunächst K = R. Für festes x ∈ X und λ ∈ R sei
f (λ) = ky + λxk = (hy, yi + 2λhx, yi + λ2 hx, xi)1/2 .
Dann gilt
f ′ (λ) =
1
· (2hx, yi + 2λhx, xi)
2ky + λxkX
und insbesondere f ′ (0) = hx, yi. Wegen kykX = ϕ(y) = 1 und kϕkX ′ = 1 gilt nun
ϕ(x) =
1
1
1
ϕ(λx) = (ϕ(y + λx) − ϕ(y)) ≤ (ky + λxkX − kykX ) .
λ
λ
λ
Im Limes λ → 0 in (6.2.1) erhalten wir
ϕ(x) ≤ f ′ (0) = hx, yi .
Völlig analog ergibt sich in umgekehrter Richtung
ϕ(x) ≥
−1
(ky − λxkX − kykX )
λ
und für λ → 0
ϕ(x) ≥ hx, yi ,
62
(6.2.1)
6.3. ORTHONORMAL-BASEN VON HILBERTRÄUMEN
insgesamt also ϕ(x) = hx, yi = j(y)(x).
Ist K = C, so wird X mit dem Skalarprodukt (x, y) 7→ Rehx, yi zum reellen Hilbertraum,
auf dem durch ψ(x) = Re(ϕ(x)) ein reelwertiges lineares Funktional gegeben ist. Nach dem
bisherigen wissen wir, dass ein y ∈ X mit ψ(x) = Re(hx, yi) existiert. Mit Bemerkung 3.7.8
ergibt sich
ϕ(x)
=
=
ψ(x) − iψ(ix) = Re(hx, yi) − iRe(hix, yi)
1
1
1
1
hx, yi + hx, yi + hx, yi − hx, yi = hx, yi .
2
2
2
2
Dies zeigt die Surjektivität von j auch im komplexen Fall. Die Skalarprodukt-Eigenschaften
von h., .i′ sind schliesslich einfach nachzurechnen.
Korollar 6.2.2. Hilberträume sind reflexiv.
Beweis. Sei Φ ∈ X ′′ . Dann existiert nach Satz ein ϕ ∈ X ′ mit Φ(ψ) = hϕ, ψi′ für alle
ψ ∈ X ′ . Sei x = j −1 (ϕ) und y = j −1 (ψ). Es folgt
Φ(ψ) = hϕ, ψi′ = hj −1 (ψ), j −1 (ϕ)i′ = hx, yi = ψ(x) .
Also gilt Φ = iX (x), und da Φ ∈ X ′′ beliebig war ist iX : X → X ′′ surjektiv.
6.3
Orthonormal-Basen von Hilberträumen
Definition 6.3.1. Sei X ein Hilbertraum.
• x, y ∈ X heißen orthogonal, x ⊥ y, falls gilt hx, yi = 0.
• Zwei Teilmengen A, B ⊆ X heißen orthogonal, A ⊥ B falls gilt x ⊥ y für alle x ∈ A
und y ∈ B.
• Zu A ⊆ X heißt A⊥ = {x ∈ X | x ⊥ y ∀y ∈ A} orthogonales Komplement von A.
• Eine Teilmenge B ⊆ X heißt Orthonormalsystem, falls für beliebige x 6= y ∈ B gilt
kxkX = 1 und hx, yi = 0.
• Ein Orthonormalsystem S heißt maximal, falls für jedes weitere Orthonormalsystem
S ′ mit S ⊆ S ′ gilt S = S ′ .
Lemma 6.3.2 (Satz von Pythagoras). Sind x und y orthogonal, so gilt
kx + yk2X = kxk2 + kyk2 .
Definition
P 6.3.3. Sei X ein Banachraum und I eine beliebige Indexmenge. Wir sagen eine
Reihe i∈I xi konvergiert unbedingt gegen x ∈ X, falls I0P= {i ∈ I | xi 6= 0} höchstens
abzählbar ist und für
Pjede Abzählung (in )n∈N von I0 die Reihe n∈N xin gegen x konvergiert.
Wir schreiben x = i∈I xi .
Beachte, dass unbedingte Konvergenz für abzählbares I und X = K einfach die absolute
Konvergenz der Reihe bedeutet.
Lemma 6.3.4. Sei S ein Orthonormalsystem in einem Hilbertraum X.
P
P
(a) Ist x = e∈S a(e)e und y = e∈S b(e)e, so gilt
X
X
hx, yi =
a(e)b(e) =
hx, eihe, yi .
e∈S
2
Insbesondere gilt kxk =
P
e∈S
e∈S
2
|a(e)| und hx, êi = a(ê) für alle ê ∈ S.
63
KAPITEL 6. HILBERTRÄUME
(b) Ist x ∈ X, S̃ ⊆ S und y =
Beweis.
P
e∈S̃ hx, eie,
so gilt x − y ⊥ y.
(a) Zunächst gilt für jedes ê ∈ S aufgrund der Stetigkeit des Skalarproduktes
X
hx, êi =
ha(e)e, êi = a(ê) .
e∈S
Damit folgt weiter
hx, yi =
X
X
hx, b(e)ei =
e∈S
(b) Es gilt
hx − y, yi =
hx, eib(e) =
e∈S
X
hx − y, ei =
X
X
a(e)b(e) .
(a)
hx, ei − hy, ei = 0 .
e∈S̃
e∈S̃
Lemma 6.3.5. Sei X ein Hilbertraum und S ⊆ X ein Orthonormalsystem. Dann gilt für
alle x ∈ X
(a) Sx = {e ∈ S | hx, ei =
6 0} ist höchstens abzählbar.
P
P
(b) Die Reihen e∈S |hx, ei|2 und e∈S hx, eie sind unbedingt konvergent und
X
|hx, ei|2 ≤ kxk2X
(Bessel’sche Ungleichung) .
e∈S
(c) Die folgenden Aussagen sind äquivalent
(i) x ∈ lin(S);
P
e∈S hx, eie;
P
2
(iii) kxk = e∈S |hx, ei|2 .
(ii) x =
Beweis.
(a) Sei Sxn = {e ∈ S | |hx, ei| ≥ 1/n}. Ist Sxn für alle n ∈ N endlich, so ist Sx höchstens
abzählbar. Angenommen für ein n ∈ N ist Sxn nicht endlich. Dann existieren zu jedem
M ∈ N paarweise verschiedene Vektoren e1 , . . . , eM mit |hx, ei i| ≥ 1/n für alle i =
PM
1, . . . , M . Sei yM = i=1 hx, ei iei . Nach Lemma 6.3.4(b) gilt yM ⊥ x − yM , so dass
aus dem Satz von Pythagoras folgt
kxk2X
= kx −
yM k2X
+
kyM k2X
≥
kyM k2X
=
M
X
|hx, ei i|2 ≥
i=1
M
.
n2
(6.3.1)
Für M → ∞ führt dies zum Widerspruch kxkX = ∞.
(b) Sei (en )n∈N eine Abzählung von Sx . Dann folgt für jedes M ∈ N analog zu (6.3.1)
M
X
|hx, ei i|2 ≤ kxk2X
i=1
und damit für M → ∞ die Besselsche Gleichung
sowie die unbedingte Konvergenz von
Pn
P
2
|hx,
ei|
.
Setzen
wir
zudem
x
=
hx,
e
n
i iei , so gilt mit n < m
e∈S
i=1
kxn − xm k2 =
m
X
i=n+1
64
|hx, ei i|2
n→∞
−→ 0 .
6.3. ORTHONORMAL-BASEN VON HILBERTRÄUMEN
(xn )n∈N ist also eine Cauchy-Folge und damit konvergent.
Pn
Ist (ẽn )n∈N eine weiter Abzählung von Sx und x̃n =
i=1 hx, ẽi iẽi , so setzen wir
m(n) = max{m ∈ N | {e1 , . . . , em } ⊆ {ẽ1 , . . . , ẽn }}. Dann gilt
∞
X
kxn − x̃n k2 ≤
n→∞
|hx, ei i|2 −→ 0 .
i=m(n)+1
Zwei beliebige
Abzählungen führen also zum gleichen Grenzwert, so dass die Reihe
P
Reihe e∈S hx, eie unbedingt konvergiert.
(c) (ii)⇒(i) ist offensichtlich. Sei umgekehrt x ∈ lin(S). Dann existiert eine Folge (xn )n∈N
in lin(S) mit limn→∞ kx − xn kX = 0. Für geeignete endliche Teilmengen Sn ⊆ S sei
P n
S
P
xn = e∈Sn an (e)e. Mit S̃ = n∈N Sn = {en | n ∈ N} können wir xn = K
k=1 an,k ek
n→∞
schreiben. Wegen xn −→ x gilt für jedes k ∈ N
n→∞
und damit limn→∞ an,k
an,k = hxn , ek i −→ hx, ek i =: ak
Pm
= hx, ek i. Wir setzen ym = k=1 ak ek und behaupten
X
lim ym =
hx, eie = x .
(6.3.2)
m→∞
e∈S̃
Zunächst gilt für alle n ∈ N
kx − ym kX ≤ kx − xn kX + kxn − ym kX
und damit
kx − ym kX ≤ lim sup kxn − ym kX .
n→∞
Zu beliebigem ε > 0 sei nun n0 ∈ N so gewählt, dass für alle n, l ≥ n0 gilt kxn −xl k2X ≤
PKn0
ε/4. Weiter sei n1 so gewählt, dass für alle n ≥ n1 gilt k=1
|an,k − ak |2 ≤ ε/2. Mit
m ≥ Kn0 und für n ≥ max{n0 , n1 } erhalten wir
kxn − ym k2X
=
m
X
|an,k − ak |2 +
k=1
Kn
X
|an,k |2
k=m+1
m
X
≤ ε/2 +
|an,k − ak |2 + kxn − xn0 k2X
k=Kn0 +1
≤ 3ε/4 + lim sup
l→∞
m
X
|an,k − al,k |2
k=Kn0 +1
≤ 3ε/4 + lim sup kxn − xl k2X ≤ ε .
l→∞
−P
ym k2X
≤ ε. Da ε > 0 beliebig war erhalten wir
Für m ≥ Kn0 folgt also kx
limm→∞ ym = x und damit x = e∈S̃ hx, eie. Dies impliziert insbesondere hx, ei = 0
P
für alle e ∈
/ S̃, so dass gilt x = e∈S hx, eie. Also ist auch (i)⇒(ii) gezeigt.
P
(ii)⇒(iii) folgt P
direkt aus Lemma 6.3.4(a). Gilt umgekehrt kxk2X = e∈S |hx, ei|2 so
setzen wir y = e∈S hx, eie. Mit Lemma 6.3.4(b) und dem Satz von Pythagoras folgt
kx − yk2 = kxk2 − kyk2 = 0 ,
also x = y.
65
KAPITEL 6. HILBERTRÄUME
Satz 6.3.6. Sei X ein Hilbertraum und S ⊆ X ein Orthonormalsystem. Dann sind die
folgenden Bedingungen äquivalent.
(a) S ist maximal.
(b) Gilt x ⊥ e für alle e ∈ S, so ist x = 0.
(c) lin(S) = X.
P
(d) Für alle x ∈ X gilt x = e∈S hx, eie (Fourier-Entwicklung).
P
(e) Für alle x ∈ X gilt kxk2X = e∈S |hx, ei|2 (Parseval’sche Gleichung).
Beweis. Sei S maximal und x ⊥ e für alle e ∈ S. Wäre dann nicht x = 0, so wäre
S ∪ {x/kxkX } ebenfalls ein Orthonormalsystem, im Widerspruch zur Maximalität. Also gilt
(a)⇒(b).
P
Angenommen (b) gilt und x ∈ X ist beliebig. Für y = e∈S hx, eie und jedes e ∈ S gilt
dann nach Lemma 6.3.4(a) hy, ei = hx, ei und damit x−y ⊥ e. Also ist x = y ∈ lin(X) für alle
x ∈ X, so dass (c) gilt. Die Äquivalenzen (c)⇔(d)⇔(e) folgen nun direkt aus Lemma 6.3.5,
so dass nur (c)⇒(a) zu zeigen bleibt.
Ist
P aber X = lin(S) und S̃ ⊇ S ein Orthonormalsystem, so ist für jedes ê ∈ S̃ nach (d)
ê = e∈S he, êi. Also muss ê ∈ S gelten, und somit S̃ = S.
Bemerkung 6.3.7. Sei µ das Lebesgue-Maß auf [0, 1]. Dann wird der komplexe Vektorraum
L2 (µ) mit dem Skalarprodukt
Z
hf, gi =
f g dµ
[0,1]
versehen zum Hilbertraum. Nach dem Satz von Stone-Weierstrass liegen die trigonometrischen Polynome dicht in (C 0 ([0, 1], C), k.k0 ). Da die Identität als Abbildung
(C 0 ([0, 1], C), k.k0 ) → (C 0 ([0, 1], C), k.k2 )
stetig ist, und C 0 ([0, 1], C) wiederum stetig in L2 (µ) liegt, gilt
L2 (µ) = lin {e2πnix | n ∈ Z}
(Abschluss bezüglich der L2 (µ)-Norm). Aus Satz 6.3.6 folgt dementsprechend
X
f (x) =
cn (f )e2πinx ,
n∈Z
mit cn (f ) =
R
[0,1]
f (t)e−2πint dt, im Sinne der L2 -Konvergenz.
66
Anhang A
Anhang
A.1
Das Lemma von Zorn
Um den schon erwähnten Satz von Tychonoff zu beweisen, der besagt, daß beliebige Produkte kompakter topologischer Räume wieder kompakt sind, benötigen wir zunächst ein
wichtiges Hilfsmittel aus der Mengenlehre, das sogenannte Das Lemma von Zorn. Um dieses
zu formulieren, müssen erst noch einige Begriffe erklärt werden.
Definition A.1.1 (Teilweise Ordnung, Ketten).
• Eine Relation ≤ auf einer Menge M
(s. Def. 1.7.1) heißt teilweise Ordnung, falls gilt
(O1) x ≤ x
(Reflexivität)
(O2) x ≤ y und y ≤ x ⇒ x = y
(Antisymmetrie)
(O3) x ≤ y und y ≤ z ⇒ x ≤ z
(Transitivität)
• Man schreibt x < y falls gilt x ≤ y und x 6= y.
• Ist x ∈ M und A ⊆ M , so schreibt man x ≤ A falls gilt x ≤ y ∀y ∈ A. A heißt dann
(durch x) nach unten beschränkt. Analog ist x ≥ A und Beschränktheit nach oben
erklärt.
• Ein Element x ∈ M heißt minimal, falls es kein y ∈ M mit y < x gibt, maximal
falls es kein y ∈ M mit x < y gibt.
• Eine streng geordnete Menge oder Kette K ist eine teilweise geordnete Menge, in der
zusätzlich für beliebige x, y ∈ K stets entweder x ≤ y oder y ≤ x gilt, in der also
beliebige Elemente immer miteinander vergleichbar sind.
• Eine Kette K heißt nach unten (bzw. oben) wohlgeordnet, falls jede nichtleere Teilmenge ein minimales (bzw. maximales) Element besitzt.
• Schließlich heißt M nach unten (bzw. oben) induktiv geordnet, falls jede Kette K ⊆
M nach unten (bzw. oben) beschränkt ist.
Bemerkung A.1.2. Bekannte Beispiele für Ketten sind N,Z,Q und R. Davon ist allerdings
nur N auch wohlgeordnet.
Satz A.1.3 (Lemma von Zorn). Ist M nach unten (bzw. oben) induktiv geordnet, so gibt es
in M ein minimales (bzw. maximales) Element.
67
ANHANG A. ANHANG
Beweis. Wir beweisen den Fall, daß Ketten nach oben beschränkt sind, der umgekehrte
Fall läuft völlig analog bzw. kann über Symmetrie auf diesen zurückgeführt werden. Angenommen es existiert in M kein maximales Element. Dann läßt sich (mit Hilfe des Auswahlaxioms) eine Abbildung m angeben, die jeder Kette K ⊆ M ein echt größeres Element
m(K) zuordnet.
Ist K eine Kette und x ∈ K, so sei Kx := {y ∈ K | y < x} der Abschnitt bis x
von K. Eine Kette soll dann ausgezeichnet heißen, falls sie wohlgeordnet ist und stets x =
m(Kx ) gilt. Solche ausgezeichneten Ketten müssen immer gleich beginnen, nämlich mit
m1 = m(∅) gefolgt von m2 = m({m1 }) und m3 = m({m1 , m2 }) . . . . Sie müssen allerdings
nicht unbedingt abzählbar sein, was bedingt daß die folgende Behauptung nicht einfach per
Induktion folgt:
Beh.: Sind K und L ausgezeichnete Ketten, so gilt K = L oder Kx = L für ein x ∈ K oder
K = Lx für ein x ∈ L.
Angenommen, die ersten beiden Möglichkeiten treffen nicht ein, es ist also weder K = L
noch Kx = L für ein x ∈ K. Dann bleiben zwei Fälle:
Fall I: Es gibt ein x ∈ K für das nicht zugleich x ∈ L und Kx = Lx gilt.
Dies führt zwangsläufig zum Widerspruch: Sei x mit dieser Eigenschaft minimal gewählt.
Alle kleineren Elemente aus K sind noch in L enthalten, also gilt Kx ⊆ L. Zudem ist nach
Annahme Kx 6= L. Sei z minimales Element von L \ Kx . Dann folgt Kx < z, sonst wäre
z < y für ein y ∈ Kx und wegen Ly = Ky ⊆ Kx damit z ∈ Kx . Aufgrund der Definition von
x und z gilt damit aber Kx = Lz , was zum Widerspruch x = m(Kx ) = m(Lz ) = z führt.
Fall II: Für alle x ∈ K gilt x ∈ L und Kx = Lx .
Dann folgt sofort K ⊆ L und zudem gibt es ein minimales Element z ∈ L \ K. Einerseits
gilt nun Lz ⊆ K, denn alle Elemente aus L die kleiner sind als z sind in K enthalten. Wäre
umgekehrt aber K * Lz , so gäbe es ein y ∈ K \ Lz und wegen Ky = Ly müßte auch z in K
enthalten sein, im Widerspruch zur Wahl von z. Es folgt K = Lz , also trifft die dritte der
in der Behauptung angegebenen Möglichkeiten zu.
Nun folgt leicht, daß die Vereinigung L aller ausgezeichneten Ketten wieder eine ausgezeichnete Kette ist: Ist x ∈ L, so gilt x ∈ K für eine ausgezeichnete Kette K. Aufgrund der
Behauptung gilt für jede weitere ausgezeichnete Kette L entweder Lx ⊂ Kx oder Lx = Kx ,
und damit Lx = Kx und m(Lx ) = m(Kx ) = x. Ist zudem A ⊆ L und x ∈ M , so kann man
sich bei der Suche nach einem minimalen Element aus dem gleichen Grund auf Ax ⊆ Kx
einschränken.
Ist nun aber L eine ausgezeichnete Kette, so auch L ∪ {m(L)}, was wegen m(L) ∈
/ L zum
Widerspruch führt.
A.2
Der Satz von Tychonoff
Zunächst beweisen wir den folgenden Zusammenhang zwischen den Überdeckungseigenschaften einer Subbasis und der Kompaktheit des Raumes:
Satz A.2.1 (Satz von Alexander). Ein topologischer Raum (X, O) ist genau dann kompakt,
wenn es eine Subbasis S der Topologie mit der Eigenschaft gibt, daß jede Überdeckung von
X mit Mengen aus S eine endliche Teilüberdeckung besitzt.
Beweis.
Die Richtung ⇒ ist trivial, da die Topologie selbst eine Subbasis darstellt. Um die Umkeh68
A.2. DER SATZ VON TYCHONOFF
rung zu zeigen, wählen wir eine Subbasis S mit der angegebenen Eigenschaft und führen
die Annahme einer offenen Überdeckung U = (Ui )i∈I , die keine endliche Teilüberdeckung
besitzt, zum Widerspruch.
Schritt I: Übergehen zu einer U enthaltenden “maximalen” offenen Überdeckung M.
Sei Σ die Menge aller offenen Überdeckungen Ũ von X, welche die beiden Eigenschaften
(i) U ⊆ Ũ
(ii) Ũ enthält keine endliche Teilüberdeckung
besitzen. Die Inklusion
⊆ definiert eine teilweise Ordnung auf Σ und jede Kette K in Σ
S
ist durch CK := Ũ ∈K Ũ nach oben beschränkt. (Beachte, daß CK keine endliche Teilüberdeckung von X enthalten kann, da diese dann schon in einem Ũ ∈ K enthalten sein müßte.
Also ist CK in Σ.) Nach dem Lemma von Zorn gibt es daher ein maximales Element M aus
Σ. Dies bedeutet, daß M selber zwar keine endliche Teilüberdeckung von X enthält, jede
echte Vergrößerung von M aber schon.
Schritt II: M muß, im Widerspruch zur Konstruktion, eine endliche Teilüberdeckung enthalten.
Sei xT∈ X beliebig und x ∈ M ∈ M. Da M offen ist, gibt es Mengen S1 , . . . , Sn ∈ S mit
n
x ∈ i=1 Si ⊆ M . Es muß nun wenigstens eine der Mengen Si in M enthalten sein. Sonst
gäbe es aufgrund der Maximalität von M in
Snjeder der offenen Überdeckungen M ∪ {Si } ein
endliche Teilüberdeckung Mi ∪ {Si }, und i=1 Mi ∪ M wäre dann eine endliche Teilüberdeckung in M. Da x beliebig war gilt also
∀x ∈ X ∃S ∈ S ∩ M : x ∈ S ,
woraus folgt, daß S ∩ M ebenfalls eine offene Überdeckung von X darstellt. Da diese allerdings nur aus Mengen der Subbasis besteht enthält eine endliche Teilüberdeckung, die
dann natürlich auch eine endliche Teilüberdeckung für M darstellt, im Widerspruch zur
Konstruktion von M in Schritt I.
Nun haben wir alle nötigen Werkzeuge zum Beweis des Satzes von Tychonoff beisammen.
Satz A.2.2 (Satz von Tychonoff). Beliebige Produkte kompakter topologischer Räume sind
kompakt.
Beweis.
Aufgrund des vorhergehenden Satzes bleibt nur noch zu zeigen, daß die kanonische Basis
S derN
Produkttopologie die geforderte Eigenschaft hat, also jede offene Überdeckung von
X = λ∈Λ Xλ mit Mengen aus S eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Wir nehmen an,
das dies für die Überdeckung (Ui )i∈I (Ui ∈ S) nicht gilt und wollen dies zum Widerspruch
führen.
Zu diesem Zweck betrachten wir Streifen der Form πλ−1 (xλ ) (λ ∈ Λ, xλ ∈ Xλ ). Als erstes
sei bemerkt, daß ein solcher Streifen entweder schon von einer Menge
Ui , oder aber nur von
S
unendlich vielen überdeckt werden kann. Ist nämlich πλ−1 (xλ ) in ni=1 Ui , aber zugleich nicht
schon in einer der Mengen Ui enthalten, so kann keine der Mengen Ui Rückwärtsprojektion
einer Menge aus Xλ sein (solche Mengen überdecken πλ−1 (xλ ) entweder ganz oder sind
disjunkt dazu). Damit wäre aber durch U1 , . . . , Un schon eine endliche Teilüberdeckung von
X gegeben:
Sei yS∈ X beliebig und x definiert durch πγ (x) = πγ (y) falls γ 6= λ und πλ (x) = xλ . Wegen
x ∈ ni=1 Ui gibt es ein i ∈ {1, . . . , n} mit x ∈ Ui . Weil Ui aber Rückwärtsprojektion aus
69
ANHANG A. ANHANG
einer anderen Koordinate als λ ist und x und y in allen diesen
Sn Koordinaten übereinstimmen
folgt daraus auch y ∈ Ui . Da y beliebig war bedeutet dies i=1 Ui = X.
Nun sei angenommen, daß es zu jedem λ ∈ Λ wenigstens ein xλ ∈ Xλ gibt, so daß der Streifen
πλ−1 (xλ ) nicht von endlich vielen Ui überdeckt wird. Ist dann x gegeben durch πλ (x) = xλ ,
so muß x wenigstens in einer Menge Ui enthalten sein. Ist Ui = πγ−1 (Gγ ), so ist im Gegensatz
zur Annahme aber für λ = γ der Streifen πλ−1 (xλ ) doch schon ganz in der einen Menge Ui
enthalten.
Damit bleibt schließlich nur noch die Möglichkeit, daß es zumindest einen Index λ ∈ Λ gibt,
für den gilt
∀xλ ∈ Xλ ∃i(xλ ) ∈ I : πλ−1 (xλ ) ⊆ Ui(xλ ) .
Damit müssen diese Mengen der Überdeckung aber alle von der Form Ui(xλ ) = πλ−1 (G(xλ ))
sein, wobei die Mengen G(xλ ) ⊆ Xλ eine offene Überdeckung von Xλ darstellen. Da Xλ
kompakt ist existiert eine endliche Teilüberdeckung, und die entsprechenden Rückwärtsprojektionen bilden dann wiederum eine endliche Überdeckung von X. Also führt schließlich
auch dies zum Widerspruch und die Aussage ist bewiesen.
70
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