GRUNDLAGEN DER WAHRSCHEINLICHKEITSRECHNUNG 1. Erste Definitionen und Beispiele Definition: Einen Vorgang mit einem nicht voraussagbaren Ausgang bezeichnet man als Zufallsexperiment. Die (für uns) möglichen/ interessanten Ergebnisse eines Zufallsexperiments nennen wir Elementarereignisse. Die Menge der Elementarereignisse wird mit Ω bezeichnet und heißt Ereignis- oder Ergebnismenge oder auch Ereignis- oder Ergebnisraum. Wahrscheinlichkeiten sind dann Kennzahlen P (ω), die den Elementarereignissen ω ∈ Ω zugeordenet werden, um ihre Eintrittsmöglichkeiten beschreibbar und vergleichbar zu machen, d.h. Wahrscheinlichkeit kann hier verstanden werden als Abbildung P : Ω → R, ω 7→ P (ω). Definition: Ein zufälliges Ereignis E ist eine Teilmenge der Menge Ω aller Elementarereignisse bei einem Zufallsexperiment. Wir sagen, dass das Ereignis E genau dann eintritt, wenn ein ω ∈ Ω eintritt, das in E liegt. Besteht nun Ω = {ω1 , . . . , ωN } aus N Elementarereignissen, d.h. hat das betrachtete Zufallsexperiment nur eine endliche Anzahl N an möglichen Ausgängen, und sind diese alle gleichwahrscheinlich, so ordnen wir jedem ωi die Wahrscheinlichkeit P (ωi ) = N1 zu und die Wahrscheinlichkeit einer beliebigen Teilmenge E ⊂ Ω ist dann gegeben durch P (E) = X ω∈E P (ω) = X 1 |E| |E| Anzahl günstiger Ergebnisse“ = = =” N N |Ω| Anzahl aller Ergebnisse“ ω∈E ” In diesem Fall spricht man von einer Laplace-Wahrscheinlichkeit oder einem Laplace-Experiment. Empirisches Gesetz der großen Zahlen: Wiederholt man ein Zufallsexperiment hinreichend oft unter gleichen Voraussetzungen, so nähert sich bei wachsender Anzahl N der Wiederholungen die relative Häufigkeit hN (E) eines Ereignisses E einem konstanten Wert Pstat (E) an. Diesen Wert nennt man statistische/theoretische Wahrscheinlichkeit von E, d.h. es gilt Pstat (E) ≈ hN (E) für großes N . Sind E und F Ereignisse, d.h. Teilmengen von Ω, so kann man aus ihnen weitere Ereignisse erhalten, z.B: • die Vereinigung E ∪ F = {ω ∈ Ω | ω ∈ E oder ω ∈ F } • den Durchschnitt E ∩ F = {ω ∈ Ω | ω ∈ E und ω ∈ F } • das Komplement E c = Ω \ E = {ω ∈ Ω | ω ∈ / E} E∪F entweder E oder F Das Ereignis tritt also genau dann ein, wenn E∩F sowohl E als auch F eintritt. Eigenschaften der Laplace-Wahrscheinlicheit: Sind E und F Ereignisse bei einem Laplace-Experiment, so folgt direkt aus der obigen Definition der LaplaceWahrscheinlichkeit: • Nichtnegativität: P (E) ≥ 0 für jedes Ereignis E ⊂ Ω. • Normiertheit: P (Ω) = 1. • Additivität: Sind E und F disjunkte Ereignisse, d.h. E ∩ F = ∅, so ist P (E ∪ F ) = P (E) + P (F ). Insbesondere ist also P (E ∪ F ) ≥ P (E) und P (E ∪ F ) ≥ P (F ). Bemerkung: Ganz allgemein definiert eine Zuordnung P : Ω → R, bzw. genauer P : P(Ω) → R für die Potenzmenge P(Ω), d.h. die Menge aller Teilmengen von Ω, mit solchen Eigenschaften eine formale Wahrscheinlichkeit. Wir gehen hier aber stillschweigend davon aus, dass Wahrscheinlichkeiten für Ereignisse E ⊂ Ω P stets durch die obige Formel P (E) = ω∈E P (ω) (wohl-) definiert sind und die Wahrscheinlichkeiten der Elementarereignisse gegeben oder unmittelbar einsichtig sind. Insbesondere folgt aus diesen Eigenschaften: Sn • Sind E1 ,P . . . , En paarweise disjunkte Ereignisse und E = i=1 Ei , so ist n P (E) = i=1 P (Ei ). • Es gilt P (E c ) = 1 − P (E) für jedes Ereignis E ⊂ Ω und Komplement E c = Ω \ E. Insbesondere ist P (∅) = P (Ωc ) = 0. • Für beliebige Ereignisse E und F gilt P (E ∪ F ) = P (E) + P (F ) − P (E ∩ F ). 2. Bedingte Wahrscheinlichkeiten Definition: Ist F ⊂ Ω ein zufälliges Ereignis mit P (F ) > 0, so ist die bedingte Wahrscheinlichkeit eines beliebigen Ereignisses E unter der Bedingung F gegeben durch P (E ∩ F ) P (E|F ) = . P (F ) Zwei Ereignisse E und F nennt man unabhängig, falls P (E ∩ F ) = P (E) · P (F ) gilt, ansonsten nennt man die Ereignisse abhängig. Bemerkung: (i) Sind E und F unabhängig, so gilt P (E|F ) = P (E) · P (F ) P (E ∩ F ) = = P (E) P (F ) P (F ) und analog P (F |E) = P (F ). (ii) Schließen sich E und F gegenseitig aus, d.h. gilt E ∩ F = ∅, so sind E und F abhängig, falls P (E) > 0 und P (F ) > 0 gilt. (iii) Im Laplace-Modell ist P (E|F ) = |E ∩ F | . |F | Sn Sind F1 , . . . , Fn paarweise disjunkte Mengen mit Ω = i=1 Fi , so spricht Sn man von einer Zerlegung. Jedes Ereignis E kann dann zerlegt werden in E = i=1 Ei mit Ei = E ∩ Fi . Da die Ei dann ebenfalls paarweise disjunkt sind, folgt aus der Additivität der Wahrscheinlichkeit n n n [ X X P (E) = P ( Ei ) = P (Ei ) = P (E ∩ Fi ). i=1 i=1 i=1 P (E∩Fi ) P (Fi ) bzw. P (E ∩ Fi ) = P (E|Fi ) · P (Fi ) folgt dann direkt der Aus P (E|Fi ) = Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit. Satz (von der totalen Wahrscheinlichkeit): Es sei Ω = und es sei P (Fi ) > 0. Dann gilt für jedes Ereignis E P (E) = n X Sn i=1 Fi eine Zerlegung P (E|Fi ) · P (Fi ). i=1 Bemerkung: Setzt man hier P (E|Fi ) = 0, falls P (Fi ) = 0, so kann man im Satz die Voraussetzung P (Fi ) > 0 weglassen. Satz (von Bayes): Unter den obigen Voraussetzungen gilt P (F |E) = P (E|F ) · P (F ) tot. P (E|F ) · P (F ) = Pn . Wkt. P (E) i=1 P (E|Fi ) · P (Fi ) Bemerkung: Da Ω = F ∪ F C immer eine Zerlegung darstellt gilt daher insbesondere P (E|F ) · P (F ) P (F |E) = . P (E|F ) · P (F ) + P (E|F c ) · P (F c )