Vorlesung Internationale Wirtschaftsbeziehungen Reale Außenwirtschaft 1 • Literaturgrundlage: Krugman, P, Obstfeld, M.: International Economics, Theory and Policy, Addison Wesley 5th ed., 2000 • Ergänzungen: http://occ.awlonline.com/bookbind/pubbooks/krugman_awl/ • Lecture Notes und Folien als Kopiervorlage und Download • Ergänzende Literatur wird im Proseminar behandelt 2 Teil 1: Reale Außenwirtschaft 1. Einführung (empirischer Fokus) 2. Arbeitsproduktivität u. komparativer Vorteil (2) 3. Das verallgemeinerte Ricardo-Modell (specificfactors Modell, 3) 4. Das Heckscher-Ohlin-Modell (4) 5. Das Standardmodell der realen Außenhandelstheorie 6. Die Neue Außenhandelstheorie (6) 7. Theoretische Grundlagen der Handelspolitik (8,9) 3 Die unvermeidlichen Tips zur Vorbereitung: • Soviel Anwesenheit wie möglich • Fragen sofort stellen, auch wenn sie den Stoff aus dem 1. Abschnitt betreffen • Ein bisschen nacharbeiten • In der Gruppe lernen • Das Buch von Krugman/Obstfeld lesen • Regelmäßig den Wirtschaftsteil der Tageszeitung lesen, oder noch besser: Economist, Financial Times, Handelsblatt, Wirtschaftsteil der Zeit, etc. 4 Warum reale Außenwirtschaft I? • Einschätzung langfristiger Entwicklungen und informierte wirtschaftspolitische Diskussion auf konsistenter, theoretischer Basis. • Wettbewerbsfähigkeit Österreichs; EU vs. USA • Qualität Österreichs als Wirtschaftsstandort • EU-Integration: Konzentration der Industrieproduktion im ‚Core‘ oder Konvergenz der Strukturen? • Zunehmende Direktinvestitionen: Produktionsverlagerung durch multinationale Unternehmen ? • Internationale Fragmentierung der Wertschöpfung: Effekte für den österreichischen Arbeitsmarkt? 5 Warum reale Außenwirtschaft II? • EU-Osterweiterung: Gewinner und Verlierer? • Außenhandel, Lohndifferentiale u. Arbeitslosigkeit: ‚Are our wages set in Beijing?‘ • Migration: Drückt Immigration von Menschen aus Niedriglohnländern den Lohnsatz oder erhöht sie die Arbeitslosigkeit? • Weltweite Handelsliberalisierung (WTO) - Was bringt DOHA? • Was ist die Ursache weltweit stark steigenden Handelsvolumens? 6 Grafik 1-1: Die Export- und Importquote Österreichs im internationalen Vergleich 40.0 35.0 30.0 25.0 20.0 15.0 10.0 5.0 0.0 1953 1956 1959 1962 1965 1968 Ö-Exportquote 1971 1974 1977 Ö-Importquote 1980 1983 1986 1989 ØExportquote EU 1992 1995 ØImportquote EU 1998 2001 7 Grafik 1-2a: Länderstruktur der österreichischen Exporte 1990=100 390.0 360.0 330.0 300.0 270.0 240.0 210.0 180.0 150.0 120.0 90.0 1990 1991 1992 1993 1994 EU15 1995 Oststaaten 1996 1997 Rest 1998 Welt 1999 2000 2001 8 Grafik 1-2b: Länderstruktur der österreichischen Importe 1990=100 390.0 360.0 330.0 300.0 270.0 240.0 210.0 180.0 150.0 120.0 90.0 1990 1991 1992 1993 1994 EU15 1995 1996 Oststaaten 1997 Rest 1998 1999 2000 Welt 2001 9 Grafik 1-3a: Warenhandelsbilanz mit der EU 1990 u. 2001, Exporte in % der Importe Be- und Verarbeitung von Holz Herstellung von Nachrichtengeräten Herstellung und Verarb, von Papier Metallerzeugung, -bearbeitung Herstellung von Textilien Herstellung, Bearb. von Glas Herstellung von Metallerzeugnissen Sonstiger Fahrzeugbau Herstellung von Elektrizitätsger. Herstellung von Kunststoffwaren Maschinenbau Ledererzeugung, -verarbeitung Herstellung von Kraftwagen Medizintechnik, Optik Herstellung von Nahrungsmitteln Herstellung von Chemikalien Herstellung von Möbeln u.a Herstellung von Bekleidung Herstellung von Büromaschinen Verlagswesen, Druckerei Tabakverarbeitung Mineralölverarbeitung, Kokerei Insgesamt 1990 2001 0.0 50.0 100.0 150.0 200.0 250.0 300.0 350.0 10 400.0 Grafik 1-3b: Warenhandelsbilanz mit Nicht- EU Ländern 1990 u. 2001, Exporte in % der Importe Herstellung, Bearb. von Glas Tabakverarbeitung Herstellung von Metallerzeugnissen Herstellung und Verarb, von Papier Maschinenbau Herstellung von Kunststoffwaren Metallerzeugung, -bearbeitung Be- und Verarbeitung von Holz Herstellung von Möbeln u.a Herstellung von Elektrizitätsger. Verlagswesen, Druckerei Herstellung von Chemikalien Herstellung von Textilien Ledererzeugung, -verarbeitung Medizintechnik, Optik Herstellung von Nahrungsmitteln Herstellung von Kraftwagen Sonstiger Fahrzeugbau Herstellung von Bekleidung Herstellung von Nachrichtengeräten Herstellung von Büromaschinen Mineralölverarbeitung, Kokerei Insgesamt 1990 1999 0.0 100.0 200.0 300.0 400.0 500.0 600.0 700.0 800.0 900.0 1000.0 11 Tabelle 1-4: Grubel-Loyed Index des intraindustriellen Handels USA 1993 Inorganic Chemicals Power-generating machinery Electrical machinery Organic Chemicals Medical and pharmaceutical Office machinery Telecommunications equipment Road vehicles Iron and steel Clothing and apparel Footwear K.O. , Table 6.3 p. 139 Exports− Imports Grubel-Loyed Index : 1 − 0.99 0.97 0.96 0.91 0.86 0.81 0.69 0.65 0.43 0.27 0.00 Exports+ Imports 12 Tabelle 1-5: Österreichische Neuinvestitionen (netto) im Ausland nach ausgewählten Ländergruppen und Ländern (Mio. €) 1995 Welt EU NAFTA MOEL-10 Übrige Welt 1996 828 312 109 388 19 1,488 487 46 373 582 1997 1998 1999 1. Halbjahr 2001 2000 1,762 817 45 785 115 2,469 1,338 39 806 286 3,098 1,013 174 732 1,179 3,642 646 284 2,161 551 1,649 -630 45 1,246 989 164 223 242 34 -1 47 48 155 3 81 247 189 127 7 2 62 121 535 4 92 224 60 175 157 345 36 54 222 166 131 901 437 315 260 249 192 179 136 122 120 70 214 107 17 -24 80 559 1 , 78 Wichtigste Investitionsländer (gereiht nach dem Jahr 2000) Tschechien Ungarn Polen USA Schweden Rumänien Slowakei Großbritannien Australien Kroatien 52 197 56 92 16 1 41 28 2 11 51 178 31 42 -19 0 56 9 5 26 13 Tabelle 1-6: Länderstruktur der Direktinvestitionsbestände Österreichs im Ausland 1999 Österreichische Direktinvestoren1 Anzahl Tochterfirmen im Ausland Beschäftigte 1.000 Personen Gesamtforderungen Mrd. € Marktwert Deutschland Großbritannien Ungarn USA Tschechien Schweiz. Liechtenstein Niederlande Karibische Staaten2 Schweden Polen Restliche Länder 251 62 311 68 214 127 34 8 14 84 678 314 68 379 72 249 130 34 9 14 105 721 33.7 2.0 49.3 7.9 32.9 2.6 0.4 0.0 0.3 14.5 55.6 2.7 1.7 1.7 1.5 1.3 1.1 0.9 0.9 0.8 0.6 6.0 2.3 1.9 1.9 0.9 0.7 0.7 1.0 1.4 0.2 0.8 5.5 Insgesamt EU 902 2,095 646 199.2 50.4 19.0 8.5 17.3 7.5 1 Mehrfachzählungen möglich; daher Ländersumme ungleich „Insgesamt“. 2 Niederländische Antillen, Barbados, Bermuda, Jamaika, St. Kitts & Nevis, Kaimaninseln, Montserrat, Britische Jungferninseln. Quelle: OeNB, Außenwirtschaftsjahrbuch 2001 14 Fragestellungen: • Längerfristige Perspektive, reale Phänomene • Bestimmungsgründe und strukturelle Auswirkungen des Außenhandels (Industrie- und Handelsstruktur). • Wohlfahrts- und Verteilungswirkungen zunehmender Handels- und Direktinvestitionstätigkeit sowie der Migration. • Effekte von Protektion und handelspolitischen Maßnahmen. • Monetäre Phänomene (Zahlungsbilanz, Wechselkursentwicklung, etc.) bleiben ausgeklammert. 15 Charakteristik: • Wirtschaftsbeziehungen zwischen souveränen Staaten. • Mobilität der Produktionsfaktoren innerhalb eines Landes zwischen Sektoren, aber zunächst nicht zwischen Ländern. • Unterschiede zu Wirtschaftstransaktionen innerhalb eines Landes: - Handelsbilanzbeschränkungen - Zölle - Quoten - Wechselkursschwankungen - Beschränkung der Faktorwanderung 16 2. Arbeitsproduktivität u. komparativer Vorteil • Länder profitieren durch Spezialisierung auf jene Produkte bei denen sie die relative beste Performance aufweisen. • Die Opportunitätskosten von ‚Winterrosen‘ in Einheiten von ‚Computern‘ ist die Anzahl der Computer, die mit den Ressourcen produziert werden könnten, welche zur Produktion einer bestimmten Anzahl von Winterrosen gebraucht werden. 17 Tabelle 2-1: Ein Beispiel für die Gewinne aus dem Außenhandel USA Südafrika Gesamt Mill. Winterrosen -10 +10 0 Tausend Computer +100 -30 70 18 • Die Opportunitätskosten entsprechen dem absoluten Wert der Steigung der Transformationsfunktion (=Grenzrate der Transformation). • Ein Land hat einen komparativen Vorteil in der Produktion eines Gutes, wenn die Opportunitätskosten (gemessen in Einheiten eines anderen Gutes) geringer sind als in anderen Ländern. • Außenhandel kann die Wohlfahrt beider Handelspartner steigern, wenn diese jeweils die Güter exportieren, bei denen sie einen komparativen Vorteil haben. 19 Ricardo-Modell • 2 Länder: Inland, Ausland (*) • 2 Güter: Käse (QC ,Q*C), Wein (QW ,Q*W) • 1 Produktionsfaktor, Arbeit in h: L, L* • Konstante Arbeitsintensitäten: aLC, aLW, a*LC, a*LW mit der Annahme aLC/aLW < a*LC/a*LW (komp. Vorteil des Inlands bei Käse) • Lohnsatz: w, w* • Preise: PC , PW • kompetitive Produkt- und Faktormärkte • gleiche Präferenzen der Konsumenten im In- und Ausland 20 Fig. 2-1: Die Produktionsmöglichkeitenmenge bzw. die Transformationsfunktion des Inlands 21 Fig. 2-3: Das relative Angebot und die relative Nachfrage am 'Weltmarkt' 22 Fig. 2-4: Die Vorteile des Außenhandels im Ricardo-Modell 23 Tabelle 2-1: Ein numerisches Beispiel für das Ricardo-Modell Inland L = 120 Ausland a LC = 1 h pro kg a LW = 2 h pro l a *LC = 6 h pro kg * a LW = 3 h pro l L / a LC = 120 * L* / a LC = 30 L / aLW = 60 * L* / aLW = 60 a LC / a LW = 1 / 2 a *LC / a *LW = 2 1 1/2 PC = wa LC = 1 1 2 * PC* = w*a LC =6 Absoluter Preis von Käse: PW = wa LW PW = waLW = 2 PW* = w*a *LW = 3 Reallohnsatz in Käseeinheiten: w / Pc = 1 / a LC 1 1/6 Reallohnsatz in Weineinheiten: w / PW = 1 / a LW 1/2 1/3 Arbeitsausstattung Arbeitsintensitäten Käse Wein Max. Produktion Käse Max. Produktion Wein Opportunitätskosten von Käse Autarkie Angenommener Nominallohnsatz: Relativer Preis von Käse in Weineinheiten: PC/PW Absoluter Preis von Käse: PC = wa LC L* = 180 Anmerkung: Alle Formeln in der 1. Spalte beziehen sich auf das Inland, die entsprechenden Formeln für das Ausland ergeben sich analog. 24 Tabelle 2-1 Fortsetzung: Internationales Gleichgewicht Angenommener relativer Preis von Weineinheiten: PC/PW, Terms of Trade Nominallohnsatz: Käse Inland in 1 1 (angenommen) Ausland 1 1= wa LC ⇒ * w*a LW Grenzkosten von Käse: wa LC 1 w* = w / 3 = 1 / 3 [2] a) Grenzkosten Preis von Wein: wa LW [2] a) 1 Reallohnsatz in Käseeinheiten: w / Pc = 1 / aLC 1 1/3 >1/6 1 > 1/2 1/3 Reallohnsatz in Weineinheiten: w / PW = (1 / a LC )(PC / PW ) Käseproduktion 120 0 Weinproduktion 0 60 Anmerkung: Alle Formeln in der 1. Spalte beziehen sich auf das Inland, die entsprechenden Formeln für das Ausland ergeben sich analog. a) Das Inland wird sich vollständig auf Käse, das Ausland auf Wein spezialisieren, daher sind diese Größen im internationalen Außenhandelsgleichgewicht nicht relevant. 25 Aus dem Beispiel folgt nicht: • Freier Güterhandel ist für ein Land nur dann vorteilhaft, wenn es wettbewerbsfähig ist und sich dem Wettbewerb am Weltmarkt stellen kann. • Internationaler Wettbewerb (import competition) schadet, wenn dieser auf niedrigen Löhnen von Importkonkurrenten mit niedrigerer Produktivität basiert. • Durch Außenhandel werden jene Länder schlechter gestellt und ausgebeutet, die ein sehr niedriges Lohnniveau haben. 26 Verallgemeinerung: • n-Güter • aLi * /aLi, i=1,...,n, Reihung nach der Größe • Spezialisierung: Inland: w/w* ≤ aLi*/aLi Ausland: w/w* ≥ aLi*/aLi • Bestimmung des relativen Lohnssatzes durch den Ausgleich von relativer Arbeitsnachfrage (abgeleitet aus der Güternachfrage) und dem relativem Angebot. 27 Fig. 2-5 Das Ricardo-Modell mit n Gütern 28 Transportkosten: Vollständige Spezialisierung ist eine extreme Implikation. Was spricht dagegen? • Es wird nur ein Produktionsfaktor betrachtet. • In manchen Ländern werden Industrien vor Importkonkurrenz geschützt. • Manchmal sind die Transportkosten so hoch, daß sich der Import für ein Land trotz komparativer Vorteile des Handelspartners nicht rechnet. Im extremen Fall ist ein Gut nicht handelbar und wird zur Gänze im Inland hergestellt. 29 • Annahme: Transportkosten von 100%. • Arbeitsintensitäten Inland Ausland Äpfel 1 10 Bananen 5 40 Caviar 3 12 Dates 6 12 Enchiladas 12 9 a * LI /a LI 10 8 4 2 0.75 • Bei einem rel. Gleichgewichtslohn von w/w*=3: Import von 1 kg Datteln kostet dem Inland 4=12/3 h. Bei 100%-Transportkosten: 8h > 4h Import von 1 E. Kaviar kostet dem Ausland 9=3*3h. Bei 100%-Transportkosten: 18h > 12h • Fazit: Datteln und Kaviar werden bei 100%-Transportkosten zu nicht-handelbaren Gütern. 30 Empirische Evidenz: • Starke Vereinfachungen, die empirisch nicht halten. • Die Hauptaussage, wonach ein Land jene Güter exportiert bei dem es die relative größte Produktivität hat, findet empirische Unterstützung (Ballassa, 1963). • Internationale Vergleiche zeigen, daß sich höhere Produktivität auch in höheren Löhnen niederschlägt. 31